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    Plenarprotokoll 11/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) (Drucksache 11/ 2237) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 11/280) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Drucksache 11/1623) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinseme Vorschriften für die Sozialversicherung — (Drucksache 11/2221) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz) (Drucksache 11/1790 [neu]) Dr. Blüm CDU/CSU 5273 D Dreßler SPD 5281 A Dr. Blüm CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 5287 C Dreßler SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 5288 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 5288 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5292 D Günther CDU/CSU 5296 B Egert SPD 5299 B Seehofer CDU/CSU 5303 B Frau Unruh GRÜNE 5306B, 5324 A Dr. Thomae FDP 5308 A Heyenn SPD 5309 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5311D Dr. Knies, Minister des Landes Niedersachsen, Beauftragter des Bundesrates . . . 5314 C Jaunich SPD 5316A Wüppesahl fraktionslos 5318D Zink CDU/CSU 5320 B Haack (Extertal) SPD 5321 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5324 B Nächste Sitzung 5325 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5327* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5327* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5273 78. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1988 Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein * 6. 5. Dr. Ahrens * 6. 5. Dr. Bangemann 6. 5. Frau Beck-Oberdorf 6. 5. Becker (Nienberge) 6. 5. Frau Blunck * 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) * 6. 5. Bühler (Bruchsal) * 6. 5. Catenhusen 6. 5. Frau Conrad 6. 5. Daweke 6. 5. Dr. Dregger 6. 5. Frau Fischer * 6. 5. Frau Flinner 6. 5. Gallus 6. 5. Gattermann 6. 5. Frau Geiger 6. 5. Geis 6. 5. Dr. Geißler 6. 5. Dr Götz 6. 5. Dr. Hauff 6. 5. Dr. Haussmann 6. 5. Frhr. Heeremann von Zuydtwyck 6. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Dr. Hitschler * 6. 5. Ibrügger 6. 5. Jansen 6. 5. Jungmann 6. 5. Klein (Dieburg) 6. 5. Klein (München) 6. 5. Dr. Klejdzinski 6. 5. Leidinger 6. 5. Lemmrich * 6. 5. Link (Diepholz) 6. 5. Frau Luuk * 6. 5. Meyer 6. 5. Dr. Müller * 6. 5. Dr. Neuling 6. 5. Niegel * 6. 5. Frau Pack * 6. 5. Pfeifer 6. 5. Dr. Probst 6. 5. Reddemann * 6. 5. Regenspurger 6. 5. Reuschenbach 6. 5. Dr. Riedl (München) 6. 5. Ronneburger 6. 5. Roth (Gießen) 6. 5. Frau Rust 6. 5. Dr. Scheer * 6. 5. Scheu 6. 5. Schmidt (München) * 6. 5. von Schmude * 6. 5. Dr. Schneider (Nürnberg) 6. 5. Schreiner 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Frau Simonis 6. 5. Steiner * 6. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Uelhoff 6. 5. Dr. Unland * 6. 5. Dr. von Wartenberg 6. 5. Wimmer (Neuss) 6. 5. Wissmann 6. 5. Würtz 6. 5. Zierer * 6. 5. Dr. Zimmermann 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1988 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zu der Änderung vom 16, Oktober 1985 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT-Übereinkommen) Gesetz zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 10/5012 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/841 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2089 Nr. 3-8 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.35 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/929 Nr. 2.28 Drucksache 11/1107 Nr. 2.11 Drucksache 11/1707 Nr. 29 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.55 Drucksache 11/1365 Nr. 3.30 Drucksache 11/1656 Nr. 3.39 Anlagen zum Stenographischen Bericht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    So. Frau Kollegin Limbach, ich antworte Ihnen wie folgt: Ich war von Beginn an anwesend.

    (Seiters [CDU/CSU]: Vielleicht körperlich!)

    Ich habe alles gehört: die Einlassungen des Kollegen Dreßler, die Einlassungen des Ministers Blüm. Und ich stelle fest: Wenn er sagt, er habe ironisiert, dann frage ich mich, ob man mit diesen Tatbeständen, mit Entsetzen Scherz treiben darf. Ich halte das für ungeheuerlich.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    So. Aber nun möchte ich gern wieder zu Ihrem anspruchsvollen Gesundheits-Reformgesetz zurückfinden.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nein, jetzt kommt die Alternative, die angekündigte!)

    — Wissen Sie, ich rede noch zu dem, was ich will, und nicht zu dem, was Sie wollen, Herr Kollege Scharrenbroich. Daran müssen Sie sich gewöhnen. Sie können hier — —(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Er hat gar nichts
    gesagt!)
    — Dann waren Sie der Frechling. Ist doch egal, wer es nun war.

    (Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN — Scharrenbroich [CDU/CSU]: Und trotzdem haben Sie keine Alternative! Das ist der Punkt!)

    Sie versuchen die ganze Zeit, mich zu stören.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Trotzdem haben Sie keine Alternative!)

    — Entschuldigung. Ich will mich mit dem auseinandersetzen, was in diesem Hohen Haus Gegenstand dieser Debatte ist.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Ihre Vorstellungen sind jedenfalls kein Gegenstand der Reform!)

    Ein Gesundheits-Reformgesetz — mit diesem anspruchsvollen Titel versuchen Sie vor der Öffentlichkeit immer wieder den Eindruck zu vermitteln, Sie würden wirklich eine umfassende Strukturreform im Gesundheitswesen durchführen und Ihr Versprechen einlösen.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Eine der größten Reformen dieser Legislaturperiode!)

    Nun haben der Bundesarbeitsminister und auch die Koalitionsabgeordneten dieses Ziel inzwischen mehrfach relativiert. Sie haben gesagt, das sei ein erster Schritt, dann kommt der zweite Geleitzug. Herr Kollege Cronenberg hat gesagt, daß das natürlich auch kostendämpfende Entwicklungen hat. Aber selbst diese bescheideneren Zielsetzungen werden mit Ihrem Gesetzentwurf nicht erfüllt. Im Gegenteil, von wirksamen Reformen ist keine Spur. Statt dessen — das wiederhole ich hier, weil man es gar nicht häufig genug sagen kann — gibt es eine einseitige Umverteilung, neue Belastungen für die Versicherten und die weitgehende Schonung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Dies wird auch nicht dadurch



    Egert
    falsch, daß der Kollege Günther sagt, dies sei nicht so. Die Realität spricht leider dagegen.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Das wird auch nicht dadurch richtig, daß Sie sagen, es sei so!)

    Was Sie präsentieren, ist, wie ich finde, ein besonders schlimmer Akt in dem Schauerstück sozialer Ungerechtigkeit, das diese Koalition nun seit Oktober 1982 in Permanenz aufführt.
    Nun will ich an einem Punkt etwas sagen, was mich betroffen macht. Sie fangen mit dem an, was Sie tun. Sie dürfen das alles tun, weil Sie die Mehrheit haben und die Wählerinnen und Wähler Sie gewählt haben. Aber Sie dürfen die Begriffe nicht in ihrem Sinn verkehren.

    (Jaunich [SPD]: Richtig!)

    Sie können aus dem Begriff der Solidarität nicht ein Synonym für Abkassierung machen. Dies können wir Ihnen politisch nicht erlauben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie können Eigenverantwortung nicht mit den Merkwürdigkeiten belegen, mit denen Sie das in diesem Gesetz machen. Ich bin politisch in der Sozialdemokratischen Partei mit den Begriffen von Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit aufgewachsen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Warum gucken Sie denn immer dahin?)

    — Da bin ich aufgewachsen, Gott sei Dank nicht bei Ihnen.
    Wir werden abwehren müssen, daß Sie die Menschen mit Begriffen von Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit besoffen reden, als hätte das mit neu bestimmter Solidarität zu tun. Die Wahrheit ist anders. Die Wahrheit ist, daß die Solidarität zwischen den Kranken und den Gesunden verkürzt wird. Der eine Punkt ist, daß sie zwischen den unterschiedlichen Belastungssituationen finanziell verkürzt wird, und die Solidarität wird schlagseitig ausschließlich auf die Seite der Versicherten und Beitragszahler verkürzt, weil man die Arbeitgeber aus diesem Konzert rausläßt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen niedrigere Beiträge?)

    Herr Minister Blüm wird nicht müde, zu sagen: Alles geht an die Versicherten zurück. Dies ist die erste Unwahrheit. An die Versicherten geht nicht alles zurück, sondern ein Teil geht, wenn es denn die erwarteten Beitragssenkungen geben kann, an die Arbeitgeber zurück. Schon dieses Wort ist also unwahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch eine Verdrehung!)

    Dann rühmen Sie sich — das haben wir schon in einer Aktuellen Stunde diskutiert — , daß Sie endlich was zur Pflege tun. Wie sieht es denn nun mit der Solidarität aus? Die Solidaritätsfrage wird immer wieder als Schirm vor diesen ganzen Unfug gestellt, und da sieht es mit der Solidarität so aus, daß Sie — davon kommen Sie nicht weg — die Krankenversicherten
    und die Rentnerinnen und Rentner diesen Pflegeeinstieg bezahlen lassen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Da wird in der Sache nichts gegen einen notwendigen Einstieg in die Pflegesicherung gesagt, sondern nur dagegen, wie das Unternehmen finanziert wird. Gestern hat mir Herr Jung, der Abteilungsleiter, in anderem Zusammenhang erzählt: Es ist eben nicht möglich gewesen, das Geld von Herrn Stoltenberg zu kriegen; aber es ist offensichtlich leichter, in die Taschen der Krankenversicherten und in die Taschen der Rentnerinnen und Rentner zu fassen, um das zu bezahlen. Da kommen Sie mir doch nicht mit Solidarität!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das hat gar nichts damit zu tun, daß ich die Regelung in der Sache richtig finde und nur die Art und Weise, wie das finanziert wird, falsch finde. Herr Minister, Sie kommen nicht darum herum, sich mit Ihrem merkwürdigen Solidaritätsbegriff, mit dieser Art von Finanzierung auseinanderzusetzen.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Schemken?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. Jetzt gestatte ich keine Zwischenfragen mehr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt das Konzept!)

    Weil die Herren und Damen vorhin so viel dazwischengelärmt haben, brauche ich nun die Zeit, um in der Sache weiterzukommen, Herr Präsident. Dies gilt für die ganze Zeit, damit Sie das wissen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)

    Nun will ich mich noch ein paar Minuten mit der Solidarität auseinandersetzen. Mein Freund Dreßler hat schon zu Recht gesagt: Jemand, der keine Härtefälle schafft, braucht keine Härtefallregelung. Auch da wird die Solidarität verkürzt.
    Nun haben Sie noch eine semantisch schöne Übung gemacht. Sie sagen: Wir schaffen noch ein Übriges. Damit wird Selbstbeteiligung nicht ins Grenzenlose wächst, machen wir eine Überforderungsklausel. Die Wahrheit ist: Sie schaffen einen Selbstbeteiligungsbegrenzungsfonds und nicht eine Überforderungsklausel. Denn wenn Sie mit uns einig wären und das Sachleistungsprinzip verteidigen würden, dann bräuchten wir die Überforderungsklausel nicht, weil im Sachleistungsprinzip die Selbstbeteiligung keinen Platz hat.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Nur werden die Versicherten dann durch zu hohe Beiträge überfordert!)

    Wir brauchen also keine Überforderungsklausel.
    Sie kommen mir vor, Herr Minister, wie jemand der sagt: Lassen Sie uns einen begrenzten Waldbrand machen, und der gleich die Spritzen verteilt und ver-



    Egert
    kündet: Es darf hier aber nur in diesem Umfang gebrannt werden; wehe, der Brand greift über.

    (Jaunich [SPD]: Brandstifter ist er ja ohnehin!)

    Da sage ich, Herr Brandstifter: Das Problem ist, wer einmal zum Brandstifter wird, der kann davon nicht lassen; er wird zum Gewohnheitstäter.

    (Jaunich [SPD]: Ein Pyromane ist das!)

    Ich fürchte also, daß die prozentuale Selbstbeteiligung, die es bei Arzneimitteln, bei Heil- und Hilfsmitteln, bei Fahrtkosten, bei Zahnersatz usw. geben soll, ausgeweitet wird. Damit zerstören wir eines der tragenden Prinzipien unserer gesetzlichen Krankenversicherung. Genau dagegen sind wir allerdings als Sozialdemokraten; das soll hier mit uns nicht verhandelt werden.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Das wissen wir ja nun! Wofür sind Sie denn? Konzept!)

    Ich komme jetzt zu Ihrer Überforderungsklausel. Sie hat ja einen „Charme", den die Menschen draußen kennen müssen. Bei Heil- und Hilfsmitteln und bei Arzneimitteln gibt es keine Härtefälle. Also gibt es einkommensbezogen 2 % Strafsteuer — so hat mein Kollege Dreßler gesagt — für jede und jeden, vom Sozialhilfeempfänger über die Rentnerin bis zu den vom Einkommen her Bessergestellten. Da existiert keine Härtefallregelung, sondern da greift Ihre fürsorgliche Überforderungsklausel, nach der bei den Sozialhilfeempfängern vom Existenzminimum noch 2 % für Arzneimittel und Heil- und Hilfsmittel kassiert werden, also bei einer Rentnerin mit 1 200 DM Rente 24 DM im Monat. Dies soll solidarisch sein? Wenn dies solidarisch ist, dann heiße ich ab sofort Karl Egon. Dies ist das Gegenteil von solidarisch; dies ist das Abkassierungsmodell.

    (Dr. Vogel [SPD]: Karl Egon ist doch ein schöner Name! Norbert heißt er!)

    — Norbert möchte ich nun — mit Verlaub, mein Vorsitzender — wirklich nicht heißen. Da gibt es Vorgänger, die mir diesen Vornamen suspekt machen.
    Zu dem Solidaritätsmodell: Ich will Ihnen bei der Solidarität noch einen Punkt ins Gedächtnis rufen, nämlich den des Zahnersatzes.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann kommen Sie zu Ihrem Programm? — Zuruf von der FDP: Wann kommt denn Ihr Konzept?)

    Wir haben das hier alles so diskutiert, als wäre das sozusagen nur eine Frage der Beträge. Nein, die Beträge stehen ja im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Menschen. Frau Kollegin Wilms-Kegel hat sinnvollerweise darauf schon hingewiesen.
    Ich will das noch einmal bewußt machen. Sehen Sie denn nicht, welche soziale Unmöglichkeit Sie mit diesem Kostenerstattungsprinzip bei Zahnersatz etablieren? Es ist doch eine verrückte Idee, wenn Kleinkredite dafür aufgenommen werden müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dann kommt wegen der Solidarität wieder die finanzielle Möglichkeit der einzelnen und des einzelnen
    zum Tragen. Hier ist schon gesagt worden: Er oder sie hat die Entscheidung, auf die Leistung zu verzichten — das ist eine Möglichkeit — , oder er oder sie hat die Entscheidung, sich zu verschulden.
    Von dem bürokratischen Unfug, der insgesamt angerichtet wird, will ich überhaupt nicht reden. Das haben die Krankenkassen viel besser drauf, so daß ich das nicht mehr in die Debatte einführen muß. Auch da verstoßen Sie wieder gegen das Sachleistungsprinzip. Das wendet sich dann gegen Ihre Idee der Festbeträge. Sie halten diese als das einzige steuernde Instrument hoch. Da muß ich Ihnen sagen: Auch wir Sozialdemokraten sind, weil wir für das Sachleistungsprinzip sind, gegen das Kostenerstattungsprinzip, erstens weil es die Menschen überfordert und zweitens weil wir es auch für einen Systembruch in der gesamten Krankenversicherung halten. Ich denke, daß Sie von daher auch dort unsere Unterstützung nicht erwarten können.
    Nun komme ich zu den Festbeträgen. Wissen Sie, da haben wir Sozialdemokraten eine andere Idee. Diese hätten wir übrigens in der letzten Legislaturperiode schon verwirklichen können. Wenn die Bereitschaft auf dieser Seite des Hauses vorhanden gewesen wäre, hätten wir streng marktwirtschaftlich orientierte vertragliche Beziehungen zwischen Krankenkassen und Pharmaindustrie herstellen können.

    (Günther [CDU/CSU]: Warum haben Sie es vorher nicht gemacht?)

    — Wir haben den Gesetzentwurf hier eingebracht. Sie haben ihn aus Ignoranz abgelehnt, und dieser Herr kommt jetzt daher und sagt, es habe keine Vorschläge gegeben. Es hat Vorschläge gegeben; sie waren in der Ausschußberatung; sie hätten verabschiedet werden können; sie sind nicht verabschiedet worden. Unsere Vorschläge halten wir für eine Alternative zu dem Festbetragskonzept.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun! Das ist die systematische Zerstörung von mittelständischen Betrieben!)

    — Herr Cronenberg, aber der Festbetrag hat etwas mit Marktwirtschaft zu tun. Nun lassen Sie sich doch auslachen. Wenn ich zur Firma Mercedes-Benz gehe und ihr 75 % der Jahresproduktion abnehme, dann möchte ich einmal wissen, ob ich von der Firma Mercedes-Benz nicht günstigere Konditionen bekommen kann als die gesetzliche Krankenkasse von der Pharmaindustrie. Ich glaube, das ist doch ein Widersinn, Herr Kollege Cronenberg.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie als Fahnenstangenfabrikant wissen das besser als ich. Also kommen Sie mir nicht mit so dummen Zwischenrufen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Bravo!)

    Hier hätte es eine Möglichkeit geben können, etwas zu tun. Ich sage gleich dazu, daß das Festbetragskonzept eine Alternative ist.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Sie haben die Marktwirtschaft nicht begriffen!)




    Egert
    — Ach, wissen Sie, Herr Cronenberg, jetzt will ich Ihnen einmal ein Kolleg in Marktwirtschaft halten. Der Pharmamarkt ist nun wirklich monopolartig strukturiert in unserer Gesellschaft — wirklich monopolartig; gehen Sie zum Kartellamt, und lassen Sie es sich erzählen — , weil sieben große Unternehmen den Markt nach Produktionen unter sich verteilt haben. Erzählen Sie mir doch nicht, daß da Wettbewerb und Markt funktionieren. Dies ist doch wirklich grober Unfug.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU — Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Wir werden in den Ausschüssen noch Gelegenheit haben, uns über Ihre Vorstellungen weiter auseinanderzusetzen. Ich will Ihnen hier heute nur sagen, daß Sie — —

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Wo kommen denn die vielen Generika her?)

    — Nein, es erregt, was Sie da an Unfug in die Welt setzen wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie den Dreßler nicht neidisch!)

    Wir werden nicht zulassen, daß Sie mit Ihrem unsozialen Machwerk die Bürgerinnen und Bürger darüber hinwegtäuschen, daß Sie tatsächlich strukturell neue Wege gehen wollen. Das sind aber Wege in ein neues System, das die gesetzliche Krankenversicherung zerschlagen soll. Dabei sind Sie hier auf dieser Seite, ganz rechts außen von mir, die Schrittmacher.

    (Beifall bei der SPD) Vielen Dank für Ihre aufgeregte Geduld.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)