Rede:
ID1107806600

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    Plenarprotokoll 11/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) (Drucksache 11/ 2237) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 11/280) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Drucksache 11/1623) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinseme Vorschriften für die Sozialversicherung — (Drucksache 11/2221) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz) (Drucksache 11/1790 [neu]) Dr. Blüm CDU/CSU 5273 D Dreßler SPD 5281 A Dr. Blüm CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 5287 C Dreßler SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 5288 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 5288 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5292 D Günther CDU/CSU 5296 B Egert SPD 5299 B Seehofer CDU/CSU 5303 B Frau Unruh GRÜNE 5306B, 5324 A Dr. Thomae FDP 5308 A Heyenn SPD 5309 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5311D Dr. Knies, Minister des Landes Niedersachsen, Beauftragter des Bundesrates . . . 5314 C Jaunich SPD 5316A Wüppesahl fraktionslos 5318D Zink CDU/CSU 5320 B Haack (Extertal) SPD 5321 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5324 B Nächste Sitzung 5325 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5327* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5327* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5273 78. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1988 Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein * 6. 5. Dr. Ahrens * 6. 5. Dr. Bangemann 6. 5. Frau Beck-Oberdorf 6. 5. Becker (Nienberge) 6. 5. Frau Blunck * 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) * 6. 5. Bühler (Bruchsal) * 6. 5. Catenhusen 6. 5. Frau Conrad 6. 5. Daweke 6. 5. Dr. Dregger 6. 5. Frau Fischer * 6. 5. Frau Flinner 6. 5. Gallus 6. 5. Gattermann 6. 5. Frau Geiger 6. 5. Geis 6. 5. Dr. Geißler 6. 5. Dr Götz 6. 5. Dr. Hauff 6. 5. Dr. Haussmann 6. 5. Frhr. Heeremann von Zuydtwyck 6. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Dr. Hitschler * 6. 5. Ibrügger 6. 5. Jansen 6. 5. Jungmann 6. 5. Klein (Dieburg) 6. 5. Klein (München) 6. 5. Dr. Klejdzinski 6. 5. Leidinger 6. 5. Lemmrich * 6. 5. Link (Diepholz) 6. 5. Frau Luuk * 6. 5. Meyer 6. 5. Dr. Müller * 6. 5. Dr. Neuling 6. 5. Niegel * 6. 5. Frau Pack * 6. 5. Pfeifer 6. 5. Dr. Probst 6. 5. Reddemann * 6. 5. Regenspurger 6. 5. Reuschenbach 6. 5. Dr. Riedl (München) 6. 5. Ronneburger 6. 5. Roth (Gießen) 6. 5. Frau Rust 6. 5. Dr. Scheer * 6. 5. Scheu 6. 5. Schmidt (München) * 6. 5. von Schmude * 6. 5. Dr. Schneider (Nürnberg) 6. 5. Schreiner 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Frau Simonis 6. 5. Steiner * 6. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Uelhoff 6. 5. Dr. Unland * 6. 5. Dr. von Wartenberg 6. 5. Wimmer (Neuss) 6. 5. Wissmann 6. 5. Würtz 6. 5. Zierer * 6. 5. Dr. Zimmermann 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1988 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zu der Änderung vom 16, Oktober 1985 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT-Übereinkommen) Gesetz zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 10/5012 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/841 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2089 Nr. 3-8 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.35 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/929 Nr. 2.28 Drucksache 11/1107 Nr. 2.11 Drucksache 11/1707 Nr. 29 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.55 Drucksache 11/1365 Nr. 3.30 Drucksache 11/1656 Nr. 3.39 Anlagen zum Stenographischen Bericht
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    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, Sie haben keine gestellt, Sie machen Ausführungen in der Sache. Aber bitte. Das wird der Präsident jetzt gleich feststellen.


Rede von Editha Limbach
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, nein. Ich habe Sie gefragt, ob es Ihnen entgangen ist, daß . . .

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war eine klare Frage!)


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    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    So. Frau Kollegin Limbach, ich antworte Ihnen wie folgt: Ich war von Beginn an anwesend.

    (Seiters [CDU/CSU]: Vielleicht körperlich!)

    Ich habe alles gehört: die Einlassungen des Kollegen Dreßler, die Einlassungen des Ministers Blüm. Und ich stelle fest: Wenn er sagt, er habe ironisiert, dann frage ich mich, ob man mit diesen Tatbeständen, mit Entsetzen Scherz treiben darf. Ich halte das für ungeheuerlich.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    So. Aber nun möchte ich gern wieder zu Ihrem anspruchsvollen Gesundheits-Reformgesetz zurückfinden.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nein, jetzt kommt die Alternative, die angekündigte!)

    — Wissen Sie, ich rede noch zu dem, was ich will, und nicht zu dem, was Sie wollen, Herr Kollege Scharrenbroich. Daran müssen Sie sich gewöhnen. Sie können hier — —(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Er hat gar nichts
    gesagt!)
    — Dann waren Sie der Frechling. Ist doch egal, wer es nun war.

    (Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN — Scharrenbroich [CDU/CSU]: Und trotzdem haben Sie keine Alternative! Das ist der Punkt!)

    Sie versuchen die ganze Zeit, mich zu stören.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Trotzdem haben Sie keine Alternative!)

    — Entschuldigung. Ich will mich mit dem auseinandersetzen, was in diesem Hohen Haus Gegenstand dieser Debatte ist.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Ihre Vorstellungen sind jedenfalls kein Gegenstand der Reform!)

    Ein Gesundheits-Reformgesetz — mit diesem anspruchsvollen Titel versuchen Sie vor der Öffentlichkeit immer wieder den Eindruck zu vermitteln, Sie würden wirklich eine umfassende Strukturreform im Gesundheitswesen durchführen und Ihr Versprechen einlösen.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Eine der größten Reformen dieser Legislaturperiode!)

    Nun haben der Bundesarbeitsminister und auch die Koalitionsabgeordneten dieses Ziel inzwischen mehrfach relativiert. Sie haben gesagt, das sei ein erster Schritt, dann kommt der zweite Geleitzug. Herr Kollege Cronenberg hat gesagt, daß das natürlich auch kostendämpfende Entwicklungen hat. Aber selbst diese bescheideneren Zielsetzungen werden mit Ihrem Gesetzentwurf nicht erfüllt. Im Gegenteil, von wirksamen Reformen ist keine Spur. Statt dessen — das wiederhole ich hier, weil man es gar nicht häufig genug sagen kann — gibt es eine einseitige Umverteilung, neue Belastungen für die Versicherten und die weitgehende Schonung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Dies wird auch nicht dadurch



    Egert
    falsch, daß der Kollege Günther sagt, dies sei nicht so. Die Realität spricht leider dagegen.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Das wird auch nicht dadurch richtig, daß Sie sagen, es sei so!)

    Was Sie präsentieren, ist, wie ich finde, ein besonders schlimmer Akt in dem Schauerstück sozialer Ungerechtigkeit, das diese Koalition nun seit Oktober 1982 in Permanenz aufführt.
    Nun will ich an einem Punkt etwas sagen, was mich betroffen macht. Sie fangen mit dem an, was Sie tun. Sie dürfen das alles tun, weil Sie die Mehrheit haben und die Wählerinnen und Wähler Sie gewählt haben. Aber Sie dürfen die Begriffe nicht in ihrem Sinn verkehren.

    (Jaunich [SPD]: Richtig!)

    Sie können aus dem Begriff der Solidarität nicht ein Synonym für Abkassierung machen. Dies können wir Ihnen politisch nicht erlauben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie können Eigenverantwortung nicht mit den Merkwürdigkeiten belegen, mit denen Sie das in diesem Gesetz machen. Ich bin politisch in der Sozialdemokratischen Partei mit den Begriffen von Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit aufgewachsen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Warum gucken Sie denn immer dahin?)

    — Da bin ich aufgewachsen, Gott sei Dank nicht bei Ihnen.
    Wir werden abwehren müssen, daß Sie die Menschen mit Begriffen von Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit besoffen reden, als hätte das mit neu bestimmter Solidarität zu tun. Die Wahrheit ist anders. Die Wahrheit ist, daß die Solidarität zwischen den Kranken und den Gesunden verkürzt wird. Der eine Punkt ist, daß sie zwischen den unterschiedlichen Belastungssituationen finanziell verkürzt wird, und die Solidarität wird schlagseitig ausschließlich auf die Seite der Versicherten und Beitragszahler verkürzt, weil man die Arbeitgeber aus diesem Konzert rausläßt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen niedrigere Beiträge?)

    Herr Minister Blüm wird nicht müde, zu sagen: Alles geht an die Versicherten zurück. Dies ist die erste Unwahrheit. An die Versicherten geht nicht alles zurück, sondern ein Teil geht, wenn es denn die erwarteten Beitragssenkungen geben kann, an die Arbeitgeber zurück. Schon dieses Wort ist also unwahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch eine Verdrehung!)

    Dann rühmen Sie sich — das haben wir schon in einer Aktuellen Stunde diskutiert — , daß Sie endlich was zur Pflege tun. Wie sieht es denn nun mit der Solidarität aus? Die Solidaritätsfrage wird immer wieder als Schirm vor diesen ganzen Unfug gestellt, und da sieht es mit der Solidarität so aus, daß Sie — davon kommen Sie nicht weg — die Krankenversicherten
    und die Rentnerinnen und Rentner diesen Pflegeeinstieg bezahlen lassen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Da wird in der Sache nichts gegen einen notwendigen Einstieg in die Pflegesicherung gesagt, sondern nur dagegen, wie das Unternehmen finanziert wird. Gestern hat mir Herr Jung, der Abteilungsleiter, in anderem Zusammenhang erzählt: Es ist eben nicht möglich gewesen, das Geld von Herrn Stoltenberg zu kriegen; aber es ist offensichtlich leichter, in die Taschen der Krankenversicherten und in die Taschen der Rentnerinnen und Rentner zu fassen, um das zu bezahlen. Da kommen Sie mir doch nicht mit Solidarität!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das hat gar nichts damit zu tun, daß ich die Regelung in der Sache richtig finde und nur die Art und Weise, wie das finanziert wird, falsch finde. Herr Minister, Sie kommen nicht darum herum, sich mit Ihrem merkwürdigen Solidaritätsbegriff, mit dieser Art von Finanzierung auseinanderzusetzen.