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ID1107810300

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    Plenarprotokoll 11/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) (Drucksache 11/ 2237) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 11/280) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Drucksache 11/1623) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinseme Vorschriften für die Sozialversicherung — (Drucksache 11/2221) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz) (Drucksache 11/1790 [neu]) Dr. Blüm CDU/CSU 5273 D Dreßler SPD 5281 A Dr. Blüm CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 5287 C Dreßler SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 5288 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 5288 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5292 D Günther CDU/CSU 5296 B Egert SPD 5299 B Seehofer CDU/CSU 5303 B Frau Unruh GRÜNE 5306B, 5324 A Dr. Thomae FDP 5308 A Heyenn SPD 5309 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5311D Dr. Knies, Minister des Landes Niedersachsen, Beauftragter des Bundesrates . . . 5314 C Jaunich SPD 5316A Wüppesahl fraktionslos 5318D Zink CDU/CSU 5320 B Haack (Extertal) SPD 5321 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5324 B Nächste Sitzung 5325 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5327* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5327* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5273 78. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1988 Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein * 6. 5. Dr. Ahrens * 6. 5. Dr. Bangemann 6. 5. Frau Beck-Oberdorf 6. 5. Becker (Nienberge) 6. 5. Frau Blunck * 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) * 6. 5. Bühler (Bruchsal) * 6. 5. Catenhusen 6. 5. Frau Conrad 6. 5. Daweke 6. 5. Dr. Dregger 6. 5. Frau Fischer * 6. 5. Frau Flinner 6. 5. Gallus 6. 5. Gattermann 6. 5. Frau Geiger 6. 5. Geis 6. 5. Dr. Geißler 6. 5. Dr Götz 6. 5. Dr. Hauff 6. 5. Dr. Haussmann 6. 5. Frhr. Heeremann von Zuydtwyck 6. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Dr. Hitschler * 6. 5. Ibrügger 6. 5. Jansen 6. 5. Jungmann 6. 5. Klein (Dieburg) 6. 5. Klein (München) 6. 5. Dr. Klejdzinski 6. 5. Leidinger 6. 5. Lemmrich * 6. 5. Link (Diepholz) 6. 5. Frau Luuk * 6. 5. Meyer 6. 5. Dr. Müller * 6. 5. Dr. Neuling 6. 5. Niegel * 6. 5. Frau Pack * 6. 5. Pfeifer 6. 5. Dr. Probst 6. 5. Reddemann * 6. 5. Regenspurger 6. 5. Reuschenbach 6. 5. Dr. Riedl (München) 6. 5. Ronneburger 6. 5. Roth (Gießen) 6. 5. Frau Rust 6. 5. Dr. Scheer * 6. 5. Scheu 6. 5. Schmidt (München) * 6. 5. von Schmude * 6. 5. Dr. Schneider (Nürnberg) 6. 5. Schreiner 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Frau Simonis 6. 5. Steiner * 6. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Uelhoff 6. 5. Dr. Unland * 6. 5. Dr. von Wartenberg 6. 5. Wimmer (Neuss) 6. 5. Wissmann 6. 5. Würtz 6. 5. Zierer * 6. 5. Dr. Zimmermann 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1988 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zu der Änderung vom 16, Oktober 1985 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT-Übereinkommen) Gesetz zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 10/5012 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/841 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2089 Nr. 3-8 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.35 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/929 Nr. 2.28 Drucksache 11/1107 Nr. 2.11 Drucksache 11/1707 Nr. 29 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.55 Drucksache 11/1365 Nr. 3.30 Drucksache 11/1656 Nr. 3.39 Anlagen zum Stenographischen Bericht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Thomas Wüppesahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GRÜNE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein besonderes Dankeschön an das Präsidium, daß es so flexibel auf meinen Redewunsch und auf die Hindernisse, die dem im Wege gestanden haben, reagiert hat.
    Bei all dem Gesagten können wir wohl in jedem Fall zu den Redetexten, die wir heute gehört haben, folgenden Wunsch formulieren: Gute Besserung! Wir können gleich die Frage anschließen: Für wen?
    Egal, wer in die engere Wahl kommt: Die Versicherten sind es jedenfalls nicht. Diesen wäre mit rechtzeitiger Sachinformation der Wende-Regierung zum Thema Gesundheitswesen möglicherweise gedient worden. Doch statt dessen wird der eher blasse, aber dafür um so kostenintensivere Versuch unternommen, den gern so genannten mündigen Bürger mit plakativen Plattitüden abzuspeisen. Vermutlich wird kaum jemand, der seine fünf Sinne beisammen hat, mit den inhaltsleeren Fragen an Norbert Blüm, wie sie auf Plakatwänden zu lesen sind, nutzbringende Informationen verbinden.
    Ein Gesichtspunkt ist bei dieser Debatte verlorengegangen, und zwar die Tatsache, daß im Verhältnis der Anteil der Gesundheitskosten am gesamten Brut-



    Wüppesahl
    tosozialprodukt ständig gesunken ist. Allein die Vergleichszahlen von 1981 zu 1986 von 13,5 % auf 12,6 % dokumentieren, daß diese Regierung mit den vorgesehenen Einsparungen ganz andere Dinge refinanzieren möchte, als sie vorgibt,

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Da waren zwei Kostendämpfungsgesetze dabei!)

    nämlich die Gesundheit der Bevölkerung zu stärken.
    80 % der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung werden durch Ärzte verschrieben, veranlaßt oder verordnet. Nimmt man die Zahnärzte hinzu, stellt man fest, daß es mehr als 90 % der Ausgaben sind, die durch ärztliche Kugelschreiber gesteuert werden. Ein sehr oft eingeschränktes ärztliches Bewußtsein bestimmt also das Sein, bestimmt die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung. Wohlbefinden und Gesundheit sind nicht in Mark und Pfennig aufzuwiegen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist wohl wahr!)

    Ich will keine fundamentalen Exkursionen machen, sondern nur einen Hinweis darauf geben, daß täglich 40 000 Kinder auf der Welt sterben, an Hunger sterben, und darauf, was wir uns alles im Gesundheitssystem zu leisten in der Lage scheinen.
    Herr Blüm, Sie bitten ja immer um konkrete Vorschläge. Deshalb möchte ich Ihnen einige Hilfen für tatsächliche Einsparungsmöglichkeiten mit auf den Weg geben für die zweite und dritte Lesung. Das häufigste von Menschen über 65 Jahren in der ärztlichen Praxis geäußerte Symptom ist Schwindel, also ein allgemeiner Schwindel mit Kopfschmerzen und allen möglichen Sachen, für die es 576 Ursachen gibt, also im Grunde gar keine. Es gibt keine körperlich faßbare Erklärung dafür. Die bodenlos gewordene soziale Situation alter Menschen in unserer Gesellschaft gibt viel schlüssigere Erklärungen für den allgemeinen Schwindel. Die Ärzte reagieren mit der Verschreibung von durchblutungsfördernden Substanzen, deren Wirkung noch nicht einmal bewiesen ist.
    Diese Arzneimittelklasse wurde zur ausgabenstärksten Arzneimittelgruppe für die gesetzliche Krankenversicherung. 20 Millionen Rezepte jährlich kosten 1,3 Milliarden DM. Dies entspricht — da wäre eine sinnvollere Gesundheitspolitik möglich — 25 000 Vollzeitbeschäftigten — Krankengymnasten, Ergotherapeuten, also Körpertrainern, oder Ärzten — , bezahlt nach BAT III. Bei einer 40-Stunden-Woche könnten also theoretisch 1 Million Therapieeinheiten einzeln oder mehrere Millionen in Gruppen geleistet werden. Statt 20 Millionen Rezepte jährlich auszustellen, könnten 25 000 Beschäftigte — das ist genau die Größenordnung, die Sie im Krankenhausbereich beim Pflegedienst einsparen wollen — im Gesundheitswesen die Rezeptempfänger mit gruppenorientierter, sozusagen sozialer Durchblutungsförderung regelmäßig betreuen. Das sind genau die Dinge, die wir favorisieren.
    Kostendämpfung bedeutet also nicht zugleich mehr Humanität, stellt nicht gleich eine humanitäre Medizin dar.
    Ich möchte Ihnen ein zweites Beispiel mit auf den Weg geben, Herr Blüm, das alles das an Geld hereinbringen könnte, was Sie zur Zeit den Schwachen in dieser Gesellschaft mit Ihren Vorschlägen aus der Tasche ziehen. Die Krankenhäuser werden bei Ihnen nicht angetastet. Die Krankenhäuser produzieren aber ein Drittel der Gesamtkosten im Gesundheitsbereich. Das heißt, von 120 Milliarden DM werden 40 Milliarden DM Kosten durch das Krankenhauswesen produziert.
    Gleichzeitig wissen wir, daß die Weltgesundheitsorganisation, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, empfiehlt, daß ein Drittel der Krankenhausbetten der Bundesrepublik Deutschland gestrichen werden sollten. Sie sind schlicht überflüssig. Da finden permanent verkappte Freiheitsentzüge und ähnliches statt. Wenn ich an solche Exzesse wie im Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht mit Schoppmeyer und Co denke, wird mir besonders grauslich. Ein Drittel Einsparung bei den Gesamtkosten der Krankenhäuser in Höhe von 40 Milliarden DM machte mindestens 10 Milliarden DM aus; man kann die Relation nicht ganz linear herstellen. Damit sind Sie bei der Größenordnung, die Sie zur Zeit den Schwachen im Lande aus der Taschen ziehen.
    Neben einigen Antworten für eine sinnvollere Kostendämpfung im Gesundheitsbereich unter gleichzeitiger Anhebung des Standards in diesem gesellschaftlichen Problemfeld, die ich Ihnen gegeben habe, stellen sich folgende Fragen. Mit welchem Anspruch machen Sie eigentlich das, was Sie als Strukturreform im Gesundheitswesen bezeichnen? Da können wir lesen — auch in der Werbung — von weniger Essen, weniger Trinken, weniger Frauen, kein Übergewicht. Stellen wir uns gedanklich nur einmal die Regierungsbank vor; die meisten fehlen ja im Moment. Stellen wir uns Herrn Kohl, Herrn Bangemann, auch Sie, Herr Blüm vor — allesamt satt, mit Übergewicht, mit Sicherheit keine Asketen im Gebrauch von Genußmitteln. Wir können uns auch die Graue Eminenz, Herrn Strauß, vorstellen und viele andere, die heute alle nicht anwesend sind.
    Mit welch fehlender Glaubwürdigkeit gehen Sie eigentlich genau in diesen Bereichen an die Taschen der Schwachen in dieser Gesellschaft? Sind Sie, so wie Sie hier sitzen und aussehen, etwa das Gesundheitsidol der Nation?

    (Günther [CDU/CSU]: Aber Sie, was?)

    Eine andere Frage: Wo bleibt in dieser Diskussion eigentlich Frau Süssmuth, die Vorzeigeministerin dieser Regierung?

    (Günther [CDU/CSU]: Gute Frau!)

    Natürlich ist sie von den Vorschlägen tangiert. Die Abtreibung beispielsweise kann man mit über die Kostenregelung lenken, ebenso viele andere Dinge. Wo bleibt Frau Süssmuth? Ich glaube, diese Frage ist nicht zu beantworten.
    Herr Blüm, Ihr Fauxpas, aufgetan durch das Zitat des Kollegen Dreßler von der SPD-Fraktion, war sicherlich auch dem letzten so eingängig, daß ihm klar ist, daß Ihre Kumpelhaftigkeit, der auch ich lange Zeit aufgesessen bin, inzwischen mehr Maske und Fassade ist, als daß Sie damit authentische Ausstrahlung



    Wüppesahl
    betreiben könnten. Ich glaube, der Kollege Dreßler hat Sie heute so gut entlarvt wie schon lange niemand mehr aus diesem Hause.
    Ich möchte einen letzten Gesichtspunkt anführen. Welches Menschenbild steht eigentlich hinter dieser Form der sogenannten Strukturreform im Gesundheitswesen?

    (Günther [CDU/CSU]: Dahinter steckt eine Konzeption!)

    Wir können lesen oder auch von Ihnen hören: Die Deutschen haben soviel Geld, daß sie ihre Urlaubsreisen bezahlen können. Gleichzeitig machen Sie Werbung für Vorsorgeuntersuchungen; „Prävention" ist das große Stichwort. Bei wem wollen Sie denn bei den geringen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die darüber existieren, was Vorsorgeuntersuchungen tatsächlich bewirken, Vorsorgeuntersuchungen machen? Im Kern reduziert sich das dann wieder auf Mißstände im Lebensverhalten, z. B. darauf, daß sich Manager, die zuviel Schweinefett essen, ausreichend diagnostisch untersuchen lassen können. Den sozial engagierten Arzt, den Hausarzt, der in der Tat so viele soziologische und psychologische Kenntnisse über den Patienten hat wie niemand sonst und wie keine Institutionen im Gesundheitswesen — wenn es denn diesen alten Hausarzt noch gäbe — , stärken Sie nicht; Sie unterstützen das den EDV-Programmen der Kassen angepaßte Verschreibungsverhalten von Ärzten, die mehr ihren eigenen Geldbeutel im Sinn haben.
    Das alles sind Elemente, die meines Erachtens völlig an den tatsächlichen Problemen vorbeigehen. Die Fragestellung war: Was für ein Menschenbild steht dahinter? Dahin möchte ich jetzt noch einmal führen. Wir hören Stichworte wie „Gesundheitspaß". Frau Wilms-Kegel hat aber sehr schön ausgeführt, wer tatsächlich benachteiligt wird, und sie hat die Gruppen angeführt. Sie, meine Damen und Herren, bringen zum Ausdruck — auch wenn Sie es nicht an jeder Stelle explizit sagen — , daß es für Sie inzwischen nutzlose Esser gibt, Schwache und Bedürftige. Diese Gruppen interessieren Sie in der Tat einen Dreck.

    (Günther [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Nur Quatsch erzählen Sie da!)

    Mein Eindruck ist, Herr Blüm, daß Sie im gedanklichen Überbau langsam auf eine moderne Form einer schleichenden Euthanasie hinauskommen. Es gibt Gruppen, die Sie in dieser Weise völlig ignorieren. Die Lesart Ihres Gesetzentwurfes gibt mir da wohl recht.
    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Günther [CDU/CSU]: Unglaublich, was Sie da von sich geben! Man merkt, daß Sie niemandem Rechenschaft ablegen müssen!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zink.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Zink


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte

    (Jaunich [SPD]: Sie ist noch nicht zu Ende!)

    darf ich feststellen, daß sich die Regierungskoalition als handlungsfähig erwiesen hat.

    (Zuruf von der SPD: Im Abkassieren!)

    Eines der schwierigsten Reformvorhaben dieser Legislaturperiode ist auf den Weg der Gesetzgebung gebracht. Der Gesetzentwurf liegt vor. Das erzielte Ergebnis ist auch ein persönlicher Erfolg für Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Jaunich [SPD]: Wieso Ergebnis?)

    Es ist auch ein Erfolg der Mitglieder der Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen,

    (Jaunich [SPD]: Haben Sie nicht gehört, was Herr Thomae gesagt hat?)

    die mit der Vorbereitung der Entscheidung beauftragt war. Diese Mitglieder haben fast ein ganzes Jahr ununterbrochen getagt, und ich meine, das sollte Anerkennung finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte den Kollegen Dr. Becker, Günther und Seehofer aus meiner Fraktion besonders Dank sagen, schließe aber auch die Kollegen von der FDP-Fraktion mit ein. Bei allen Problemen, die es — auch in Sachfragen — immer gibt, hat man sich am Ende, glaube ich, gut zusammengerauft.

    (Dreßler [SPD]: Am Ende habt ihr euch aufs Abkassieren verständigt!)

    Meine Damen und Herren, der Regierungskoalition ist es gelungen, die Weichen für eine solidarische Erneuerung der Krankenversicherung zu stellen. Es wird dabei nicht nur gespart, es wird auch gestaltet. Die heutige Debatte hat gezeigt, daß es eine Alternative zum Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht gibt.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Die wollen Sie nur nicht hören!)

    Nach dem Verlauf der Debatte muß sich die Opposition eine Reihe von Fragen gefallen lassen: Stellt sie in Frage, daß ein ungebremstes Wachstum der Ausgaben angesichts der für die Beitragsentwicklung aufgezeigten Konsequenzen nicht länger in Betracht kommen kann?

    (Jaunich [SPD]: Antwort: Nein!)

    Geht es der Opposition wirklich um die Beitragssenkungen, um das Wohl der Versicherten und die bestmögliche medizinische Versorgung?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Antwort: Nein!)

    Gibt sie dem System der gesetzlichen Krankenversicherung eine Chance für die Zukunft, oder will sie
    hier ein Manövrieren in eine Sackgasse vornehmen?

    (Jaunich [SPD]: Nein!)

    Meine Damen und Herren, wenn Beitragsbelastungen unerträglich geworden sind, ist es zum Reformieren zu spät.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Heyenn [SPD]: Muß man dann den Arbeitgeber entlasten und den Kranken belasten?)

    Von „Abkassierungsmodell" sollte der nicht sprechen, der Versicherte über Jahre mit steigenden Beiträgen zur Ader gelassen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Zink
    Bei dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, ist gerade vermieden worden, die Finanzierungslasten einseitig auf die Versicherten zu verlagern.

    (Jaunich [SPD]: Glauben Sie das denn selber?)

    — Davon können Sie ausgehen.
    Tatsache ist: Von den 14 Milliarden DM, die gespart werden, soll die eine Hälfte zur Beitragssenkung verwandt werden. Die andere Hälfte der Einsparungen ermöglicht es, neue, drängende gesellschaftspolitische Ausgaben und Aufgaben in Angriff zu nehmen.
    Welchen Beitrag zur Lösung des Pflegeproblems hat es eigentlich zwischen 1969 und 1982 gegeben?

    (Seehofer [CDU/CSU]: Null-Lösung!)

    Alle Beteiligten müssen ihren Beitrag zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung leisten. Die Koalition nimmt in erster Linie und nachhaltig die Leistungserbringer in die Pflicht. Dem entspricht der heftige Widerstand aller Gruppen von Leistungserbringern gegen die angestrebte Strukturreform. Die Leistungserbringer richten ihre Kritik aber bezeichnenderweise nicht gegen diese Maßnahmen, sondern sie geben vor, sich ausschließlich im Interesse der Versicherten gegen die angebliche Schaffung des „gläsernen Patienten" , gegen den angeblichen Aufbau übermächtiger Bürokratien und gegen angebliche Verschlechterungen des Leistungsniveaus und des Umfangs der Versicherung zu wenden.

    (Jaunich [SPD]: Wo sie recht haben, haben sie recht, auch wenn man mit ihnen nicht verheiratet ist! — Seehofer [CDU/CSU]: Aber verwandt!)

    Eckpfeiler der Strukturreform im Gesundheitswesen sind die Festbeträge und der Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung zur Absicherung des Pflegerisikos. Der Festbetrag garantiert, daß der Versicherte eine medizinisch ausreichende und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung ohne Zuzahlung erhält.

    (Günther [CDU/CSU]: So ist es!)

    Die Festbeträge machen Zuzahlungn überflüssig. Sie sind versichertenfreundlich und fördern den Preiswettbewerb unter den Leistungserbringern.

    (Jaunich [SPD]: Auch das ist strittig!)

    Die Festbeträge werden nur schrittweise verwirklicht werden können. Dies bedeutet aber absolut nicht, daß nach 1991 keine Festbeträge mehr eingeführt werden könnten.

    (Jaunich [SPD]: Jetzt reden Sie gegen die FDP, oder wie?)

    Im Gegenteil, auch wenn ab 1991 prozentuale Selbstbeteiligung wirksam wird, bleibt es dabei, daß Festbeträge für alle dafür weiter geeigneten Arzneimitttel festgesetzt werden können.

    (Günther [CDU/CSU]: So ist es!)

    Die Einführung der prozentualen Selbstbeteiligung ab 1991

    (Haack [Extertal] [SPD]: 15 %!)

    für eine Übergangszeit und für einen Rest der Arzneimittel,

    (Jaunich [SPD]: Für eine Übergangszeit? Wo steht denn das? Herr Cronenberg, hören Sie gut zu!)

    die nicht festbetragsfähig sein werden, bedeutet eine ganz nachhaltige Herausforderung, die Umstellung der Festbeträge so bald und so zügig wie überhaupt nur möglich vorzunehmen. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wird sich sicherlich dieser Aufgabe stellen und zeigen, daß sie diese Herausforderung ihrerseits annehmen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Alle Einsparungen im Zusammenhang mit Festbeträgen, Bagatelleistungen oder zuvor übermäßig ausgeweiteten Leistungen lassen die vollwertige Versorgung der Versicherten mit allem medizinisch Notwendigem unberührt. Leistungen, die keiner solidarischen Absicherung bedürfen, sollen aus dem Leistungskatalog herausgenommen werden. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler kann nicht für alles zuständig sein, was wünschenswert ist, sie muß das medizinisch Notwendige zahlen.

    (Günther [CDU/CSU]: Das kann man nicht oft genug sagen! — Jaunich [SPD]: Eine halbe Prothese ist medizinisch notwendig?)

    Aus zeitökonomischen Gründen lege ich einiges auf die Seite. Wir werden noch viel Zeit haben, miteinander zu reden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gesetzliche Krankenversicherung ist über 100 Jahre alt. Sie wurde unter Bismarck im Jahre 1883 mit dem Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter geschaffen.

    (Jaunich [SPD]: Jetzt können wir zustimmen!)

    Heute sind in der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen 56 Millionen Bundesbürger versichert. Das sind 92 % der Bevölkerung.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit sehr herzlich bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)