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ID1107206800

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    Plenarprotokoll 11/72 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 72. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Frau Teubner, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Transport gefährlicher Güter (Drucksache 11/996) Frau Brahmst-Rock GRÜNE 4861 A Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 4863 A Pauli SPD 4864 D Gries FDP 4866 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 4867 C Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Berufsbildungsbericht 1987 (Drucksachen 11/98, 11/522, 11/551, 11/1705) Oswald CDU/CSU 4869 B Frau Odendahl SPD 4871 B Neuhausen FDP 4873 A Frau Hillerich GRÜNE 4875B, 4882 C Möllemann, Bundesminister BMBW . . 4877 D Rixe SPD 4880 B Schemken CDU/CSU 4881 D Kuhlwein SPD 4884 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltkriminalität (Drucksachen 11/172, 11/1555) Bachmaier SPD 4886 D Eylmann CDU/CSU 4888 B Häfner GRÜNE 4889 D Kleinert (Hannover) FDP 4891 B Engelhard, Bundesminister BMJ 4892 A Schütz SPD 4893 B Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 4895 B Nächste Sitzung 4896 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4897 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4897 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 4861 72. Sitzung Bonn, den 15. April 1988 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 15. 4. Frau Beck-Oberdorf 15. 4. Dr. Biedenkopf 15. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Büchner (Speyer) 15. 4. Dr. von Bülow 15. 4. Buschbom 15. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann * * 15. 4. Erler * * 15. 4. Dr. Faltlhauser 15. 4. Frau Fischer * * 15. 4. Gattermann 15. 4. Frau Geiger * * 15. 4. Dr. Geißler 15. 4. Gröbl 15. 4. Frau Dr. Hartenstein * * 15. 4. Dr. Hauff 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Hiller (Lübeck) 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz * * 15. 4. Dr. Hüsch 15. 4. Ibrügger 15. 4. Irmer * * 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Jungmann 15. 4. Kalb 15. 4. Kalisch 15. 4. Kiechle 15. 4. Kiehm 15. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Kroll-Schlüter 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Dr. Müller * 15. 4. Müller (Wadern) 15. 4. Niegel 15. 4. Rappe (Hildesheim) 15. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rühe 15. 4. Schäfer (Mainz) 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Frau Schmidt (Nürnberg) 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Solms 15. 4. Spilker 15. 4. Dr. Sprung 15. 4. Dr. Stercken * * 15. 4. Stobbe 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Dr. Todenhöfer 15. 4. Voigt (Frankfurt) 15. 4. Wartenberg (Berlin) 15. 4. Wischnewski 15. 4. Wissmann 15. 4. Würtz 15. 4. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. März 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 3. März 1988 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Beendigung der Stufenregelung", Drucksache 11/1857, zurückzieht. Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/883 Nr. 125, 129, 132, 133 Drucksache 11/1107 Nr. 1.8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Finanzausschuß Drucksache 11/883 Nr. 49 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1707 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1785 Nr. 2.1 Drucksache 11/1895 Nr. 2.3 bis 2.10 Drucksache 11/1938 Nr. 1 bis 6 4898* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. April 1988 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/929 Nr. 2.12 bis 2.25 Drucksache 11/1107 Nr. 2.8, 2.9 Drucksache 11/1365 Nr. 3.3 bis 3.25 Drucksache 11/1450 Nr. 2.7 Drucksache 11/1526 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1656 Nr. 3.14 bis 3.19 Drucksache 11/1707 Nr. 14 bis 23, 25 bis 27 Drucksache 11/1785 Nr. 2.2 bis 2.18, 2.20 Drucksache 11/1785 Nr. 2.19 wurde von der EG-Kommission zurückgezogen Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1656 Nr. 3.33 Drucksache 11/1707 Nr. 28 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/1938 Nr. 10 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.30 Drucksache 11/973 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/1107 Nr. 2.12, 2.13 Drucksache 11/1181 Nr. 2.1 Drucksache 11/1365 Nr. 3.26, 3.27 Drucksache 11/1526 Nr. 3.5 Drucksache 11/1785 Nr. 2.23 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.54 Drucksache 11/1107 Nr. 2.14
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eckart Kuhlwein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich sehe durchaus, daß wir über eine andere Verteilung der Bildungszeiten über das Leben werden diskutieren müssen. Aber ich hielte es für den falschen Weg, wenn man von vornherein sagte: Den Schwächeren schneiden wir die Bildungswege ab und verkürzen wir die Bildungswege, während wir für die guten Hauptschulabsolventen und für die Realschüler, die jetzt die neuen Metallberufe lernen, mit Ihrer Zustimmung selbstverständlich gesagt haben: Es dauert dreieinhalb Jahre, bis man daraus einen Beruf gemacht hat, den man auch auf dem Arbeitsmarkt verwerten kann. Das ist das Problem. —Jetzt dürfen Sie sich wieder setzen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Danke, Herr Oberlehrer!)

    Die neuen Ausbildungsordnungen müssen auch umgehend in die Praxis umgesetzt werden. Vor allem das Handwerk braucht dazu deutliche Orientierungen, aber auch finanzielle Hilfen. Das heißt, Sie werden mithelfen müssen. Ich bitte Sie, die Kollegen rechts von der Mitte dieses Hauses, daß im Handwerk vor Ort gesagt wird: Diese Ausbildungsordnungen sind etwas Vernünftiges, und die sollen auch in die handwerkliche Praxis umgesetzt und nicht irgendwie — die Gefahr könnte ja bestehen, ich habe so etwas in meinem Wahlkreis gehört — boykottiert werden, nach dem Motto: Was kümmert uns, was die da oben sagen, wir machen einfach so weiter wie bisher.
    Angesichts der Reform der Ausbildungsordnungen muß das Netz der überbetrieblichen Ausbildungsstätten über die geplanten und damals sehr willkürlich gegriffenen 77 000 Plätze hinaus ausgeweitet und auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. Die Qualität von Ausbildung und Weiterbildung in Klein- und Mittelbetrieben wird nur dann gesichert und verbessert werden können, wenn die finanzielle Förderung von Investitionen und laufenden Kosten als Daueraufgabe des Bundes gesehen wird. Wenn Herr Möllemann dafür kämpfen wird, wie er heute gesagt hat, hat er dafür unsere Unterstützung. Wenn er 500 Millionen DM für die nächsten fünf Jahre haben will, dann werden wir ihn auch dabei unterstützen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber es ist schon eine reife Leistung, daß der Bundesbildungsminister ausgerechnet in der derzeitigen Umbauphase der Berufsausbildung kein Konzept dafür zustande gebracht hat und daß deshalb ein Teil der ohnehin spärlichen Mittel für die OAS vom Haushaltsausschuß gesperrt worden ist.
    Der Bund muß auch einen eigenen Beitrag zur Weiterbildung von Ausbildern und Mitgliedern in den Prüfungs- und Berufsbildungsausschüssen leisten. In diesen Ausschüssen findet ein gewaltiges ehrenamtliches Engagement statt. Nicht alle können ihre Mitglieder dort mit den eigenen Mitteln so weiterbilden, wie das eigentlich erforderlich wäre. Wenn die neuen Ausbildungsordnungen tatsächlich umgesetzt werden sollen, darf auch dieser Bereich nicht vernachlässigt werden.
    Wenn sich die Bundesregierung in ihrem Beschluß vom 8. März 1988 für eine weitere Verbesserung der Informations- und Beratungsdienste einsetzen will, dann muß auch das Folgen für die Ausstattung der Arbeitsämter mit Berufsberatern und Weiterbildungsberatern haben. Aber statt dessen werden, wie wir alle in den Wahlkreisen erfahren, bei der Arbeitsverwaltung Stellen eingespart. Da scheint mir die Logik nicht so ganz zu stimmen, Herr Kollege Schemken. Fehlqualifikationen, Ausbildungsabbrecher und 1,3 Millionen Ungelernte aus den letzten zehn Jahrgängen verlangen nach zusätzlichen Anstrengungen bei Fortbildung und Umschulung. Aber statt dessen, Herr Kollege Schemken, müssen die Arbeitsämter in diesen Bereichen massiv sparen — das wissen Sie auch ganz genau — , und zwar 1988 gegenüber 1987 und 1989 noch mehr, weil der Finanzminister der Bundesanstalt eine zusätzliche Milliarde versicherungsfremde Leistungen aufgedrückt hat.
    Eine abschließende Bemerkung zur Umlagefinanzierung. Solange die Bundesregierung eine solche Finanzierung für die Berufsausbildung ablehnt, kann sie sich auch nicht hinter finanzpolitischen Zwängen verstecken. Die Alternative, Herr Kollege Neuhausen, zur gemeinsamen Finanzierung der Wirtschaft ist die Finanzierung aus dem Staatshaushalt. Verzichtet man auf die Umlage, muß man sagen, wie notwendige Aufgaben sonst aus Steuermitteln geleistet werden können. Denn so oder so: Der Anspruch aller auf eine qualifizierte Ausbildung muß eingelöst werden. Die Finanzfragen werden sich noch verschärfen, wenn wir die Weiterbildung im erforderlichen Umfang ausbauen und ordnen.
    Systemgerecht wäre es für mich, daß dies alles von den Arbeitgebern bezahlt wird. Man könnte ja vielleicht, wenn alles nicht geht und alle Umlagefinanzierungsmodelle der Vergangenheit nicht mehr diskutiert werden sollen, einmal darüber nachdenken, ob es nicht einen zweckgebundenen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur Bundesanstalt für Arbeit für die berufliche Erstausbildung und Weiterbildung geben müßte, um zu verhindern, daß zwar die einen es machen, weil sie es bezahlen können und auch das Know-how haben, die kleinen und mittleren das aber nicht machen, ihre Leute nicht mehr ordentlich erstausbilden und schon gar nicht ordentlich weiterbilden, weil sie dafür das Geld und auch das Know-how nicht haben. Ich bin hier für eine Lastenverteilung, gerade wenn die Bundesregierung wieder im Berufsbildungsbericht 1988 sagt, eigentlich sei die Finanzierung der Berufsausbildung Sache der Wirtschaft.
    Meine Damen und Herren, es gibt in den Fragen der Weiterentwicklung unseres Berufsbildungssystems zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Ich denke etwa an unsere gemeinsamen Bemühungen, das Benachteiligtenprogramm auch für die Zukunft abzusichern. Wir wollen in der Enquete-Kommission „Bildung 2000" ausloten, ob sich aus solchen Punkten, aus solchen



    Kuhlwein
    Gemeinsamkeiten ein gemeinsames Gesamtkonzept entwickeln lassen kann. Was die Koalition heute allerdings in ihrer Beschlußempfehlung bietet, ist uns nicht ausreichend erschienen, und es enthält einige Thesen, die wir nicht mittragen wollen und nicht mittragen können. Herr Kollege Schemken, unser Änderungsantrag ist allerdings nicht besonders teuer, auf keinen Fall teuerer als die 500 Millionen DM, die Herr Möllemann versprochen hat. Deswegen könnten Sie unserem Antrag ruhig zustimmen, auch weil Sie dort den einen oder anderen Punkt wiederfinden, zu dem Sie im Ausschuß schon Ihre Geneigtheit erklärt haben.
    Wir werden uns bei der Abstimmung über die Beschlußempfehlung der Stimme enthalten.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Drucksache 11/2085. — Es ist getrennte Abstimmung über die einzelnen Punkte beantragt.
Ich rufe Punkt 1 des Änderungsantrags auf. Wer stimmt dem zu? — Gegenprobe! — Punkt 1 ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Wer stimmt Punkt 2 zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über Nr. 3 ab. Wer stimmt dem zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. 3 ist abgelehnt.
Ich rufe Nr. 4 auf. Wer stimmt zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. 4 ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Nr. 5 auf. Wer stimmt dem zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Nr. 5 ist mit Mehrheit abgelehnt.
Damit ist der gesamte Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 11/1705 ab. Die Fraktion der SPD verlangt zu den Nr. 1 bis 8 getrennte Abstimmung.
Wer stimmt für Nr. 1? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlußvorlage? — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer stimmt für die Nr. 3 der Beschlußvorlage? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen jetzt zu Nr. 4. Wer stimmt dafür? — Die Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Wer stimmt für die Nr. 5? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.
Wer stimmt für die Nr. 6? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. ' Wer stimmt für Nr. 7? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.
Wer stimmt für die Nr. 8? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.
Damit ist Abschnitt I der Beschlußempfehlung angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt noch über Abschnitt II der Beschlußvorlage abzustimmen. Darin wird empfohlen: Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD — Drucksache 11/522 — wird abgelehnt. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist es so beschlossen.
Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Hauff, Frau Blunck, Duve, Dr. Emmerlich, Frau Dr. Hartenstein, Jansen, Kiehm, Klein (Dieburg), Lambinus, Lennartz, Frau Dr. Martiny, Müller (Düsseldorf), Dr. Pick, Reuter, Schäfer (Offenburg), Schmidt (München), Dr. Schöfberger, Schütz, Stahl (Kempen), Singer, Stiegler, Frau Weyel, Wiefelspütz, Dr. de With, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Umweltkriminalität
— Drucksachen 11/172, 11/1555 —
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Bachmaier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Bachmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der bittere Satz, im Umweltstrafrecht gelte weiterhin der Grundsatz, daß man die Kleinen hänge und die Großen laufen lasse, wird durch die uns vorliegenden Statistiken und auch die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage nicht widerlegt. Tatsache ist, daß die polizeilich ermittelten Umweltstraftaten zwar alljährlich kräftig ansteigen, Verurteilungen aber eher Seltenheitswert haben.
    Sieht man sich dann noch die Struktur der Verurteilungen an, so ergibt sich, daß sich die Strafen weitgehend aus relativ geringfügigen Geldstrafen zusammensetzen; Freiheitsstrafen haben absoluten Ausnahmecharakter. Freiheitsstrafen, die gar ohne Bewährung ausgeworfen werden, muß man mit der Lupe suchen. Die ausgewiesenen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die meisten, d. h. etwa 75 %, der rund 15 000 Umweltdelikte, die das Bundeskriminalamt 1986 registriert hat, enden mit einer Einstellung des Verfahrens. Fälle, in denen es dann tatsächlich zu einer Verurteilung kommt, enden zu 97 % lediglich mit einer — wie gesagt — meist geringfügigen Geldstrafe. Nur in 3 % aller Fälle wurden Freiheitsstrafen verhängt, die in aller Regel zur Bewährung ausgesetzt worden sind.



    Bachmaier
    Mißt man diesen doch recht deprimierenden Zustand an dem Schaden, der unserer Umwelt tagtäglich durch strafbares Verhalten zugefügt wird, dann spürt man schnell, daß das Umweltstrafrecht, allerdings auch das Umweltbußgeldrecht trotz aller Bemühungen insbesondere der Polizeibeamten vor Ort zu einer stumpfen Waffe bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität zu werden drohen. Inzwischen wird der in Geld ausdrückbare Schaden auf jährlich ca. 24 Milliarden DM geschätzt. Die jährlich ausgeworfenen Geldstrafen und Geldbußen belaufen sich demgegenüber lediglich allenfalls auf einen Bruchteil dieses Betrages.
    Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, sind weit davon entfernt, zu glauben, daß das Umweltstraf- und Umweltbußgeldrecht ein Allheilmittel gegen umweltschädliches Verhalten ist, und das kann es auch nicht sein. Diejenigen allerdings, die durch eindeutig kriminelles Verhalten unserer Mitwelt oft nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen, sollten damit rechnen müssen, daß sie unnachsichtig auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
    Das, was wir seit nunmehr einigen Jahren über die Wirksamkeit des Umweltstrafrechts wissen, ist nicht dazu angetan, potentielle Täter, die sich einen wirtschaftlichen Vorteil aus umweltkriminellem Verhalten versprechen, hinreichend abzuschrecken. Es ist leider noch immer so, daß die Rechnung derjenigen aufgeht, die sich letztlich einen Gewinn von ihrem strafbaren Verhalten versprechen. Das Risiko, angemessen, d. h. entsprechend dem Schaden, bestraft zu werden, ist nach wie vor äußerst gering.
    Auch wir, meine Damen und Herren, müssen uns der Tatsache bewußt sein, daß Umweltkriminalität eine gesteigerte Form der Wirtschaftskriminalität darstellt, und zwar deshalb, weil viele der Umwelt zugefügten Schäden weder durch Geld noch durch andere Maßnahmen wiedergutgemacht werden können. Es war sicherlich eine Pioniertat, als im Jahre 1980 die damalige sozialliberale Koalition die damals erfaßbaren Umweltstraftatbestände aus allen erdenklichen nebenstrafrechtlichen Gesetzen zusammengezogen, überarbeitet und ergänzt in das Strafgesetzbuch aufgenommen hat. Dadurch wurde — auch das ist aus den uns vorliegenden Statistiken und Untersuchungen erkennbar — das Bewußtsein der Öffentlichkeit für umweltkriminelles Verhalten deutlich gestärkt.
    Inzwischen wissen wir aber auch — und aus dieser Erkenntnis müssen wir Konsequenzen ziehen — , daß es bei der Anwendung des Umweltstrafrechts erhebliche Vollzugsdefizite gibt, die dringend einer Abhilfe bedürfen. Die SPD-Fraktion hat bereits im Sommer 1984 nach einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen deutlich gemacht, daß diese Vollzugsdefizite auf Länder-, allerdings auch auf Bundesebene ausgeglichen werden müssen.
    Nach wie vor tut sich die Polizei trotz aller Anstrengungen schwer bei der Ermittlung schwerer umweltstrafrechtlicher Verstöße, insbesondere soweit sie von Betrieben und Unternehmungen ausgehen. Hier wird immer wieder und, wie uns scheint, zu Recht eine verstärkte Kooperation mit anderen Bereichen der Verwaltung und insbesondere auch mit den Kommunalverwaltungen gefordert. Noch immer werden von den Verwaltungsbehörden, die oft beträchtliche Kenntnisse über umweltstrafbares Verhalten haben, zu wenig Delikte zur Anzeige gebracht.
    Unsere schon seit längerer Zeit erhobene Forderung, eine strafbewehrte Anzeigepflicht für die Amtsträger zu schaffen, denen umweltstrafbares Verhalten zur Kennnis gelangt, sollte schleunigst in die Tat umgesetzt werden, nachdem mittlerweile auch die Bundesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage auf diesem Felde ein nicht unerhebliches Regelungsdefizit nicht bestreiten kann.

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Haben Sie darüber auch schon mit der ÖTV gesprochen?)

    — Herr Kleinert, Sie machen sich die Hände nicht schmutzig, wenn Sie die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage lesen. Ich finde darin eine nicht unerhebliche Bestätigung dessen, was wir schon länger hierzu sagen. Ich weiß, daß das schwierig ist. Vieles ist schwierig und muß trotzdem getan werden.
    Darüber hinaus scheint unsere seit 1984 immer wieder erhobene Forderung, zur effektiveren Bekämpfung der Umweltkriminalität die Bildung von Umweltstrafkammern und Schwerpunktstaatsanwaltschaften gesetzlich zu ermöglichen, nach wie vor ein sinnvoller Weg zu sein, um insbesondere bei raffiniert eingefädelter und professionell begangener Umweltkriminalität mit hoher Schadensverursachung angemessener als bisher zu reagieren.
    Die Antwort der Bundesregierung hat auch unsere Vermutung bestätigt, daß in der tagtäglichen gerichtlichen Praxis von der Möglichkeit, die durch eine Straftat erlangten Gewinne abzuschöpfen, in zu geringem Umfang Gebrauch gemacht wird, und dies deshalb, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ermittlung des durch eine Umweltstraftat erlangten Gewinns entschieden zu kompliziert sind.
    Wenn allenthalben Klage darüber geführt wird, daß man kaum jemals die eigentlichen Verantwortlichen bei umweltkriminellem Verhalten großen Stils zur Verantwortung ziehen kann, dann müssen wir auch hier über ein besseres Instrumentarium unseres Strafrechts nachdenken. Es geht einfach nicht an, daß die Verfolgung der Umweltkriminalität kaum jemals Chancen hat, in die Chefetagen der Unternehmen vorzudringen.
    Im Gegensatz zur Bundesregierung sind wir allerdings auch mit Gerd Pfeiffer, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs der Ansicht, daß der vom Gesetz vorgegebene bisherige Strafrahmen bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht. Wir werden sowohl über die Mindeststrafen, allerdings auch über die im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen nachzudenken haben und alsbald Abhilfe schaffen müssen. Warum eigentlich soll es bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität lediglich Vergehen mit einer einer Höchststrafe bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug und keine Verbrechen mit der Möglichkeit höherer Freiheitsstrafen geben, und zwar dann, wenn unsere Existenzgrundlagen so nachhaltig und existentiell gefährdet sind, daß solche Strafen, die wir in vielen Be-



    Bachmaier
    reichen des Strafgesetzes kennen, sehr wohl schuld- und schadensangemessen sind?
    Wir wissen auch, daß diejenigen, die in der Versuchung stehen, sich zu ihrem eigenen Vorteil umweltkriminell zu verhalten, mit nichts mehr abgeschreckt werden können als mit einer drohenden und im Ernstfall auch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe. Hier hat die Generalprävention, diese Androhung einer Freiheitsstrafe dann, wenn die potentiellen Kriminellen auf diesem Gebiet davon wissen, daß sie auch vollzogen wird, einen hohen Wirkungsgrad. Auch dies wissen wir aus vielen Untersuchungen, die auch Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegen.
    Dringend einer Novellierung bedarf der § 325 des Strafgesetzbuchs, also der Tatbestand, der die Luftverunreinigung unter Strafe stellt. Wie alle uns vorliegenden Untersuchungen ausweisen, läuft dieser Straftatbestand praktisch völlig leer, und dies nicht deshalb, weil es gerade bei der Luftverschmutzung kein strafwürdiges Verhalten gibt — das Gegenteil erleben wir alle tagtäglich —, sondern weil diese Vorschrift im Gegensatz z. B. zur Gewässerverunreinigung oder zu den Delikten bei der Abfallbeseitigung wegen ihrer strengen Verwaltungsakzessorietät und den schwierigen Nachweisproblemen nur äußerst schwer umsetzbar ist.
    Zwingend geboten ist auch die Einfügung eines Straftatbestandes gegen die Verunreinigung des Bodens. Die Vorschriften über umweltgefährdende Abfallbeseitigung und die Gewässerverschmutzung reichen einfach nicht aus, um den Boden hinreichend vor strafbaren Verunreinigungen zu schützen.
    Auch die lange verzögerte Antwort der Bundesregierung auf unsere bereits in der letzten Legislaturperiode eingebrachte Große Anfrage hat deutlich gemacht, daß unser Umweltstrafrecht und unser Umweltbußgeldrecht nach seiner Neuschaffung im Jahre 1980 durch die damalige sozialliberale Koalition nunmehr der Fortschreibung bedarf. Die Fakten und Defizite, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben und mittlerweile sichtbar sind, bedürfen der Abhilfe.
    Nachdem die Regierung, die sonst sehr schnell bei der Hand ist, wenn es gilt, strafrechtlich bevormundend in den geschützten Freiheitsbereich der Bürger einzugreifen, sich bei den zu lösenden Problemen lange völlig taub gestellt hat, würde es ihr gut anstehen, wenn sie bald das Notwendige in Angriff nähme. Es reicht einfach nicht aus immer dann, wenn sich ein die Öffentlichkeit erregender Umweltskandal erreignet hat, pauschal nach schärferen Gesetzen und einer unnachsichtlichen strafrechtlichen Verfolgung zu rufen, und dann, wenn die verbalen Drohgebärden verklungen sind, nichts zu tun, um die Wirksamkeit unseres Umweltstrafrechtes zu verbessern.
    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)