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ID1107207400

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    Plenarprotokoll 11/72 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 72. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Frau Teubner, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Transport gefährlicher Güter (Drucksache 11/996) Frau Brahmst-Rock GRÜNE 4861 A Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 4863 A Pauli SPD 4864 D Gries FDP 4866 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 4867 C Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Berufsbildungsbericht 1987 (Drucksachen 11/98, 11/522, 11/551, 11/1705) Oswald CDU/CSU 4869 B Frau Odendahl SPD 4871 B Neuhausen FDP 4873 A Frau Hillerich GRÜNE 4875B, 4882 C Möllemann, Bundesminister BMBW . . 4877 D Rixe SPD 4880 B Schemken CDU/CSU 4881 D Kuhlwein SPD 4884 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltkriminalität (Drucksachen 11/172, 11/1555) Bachmaier SPD 4886 D Eylmann CDU/CSU 4888 B Häfner GRÜNE 4889 D Kleinert (Hannover) FDP 4891 B Engelhard, Bundesminister BMJ 4892 A Schütz SPD 4893 B Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 4895 B Nächste Sitzung 4896 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4897 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4897 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 4861 72. Sitzung Bonn, den 15. April 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 15. 4. Frau Beck-Oberdorf 15. 4. Dr. Biedenkopf 15. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Büchner (Speyer) 15. 4. Dr. von Bülow 15. 4. Buschbom 15. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann * * 15. 4. Erler * * 15. 4. Dr. Faltlhauser 15. 4. Frau Fischer * * 15. 4. Gattermann 15. 4. Frau Geiger * * 15. 4. Dr. Geißler 15. 4. Gröbl 15. 4. Frau Dr. Hartenstein * * 15. 4. Dr. Hauff 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Hiller (Lübeck) 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz * * 15. 4. Dr. Hüsch 15. 4. Ibrügger 15. 4. Irmer * * 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Jungmann 15. 4. Kalb 15. 4. Kalisch 15. 4. Kiechle 15. 4. Kiehm 15. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Kroll-Schlüter 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Dr. Müller * 15. 4. Müller (Wadern) 15. 4. Niegel 15. 4. Rappe (Hildesheim) 15. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rühe 15. 4. Schäfer (Mainz) 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Frau Schmidt (Nürnberg) 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Solms 15. 4. Spilker 15. 4. Dr. Sprung 15. 4. Dr. Stercken * * 15. 4. Stobbe 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Dr. Todenhöfer 15. 4. Voigt (Frankfurt) 15. 4. Wartenberg (Berlin) 15. 4. Wischnewski 15. 4. Wissmann 15. 4. Würtz 15. 4. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. März 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 3. März 1988 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Beendigung der Stufenregelung", Drucksache 11/1857, zurückzieht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/883 Nr. 125, 129, 132, 133 Drucksache 11/1107 Nr. 1.8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 49 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1707 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1785 Nr. 2.1 Drucksache 11/1895 Nr. 2.3 bis 2.10 Drucksache 11/1938 Nr. 1 bis 6 4898* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/929 Nr. 2.12 bis 2.25 Drucksache 11/1107 Nr. 2.8, 2.9 Drucksache 11/1365 Nr. 3.3 bis 3.25 Drucksache 11/1450 Nr. 2.7 Drucksache 11/1526 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1656 Nr. 3.14 bis 3.19 Drucksache 11/1707 Nr. 14 bis 23, 25 bis 27 Drucksache 11/1785 Nr. 2.2 bis 2.18, 2.20 Drucksache 11/1785 Nr. 2.19 wurde von der EG-Kommission zurückgezogen Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1656 Nr. 3.33 Drucksache 11/1707 Nr. 28 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/1938 Nr. 10 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.30 Drucksache 11/973 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/1107 Nr. 2.12, 2.13 Drucksache 11/1181 Nr. 2.1 Drucksache 11/1365 Nr. 3.26, 3.27 Drucksache 11/1526 Nr. 3.5 Drucksache 11/1785 Nr. 2.23 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.54 Drucksache 11/1107 Nr. 2.14
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Sprecher einer Partei, die gemeinsam mit Bürgerinitiativen und vielen Menschen in diesem Land mitgeholfen hat, Umweltschutz zu einem der wichtigsten Themen in der politischen Diskussion der Bundesrepublik zu machen, kann ich heute feststellen, daß das Umweltbewußtsein in der Bevölkerung deutlich gewachsen ist, gerade auch im Verhältnis zu einigen anderen Ländern. Man muß ja hier auch einmal etwas Positives feststellen dürfen. Aber während heute immer mehr Leute ihr Altöl nach dem Ölwechsel ordnungsgemäß abliefern und nicht mehr in den Gulli kippen, während immer mehr Leute sogenannte leere, also gebrauchte Batterien, die ja nicht leer sind, sondern voll Gift und voll wertvoller Rohstoffe, bei den entsprechenden Stellen abliefern — das gilt auch für Altpapier und Glas —, damit sie dort wiederverwendet werden können und nicht die Umwelt belasten, während also alles dies geschieht, geht die Umweltverschmutzung im großen Stil unverändert weiter. Schon auf den Deponien — ich habe mir das neulich im bayerischen Gallenbach angesehen — werden dann die sorgsam gesammelten und getrennt abgelieferten Batterien wieder in die Erde gekippt und ihrem Schicksal überlassen. Sandoz, Hoechst, Bayer usw.:



    Häfner
    kleine Leute werden bestraft, große, gigantische Umweltverschmutzer läßt man unsere Erde, unseren Lebensraum vergiften, und zwar ungesühnt.
    Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas Grundsätzliches bemerken. Unser Recht basiert auf dem Römischen Recht, dem Privatrecht. Privatrecht kommt von lateinisch privare — berauben. Das Privatrecht fing damit an, daß ein bestimmter Mensch anderen etwas wegnahm, z. B. ein Stück Land, und Pfosten oder Steine in die Erde gesetzt hat. Heute macht man das mit Stacheldraht, Betonmauern oder einem Zaun. Er hat dann gesagt: „Das ist mein Land. "

    (Bohl [CDU/CSU]: Das ist Ihre Rechtsphilosophie!)

    — Herr Bohl, es schadet Ihnen sicher nicht, wenn Sie sich das einmal anhören.

    (Bohl [CDU/CSU]: An der Uni habe ich es ein bißchen anders gehört!)

    „Das ist mein Land, wer hier eindringt, macht sich strafbar." Strafbar ist heute vor allen Dingen, wer einen anderen in seinem Besitz, in seinem Eigentum schädigt. Umwelt aber ist kein Eigentum. Das heißt, dort, wo Umwelt Eigentum ist, da wird sie heute massiv vom Gesetz geschützt. Wenn ich die Zweige in Nachbars Garten abschneide, ist es ein schlimmes Vergehen. Wer aber durch eine schlimme Politik der Umweltzerstörung Tausende von Bäumen — ich sage nur: Buschhaus; vieles andere wäre zu nennen — , den ganzen Wald, schädigt, der geht ohne Strafe aus. Kleine Kaufhausdiebe wandern manchmal schon wegen absoluter Bagatelldelikte über Monate hinter Gitter. Mir persönlich ist ein Fall bekannt, wo ein junger Mann wegen eines Ladendiebstahls in Höhe von 15 DM zu einer Strafe von eineinhalb Jahren verurteilt wurde

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das muß aber ein Rückfalltäter gewesen sein!)

    — im Wiederholungsfall — , also für jede Mark einen Monat, mehr noch sogar.
    Dagegen gehen Umweltstraftäter mit Strafen in der Höhe eines Taschengeldes aus, Herr Sauter. Ein Beispiel:
    Ein Kapitän, der in der Elbmündung aus seinem Schiff Öl abpumpen ließ, wurde zu einer Geldstrafe von 3 000 DM verurteilt.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Das kann der aus der Portokasse bezahlen, Herr Sauter!)

    Das ordnungsgemäße Reinigen des Tanks im Hafen, wie das Gesetz es vorschreibt, hätte das Zehnfache, nämlich 30 000 DM gekostet.
    Oder ein anderes Beispiel:
    Wolfgang W., ein freier Unternehmer in WestBerlin,
    — ich zitiere jetzt, wie vorhin auch, aus einem Artikel von Michael Sontheimer in der „Zeit" —
    verpflichtete sich, für die Ölgesellschaft AGIP, 18 000 Kubikmeter ölverseuchtes Erdreich nach Vorschrift zu ,entsorgen'.
    Was hat er gemacht? Er hat dieses vergiftete Erdreich in einem Spandauer Kiesteich gekippt, hat gefälschte Dokumente abgeliefert und wurde dafür vom Landgericht Berlin zu sechs Monaten auf Bewährung und einem Bußgeld von 3 000 DM verurteilt.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Ein schlechter Witz!)

    Die Kostenersparnis bei krimineller Sondermüllbeseitigung liegt heute in vielen Fällen bei 900 % und aufwärts

    (Bohl [CDU/CSU] : Und wenn das alles nicht hilft, zieht man in die Hafenstraße! — Frau Nickels [GRÜNE]: Mensch, Herr Bohl, hören Sie doch auf mit dem Quatsch!)

    — bezogen auf die dabei eingesparten Gelder.
    Der SPD ist daher ohne weiteres darin zuzustimmen, daß das geltende Umweltstrafrecht seine Lücken hat und einzelne Straftatbestände geändert werden können. So spricht z. B. nichts dagegen, Herr Bachmaier, den Beteiligtenbegriff nach § 14 StGB dadurch zu erweitern, daß der Vertreter eines Betriebsinhabers auch dann haftet, wenn kein ausdrücklicher Auftrag seitens des Betriebsinhabers vorliegt.
    Wir stimmen auch dem Vorschlag der SPD zu, die Voraussetzungen des Vermögensverfalls nach § 73 StGB zu erleichtern. Ich sage dazu nicht mehr viel, weil auch der Vorgänger darauf schon eingegangen ist.

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Der war gut! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das war der Herr Eylmann, der war nicht von der SPD!)

    Es ist auch nicht einzusehen, warum beispielsweise Strafverfolgungen wegen Luftverunreinigungen eine strengere Tatbestandserfüllung voraussetzen als Strafverfolgungen wegen Gewässerverunreinigungen und warum die verwaltungsrechtliche Akzessorietät bei diesen Straftatbeständen, also Gewässer- bzw. Luftverunreinigung, einen unterschiedlichen Grad hat.
    Nur, meine Herren und meine — ja, Frau Traupe ist da — Dame von der SPD

    (Zuruf von der SPD: Sie brauchen sich nur umzudrehen! — Sauter [Ichenhausen] [CDU/ CSU]: Umdrehen, umdrehen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — die Frau Präsidentin habe ich schon zu Beginn angesprochen — : Die Erwartungen, die Sie in das Umweltstrafrecht setzen, sind zu hoch; das muß ich hier deutlich sagen. Durch Änderung der Strafvorschriften allein ist dem Problem der Umweltzerstörung nicht beizukommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es reicht nicht, die Verwaltungsbehörden mit besseren und effektiveren Überwachungsmöglichkeiten beim Vollzug der Umweltgesetze auszustatten, wenn damit nicht insgesamt eine Demokratisierung der Umweltpolitik einhergeht. Solange sich die Umweltpolitik als eine rein staatliche Umweltpolitik darstellt



    Häfner
    — Herr Eylmann, ich hoffe, Sie haben nicht zu früh geklatscht —,

    (Sauter [Ichenhausen] [CDU/CSU]: Er hat gar nicht geklatscht!)

    als eine Umweltpolitik, die sich ausschließlich zwischen den Behörden und der Industrie abspielt, wird sich an der derzeitigen Umweltsituation auch wenig ändern.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Erst durch eine demokratische Kontrolle und Beteiligung der Bevölkerung selbst kann die staatliche Umweltpolitik beeinflußt, kann ein ökologisches und demokratisches Gegengewicht gebildet werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Erst wenn Verfahren bestehen, die den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich in das Umweltgeschehen aktiv einzumischen, besteht die Aussicht, daß sich gesellschaftliche Veränderungen vollziehen. Wir haben ja das große Glück, daß auf Antrag der GRÜNEN gerade in diesen Tagen hier im Bundestag Gesetzentwürfe zur Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht, zum Akteneinsichts- und zum Verbandsklagerecht vorliegen, durch die in diesem Bereich ein ganz entscheidender Schritt nach vorn gegangen werden kann.
    Ich fordere Sie auf, lade Sie ein, daran mitzuwirken.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das werden wir sicher nicht tun! — Bohl [CDU/CSU]: Der eine spricht, die andere klatscht!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert (Hannover).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Da traf ein Schüler seinen alten Mathematiklehrer, Herr Häfner, und der fragte: Was machen Sie denn jetzt so? — Darauf der frühere Schüler: Ich handele mit gebrauchten Autos. — Und dann fragte der Lehrer: Ja, und wie geht so etwas? — Da sagte der frühere Schüler: Ja, ich kaufe die z. B. für 100 DM, und dann verkaufe ich sie für 200 DM, und von den 2 % lebe ich. —

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ähnlich sind Ihre Rechnungen hier auch ausgefallen. Ganz interessant an der Geschichte aber ist: Wenn man nicht richtig rechnen kann, kann man sich dieser zweifellos sehr bedeutenden Frage nicht richtig nähern.
    Auch die SPD hat hier allerdings ein Rechenexempel mit 26 Fragen abgeliefert. Zu jeder Frage hätte ich jetzt also etwas mehr als zehn Sekunden Zeit — so habe ich mir errechnet — , um das Wichtigste dazu herauszugreifen. Weniger wäre viel mehr gewesen, z. B. drei grundsätzliche Fragen.
    Warum tut sich die Rechtsprechung so schwer? Ich teile ja sehr viel von dem, was Sie, Herr Bachmaier, gesagt haben. Herr Eylmann hat einen Hinweis gegeben. Natürlich ist das alles ganz neu, und natürlich greifen erst allmählich die Mechanismen, genauso wie sich auch das Bewußtsein erst allmählich bildet, ein Bewußtsein, das übrigens von einem Innenminister, den zu stellen die Freien Demokraten die Ehre hatten, erstmals in mehreren Gesetzen sehr deutlich vorangebracht worden ist, nämlich von Hans-Dietrich Genscher, der z. B. das Benzinbleigesetz seinerzeit, als es von GRÜNEN noch nicht viel zu sehen und zu hören gab, gegen sehr starken Widerstand durchgesetzt hat. Und so, wie es sich entwickelt — es muß sich so entwickeln — wird es auch leichter werden, Verstöße aufzufangen. Ich bin übrigens persönlich ganz optimistisch, daß das Strafrecht wirklich die Ultima ratio in diesem Zusammenhang ist. Es gibt viele andere Mechanismen, mit denen man Umweltkriminalität oder Umweltbeschädigung entgegenwirken kann, die erheblich erfolgversprechender als die Perfektionierung des strafrechtlichen Instrumentariums sind.
    Sie haben z. B. den Kapitän an der Elbemündung erwähnt. Ich bin mit Ihnen in der Beurteilung, auch was die Bestrafung angeht, einig. Sie scheint mir in dem Fall nicht abschreckend genug ausgefallen zu sein. Aber Sie erleben hier Diskussionen — wir haben eine solche vor einem Jahr oder anderthalb Jahren gehabt —, ob man es verantworten kann, kostenlos Ölentsorgung in den Häfen anzubieten. Dann kommen die Fiskalisten und sagen: Das können wir nicht bezahlen; wieso müssen wir diesen Schlingeln helfen, kostenlos ihr Öl loszuwerden? — Ich bin nun mal der Meinung, daß es ein vernünftiger Weg ist, den Leuten Anreize zu geben, ihr Öl auf vernünftige Weise loszuwerden. Dazu gehören auch Kostenanreize. Sonst kommt man eben nicht damit zurecht.
    Es ist genauso wichtig — da sind wir bei einer etwas grundsätzlicheren Frage —, daß der zuständige Beamte sich auch mit einem Menschen, der durch seinen Betrieb so oder so die Umwelt schädigt, vergleichsweise einigen kann, daß man vernünftig miteinander spricht, daß der zuständige Beamte gescheite Ratschläge gibt und daß daraufhin die Umweltverschmutzung in dem speziellen Punkt unterbleibt. Dies würde man sehr gefährden, wenn man den Mann strafbar stellen würde, wenn er nicht anzeigt, was er da mit dem Täter bespricht.
    Ich meine durchaus: Es ist wichtiger, daß hier nachhaltig die Umweltverschmutzungen unterbleib en, als daß der einzelne bestraft wird, noch dazu der Beamte, der kein Vertrauensverhältnis mehr zu dem von ihm — ich sage es einmal so — auch zu beratenden Täter entwickeln kann, wenn feststeht, daß er sich strafbar macht, wenn er nicht als Ergebnis des Gesprächs den Mann anzeigt. Darüber muß man ja mindestens einmal ganz sorgsam nachdenken.

    (Beifall des Abg. Wolfgramm [Göttingen] [FDP])

    Ob der Strafrahmen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, wie hier vermutet worden ist, wage ich besonders nachhaltig zu bezweifeln. Denn es kommt in erster Linie fast in allen strafrechtlichen Bereichen darauf an, daß die Täter gefaßt werden.

    (Dr. de With [SPD]: Sehr richtig! — Frau Nikkels [GRÜNE]: Und wenn sie gefaßt werden, muß man sie doch auch aburteilen, Herr Kleinert!)




    Kleinert (Hannover)

    Wenn Sie das wissen, dann kommt es auf den Strafrahmen nicht mehr so sehr an.
    Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Der Bundesjustizminister wird uns dazu noch einiges an Hand Ihrer Fragen sagen. Aber da Sie überall für Entkriminalisierung eingetreten sind — wie ich meine, aus guten Gründen —, sollten Sie nicht auf einmal hier, nur weil die Grünen derzeit noch in Mode sind, über das Ziel hinausschießen, sondern sollten über die vielen Möglichkeiten nachdenken, die sich außerhalb des Strafrechts aufdrängen, um Umweltschäden nachhaltig zu vermeiden. Da wollen wir dann auch gern alle zusammenarbeiten.
    Danke schön.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)