Rede:
ID1107504000

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    Plenarprotokoll 11/75 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 75. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. April 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 5059 A Wahl des Abg. von der Wiesche zum Schriftführer als Nachfolger des Abg. Schreiner . 5075 D Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Auswirkungen der Vorhaben der Bundesregierung zur Strukturreform im Gesundheitswesen Hoss GRÜNE 5059 B Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5060 C Dreßler SPD 5061 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 5062 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5063 C Heinemann, Minister des Landes NordrheinWestfalen 5065 C Seehofer CDU/CSU 5066 D Kirschner SPD 5067 D Dr. Thomae FDP 5068 D Frau Unruh GRÜNE 5069 D Günther CDU/CSU 5070 A Haack (Extertal) SPD 5071 A Frau Limbach CDU/CSU 5072 B Egert SPD 5073 A Wüppesahl fraktionslos 5074 B Kolb CDU/CSU 5074 D Tagesordnungspunkt 16: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Susset, Eigen, Michels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Bredehorn, Heinrich, Frau Folz-Steinacker, Dr. Rumpf, Timm und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD: Agrarbericht 1987 (11/536, 11/85, 11/86, 11/521, 11/1347) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Agrarbericht 1988 (Drucksachen 11/1760, 11/1761) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Flächengebundene Bestandsobergrenzen in der Tierhaltung zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt (Drucksache 11/ 1986) d) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs einen Gesetzes über die Förderung der Sillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie der Extensivierung und Umstellung der Erzeugung (Extensivierungsgesetz) (Drucksache 11/2158) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung eines 50 %igen Beimischungszwangs von Getreide für die Mischfutterindustrie (Drucksachen 11/ 580, 11/1535 (neu) Kiechle, Bundesminister BML . . 5076C, 5105 B Oostergetelo SPD 5080 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 Susset CDU/CSU 5083 B Frau Flinner GRÜNE 5086 A Paintner FDP 5088 B Jansen SPD 5090 B Eigen CDU/CSU 5093 A Kreuzeder GRÜNE 5095 A Bredehorn FDP 5097 A Kißlinger SPD 5099 C Niegel CDU/CSU 5101 C Frau Adler SPD 5103 B Pfuhl SPD 5104 C Zusatztagesordnungspunkt: Einspruch des Abgeordneten Thomas Wüppesahl gegen den am 21. April 1988 erteilten Ordnungsruf 5106 D Nächste Sitzung 5106 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5107* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5107* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. April 1988 5059 75. Sitzung Bonn, den 22. April 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 22. 4. Dr. Ahrens * 22. 4. Frau Beck-Oberdorf 22. 4. Dr. Biedenkopf 22. 4. Borchert 22. 4. Brandt 22. 4. Breuer 22. 4. Frau Bulmahn 22. 4. Carstens (Emstek) 22. 4. Daubertshäuser 22. 4. Dr. Dollinger 22. 4. Doss 22. 4. Ebermann 22. 4. Frau Fischer 22. 4. Gattermann 22. 4. Dr. Glotz 22. 4. Dr. Götz 22. 4. Gröbl 22. 4. Dr. Haack 22. 4. Frau Dr. Hamm-Brücher 22. 4. Dr. Hauff 22. 4. Haungs 22. 4. Heinrich 22. 4. Irmer 22. 4. Jaunich 22. 4. Kastning 22. 4. Dr. Klejdzinski 22. 4. Louven 22. 4. Neumann (Bremen) 22. 4. Regenspurger 22. 4. Reuschenbach 22. 4. Frau Schilling 22. 4. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 4. Dr. Schmude 22. 4. Dr. Schneider (Nürnberg) 22. 4. Schröer (Mülheim) 22. 4. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 22. 4. Frau Simonis 22. 4. Spilker 22. 4. Stratmann 22. 4. Frau Trenz 22. 4. Voigt (Frankfurt) 22. 4. Wartenberg (Berlin) 22. 4. Frau Wieczorek-Zeul 22. 4. Wilz 22. 4. Wischnewski 22. 4. Dr. Zimmermann 22. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/883 Nr. 26, 28 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Finanzausschuß Drucksache 11/1895 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1998 Nr. 2.1 bis 2.4 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.36
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    Rede von Jan Oostergetelo


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, zunächst ein paar Anmerkungen zu Ihrer Rede. In vielem, was Sie in Ihrer Rede angesprochen haben, haben wir jetzt Konsens. Dies stelle ich mit Freude fest, weil viele Forderungen dabei sind, die alte Forderungen von uns sind.

    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    Richtig ist, meine Damen und Herren, seine Äußerung, daß wir die Umweltleistungen besser honorieren müssen. Falsch ist, diese Hilfen dann, wie bei der Vorsteuerpauschale geschehen, nur an den Umsatz zu binden.
    Richtig ist Ihre Feststellung, daß allein Preise für die Agrarprodukte den Umweltleistungen nicht gerecht werden. Warum haben Sie dann direkte Leistungen in den vergangenen Jahren abgelehnt?
    Richtig ist, daß staatliche Hilfen die über den Markt zu erzielenden Einkommen ergänzen müssen. Warum sagen Sie dann immer, daß andere die am Markt zu



    Oostergetelo
    erzielenden Hilfen ersetzen wollen? Sozialdemokraten haben das nie gesagt.
    Richtig ist, daß ein Bündel von Maßnahmen nötig ist und Maßnahmen nicht nacheinander, sondern nebeneinander durchgeführt werden müssen. Warum legen Sie dann immer, wie jetzt geschehen, Einzelmaßnahmen vor und nicht ein Bündel, z. B. bestehend aus direkter Einkommensübertragung und Extensivierungsmaßnahmen?
    Herr Minister, Sie sind nun ein halbes Jahrzehnt im Amt. Dies ist der sechste Agrarbericht, den Sie vorlegen. Anzuerkennen ist die Offenheit Ihrer Rede, in der Sie zu einer ähnlichen Beurteilung kommen wie wir: Die Bilanz ist bedrückend.
    Als Sie Ihr Amt antraten, hatten die deutschen Landwirte — jeder von Ihnen weiß das — ihr bisher höchstes Einkommen erwirtschaftet. Trotzdem forderten Sie damals zweistellige Preiserhöhungen. Nach einem Regierungsjahr hatten wir dann den Sturz bei den bäuerlichen Einkommen. Bis heute haben sich die Einkommen von diesem Absturz nicht erholt, im Gegenteil: Für das laufende Wirtschaftsjahr rechnen selbst Sie mit zweistelligen Einbußen bei den meisten Produktbereichen. Heereman sagt, selbst 7 % seien viel zu optimistisch, und redet von 12 % im Schnitt.
    Auf dem Lande verbreitet sich weiter Hoffnungslosigkeit. Die Zahl der aufgegebenen Betriebe hat sich verdoppelt. 73 Betriebe pro Tag — den ersten Weihnachtstag eingerechnet — schließen die Hoftore. Wenn das so weitergeht, wird die Funktionsfähigkeit ganzer ländlicher Bereiche in Frage gestellt. Was das für die Menschen auf den Höfen, auf dem Lande und besonders für die Bauern bedeutet, wissen Sie genauso gut wie ich.
    Die Landwirtschaft ist so alt wie unsere Kultur. Sie ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Wenn ein Bauer seinen Betrieb aufgeben muß, verliert er nicht nur seine Existenz wie ein Arbeitsloser — das ist beides schlimm — , sondern er verliert seine Identität; Bauer sein ist eine Lebensform.
    Obwohl der Strukturwandel weitergeht, ist massives staatliches Hinausdrängen unbarmherzig, unsozial und gegen die Interessen des ländlichen Raumes gerichtet.

    (Beifall bei der SPD)

    Im gesamtgesellschaftlichen Interesse wollen wir die bäuerliche Struktur, weil sie leistungsfähig ist, weil sie Ökologie und Ökonomie durch ihre Vielfalt besser zum Ausgleich bringen kann und die Voraussetzung ist für die Erhaltung der herrlichen Dörfer und des ländlichen Raumes, wo 50 % der Menschen wohnen,

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    und weil Sie die Ernährung der Bevölkerung letztlich nur durch eine bodengebundene Landwirtschaft und eine dezentrale Versorgung auch in Krisenzeiten sicherstellen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Darum, Freunde, müssen wir uns alle für eine Bündelung von Maßnahmen für eine möglichst große Zahl bäuerlicher Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb einsetzen. Dazu gehören auch die Förderung und Verbesserung der Vermarktungsstrukturen und EG-weiter flächenbezogener Bestandsobergrenzen in der Tierhaltung, übrigens zur Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe und zum Schutz der Umwelt, sowie die strikte Einhaltung von Förderobergrenzen. Wiederholt haben wir die Abwendung von der gescheiterten Agrarpolitik und die Neuorientierung in Richtung auf mehr Markt und zusätzliche Einkommenssicherung durch produktionsneutrale direkte Einkommenshilfen gefordert.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Für wen? Roß und Reiter nennen, wer was kriegt und wer nichts kriegt!)

    Doch die Bundesregierung beharrte auf der sogenannten aktiven Preispolitik, ohne einkommenswirksame Hilfen und eine Bündelung begleitender Maßnahmen früh genug einzuleiten.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wir wollen das mal wissen hier!)

    Sie tragen die Verantwortung für die Entwicklung, wie wir sie heute vorfinden.
    Nun haben Sie nicht Preiserhöhung, wie Sie immer gefordert haben, sondern Preissenkung beschlossen, und das auf Vorschlag des Kanzlers drei Jahre im voraus, z. B. im Getreidebereich, wie Sie selber wissen.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: So ist das!)

    Das sind Tatsachen, Freunde. Es ist wahr: Keine Regierung hat mehr Geld ausgegeben als diese. Wahr ist auch, daß nie weniger auf den Höfen angekommen ist.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Das kann man doch nicht bestreiten. Vor allem kleine und mittlere, meist umsatzarme Betriebe sind in immer stärkere Bedrängnis gekommen. Die von Ihnen in Brüssel durchgedrückte Milchquote hat drei Vierteln der Betriebe keine Perspektive gelassen. Man kann doch jetzt nicht von 16 Kühen leben, wenn man früher 20 brauchte. Und drei Viertel haben unter 20 Kühe. Mit der überschußtreibenden 5 %igen Vorsteuerpauschale wurden umsatzstarke Betriebe belohnt und umsatzschwache bestraft. Die Kluft innerhalb der Landwirtschaft vertieft sich zusätzlich.
    Zum 1. Juli 1988 fällt nun der Währungsausgleich endgültig weg. Das neue System benachteiligt uns als währungsstarkes Land extrem.
    Wir Sozialdemokraten haben uns seit langem für eine Flankierung des notwendigen Überschußabbaus durch direkte produktionsneutrale Einkommensübertragungen eingesetzt. Unser Programm von 1980, von 1985 und das Aktionsprogramm von 1988 machen hier eindeutige Vorgaben. Jedem Einsichtigen muß doch klar sein, daß in Zeiten wachsender Überschüsse trotz enormer Aufwendungen die bäuerlichen Einkommen allein über die Preise nicht gesichert werden können. Das geben Sie jetzt selber zu, dankenswerterweise, Herr Minister. Aber Bundesregierung und leider auch Bauernverband haben uns



    Oostergetelo
    wegen dieser Vorstellung lange Jahre kritisiert und nur eine aktive Preispolitik gefordert.

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Richtig! „Sozialistisches Machwerk" war das!)

    Die Entwicklungen der letzten Jahre haben uns voll bestätigt. Wir sehen mit einer gewissen Befriedigung, daß sowohl in Brüssel als auch hier in Bonn eine wenn auch leider viel zu späte Einsicht in neue Wege der Einkommensübertragung gewachsen ist. Wir müssen diesen Weg energisch weiterbeschreiten. Allerdings muß der Finanzminister seine unsinnige Blockadepolitik aufgeben, die am falschen Ende spart. Wir müßten von dem Teufelskreis des Immer-mehr-produzieren-Müssens weg. Wir müssen dort herauskommen. Darum: weg von produktionstreibenden Hilfen und hin zu produktionsneutralen existenzsichernden Hilfen!

    (Beifall bei der SPD)

    Hier geht es nicht nur um mehr Geld, sondern darum, daß das Geld auf den Höfen ankommt, meine Freunde.
    Unserer alten Forderung nach einer gerechten Einkommenspolitik hat die Bundesregierung nun nachzukommen.

    (Eigen [CDU/CSU]: Was ist gerechte Einkommenspolitik?)

    Damals haben wir sie schon gefordert. Von 1989 an ist ein Teil der Mehrwertsteuerpauschale — Sie verlangen ja 2 % mehr, Herr Eigen — neu zu gestalten. Dabei erwarten wir angemessen gestaffelte Ausgleichsbeträge, die an eine Einkommensschwelle gebunden sind. Existenzrettende und notwendende Hilfe für die Bauern: ja, Einkommensübertragung an Großverdiener, wer immer das sein mag: nein.
    Nun zur Extensivierungspolitik.

    (Eigen [CDU/CSU]: Jetzt haben wir es!)

    Wir begrüßen es, daß die Regierungschefs in ihrer Grundsatzentscheidung über Extensivierung, Flächenstillegung und Vorruhestand im letzten Februar einen Schritt hin zu einer Neuorientierung der Agrarpolitik getan haben. Es ist aber bedauerlich, daß die Regierungschefs keinerlei Anstöße für ein EG-weites direktes Einkommenssystem gegeben haben. Die EG-Kommission hat hier vor Jahresfrist Vorschläge vorgelegt, die, wenn auch unzulänglich, zumindest einen Einstieg in ein solches System bringen können. Ernsthaft darüber verhandelt wurde nicht. Dabei könnte dies ein Herzstück für die Verbesserung der Einkommenssituation sein. Die Bundesregierung sollte daher die Zeit ihres Vorsitzes im Ministerrat nutzen — und hierzu, Herr Minister, fordere ich Sie auf — , um hier zu entscheidenden Fortschritten zu kommen. Noch ist ein bißchen Zeit.

    (V o r s i t z: Vizepräsident Cronenberg)

    Die Koalitionsfraktionen haben nun im Eilverfahren einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß zumindest die Flächenstillegung zum 1. Juli 1988 Anwendung finden kann.
    Diese Vorgehensweise entspricht zwar eher einem Überfall

    (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

    als einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Verfahren,

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    aber, Freunde, trotz unserer Bedenken haben wir uns diesem Verfahren nicht widersetzt; denn es geht uns vor allem darum, daß den Landwirten rechtzeitig geholfen wird, und zwar noch vor der Aussaat im kommenden Herbst.

    (Eigen [CDU/CSU]: Sonst nützt es auch nichts!)

    Wer das will, der muß bis zum Juli wissen, wo er dran ist. Deshalb werden wir das nicht blockieren, sondern konstruktiv mitarbeiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Noch eine kritische Anmerkung ist notwendig: Mit dem Extensivierungsgesetz wird nur die Flächenstillegung ab 1. Juli 1988 Anwendung finden. Die für uns wichtigere Extensivierung und die Umstellung der Erzeugung sollen dagegen erst zu Beginn des nächsten Jahres wirksam werden. Wieder ein Jahr vergangen. Das gilt auch für den Vorruhestand für ältere Landwirte. Wir halten eine derartige zusätzliche Zersplitterung des Maßnahmenbündels nicht nur für unsinnig, sondern vor allem für den Landwirt für unzumutbar. Alle diese Maßnahmen stehen doch in ursächlichem Zusammenhang. Der Landwirt muß bei seiner konkreten Entscheidung alle Einzelheiten wissen, weil er entscheiden will und weil er entscheiden muß.
    Dieser magere Gesetzentwurf ist doch Ausdruck des offenen Streits zwischen den zuständigen Bundesressorts, zwischen Bundesregierung und Bundesländern sowie innerhalb der Regierungskoalition. Um diesen Streit zu überdecken, haben Sie diesen Weg gewählt und hoffen nun darauf, daß es noch rechtzeitig gelingt. Offen ist, ob dieses Verfahren wirklich Erfolg haben wird. Denn der Bundesrat kann das gesamte Verfahren noch zu Fall bringen.
    Wir Sozialdemokraten werden uns im kommenden Gesetzgebungsverfahren konstruktiv verhalten. Wir wollen, daß die Ausgestaltung zum Besten der Landwirte und ohne Verzögerung geschieht und daß Extensivierung eindeutig Vorrang vor Flächenstillegung hat. Großräumige dauerhafte Flächenstillegungen kommen für uns nicht in Betracht. Eine solche Maßnahme führt doch besonders in strukturschwachen Regionen zu einer wachsenden Verödung ganzer Landstriche, und es besteht die Gefahr, daß dann andere den Markt übernehmen. Rotationsbrache, extensive Beweidung und alternativer Landbau sind hervorzuheben. Die Höhe der Beihilfe sollte entsprechende Anreize geben.
    Soweit begrenzte Flächenstillegungen unter Berücksichtigung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes vertretbar sind, sollten zusätzlich folgende Kriterien eingeführt werden: Die Maßnahmen sollten sich auf alle Ackerflächen beziehen. Die Stillegung sollte nur Teile eines Betriebes umfassen, es sollte



    Oostergetelo
    keine intensivere Bewirtschaftung auf den verbleibenden Flächen geben. Benachteiligte Gebiete und Berggebiete müßten von der Flächenstillegung ausgenommen werden können. Der sensible Pachtmarkt darf durch diese Maßnahmen nicht zusätzlich gestört werden.
    Ein Erfolg wird nur möglich sein, wenn alle Länder mitmachen, Aber wir wissen, daß einige Länder nur wiederwillig zugestimmt haben. Deshalb fordern wir die EG-Kommission als Kontrollinstanz auf, hier zu prüfen — und wir fordern einen Bericht der Bundesregierung — , daß nun alle mitmachen und nicht andere den Markt übernehmen, während wir die Produktion zurückfahren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir beantragen deshalb Überweisung an den Ernährungsausschuß.
    Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir werden konstruktiv mitarbeiten.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Endlich mal!)

    Alle Vorschläge, die der Minister angesprochen hat, sind Vorschläge, die unseren schon sehr verwandt sind, die er noch vor Jahren negiert hat.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Quatsch!)

    Besonders gilt es dafür zu sorgen, daß nun endlich auch im Bundeskabinett Klarheit herrscht und man nicht immer wieder bei einzelnen Maßnahmen den Eindruck haben muß, daß sich Stoltenberg und Kiechle nicht einig sind. Er spart wirklich am falschen Ende. Besonders die umsatzarmen Bauern haben in den letzten Jahren zuviel gelitten, meine Freunde. Wir müssen ihnen ohne jedes Wenn und Aber helfen, jetzt und sofort.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Susset.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Egon Susset


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei der Bundesregierung, beim BML und bei den Beamten für die Vorlage des Berichts bedanken und vorab feststellen, daß diese Agrardebatte zum ersten Mal Gelegenheit gibt, nicht nur die Einkommenssituation der Landwirtschaft, sondern auch die Ergebnisse der erfolgreichen Umorientierung der europäischen Agrarpolitik hier zu diskutieren. Selbstverständlich wird diese Umorientierung nur dann erfolgreich sein, wenn sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft so daran beteiligen, wie es das Ergebnis des Rats in Brüssel war.

    (Kreuzeder [GRÜNE]: Glauben Sie das?)

    Der Minister ist auf die Einkommenssituation eingegangen. Die ist, auch angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt, sicherlich nicht so, wie wir sie heute in der Landwirtschaft brauchten. Die Einkommenssituation der deutschen Landwirtschaft macht aber auch im EG-Vergleich gewisse Sorgen. Während die
    Betriebseinkommen in Dänemark und in den Niederlanden im Wirtschaftsjahr 1985/86 bei über
    49 000 DM lagen, in Belgien bei 40 000 DM, lagen sie bei uns nur bei etwa 23 000 DM. Sicherlich — das müssen wir feststellen — ist hier die Struktur mitverantwortlich. Der Herr Minister ist darauf vorhin eingegangen. Verantwortlich hierfür ist aber natürlich auch das Problem des Währungsausgleichs. Deshalb müssen wir darauf drängen, daß das System des Währungsausgleichs so lange erhalten bleibt, bis wir eine gemeinsame Währungspolitik und eine einheitliche Wirtschaftspolitik haben. Auch im Vergleich zu den Einkommen, die in anderen Wirtschaftsbereichen erzielt werden, ist die Landwirtschaft im Nachteil.
    Diese wenigen Ausschnitte, die auch in der Rede des Ministers zum Ausdruck kamen, machen deutlich, daß wir in der Agrarpolitik noch nicht über den Berg sind.
    Der Agrarbericht zeigt aber auch eine positive Bilanz, nämlich dort, wo die Bundesregierung die Möglichkeit hatte, national Unterstützung zu geben. Wir waren 1983 mit dem Agraretat bei knapp 6 Milliarden DM. 1988 sind es bereits über 8,5 Milliarden DM. Während der Bundeshaushalt von 1983 bis 1988 um 11 % gewachsen ist, ist der Agraretat um 44 To aufgestockt worden. Allein diese Gegenüberstellung, Herr Kollege Oostergetelo, spricht eigentlich dem Hohn, was Sie hier als unsinnige Blockadepolitik des Finanzministers dargestellt haben. Der Finanzminister hat das an finanziellen Zuwendungen gegeben, was sicherlich bei einem SPD-Finanzminister überhaupt nie möglich gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Was wäre geschehen, wenn wir noch einen SPD-Finanzminister hätten? 1982 wurden Beschlüsse gefaßt, etwa die Abschaffung der Bundeszuschüsse für die Berufsgenossenschaften, die Halbierung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe. Herr Kollege Oostergetelo, wie hätten Sie ausgleichen können, was Sie vorhin zum Ausdruck brachten? Wie hätten Sie Voraussetzungen geschaffen, daß unsere Dörfer besser werden? Wie hätten Sie das bei einer Halbierung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe geschafft? Das war SPD-Politik, und der frühere Finanzminister, der Herr Apel, macht doch auch heute immer noch deutlich, daß für ihn dieses „Verstreuen von Milliarden an die deutsche Landwirtschaft" bei einer SPDgeführten Bundesregierung nie möglich wäre.
    Ich denke an die Ausgleichszulage.

    (Kreuzeder [GRÜNE]: Ein Almosen!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hat
    sich hier in den letzten Jahren getan? Wir haben heute
    50 To der landwirtschaftlichen Nutzfläche in dieser Ausgleichszulage. Herr Kollege Kreuzeder, ich glaube nicht, daß dies in Ihrem Wahlkreis als Almosen bezeichnet wird.

    (Zuruf der Abg. Frau Flinner [GRÜNE])




    Susset
    Ich nehme an, daß man in Ihrem Wahlkreis durchaus erkennt, daß die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung bereit sind,

    (Weitere Zurufe der Abg. Frau Flinner [GRÜNE])

    natürliche Nachteile, die vorhanden sind, auch tatsächlich finanziell auszugleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Anhaltende Zurufe der Abg. Frau Flinner [GRÜNE])

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, daß wir heute auch über den Einstieg in die neue Agrarpolitik diskutieren können, und ich meine, da haben wir dem Bundeskanzler zu danken, der in Brüssel Agrarpolitik zur Chefsache gemacht hat, und wir haben unserem Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle zu danken, der in den Vorverhandlungen die Weichen dafür hat stellen können, daß das Ergebnis von Brüssel überhaupt möglich wurde.
    Wir sind uns doch darüber im klaren, daß es ohne Neuordnung der Finanzen in der Europäischen Gemeinschaft und besonders in der europäischen Agrarpolitik überhaupt keine Chance mehr gegeben hätte, die Einkommen in der Landwirtschaft auch nur einigermaßen zu sichern. Was war denn seitens der Kornmission und was war seitens der Mitgliedsländer vorgeschlagen worden? Eine Preisdruckpolitik war die Vorgabe, die die Bundesrepublik damals in Kopenhagen vorgefunden hat. Wir haben in Kopenhagen nicht zugestimmt; denn das, was in Kopenhagen für die deutsche Landwirtschaft vorgesehen war, hätte zu dem geführt, was wir nur als ein massives und unsoziales Hinausdrängen aus der Landwirtschaft hätten bezeichnen können. Aber Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben keinen Grund, hier etwas dazu zu sagen.

    (Jansen [SPD]: Wir waren auch nicht in Kopenhagen! — Weiterer Zuruf von der SPD: Die Pirouetten, die Sie drehen, sind noch weniger geeignet!)

    Wir wollen das, was auf dem Gipfel in Brüssel beschlossen wurde, auch umsetzen. Hier ist praktisch die Milchgarantiemengenregelung ein Vorläufer, bei dem deutlich wird, daß es die Chance gibt, die Preise in einem Produktionszweig zu halten. Hier wurden wir beschimpft.