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ID1107207000

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    Plenarprotokoll 11/72 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 72. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Frau Teubner, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Transport gefährlicher Güter (Drucksache 11/996) Frau Brahmst-Rock GRÜNE 4861 A Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 4863 A Pauli SPD 4864 D Gries FDP 4866 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 4867 C Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Berufsbildungsbericht 1987 (Drucksachen 11/98, 11/522, 11/551, 11/1705) Oswald CDU/CSU 4869 B Frau Odendahl SPD 4871 B Neuhausen FDP 4873 A Frau Hillerich GRÜNE 4875B, 4882 C Möllemann, Bundesminister BMBW . . 4877 D Rixe SPD 4880 B Schemken CDU/CSU 4881 D Kuhlwein SPD 4884 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltkriminalität (Drucksachen 11/172, 11/1555) Bachmaier SPD 4886 D Eylmann CDU/CSU 4888 B Häfner GRÜNE 4889 D Kleinert (Hannover) FDP 4891 B Engelhard, Bundesminister BMJ 4892 A Schütz SPD 4893 B Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 4895 B Nächste Sitzung 4896 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4897 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4897 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 4861 72. Sitzung Bonn, den 15. April 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 15. 4. Frau Beck-Oberdorf 15. 4. Dr. Biedenkopf 15. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Büchner (Speyer) 15. 4. Dr. von Bülow 15. 4. Buschbom 15. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann * * 15. 4. Erler * * 15. 4. Dr. Faltlhauser 15. 4. Frau Fischer * * 15. 4. Gattermann 15. 4. Frau Geiger * * 15. 4. Dr. Geißler 15. 4. Gröbl 15. 4. Frau Dr. Hartenstein * * 15. 4. Dr. Hauff 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Hiller (Lübeck) 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz * * 15. 4. Dr. Hüsch 15. 4. Ibrügger 15. 4. Irmer * * 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Jungmann 15. 4. Kalb 15. 4. Kalisch 15. 4. Kiechle 15. 4. Kiehm 15. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Kroll-Schlüter 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Dr. Müller * 15. 4. Müller (Wadern) 15. 4. Niegel 15. 4. Rappe (Hildesheim) 15. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rühe 15. 4. Schäfer (Mainz) 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Frau Schmidt (Nürnberg) 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Solms 15. 4. Spilker 15. 4. Dr. Sprung 15. 4. Dr. Stercken * * 15. 4. Stobbe 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Dr. Todenhöfer 15. 4. Voigt (Frankfurt) 15. 4. Wartenberg (Berlin) 15. 4. Wischnewski 15. 4. Wissmann 15. 4. Würtz 15. 4. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. März 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 3. März 1988 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Beendigung der Stufenregelung", Drucksache 11/1857, zurückzieht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/883 Nr. 125, 129, 132, 133 Drucksache 11/1107 Nr. 1.8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 49 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1707 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1785 Nr. 2.1 Drucksache 11/1895 Nr. 2.3 bis 2.10 Drucksache 11/1938 Nr. 1 bis 6 4898* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/929 Nr. 2.12 bis 2.25 Drucksache 11/1107 Nr. 2.8, 2.9 Drucksache 11/1365 Nr. 3.3 bis 3.25 Drucksache 11/1450 Nr. 2.7 Drucksache 11/1526 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1656 Nr. 3.14 bis 3.19 Drucksache 11/1707 Nr. 14 bis 23, 25 bis 27 Drucksache 11/1785 Nr. 2.2 bis 2.18, 2.20 Drucksache 11/1785 Nr. 2.19 wurde von der EG-Kommission zurückgezogen Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1656 Nr. 3.33 Drucksache 11/1707 Nr. 28 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/1938 Nr. 10 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.30 Drucksache 11/973 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/1107 Nr. 2.12, 2.13 Drucksache 11/1181 Nr. 2.1 Drucksache 11/1365 Nr. 3.26, 3.27 Drucksache 11/1526 Nr. 3.5 Drucksache 11/1785 Nr. 2.23 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.54 Drucksache 11/1107 Nr. 2.14
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    Rede von Hermann Bachmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der bittere Satz, im Umweltstrafrecht gelte weiterhin der Grundsatz, daß man die Kleinen hänge und die Großen laufen lasse, wird durch die uns vorliegenden Statistiken und auch die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage nicht widerlegt. Tatsache ist, daß die polizeilich ermittelten Umweltstraftaten zwar alljährlich kräftig ansteigen, Verurteilungen aber eher Seltenheitswert haben.
    Sieht man sich dann noch die Struktur der Verurteilungen an, so ergibt sich, daß sich die Strafen weitgehend aus relativ geringfügigen Geldstrafen zusammensetzen; Freiheitsstrafen haben absoluten Ausnahmecharakter. Freiheitsstrafen, die gar ohne Bewährung ausgeworfen werden, muß man mit der Lupe suchen. Die ausgewiesenen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die meisten, d. h. etwa 75 %, der rund 15 000 Umweltdelikte, die das Bundeskriminalamt 1986 registriert hat, enden mit einer Einstellung des Verfahrens. Fälle, in denen es dann tatsächlich zu einer Verurteilung kommt, enden zu 97 % lediglich mit einer — wie gesagt — meist geringfügigen Geldstrafe. Nur in 3 % aller Fälle wurden Freiheitsstrafen verhängt, die in aller Regel zur Bewährung ausgesetzt worden sind.



    Bachmaier
    Mißt man diesen doch recht deprimierenden Zustand an dem Schaden, der unserer Umwelt tagtäglich durch strafbares Verhalten zugefügt wird, dann spürt man schnell, daß das Umweltstrafrecht, allerdings auch das Umweltbußgeldrecht trotz aller Bemühungen insbesondere der Polizeibeamten vor Ort zu einer stumpfen Waffe bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität zu werden drohen. Inzwischen wird der in Geld ausdrückbare Schaden auf jährlich ca. 24 Milliarden DM geschätzt. Die jährlich ausgeworfenen Geldstrafen und Geldbußen belaufen sich demgegenüber lediglich allenfalls auf einen Bruchteil dieses Betrages.
    Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, sind weit davon entfernt, zu glauben, daß das Umweltstraf- und Umweltbußgeldrecht ein Allheilmittel gegen umweltschädliches Verhalten ist, und das kann es auch nicht sein. Diejenigen allerdings, die durch eindeutig kriminelles Verhalten unserer Mitwelt oft nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen, sollten damit rechnen müssen, daß sie unnachsichtig auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
    Das, was wir seit nunmehr einigen Jahren über die Wirksamkeit des Umweltstrafrechts wissen, ist nicht dazu angetan, potentielle Täter, die sich einen wirtschaftlichen Vorteil aus umweltkriminellem Verhalten versprechen, hinreichend abzuschrecken. Es ist leider noch immer so, daß die Rechnung derjenigen aufgeht, die sich letztlich einen Gewinn von ihrem strafbaren Verhalten versprechen. Das Risiko, angemessen, d. h. entsprechend dem Schaden, bestraft zu werden, ist nach wie vor äußerst gering.
    Auch wir, meine Damen und Herren, müssen uns der Tatsache bewußt sein, daß Umweltkriminalität eine gesteigerte Form der Wirtschaftskriminalität darstellt, und zwar deshalb, weil viele der Umwelt zugefügten Schäden weder durch Geld noch durch andere Maßnahmen wiedergutgemacht werden können. Es war sicherlich eine Pioniertat, als im Jahre 1980 die damalige sozialliberale Koalition die damals erfaßbaren Umweltstraftatbestände aus allen erdenklichen nebenstrafrechtlichen Gesetzen zusammengezogen, überarbeitet und ergänzt in das Strafgesetzbuch aufgenommen hat. Dadurch wurde — auch das ist aus den uns vorliegenden Statistiken und Untersuchungen erkennbar — das Bewußtsein der Öffentlichkeit für umweltkriminelles Verhalten deutlich gestärkt.
    Inzwischen wissen wir aber auch — und aus dieser Erkenntnis müssen wir Konsequenzen ziehen — , daß es bei der Anwendung des Umweltstrafrechts erhebliche Vollzugsdefizite gibt, die dringend einer Abhilfe bedürfen. Die SPD-Fraktion hat bereits im Sommer 1984 nach einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen deutlich gemacht, daß diese Vollzugsdefizite auf Länder-, allerdings auch auf Bundesebene ausgeglichen werden müssen.
    Nach wie vor tut sich die Polizei trotz aller Anstrengungen schwer bei der Ermittlung schwerer umweltstrafrechtlicher Verstöße, insbesondere soweit sie von Betrieben und Unternehmungen ausgehen. Hier wird immer wieder und, wie uns scheint, zu Recht eine verstärkte Kooperation mit anderen Bereichen der Verwaltung und insbesondere auch mit den Kommunalverwaltungen gefordert. Noch immer werden von den Verwaltungsbehörden, die oft beträchtliche Kenntnisse über umweltstrafbares Verhalten haben, zu wenig Delikte zur Anzeige gebracht.
    Unsere schon seit längerer Zeit erhobene Forderung, eine strafbewehrte Anzeigepflicht für die Amtsträger zu schaffen, denen umweltstrafbares Verhalten zur Kennnis gelangt, sollte schleunigst in die Tat umgesetzt werden, nachdem mittlerweile auch die Bundesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage auf diesem Felde ein nicht unerhebliches Regelungsdefizit nicht bestreiten kann.

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Haben Sie darüber auch schon mit der ÖTV gesprochen?)

    — Herr Kleinert, Sie machen sich die Hände nicht schmutzig, wenn Sie die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage lesen. Ich finde darin eine nicht unerhebliche Bestätigung dessen, was wir schon länger hierzu sagen. Ich weiß, daß das schwierig ist. Vieles ist schwierig und muß trotzdem getan werden.
    Darüber hinaus scheint unsere seit 1984 immer wieder erhobene Forderung, zur effektiveren Bekämpfung der Umweltkriminalität die Bildung von Umweltstrafkammern und Schwerpunktstaatsanwaltschaften gesetzlich zu ermöglichen, nach wie vor ein sinnvoller Weg zu sein, um insbesondere bei raffiniert eingefädelter und professionell begangener Umweltkriminalität mit hoher Schadensverursachung angemessener als bisher zu reagieren.
    Die Antwort der Bundesregierung hat auch unsere Vermutung bestätigt, daß in der tagtäglichen gerichtlichen Praxis von der Möglichkeit, die durch eine Straftat erlangten Gewinne abzuschöpfen, in zu geringem Umfang Gebrauch gemacht wird, und dies deshalb, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ermittlung des durch eine Umweltstraftat erlangten Gewinns entschieden zu kompliziert sind.
    Wenn allenthalben Klage darüber geführt wird, daß man kaum jemals die eigentlichen Verantwortlichen bei umweltkriminellem Verhalten großen Stils zur Verantwortung ziehen kann, dann müssen wir auch hier über ein besseres Instrumentarium unseres Strafrechts nachdenken. Es geht einfach nicht an, daß die Verfolgung der Umweltkriminalität kaum jemals Chancen hat, in die Chefetagen der Unternehmen vorzudringen.
    Im Gegensatz zur Bundesregierung sind wir allerdings auch mit Gerd Pfeiffer, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs der Ansicht, daß der vom Gesetz vorgegebene bisherige Strafrahmen bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht. Wir werden sowohl über die Mindeststrafen, allerdings auch über die im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen nachzudenken haben und alsbald Abhilfe schaffen müssen. Warum eigentlich soll es bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität lediglich Vergehen mit einer einer Höchststrafe bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug und keine Verbrechen mit der Möglichkeit höherer Freiheitsstrafen geben, und zwar dann, wenn unsere Existenzgrundlagen so nachhaltig und existentiell gefährdet sind, daß solche Strafen, die wir in vielen Be-



    Bachmaier
    reichen des Strafgesetzes kennen, sehr wohl schuld- und schadensangemessen sind?
    Wir wissen auch, daß diejenigen, die in der Versuchung stehen, sich zu ihrem eigenen Vorteil umweltkriminell zu verhalten, mit nichts mehr abgeschreckt werden können als mit einer drohenden und im Ernstfall auch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe. Hier hat die Generalprävention, diese Androhung einer Freiheitsstrafe dann, wenn die potentiellen Kriminellen auf diesem Gebiet davon wissen, daß sie auch vollzogen wird, einen hohen Wirkungsgrad. Auch dies wissen wir aus vielen Untersuchungen, die auch Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegen.
    Dringend einer Novellierung bedarf der § 325 des Strafgesetzbuchs, also der Tatbestand, der die Luftverunreinigung unter Strafe stellt. Wie alle uns vorliegenden Untersuchungen ausweisen, läuft dieser Straftatbestand praktisch völlig leer, und dies nicht deshalb, weil es gerade bei der Luftverschmutzung kein strafwürdiges Verhalten gibt — das Gegenteil erleben wir alle tagtäglich —, sondern weil diese Vorschrift im Gegensatz z. B. zur Gewässerverunreinigung oder zu den Delikten bei der Abfallbeseitigung wegen ihrer strengen Verwaltungsakzessorietät und den schwierigen Nachweisproblemen nur äußerst schwer umsetzbar ist.
    Zwingend geboten ist auch die Einfügung eines Straftatbestandes gegen die Verunreinigung des Bodens. Die Vorschriften über umweltgefährdende Abfallbeseitigung und die Gewässerverschmutzung reichen einfach nicht aus, um den Boden hinreichend vor strafbaren Verunreinigungen zu schützen.
    Auch die lange verzögerte Antwort der Bundesregierung auf unsere bereits in der letzten Legislaturperiode eingebrachte Große Anfrage hat deutlich gemacht, daß unser Umweltstrafrecht und unser Umweltbußgeldrecht nach seiner Neuschaffung im Jahre 1980 durch die damalige sozialliberale Koalition nunmehr der Fortschreibung bedarf. Die Fakten und Defizite, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben und mittlerweile sichtbar sind, bedürfen der Abhilfe.
    Nachdem die Regierung, die sonst sehr schnell bei der Hand ist, wenn es gilt, strafrechtlich bevormundend in den geschützten Freiheitsbereich der Bürger einzugreifen, sich bei den zu lösenden Problemen lange völlig taub gestellt hat, würde es ihr gut anstehen, wenn sie bald das Notwendige in Angriff nähme. Es reicht einfach nicht aus immer dann, wenn sich ein die Öffentlichkeit erregender Umweltskandal erreignet hat, pauschal nach schärferen Gesetzen und einer unnachsichtlichen strafrechtlichen Verfolgung zu rufen, und dann, wenn die verbalen Drohgebärden verklungen sind, nichts zu tun, um die Wirksamkeit unseres Umweltstrafrechtes zu verbessern.
    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eylmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Eylmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einer kritischen
    Würdigung der Umweltkriminalität tut man gut daran, sich zunächst frei von Wunschdenken und emotionalen Affekten mit der Frage zu beschäftigen, was denn nun das Strafrecht auf dem Gebiet des Umweltschutzes überhaupt zu leisten vermag. Sie, Herr Bachmaier, haben das nur am Rande gestreift. Man macht zuweilen die etwas verblüffende Feststellung, daß diejenigen, die in anderen Lebensbereichen z. B. das Legalitätsprinzip in Frage stellen, also die Verpflichtung zur Strafverfolgung einschränken wollen oder auch ganze Straftatbestände abschaffen wollen

    (Dr. de With [SPD]: Zum Beispiel beim Demonstrationsstrafrecht!)

    — wir haben gestern abend hier eine entsprechende Diskussion schon erlebt — , daß also diejenigen, die in anderen Lebensbereichen vom Strafrecht gar nichts halten, gerade auf dem Gebiet des Umweltschutzes am lautesten nach dem Strafrichter rufen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Höchst erstaunliche Erscheinung! — Bachmaier [SPD]: Justiz dort, wo sie geboten ist!)

    Das ist etwas merkwürdig, meine Damen und Herren: Sie haben die Generalprävention, ein sehr wichtiges Thema sicherlich, Herr Bachmaier, angesprochen. Nur erlebe ich es in anderen Bereichen, daß Sie von der Generalprävention sehr, sehr wenig halten. Sie ist auch nicht nur von der Höhe der Strafe abhängig, das ist ein sehr diffiziles Gebiet. Sie sollten es sich nicht so leicht machen, daß Sie argumentieren: Setzen wir nur die Strafen im Umweltbereich, im Umweltstrafrecht gewaltig hoch, dann wird sich der Erfolg schon zeigen.
    Um das Ergebnis meiner Auffassung dazu zusammenzufassen: Das Strafrecht hat im Umweltschutz nur eine flankierende Funktion. Es ist auch im Umweltschutz wie überall die Ultima ratio, es sichert das ethische Minimum. Wir wollen aber mehr als das ethische Minimum, und deshalb müssen wir auch in erster Linie andere Instrumentarien einsetzen. Zum einen ist, wie wir wissen, das Umweltverwaltungsrecht im weitesten Sinne unentbehrlich, das wir zur vorbeugenden Vorsorge und auch zur Kontrolle einsetzen und das sich in erster Linie der Ordnungswidrigkeit und nicht der Kriminalisierung einer Tat als Sanktion bedient.
    Zum andern wollen wir — das ist besonders wichtig und ist ein Schwerpunkt unserer Umweltpolitik — das private Haftungsrecht ausbauen. Denn wenn wir es realistisch betrachten, müssen wir erkennen, daß die Gefahr, für umweltschädliche Handlungsweisen Schadenersatz in beträchtlicher Höhe leisten zu müssen in einem Verfahren, das nicht wie bisher den Geschädigten in einer ziemlich schwierigen Situation läßt, in ihrer abschreckenden Wirkung in vielen Fällen weitaus effektiver ist als manche bürokratische Kontrolle oder Strafandrohung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Sollte somit das Mittel des Strafrechts nicht überschätzt werden, so bedeutet das aber keineswegs, daß der Bereich des Umweltstrafrechts zu vernachlässigen ist. Wir haben im Jahre 1980 — es ist erwähnt worden — durch ein Änderungsgesetz zum Strafgesetzbuch eine Reihe von neuen Straftatbeständen in den



    Eylmann
    §§ 324 ff. des Strafgesetzbuches bekommen. Im großen und ganzen haben sich diese Vorschriften bewährt. Es haben sich allerdings auch Lücken aufgetan, und die Vorschriften haben sich, auch weil sie zu perfekt konstruiert worden sind, nicht in allen Fällen als praktikabel erwiesen. So bedarf wohl der in § 325 des Strafgesetzbuches enthaltene Straftatbestand der Luftverunreinigung einer Erweiterung. Wir werden dabei insbesondere überlegen müssen, ob wir bei Luftverunreinigungen mehr auf die Emissionen als auf die Immissionen abstellen müssen.
    Ein Schwerpunkt der Umweltpolitik dieser Bundesregierung ist der Schutz des Bodens. Hier müssen wir leider feststellen, daß ein umfassender strafrechtlicher Schutz fehlt. Ist z. B. eine Grundwasserverunreinigung nicht sicher nachweisbar oder beruht sie nicht auf einer Lagerung gefährlicher Stoffe, dann haben wir es mit einer Strafrechtslücke zu tun, dann ist dieses Verhalten strafrechtlich nicht faßbar. Es ist deshalb zu überlegen — diese Überlegungen sind in vollem Gange — , hier einen neuen Tatbestand gegen Bodenverunreinigung zu schaffen.
    Vorrangig ist allerdings die Lösung eines anderen Problems — ich habe festgestellt, Herr Kollege Bachmaier, daß wir hier übereinstimmen — : Wir müssen die Möglichkeiten verbessern, Vermögensvorteile, die einem Täter aus strafbaren Handlungen zugeflossen sind, einzuziehen. Das geltende Recht, die §§ 73ff., die 1970 durch das Zweite Strafrechtsänderungsgesetz geschaffen worden sind, ist auch hier zu perfektionistisch und in der Praxis nicht handhabbar.
    Meine Damen und Herren, nichts beleidigt das Rechtsgefühl so sehr wie der Umstand, daß einem Straftäter die Vorteile seiner Straftat verbleiben. Der Gewinn, der aus kriminellem Tun erlangt wird, ist nicht selten immens und steht häufig auch in keinem Verhältnis zum Strafmaß. Deshalb müssen wir der Maxime, daß Verbrechen sich nicht lohnen darf, größere Beachtung schenken. Das gilt nicht allein für die Umweltkriminalität, das gilt für die Wirtschaftskriminalität in allen ihren Bereichen, z. B. auch für die Produktpiraterie oder auch für den Betäubungsmittelhandel, wo es in der Regel um große Gewinne geht. Hier ist es also dringend erforderlich, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze — das versteht sich von selbst — das geltende Recht mit dem Ziel zu reformieren, es praxisnäher auszugestalten und dem Richter leichter die Möglichkeit zu geben, diese durch kriminelles Handeln erzielten Gewinne abzuschöpfen. Das Justizministerium ist bestrebt, einen entsprechenden Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode vorzulegen.
    Strafgesetze sind wenig wert, wenn sie nicht angewandt werden; das ist sicherlich richtig. Nun müssen wir uns aber auch darüber im klaren sein, daß die Ermittlung und Aufklärung neuartiger Kriminalitätsformen — das Umweltstrafrecht ist ja eine neue Form; wir haben neue komplizierte Vorschriften geschaffen — besondere Anforderungen an die Strafverfolgungsbehörden stellen. Bund und Länder sind bestrebt, die Aus- und Fortbildung sowie die fachliche Spezialisierung zu verbessern. Hier sind sowohl in den Ländern als z. B. auch beim Bundeskriminalamt ganz erhebliche Fortschritte erzielt worden.
    Die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat sich stark erhöht. Es wäre falsch, daraus zu schließen, die Zahl der Verstöße gegen Umweltstrafgesetze hätte sich dramatisch erhöht. Ich meine vielmehr, daß die steigende Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren eine Folge der stärkeren Aufklärungstätigkeit ist. Sie ist auch eine Folge des geschärften Umweltbewußtseins der Bevölkerung. Dieses geschärfte Umweltbewußtsein spiegelt sich in einer erhöhten Anzeigebereitschaft wieder.
    Es ist wie überall: dort, wo wir die Strafverfolgung allein der Polizei überlassen, haben wir es mit hohen Dunkelziffern zu tun. Die rechtsvergleichende Forschung zeigt uns, daß in den Ländern, in denen die Verhinderung und auch die Ahndung von Straftaten als eine Aufgabe empfunden wird, die insgesamt den Bürgerinnen und Bürgern obliegt, die Dunkelziffern geringer sind. Dabei spielt auch eine Rolle — lassen Sie mich das nur am Rande erwähnen —, daß man die Polizei nicht als ein Organ empfindet, mit dem man möglichst nichts zu tun haben will, das man sogar, wie das ab und zu bei uns geschieht, in eine sehr entfernte Ecke stellt, wo die Sünder stehen, sondern daß man die Polizei wirklich als Helfer der Gesamtbevölkerung empfindet.
    Die Dunkelziffer — lassen Sie mich das zum Schluß sagen — der gegen die Umwelt gerichteten Straftaten wird sich um so schneller verringern, je mehr die Verhinderung und Aufklärung von Umweltstraftaten als eine allen Bürgerinnen und Bürgern obliegende Aufgabe begriffen wird.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)