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ID1107807600

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    Plenarprotokoll 11/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) (Drucksache 11/ 2237) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 11/280) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Drucksache 11/1623) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinseme Vorschriften für die Sozialversicherung — (Drucksache 11/2221) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz) (Drucksache 11/1790 [neu]) Dr. Blüm CDU/CSU 5273 D Dreßler SPD 5281 A Dr. Blüm CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 5287 C Dreßler SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 5288 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 5288 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5292 D Günther CDU/CSU 5296 B Egert SPD 5299 B Seehofer CDU/CSU 5303 B Frau Unruh GRÜNE 5306B, 5324 A Dr. Thomae FDP 5308 A Heyenn SPD 5309 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5311D Dr. Knies, Minister des Landes Niedersachsen, Beauftragter des Bundesrates . . . 5314 C Jaunich SPD 5316A Wüppesahl fraktionslos 5318D Zink CDU/CSU 5320 B Haack (Extertal) SPD 5321 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5324 B Nächste Sitzung 5325 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5327* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5327* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5273 78. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1988 Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein * 6. 5. Dr. Ahrens * 6. 5. Dr. Bangemann 6. 5. Frau Beck-Oberdorf 6. 5. Becker (Nienberge) 6. 5. Frau Blunck * 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) * 6. 5. Bühler (Bruchsal) * 6. 5. Catenhusen 6. 5. Frau Conrad 6. 5. Daweke 6. 5. Dr. Dregger 6. 5. Frau Fischer * 6. 5. Frau Flinner 6. 5. Gallus 6. 5. Gattermann 6. 5. Frau Geiger 6. 5. Geis 6. 5. Dr. Geißler 6. 5. Dr Götz 6. 5. Dr. Hauff 6. 5. Dr. Haussmann 6. 5. Frhr. Heeremann von Zuydtwyck 6. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Dr. Hitschler * 6. 5. Ibrügger 6. 5. Jansen 6. 5. Jungmann 6. 5. Klein (Dieburg) 6. 5. Klein (München) 6. 5. Dr. Klejdzinski 6. 5. Leidinger 6. 5. Lemmrich * 6. 5. Link (Diepholz) 6. 5. Frau Luuk * 6. 5. Meyer 6. 5. Dr. Müller * 6. 5. Dr. Neuling 6. 5. Niegel * 6. 5. Frau Pack * 6. 5. Pfeifer 6. 5. Dr. Probst 6. 5. Reddemann * 6. 5. Regenspurger 6. 5. Reuschenbach 6. 5. Dr. Riedl (München) 6. 5. Ronneburger 6. 5. Roth (Gießen) 6. 5. Frau Rust 6. 5. Dr. Scheer * 6. 5. Scheu 6. 5. Schmidt (München) * 6. 5. von Schmude * 6. 5. Dr. Schneider (Nürnberg) 6. 5. Schreiner 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Frau Simonis 6. 5. Steiner * 6. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Uelhoff 6. 5. Dr. Unland * 6. 5. Dr. von Wartenberg 6. 5. Wimmer (Neuss) 6. 5. Wissmann 6. 5. Würtz 6. 5. Zierer * 6. 5. Dr. Zimmermann 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1988 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zu der Änderung vom 16, Oktober 1985 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT-Übereinkommen) Gesetz zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 10/5012 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/841 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2089 Nr. 3-8 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.35 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/929 Nr. 2.28 Drucksache 11/1107 Nr. 2.11 Drucksache 11/1707 Nr. 29 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.55 Drucksache 11/1365 Nr. 3.30 Drucksache 11/1656 Nr. 3.39 Anlagen zum Stenographischen Bericht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gertrud Unruh


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Werte Volksvertreter und Volksvertreterinnen! Ich spreche Ihnen ab, daß es keine Alternative zu Ihnen geben solle.

    (Seiters [CDU/CSU]: Keine vernünftige!)

    Dann lebten wir ja nicht in einer Demokratie, und es bräche nicht immer mehr Bürgerwille hervor, daß dringend etwas geändert werden müsse. Das betrifft gerade diesen Bereich, den Sie so hübsch mit „alte Menschen", „hilflose Menschen" — Sie haben natürlich die jungen Behinderten vergessen — , mit dem geprägten Wort der „Familie" usw. umschreiben.

    (Seehofer [CDU/CSU]: Das ist unsere Politik!)

    Ich nehme es dem Minister Blüm ab, daß er es irgendwo ein Stück gut meint.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja prima!)

    Ich nehme ihm ab, daß er auch einmal ebenso ausflippen kann wie ich. Aber ich glaube nicht, daß er es verdient hat, hier mit einem Satz so dargestellt zu werden: Früher fröhlich mit 35 gestorben und heute jammern bis 85!

    (Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Scharrenbroich [CDU/CSU])

    Das — so denke ich — bewirkt eine Vergiftung der Atmosphäre, Herr Dreßler, die unnötig ist.
    Ich meine schon, daß wir jetzt ein neues Jahrhundertwerk angehen müssen, und zwar im gesamten
    Pflegebereich. Den kleinsten Anfang, den Sie, Herr Minister, gemacht haben, begrüße ich, aber es ist ein falscher Anfang. Der Pflegebereich muß grundsätzlich aus dem Komplex „Krankenkasse" herausgelöst werden, aus dem Gedanken an Kranksein, Krankwerden, Hilfloswerden, Behindertwerden, vielleicht über ein Jahrzehnt oder zwei Jahrzehnte hinweg.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Pflegebedürftigkeit meinen Sie!)

    Sich nicht selbst helfen können ist etwas ganz anderes als das, was Sie mit dem Begriff „Familie" und sonstigen Hinweisen hier hineinbringen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das wissen wir Alten selbst; denn wir haben selber Söhne, Töchter usw.
    Jetzt kommt ja das Novum: Wir GRÜNEN — ich als Parteilose — es ist das Verdienst der GRÜNEN, daß ich als Graue Pantherin hier stehen darf — und wir Alten haben seit 1975 ein eigenes Konzept entwickelt, mit dem wir uns letztlich auch vor unseren es gut meinenden 50jährigen Söhnen oder 50jährigen Töchtern, Schwiegertöchtern oder Schwiegersöhnen retten können. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie immer so leben würden, wie Sie es hier im parlamentarischen Raum verbraten. Die Lebenswirklichkeit sieht doch total anders aus. — Herr Minister, wenn ich Sie einmal ein Stück in Schutz nehme, dann erwarte ich aber auch, daß Sie mir zuhören!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben ein ganz vorzügliches Konzept — es ist nicht vom Himmel gefallen — , das Ihnen auch vorliegt. Das ist durchdacht von alten Menschen, von betroffenen Menschen und von ehrlichen Söhnen und Töchtern. Ich glaube, wir kommen nur weiter, wenn wir mit diesem Konzept anfangen.
    Sie reden von 7 Milliarden DM, Herr Minister, aber wissen ganz genau, daß sie jetzt am Anfang höchstens ca. 500 Millionen DM lockermachen können. Sie sagen ja so nebenbei: Das andere Geld sind wieder die großen Vorsorgekonzepte; wir müssen ja forschen, forschen und forschen, für Krebs usw. Es geht hoffentlich auch um die Ebene einer alternativen Forschung, um eine Gerontologie ganz anderer Art. Das wissen Sie, Herr Kollege Dr. Becker, ganz genau. Diese Ehrlichkeit vermisse ich in Ihrem ganzen Gehabe, das Sie an den Tag legen.
    Der letzte Redner aus Bayern hat eine Abschiebementalität entwickelt, die wir Alten ja kennen.

    (Seehofer [CDU/CSU]: Die wollen wir ja vermeiden!)

    Zum guten Schluß nimmt man Mütterchen oder Väterchen zwar in die Villa auf. Man findet sich dann oben im Mansardenstübchen wieder, weil man euch nämlich 10 Jahre vorher die Villa oder sonstwas geschenkt hat. Wir denken oben auf unserem Stübchen: Ja, haben wir denn das eigentlich verdient?
    Wir wollen Freiheit haben. Wir Alten haben genug geleistet.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Sie sind doch noch jung!)




    Frau Unruh
    Wir wollen die Freiheit haben, auch in Würde zu sterben. Das finden Sie alles in diesem Gesetzentwurf.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Er enthält etwas ganz Neues an Ideen und Selbstkontrolle. Das heißt nämlich: Wir fordern unser Pflegegeld auf die Hand.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir wollen eben nicht, daß die weißen Kittel, die Ärzte, mit uns machen, was ihnen paßt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben uns doch nicht die Rezepte verschrieben. Wir haben doch nicht, wenn wir in Heimen herumlagen, gebeten: Nun setzt uns unter Valium! Nun setzt uns unter Drogen, wir haben das ja alles so gern!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dafür kassieren Wohlfahrtsverbände dann pro Bett 3 000, 4 000 DM ab.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist wirklich die Demokratisierung des Gesundheitswesens!)

    Sie können, wenn Sie neue Denkstrukturen an Hand dieses politischen Diskussionsmodells entwikkeln, fast kostenneutral — ich behaupte das — ein ganz, ganz anderes Jahrhundertwerk schaffen, als Sie es sich je erträumt haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Denn Ihnen ist doch bekannt, daß Milliarden von den Wohlfahrtsverbänden abkassiert werden, wovon die Betroffenen in den Betten oder die Mitarbeiter in Sozialstationen überhaupt nichts haben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau!)

    Ich habe gestern in der Aktuellen Stunde gefragt: Herr Pfeifer, wissen Sie, weiß die Bundesregierung, wie viele Zivildienstleistende für qualifizierte Arbeiten eingesetzt werden und daß die Wohlfahrtsverbände dann dafür das Geld abkassieren, was eine qualifizierte Kraft verdienen würde? Sie, Herr Pfeifer, haben gesagt: Nein, nicht bekannt.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Soziale Sparmaßnahmen!)

    Ich kann es Ihnen sagen: Das sind über 2 Milliarden. Zivildienstleistende arbeiten den Wohlfahrtsverbänden über 2 Milliarden DM zu.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Ausbeutung!)

    Das muß man sich einmal vorstellen. Wo bleibt denn eigentlich das Geld? Ich meine, Sie lesen genauso wie ich die Presse. Sie wissen von den Mißhandlungen. Sie wissen von den Menschenrechtsverletzungen. Und jetzt wollen Sie so etwas noch vertiefend über eine Krankenkassenreform reinbringen? Das darf nicht der Sinn eines neuen Strukturdenkens werden. Sie nämlich sind die Alten von morgen. Was Sie jetzt für uns tun, tun Sie auch für sich selbst.
    Mit diesem Modell ist ferner verbunden, daß es mindestens über 200 000 Arbeitsplätze bringt. Warum kümmern Sie sich nicht um dieses Modell? Ich weiß sehr wohl, daß der Herr Fink und solche, die christliche Grundwerte etwas ernster nehmen, oder die, die
    sich CDA-Flügel nennen oder Katholische Arbeitnehmerbewegung,

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Oder Kolping!)

    diese Gedanken im Kopf haben,

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber die Gedanken kommen nicht heraus!)

    nur, sie haben keine Zeit, sich darum zu kümmern. Es ist nun einmal immer noch so: Altsein ist doch nichts Besonderes.
    Interessant war das mit der Gründung der Senioren-Union.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

    Männer bitte schön ab 62 Jahren dürfen Mitglied werden, Frauen bitte schön ab 60 Jahren, aber redet nur nicht über das Alter vom Bundeskanzler, redet nur nicht über das Alter von Geißler mit seinen 58! Oh Gott, oh Gott, irgendwo hat ja Senioren-Union etwas damit zu tun: Man kümmert sich etwas um die Alten; aber ich bin doch nicht alt — um Gottes willen!

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Das bestätigen wir Ihnen! Sie sind nicht alt!)

    — Freund Scharrenbroich,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hauptsache, Sie hat „Freund" gesagt!)

    ich kämpfe! Ich kämpfe als Graue Pantherin fraktionsübergreifend.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Für mich bitte nicht!)

    Damit wir uns recht verstehen: Wer sich einmal die Zustände in Pflegeheimen angeguckt hat,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir gemacht!)

    wer sich einmal Zustände in Psychiatrien angeguckt hat — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Deshalb Familie!)

    — Hören Sie doch mit Ihrer Familie auf! Was wollen Sie denn als Familie tun, wenn Sie selbst arbeitslos sind? Was wollen Sie denn als Familie tun, wenn Sie als Sohn zweimal geschieden sind oder die fünfte Schwiegertochter ranschleppen?

    (Heiterkeit bei den GRÜNEN)

    Was wollen Sie denn als Familie tun? Sie tun ja gerade so, als lebten wir in einer heilen Welt.
    Gucken Sie sich doch einmal an: Wer hat denn das politische Sagen? Das sind doch die Männer. Wenn hier zur Hälfte Frauenköpfe säßen, sähe doch das Familienbild viel ehrlicher aus.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie können gut über Taten reden, aber ausbaden müssen doch wir Frauen Ihre Taten.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genauso! — Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen halten es die Männer nicht aus! Das ist das Problem!)




    Frau Unruh
    So geht es eben nicht, Herr Minister, daß Sie ab 1991 im Monat 25 Pflegestunden geben wollen, der Familie aber nur 400 DM geben wollen. Die Bezahlten kriegen dann schon wieder 750 DM. Also: Folgen Sie den GRÜNEN!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tun Sie das lieber nicht!)

    Das Gesamtkonzept ist da, und die deutsche alte Bevölkerung und diejenigen, die alt werden, werden Ihnen allen dankbar sein.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Thomae.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt der Pharmalobbyist!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Thomae


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt kaum ein zweites Reformvorhaben, dessen sachliche Probleme so komplex sind, bei dem die Interessen so aufeinanderprallen wie bei dieser Strukturreform. Es geht nicht nur darum, umzuverteilen, sondern es geht vor allen Dingen darum, 14 Milliarden DM zu sparen. Neben diesen Kostendämpfungsmaßnahmen haben wir neue Strukturen eingebaut. Ich räume jedoch ein, daß einige zentrale Fragestellungen ausgeklammert wurden, um zu einem ersten Konsens zu kommen. So ist bisher eine umfassende Refom der Krankenhausfinanzierung unerledigt geblieben.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Zahlen liegen jedoch schon heute vor, daß hier womöglich der wichtigste Bedarf einer Strukturreform liegt.

    (Heyenn [SPD]: An sich fängt man mit dem Wichtigsten an!)

    Aber die Hoheit der Länder für die Krankenhausversorgung erweist sich wieder einmal als das größte Reformhindernis.
    Dem Versicherten ist es sehr schwer verständlich zu machen, daß Verträge mit den Krankenhäusern, wenn für sie kein Bedarf besteht oder wenn sie sogar unwirtschaftlich sind, von den Krankenkassen nicht gekündigt werden können, wenn die Landesbehörden dagegen sind. Ich habe viel Verständnis dafür, wenn der Versicherte hier die Politiker in die Pflicht nehmen will; denn bisher muß allein der Beitragszahler politische Entscheidungen im Rahmen des Krankenhauses selber tragen.
    Kernproblem der Krankenhausversorgung ist das Selbstkostendeckungsprinzip. Auch in seiner modifizierten Form fördert es nicht die Wirtschaftlichkeit. Es ist keine Kunst, Kosten zu produzieren, diese nachzuweisen und sich diese dann erstatten zu lassen. Zu mehr Wirtschaftlichkeit in der stationären Versorgung werden wir aber erst dann kommen, wenn wir von diesem Selbstkostendeckungsprinzip wegkommen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir werden erst dann zu mehr Wirtschaftlichkeit kommen, wenn wir bereit sind, ebenfalls den tagesgleichen Pflegesatz abzuschaffen. Erst dann, wenn die Verantwortung für die Kapazitäten, für die Investitionen und für die Nutzung in einer Hand liegt, sind die Voraussetzungen geschaffen, daß die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auch von dieser Seite her abgesichert ist.
    An der Stelle, wo es um die Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor geht, haben wir Liberale über die Pflege diskutiert; denn die nachgewiesene hohe Fehlbelegungsquote von teuren Krankenhausbetten steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Möglichkeit der häuslichen Versorgung. Nur in dem Umfang, wie Fehlbelegungen in den Akutbetten der Krankenhäuser abgebaut werden können, und nur in dem Umfang, wie Krankenhausaufenthalte erst gar nicht notwendig werden bzw. verkürzt werden können, kann und darf die gesetzliche Krankenversicherung häusliche Pflege leisten.
    Niemand bestreitet, daß sich unsere Gesellschaft mit der Pflegeproblematik auseinandersetzen muß. Eine Lösung über die Krankenversicherungssysteme kann es nicht geben. Ich lege deshalb großen Wert auf die Feststellung, daß dies nicht der Einstieg in die Lösung des Pflegeproblems ist und daß es auf keinen Fall der Einstieg in die Übernahme der stationären Pflegekosten durch die gesetzliche Krankenversicherung ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Vielmehr sind die vorgesehenen Pflegeleistungen der maximale Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung zur Unterstützung der häuslichen Pflege, um Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Ich sage ganz bewußt: der maximale Beitrag; denn hier gibt es den gemeinsamen Beschluß der Koalitionsfraktionen, daß nur die Hälfte der insgesamt realisierten Einsparungen abzüglich der Vorsorgeleistungen für Pflegeleistungen ausgegeben werden dürfen.

    (Jaunich [SPD]: Das legt jeder so aus, wie er gerne möchte!)

    Meine Damen und Herren, mit dieser Reform schaffen wir mehr Wettbewerb bei der Leistungserbringung. Was noch fehlt, ist mehr Wettbewerb im System der gesetzlichen Versicherer. Die Öffnung der Kassen, die Einführung des Kassenwahlrechts für alle Versicherten gehört zu der Kernforderung einer Reform, die mit der gebotenen Behutsamkeit auch in der gesetzlichen Krankenversicherung mehr Markt erzeugt.

    (Beifall bei der FDP)

    Es sollte daher in dieser Legislaturperiode die Organisationsstruktur in Angriff genommen werden, mit der auch die Voraussetzungen zum Abbau der gravierenden Beitragssatzunterschiede geschaffen werden müssen. Natürlich könnte dies durch kassenübergreifenden Finanzausgleich geschehen. Das würde aber sehr schnell zu einheitlichen Beitragssätzen und auch zu einer Einheitsversicherung führen. Jede Form des kassenartenübergreifenden Ausgleichs, ob einnahmen- oder ausgabenorientiert, fördert die Unwirtschaftlichkeit und nimmt den Kassen jedes Interesse am sparsamen Umgang mit den Beitragsgroschen.

    (Beifall bei der FDP)




    Dr. Thomae
    Die hohen Beitragssatzunterschiede sind auch ein kasseninternes Problem. Der Unterschied zwischen Ortskrankenkassen und Ersatzkassen beträgt, bundesweit betrachtet, nicht einmal 1 %. Hier stellt sich in der Tat die Frage, ob die starke Regionalisierung insbesondere bei den Ortskrankenkassen auf Dauer zu halten ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, natürlich! — Jaunich [SPD]: Wollen Sie die europäische Ortskrankenkasse?)

    Wir begrüßen die Möglichkeit der Erprobung von Kostenerstattung und Beitragsrückgewähr, weil dies die Selbstverwaltung stärkt, Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten schafft und damit einen wichtigen Schritt in Richtung auf mehr Markt in der gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der FDP)

    Die Kassen sollen gesetzlich zu einer wirtschaftlichen Betriebsführung verpflichtet werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er wieder recht!)

    Hier fehlt es leider an effizienteren Regelungen in dem Gesetzentwurf. Ich kündige jetzt schon an, daß der Entwurf an dieser Stelle unserer Auffassung nach verbessert werden muß. Es ist zu prüfen, wie die Wirtschaftlichkeitsprüfungen verbessert und die Prüfdienste insgesamt neu gestaltet werden können. Wir ziehen jede private Wirtschaftlichkeitsprüfung einer staatlichen Prüfung vor.

    (Beifall bei der FDP)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Konzept der SPD machen.

    (Günther [CDU/CSU]: Haben Sie denn eines?)

    Das, was Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, vorgelegt haben, ist der an vielen anderen Stellen schon als untauglich erwiesene Versuch, ökonomische Knappheitsprobleme mit bürokratischen Zuteilungsmitteln zu lösen.

    (Jaunich [SPD]: Was ist denn wohl bürokratischer als dieser Entwurf?)

    — Ihr Entwurf! — Die medizinischen Bedürfnisse — die Nachfrage nach Leistungen, die im engeren und im weiteren Sinne der Gesundheit dienen — sind fast unendlich. Dies macht eben politische Entscheidungen über die Konzentration der knappen Ressourcen auf das, was den einzelnen überfordern könnte, erforderlich. Darum geht es nämlich bei dieser Reform: Es geht um die Neubestimmung des Verhältnisses von Eigenverantwortung einerseits und Zuständigkeit des Staates andererseits.
    Das ist der große Unterschied zu Ihrem Konzept. Wir wollen ganz bewußt die Allzuständigkeit staatlicher Sozialpolitik zurückdrängen. Sie wollen die Knappheit bürokratisch umverteilen.

    (Jaunich [SPD]: Wo haben wir denn eine Knappheit? Ich denke, wir haben ein Oberangebot!)

    Während wir marktwirtschaftliche Steuerungselemente schaffen, begeben Sie sich an das Werk, eine
    gigantische Planungsbehörde aufzubauen. Während Ihre Gesundheitsräte über möglichen Bedarf diskutieren und die Berechtigung zur Leistungserbringung konzessionieren, schaffen wir die Voraussetzungen dafür, daß die Patienten auch in Zukunft ihren Masseur, ihren Zahnarzt, ihren Apotheker oder sogar ihren Arzt frei wählen können,

    (Jaunich [SPD]: Was heißt „sogar"?) auch wenn er über 65 ist.


    (Jaunich [SPD]: Wieso machen Sie beim Arzt Einschränkungen? Das ist ja sehr interessant!)

    Ich frage mich ohnehin, wie Ihre Regionalplanung funktionieren soll. Wollen Sie im ganzen Lande Planungsbehörden errichten,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl, das wollen die! — Den Gesundheitssowjet!)

    in denen Beamte damit beschäftigt sein werden, festzulegen, welche Krankheiten auftreten können und wie die gesundheitlichen Probleme gelöst werden? Wie soll das funktionieren? Statt daß Sie Lehren aus der unglücklichen staatlichen Planung im Krankenhausbereich ziehen, wollen Sie jetzt neue staatliche Bereiche schaffen. Das kann doch wohl nicht wahr sein!
    Meine Damen und Herren, wir wollen die Eigenvorsorge, die Eigeninitiative und die Selbstverantwortung stärken. Dies können wir nur erreichen, indem wir die Selbstbeteiligung, die Kostenerstattung, die Beitragsrückgewähr und die Bonusregelung ausbauen, den Wettbewerb zwischen den Kassen intensivieren und zu einem monistischen Krankenhausfinanzierungssystem übergehen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Pure Ideologie!)