Rede von
Thomas
Wüppesahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Danke schön, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Daß eine Reform für mehr Gesundheit in diesem Lande erforderlich ist, dürfte unstrittig sein. Jedoch stellt sich bei dieser Reform, die wir jetzt vor uns liegen haben, die Frage, wohin die Reise geht.
Die AOK propagiert die Gesundheitskasse, und in der Tat sieht auch die Werbung der AOK und anderer Kassen so aus, daß nur noch junge, gesunde, modische, schicke und reiche Menschen darin auftauchen, und das ist auch der Klientelkreis, den sie am liebsten ausschließlich in ihrer Kasse haben möchten. Unterstützt wird das mit einer Broschüre aus Ihrem Hause, von Ihnen herausgegeben, Herr Minister Blüm. Der Titel dieser Broschüre lautet: „Damit unsere Krankenversicherung gesund bleibt". Die Krankenversicherung soll gesund bleiben, und das ist auch das wesentliche Kennzeichen dieser sogenannten Strukturreform im Gesundheitswesen, daß es weniger um die Stärkung der Patientenrechte als vielmehr um die Genesung der Kassen geht. Die Kräfteverschiebung zugunsten der Krankenversicherung ist das entscheidende Strukturmerkmal. Alles andere verdient nicht
die Bezeichnung einer Strukturreform im Gesundheitswesen.
Insgesamt werden keine Problemlösungen, sondern lediglich Problemverschiebungen angeboten, und dafür haben wir schon eine Reihe von Beispielen gehört. Das gravierendste, Herr Blüm, ist zweifelsfrei der Krankenhausbereich. Über ein Drittel der Kosten fällt dort an. Sie geben in Ihrer Propaganda vor, daß Sie dort 1,5 Milliarden DM einsparen wollen, und Sie sagen gleichzeitig, daß 20 000 Stellen im stationären Pflegebereich entfallen sollen, wo wir jetzt schon wissen, daß gerade dieser Bereich die größte Kritik bei den Patienten hervorruft und daß bei der Einführung der 39-Stunden-Woche, wenn man, linear rechnen würde, exakt 20 000 Stellen zusätzlich erforderlich wären. Da wollen Sie noch sparen!
Der gesamte Bereich der Patientenrechte fehlt in dieser Strukturreform, und das ist aus meiner Sicht ein weiterer entscheidender Kritikpunkt. Denn wenn jemand überhaupt den Mut und die Courage aufbringt, sich gegen seinen Arzt oder seine Ärzte zur Wehr zu setzen, dann ist es auf Grund der herrschenden Rechtsprechung geradezu unmöglich, daß er in dem Bereich, so wie der Kunstfehler nach herrschender Meinung in der Jurisprudenz definiert wird und auch in der Rechtsprechung behandelt wird, zu seinem Recht gelangen kann. Es sind absolute Ausnahmefälle, daß Patienten zu ihrem Recht kommen können.
Das wäre ein Ansatz gewesen, wo Sie mit Ihrer Strukturreform im Gesundheitswesen tatsächlich Fortschritte erreichen könnten.
Auch das Element des ordentlichen, des alten Hausarztes stärken Sie in keiner Weise. Im Gegenteil, durch Ihre sogenannte Strukturreform verstärken Sie noch die ohnehin viel zu stark vorhandene Überbewertung des Facharztes. Das Pingpongspiel, das zwischen den Ärzten stattfindet, wird ebenfalls an keiner Stelle Ihres Papiers abgestellt.
Ich denke, daß wir auf jeden Fall bei der Detaildiskussion noch sehr viel mehr Beispiele bringen werden, die belegen werden, wie aberwitzig Ihre Gedanken, die Sie zu Papier gebracht haben, im Interesse der Patienten sind.