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    Plenarprotokoll 11/72 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 72. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Frau Teubner, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Transport gefährlicher Güter (Drucksache 11/996) Frau Brahmst-Rock GRÜNE 4861 A Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 4863 A Pauli SPD 4864 D Gries FDP 4866 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 4867 C Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Berufsbildungsbericht 1987 (Drucksachen 11/98, 11/522, 11/551, 11/1705) Oswald CDU/CSU 4869 B Frau Odendahl SPD 4871 B Neuhausen FDP 4873 A Frau Hillerich GRÜNE 4875B, 4882 C Möllemann, Bundesminister BMBW . . 4877 D Rixe SPD 4880 B Schemken CDU/CSU 4881 D Kuhlwein SPD 4884 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltkriminalität (Drucksachen 11/172, 11/1555) Bachmaier SPD 4886 D Eylmann CDU/CSU 4888 B Häfner GRÜNE 4889 D Kleinert (Hannover) FDP 4891 B Engelhard, Bundesminister BMJ 4892 A Schütz SPD 4893 B Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 4895 B Nächste Sitzung 4896 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4897 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4897 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 4861 72. Sitzung Bonn, den 15. April 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 15. 4. Frau Beck-Oberdorf 15. 4. Dr. Biedenkopf 15. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Büchner (Speyer) 15. 4. Dr. von Bülow 15. 4. Buschbom 15. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann * * 15. 4. Erler * * 15. 4. Dr. Faltlhauser 15. 4. Frau Fischer * * 15. 4. Gattermann 15. 4. Frau Geiger * * 15. 4. Dr. Geißler 15. 4. Gröbl 15. 4. Frau Dr. Hartenstein * * 15. 4. Dr. Hauff 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Hiller (Lübeck) 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz * * 15. 4. Dr. Hüsch 15. 4. Ibrügger 15. 4. Irmer * * 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Jungmann 15. 4. Kalb 15. 4. Kalisch 15. 4. Kiechle 15. 4. Kiehm 15. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Kroll-Schlüter 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Dr. Müller * 15. 4. Müller (Wadern) 15. 4. Niegel 15. 4. Rappe (Hildesheim) 15. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rühe 15. 4. Schäfer (Mainz) 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Frau Schmidt (Nürnberg) 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Solms 15. 4. Spilker 15. 4. Dr. Sprung 15. 4. Dr. Stercken * * 15. 4. Stobbe 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Dr. Todenhöfer 15. 4. Voigt (Frankfurt) 15. 4. Wartenberg (Berlin) 15. 4. Wischnewski 15. 4. Wissmann 15. 4. Würtz 15. 4. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. März 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 3. März 1988 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Beendigung der Stufenregelung", Drucksache 11/1857, zurückzieht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/883 Nr. 125, 129, 132, 133 Drucksache 11/1107 Nr. 1.8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 49 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1707 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1785 Nr. 2.1 Drucksache 11/1895 Nr. 2.3 bis 2.10 Drucksache 11/1938 Nr. 1 bis 6 4898* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/929 Nr. 2.12 bis 2.25 Drucksache 11/1107 Nr. 2.8, 2.9 Drucksache 11/1365 Nr. 3.3 bis 3.25 Drucksache 11/1450 Nr. 2.7 Drucksache 11/1526 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1656 Nr. 3.14 bis 3.19 Drucksache 11/1707 Nr. 14 bis 23, 25 bis 27 Drucksache 11/1785 Nr. 2.2 bis 2.18, 2.20 Drucksache 11/1785 Nr. 2.19 wurde von der EG-Kommission zurückgezogen Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1656 Nr. 3.33 Drucksache 11/1707 Nr. 28 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/1938 Nr. 10 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.30 Drucksache 11/973 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/1107 Nr. 2.12, 2.13 Drucksache 11/1181 Nr. 2.1 Drucksache 11/1365 Nr. 3.26, 3.27 Drucksache 11/1526 Nr. 3.5 Drucksache 11/1785 Nr. 2.23 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.54 Drucksache 11/1107 Nr. 2.14
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dietmar Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will auf die Anmerkungen von Herrn Eylmann und Herrn Kleinert eingehen, die gesagt haben, daß das Umweltstrafrecht natürlich nur eine flankierende Maßnahme und nicht Ultima ratio ist. Ich stimme dem selbstverständlich zu.

    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Umweltstrafrecht kann nur flankierend sein. Die Aufgaben liegen anderswo. Aber die generalpräventive
    und erzieherische Kraft des Strafrechts mußte eingesetzt werden. Insofern war die Novelle von 1980 hilfreich, und sie war sicher ein entscheidender Schritt zum Umweltschutz. Ich glaube, das ist auch allgemein anerkannt.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieses Strafrecht darf auch nicht zahnlos sein, sondern muß kräftig dorthin beißen, wo tatsächlich Umweltkriminalität ist. Insofern, Herr Eylmann, ist der Hinweis nicht richtig, daß wir in allen anderen Lebensbereichen von Strafe gar nichts halten und hier, im Umweltstrafrecht, plötzlich drakonisch werden wollen. Ich denke, wir müssen uns wohl einmal das Schutzgüter- und Sanktionensystem anschauen. Herr Pfeifer hat jüngst in einem Artikel im „Spiegel" darauf hingewiesen, daß wir an dieser Stelle umbauen müssen. Ich glaube, er hat recht. Wir sollten das tun.

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Der Artikel war ausnahmsweise nicht gut!)

    — Ich halte ihn an der Stelle für richtig.
    Wir sollten wirklich fragen, welche Richtung dieses Zubeißen und welchen Nachdruck das Zufassen haben soll. Wir könnten — Herr Bachmaier hat darauf schon hingewiesen — zum Thema „Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen" viele Beispiele geben. Wir alle wissen aber, daß weder die Staatsanwaltschaft noch die Richterschaft und erst recht nicht die Polizei ein Interesse daran haben, Umweltdelikte nicht nachhaltig zu ahnden.
    Gleichwohl weist die in der Antwort vorgelegte Statistik der Strafverfolgung und insbesondere der Verurteilungen aus, daß fast ausschließlich Geldstrafen verhängt werden und daß, wenn in seltenen Fällen Freiheitsstrafen ausgesprochen werden, diese zwangsläufig zur Bewährung ausgesetzt werden, weil es meistens Ersttäter sind.
    Auch die jetzt vorgelegten Zahlen bestätigen die Aussage einer empirischen Untersuchung zum alten Rechtszustand, wonach verfolgter Umweltkriminalität ganz überwiegend Bagatellcharakter zukommt. Diese Auffassung wird durch die in der Antwort der Bundesregierung vorgelegten Zahlen bestätigt. Auch nach dieser Statistik gibt es im Umweltstrafrecht überwiegend Kleinkriminalität, häufig nicht einmal in der Größenordnung des Ladendiebstahls.
    Gleichwohl ist die Bundesregierung der Auffassung
    — Sie haben das noch einmal bestätigt, Herr Minister —, daß das derzeitige Sanktionensystem für Umweltdelikte einen ausreichenden Strafrahmen bietet. Ich will mir die vordergründige Polemik ersparen, die Umweltkriminalität werde von der Bundesregierung durch dieses Festhalten am Sanktionensystem bagatellisiert. Dies stimmt zwar auch, aber nur eben teilweise.

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Also war es doch Polemik!)

    — Ein bißchen polemisch darf man ja werden.
    Es kommen für mich erkennbar zwei Faktoren zusammen, die den durch die Statistik zu untermauernden öffentlichen Eindruck der bei Umweltdelikten zahnlosen Polizei und Justiz erhärten. Einer wurde



    Schütz
    hier schon deutlicher ausgeführt: Es ist der Umstand, den auch Herr Pfeifer angesprochen hat, daß wir den Strafrahmen bei Umweltdelikten deutlich erhöhen müssen. Ich halte das für evident und will das hier nicht weiter ausführen.
    Ebenso wichtig für die Erhöhung der Wirksamkeit des Umweltstrafrechts ist es, so meine ich, daß wir uns mit der Frage beschäftigen, in welchem Umfang das Umweltstrafrecht akzessorisch zum Verwaltungsrecht sein muß. Wie weit sind Verwaltungsträger selbst für Umweltschäden verantwortlich, und inwieweit müssen sie verpflichtet werden, Umweltverstöße den Strafverfolgungsbehörden zu melden?
    Das Thema ,,Strafrecht und Verwaltung" hat dieses Parlament und die Ausschüsse schon 1980 im Zusammenhang mit den Beschlüssen der Umweltstrafrechtsnovelle nachhaltig beschäftigt. Mir scheint, daß es hier nach wie vor zahlreiche ungelöste Fragen gibt. Die jetzige Regelung der teilweise strengen Verwaltungsakzessorietät, der quasi Straffreiheit von Amtsträgern und der nur sehr begrenzten und tatsächlich zurückhaltend geübten Anzeigepflicht von Amtsträgern in der Verwaltung hat möglicherweise den skizzierten Bagatellisierungszustand, aber vor allem den öffentlichen Eindruck mitgeprägt, es werde nichts getan.
    An einem für mich entlarvenden Beispiel aus dem niedersächsischen Polizeialltag wird die Problematik, aber auch die unterschiedliche Haltung von Polizei und Verwaltungsbehörden besonders deutlich. Ich meine die Rücknahme des sogenannten Umweltkoffers für die Polizei zu dem Zeitpunkt, als sich herausstellte, daß die Polizei eine besonders wirksame Überwachung vor allem der Gewässer vornahm und sich ihr Vorgehen auch gegen Verwaltungsbehörden und Kommunalbehörden selbst richtete.

    (Beifall bei der FDP)

    Dieses Beispiel zeigt, daß theoretisch wohl auch Amtsträger strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sind. Praktisch spricht aber einiges dafür, daß sie nie in der Statistik auftauchen.
    Die uns vorliegende Antwort der Bundesregierung nennt drei Ermittlungsverfahren gegen Amtsträger, die alle eingestellt wurden. Das Beispiel zeigt aber auch, daß die Polizei gebremst werden muß und daß sie sich nicht selber bremst. Außerdem zeigt das Beispiel, daß der Tatbestand der Gewässerverunreinigung einer ist, den sie selbst auch ohne fremde Hilfe aufklären kann. Deswegen gibt es auch so viele Verfahren.
    Auch die starke Dominanz der Gewässerverunreinigung im Rahmen registrierter Kriminalität, die aus der Statistik in der uns vorgelegten Antwort erkennbar ist, deutet auf eine vor allem an Gesichtspunkte optischer Wahrnehmbarkeit gebundene Erfassungsstruktur hin. Das eben leistet Schutz- und Wasserschutzpolizei. Dort, wo man weitgehend auf technisch umfangreicher ausgerüstete Verwaltungsbehörden, insbesondere auf die Gewerbeaufsichtsämter angewiesen ist, liegt die Anzeigehäufigkeit deutlich niedriger.
    Nach einer mir vorliegenden Untersuchung erfolgte bei 6 267 Besichtigungen durch Gewerbeaufsichtsämter in Schleswig-Holstein in den Jahren 1981 und 1982, die zu 1 726 Beanstandungen führten, nur in 28 Fällen eine Anordnung, in drei Fällen eine Verwarnung ohne Bußgeld, und nur in drei Fällen erging ein Bußgeldbescheid.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Nach einer Studie von Frau Mayntz wird hieran deutlich, daß Verwaltungsbehörden eben verhandlungsorientierte Strategien dem Gebrauch verwaltungs- und strafrechtlicher Zwangsmaßnahmen vorziehen. Das erscheint mir — Herr Kleinert, Sie haben sich damit auch beschäftigt — im Grunde auch als ein plausibles Vorgehen, solange Straftaten nicht tatsächlich unangezeigt bleiben. Aber wo bleibt die Grenze?
    Die Anzeigepflicht — Herr Engelhard hat vorhin noch einmal darauf hingewiesen — wurde im Umweltbereich wegen der notwendigen gegenseitigen Kooperation zwischen Behörden und Anlagebetreibern, wegen der notwendigen gegenseitigen Information nicht ins Strafrecht eingeführt. Böse meinende Kritiker können schon aus der amtlichen Begründung leicht das Bild von Umweltsündern entnehmen, die unter einer Decke stecken.
    Das Problem des Verhältnisses von Verwaltungsrecht zu Umweltstrafrecht wird aber eben noch deutlicher durch das Prinzip der bedingungslosen Verwaltungsakzessorietät einiger umweltstrafrechtlicher Normen. Bei § 324 StGB, nämlich der Gewässerverunreinigung, ist es das Merkmal des „Unbefugten", das die Verwaltung ausfüllen muß. Bei § 325 StGB, der Luftverschmutzung, ist es die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, die grob pflichtwidrig sein muß. Dadurch werden die Straftatbestände verwaltungsrechtlich erst festgelegt. Während bei § 324 StGB alles, was verwaltungsrechtlich nicht erlaubt ist, auch strafrechtliche Relevanz bekommt, genügt das bei § 325 StGB nicht. Erst wenn die Verwaltung in Auflagen und Anordnungen die Pflichten eines etwaigen Betreibers unanfechtbar festgelegt hat und dieser dagegen grob verstößt, greift das Strafrecht ein.
    Es überrascht deshalb nicht, daß die vorgelegte Antwort im Bereich des § 325 StGB fast keinen Verstoß aufzeigt. Die Wirklichkeit des Verwaltungsverfahrens zeigt auch, daß sich Großemittenten in der Regel nicht strafbar machen, weil sie — von Störfällen abgesehen — die Umwelt im Rahmen der erforderlichen Erlaubnis benutzen. Im Ergebnis kann bei den einengenden Tatbestandsmerkmalen des § 325 StGB keiner mehr dagegen verstoßen.
    Es ist deshalb zu begrüßen, daß zumindest an dieser Stelle die Bundesregierung über eine Novellierung dieses Straftatbestandes nachdenkt. Sie will aber das Prinzip der Verwaltungsakzessorietät nicht aufgeben, weil nicht bestraft werden kann — wie Sie vorhin noch einmal gesagt haben —, wer sich an das materielle Umweltverwaltungsrecht hält. Ich will dem grundsätzlich nicht widersprechen. Ich halte aber eine weitere Diskussion in Wissenschaft und Praxis für unabdingbar, für erforderlich.
    Wir wissen alle, daß das Verwaltungsrecht als sogenanntes „soft law" ganz anderen Gestaltungsmaximen unterworfen ist als das Strafrecht. Auflagen und



    Schütz
    Bedingungen in Verwaltungsbescheiden werden häufig ausgehandelt; Herr Kleinert hat vorhin darauf hingewiesen. Die Gestaltungsmacht eines potenten Anlagebetreibers ist dabei evident. Auf Grund der Akzessorietät des Strafrechts hat er dabei im Grunde häufig auch über den Umfang seiner eigenen Strafbarkeit mit zu verhandeln, weil nämlich das auch den Strafrahmen ausfüllt. Die beiden sich widersprechenden Prinzipien des Verwaltungsrechts einerseits und des Strafrechts andererseits lassen sich häufig nicht vereinen. Die Frage ist: In welchem Umfang kann das Strafrecht im Verwaltungsrecht abgekoppelt werden? Wie kann dem Strafrecht ein selbständigerer Schutzbereich zugewiesen werden? Die Bundesregierung sieht für eine Änderung ihrer kriminalpolitischen Haltung in dieser Frage keine Veranlassung.
    Aber angesichts der eben kurz skizzierten Ungereimtheiten, auch angesichts der unbefriedigenden Verwaltungspraxis, wo in den Verwaltungsbehörden in den verschiedenen Ländern, aber auch in verschiedenen Behörden, sehr unterschiedliche Verfahrensweisen entwickelt wurden, die auch zu unterschiedlichen Strafrechtspraxen führen, ist die Antwort der Bundesregierung hierzu nicht zufriedenstellend. Ich meine, die Arbeitsgruppe muß darüber weiter nachdenken.
    Auch die Anzeigepraxis ist in der Regel so, daß die strafwürdigen Fälle nach den Merkmalen der Hartnäckigkeit bei Verhandlungen über Auflagen und nach dem Merkmal der wiederholten Umweltschädigung herausgefiltert werden. Erst dann wird angezeigt. Dies ist auch für Verwaltungsbeamte selbst problematisch, die manchmal durchaus viel eher das Strafrecht bemühen wollen oder anderen Anforderungen ausgesetzt sein möchten.
    Ich gestehe, daß ich selber keine befriedigende Lösung zu diesem Problem kenne. Mir scheint aber, daß die vorhandenen Regelungen, nicht nur im § 325, geändert werden müssen, daß nicht nur das Bodenrecht ergänzt werden muß, sondern daß die Bundesregierung auch im Sanktionenbereich durch die Einführung eines Verbrechenstatbestandes und in der systematischen Frage des Verhältnisses zum Verwaltungsrecht in absehbarer Zeit tätig werden müßte.

    (Beifall bei der SPD)

    Der häufig geäußerte öffentliche Eindruck im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht: „Die Großen läßt man laufen" und „Die stecken alle unter einer Decke", muß uns auffordern, an diesen Stellen zu handeln.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Sauter (Ichenhausen).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Sauter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einstellung zur Umwelt hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren erfreulicherweise nachhaltig geändert. Es ist deutlich geworden, daß uns die Achtung vor der Schöpfung und die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen gebietet, Natur und Umwelt vor Schäden zu bewahren, entstandene Schäden zu beseitigen und mit den Gütern der Natur verantwortungsvoll und schonend umzugehen. Überall, in Verwaltung und Rechtsprechung, bei Produzenten und Verbrauchern, ist ein Prozeß des Umdenkens eingeleitet worden. Das Recht hat — und das ist gut so — diese Entwicklung in die Wege geleitet und unterstützt. Bereits im Jahre 1980 wurde das Umweltstrafrecht auf Grund eines breiten politischen Konsenses aller damals im Bundestag vertretenen Parteien grundlegend novelliert. Die für die Umwelt gefährlichen Verhaltensweisen wurden in neuen Straftatbeständen in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Das Parlament hat auf diese Weise die Notwendigkeit eines stärkeren strafrechtlichen Schutzes im Umweltbereich unterstrichen und den sozialschädlichen Charakter von Umweltstraftaten verstärkt in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. Selbstverständlich schließt dies nicht eine ständige Überprüfung aus, ob die geltenden Umweltstrafnormen der Entwicklung des Rechtsbewußtseins entsprechen.
    Umweltkriminalität, die unsere Gesundheit gefährdet, und Schlampigkeit im Umgang mit gefährlichen Stoffen verdienen harte Strafen. Umweltsünder müssen für den Schaden aufkommen, den sie verursacht haben. Umweltschädliches Verhalten darf sich nicht lohnen. Es muß selbstverständlich werden, daß Umweltverschmutzung kein Kavaliersdelikt ist.
    Dennoch muß eine Verbesserung des Umweltschutzes in erster Linie mit außerstrafrechtlichen Mitteln angestrebt werden. Vor allem gilt es, für eine weitere Verbesserung des öffentlich-rechtlichen Umweltschutzes und für eine stärkere Berücksichtigung dieses Schutzes im Privatrecht zu sorgen. Das Strafrecht hat eine flankierende Funktion; es kann auch im Rahmen der Umweltpolitik nur Ultima ratio sein.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrer Auffassung bestärkt, daß im Bereich des Strafrechts folgende Themen aufgegriffen werden müssen, um ein wirksameres und problembewußteres Umweltrecht zu schaffen:
    Erstens. Die Umweltkriminalität muß weiter nachhaltig bekämpft werden. Obwohl die Aufklärungsquote der einzelnen Umweltschutzdelikte bei 76 liegt und damit im Vergleich zur Gesamtkriminalität, bei der die Aufklärungsquote bei 45,2 % liegt, weit überdurchschnittlich ist, muß die Strafverfolgungsintensität weiter zunehmen. In erster Linie gilt es hierbei, das Umweltbewußtsein der Bevölkerung weiter zu schärfen. Wir müssen jedermann klarmachen, daß umweltschädliches Verhalten Unrecht ist, daß gravierende Verstöße gegen Umweltvorschriften Straftaten darstellen und nicht in den Bereich der Bagatellkriminalität abgedrängt werden können.
    Zweitens. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß in den Betrieben klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Fragen des Umweltschutzes geschaffen werden. Die Bedeutung des Umweltschutzes erfordert es, ihn bei einem Mitglied der Geschäftsführung anzusiedeln.
    Drittens. Die bei den Umweltdelikten bestehende unterschiedliche Amtsträgerverantwortung kann



    Sauter (Ichenhausen)

    nicht länger hingenommen werden. Es bedarf gesetzlicher Klarstellungen in diesem Bereich, wenn die bestehenden Zweifelsfragen nicht in absehbarer Zeit durch die Rechtsprechung geklärt werden, was möglich und denkbar erscheint.
    Viertens. Die Umweltschutzbehörden sind durch Verwaltungsvorschriften zu verpflichten, bei schwerwiegenden Straftaten Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden zu erstatten.

    (Lachen des Abg. Bachmaier [SPD]) — Moment: durch Verwaltungsvorschriften.

    Eine gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht empfiehlt sich nicht, da sich andernfalls jeder Amtsträger wegen Strafvereitelung strafbar machen würde, der in Verhandlungen mit den Anlagebetreibern und sonstigen Emittenten versucht, eingetretene Schäden zu beheben und einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen. Allerdings sollte eine Anzeigepflicht bei schwerwiegenden Umweltverstößen außer Diskussion stehen.
    Fünftens. Die umweltschützenden Ge- und Verbote müssen präziser und klarer gefaßt werden. Nur so kann eine effektive Strafverfolgung erreicht werden, da im Umweltstrafrecht der Grundsatz der Verwaltungsakzessorietät gilt, d. h. eine enge Verzahnung des Umweltstrafrechts mit dem Umweltverwaltungsrecht. Das Umweltstrafrecht kann deshalb nicht verbieten, was das materielle Umweltverwaltungsrecht erlaubt.
    Sechstens. Die Zusammenarbeit zwischen Fachbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaften muß optimiert werden, um eine wirksame Vorbeugung und Strafverfolgung zu gewährleisten. Dies gilt in erster Linie für die Konzentration der Verfahren in der Hand bestimmter Sachbearbeiter. Bei den Staatsanwaltschaften wurden bereits Sonderabteilungen bzw. Sonderdezernate für Umweltstrafrecht geschaffen. Bei den Gerichten hat sich die Spezialisierung im Wege der Geschäftsverteilung bewährt. Im übrigen sollten auf allen Ebenen die Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung ausgebaut werden. Den Polizeidienststellen sollte eine noch bessere Grundausrüstung zur Beweissicherung gegeben werden.
    Siebtens. Grundlegende Verschärfungen oder Erweiterungen der Umweltstraftatbestände sind nicht notwendig. Die durch das 18. Strafrechtsänderungsgesetz vom 28. März 1980 in das Strafgesetzbuch eingefügten §§ 324 ff. sehen Strafrahmen im Normalfall bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe sowie bei schweren Umweltdelikten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Diese Sanktionsmöglichkeiten haben sich bewährt. Ein Bedürfnis nach Erhöhung des Strafrahmens besteht auch deshalb nicht, weil diese Strafrahmen bislang maximal zur Hälfte von den Gerichten ausgeschöpft worden sind. Bisher wurden nämlich für Umweltdelikte maximal zwei bis drei Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Zwar nimmt der Anteil der höheren Kategorien zu; es ist aber trotzdem bemerkenswert, daß der bislang gültige Strafrahmen maximal zur Hälfte, bei besonders schwerwiegenden Taten gar erst zu einem Viertel ausgeschöpft wurde. Im übrigen scheint mir bemerkenswert zu sein, daß bei verschiedenen Straftatbeständen, wie z. B. § 328 StGB — unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen — oder § 311 e StGB — wissentlich fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage — , bislang kein einziges — Gott sei Dank kein einziges — Verfahren geführt wurde. Allerdings könnten einzelne Tatbestände, wie z. B. § 325 StGB, griffiger gestaltet werden.
    Achtens. Wesentlich scheint mir auch — wie der Kollege Eylmann bereits zutreffend angeführt hat — eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Gewinnabschöpfung wirtschaftlicher Vorteile von Straftaten zu sein.
    Meine Damen und Herren, gerade in unserem dichtbesiedelten und hochindustrialisierten Land kommt dem Schutz der Umwelt eine existentielle Bedeutung zu. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird wie bisher konstruktiv an einer Verbesserung des Umweltrechts mitwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)