Rede von
Eckart
Kuhlwein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, daß die Beschlußempfehlung zum Berufsbildungsbericht 1987, über die wir heute abstimmen sollen, wenig oder gar nichts zur Lösung qualitativer Probleme in der Ausbildung beiträgt. Das ist um so erstaunlicher, als doch wohl niemandem verborgen geblieben ist, daß in den vergangenen zehn Jahren wegen der großen Zahlen der Bewerber die Frage nach der Qualität häufig zurückgestellt wurde. Hier gibt es also Nachholbedarf und gleichzeitig beschleunigten Anpassungsbedarf an immer neue technologische Entwicklungen. Die Beschlußempfehlung wird dieser Erkenntnis genauso wenig gerecht wie der neue Berufsbildungsbericht von 1988.
Um zunächst auf den Nachholbedarf einzugehen: Trotz der großen Anstrengungen von Wirtschaft und öffentlicher Hand sind in den letzten zehn Jahren etwa 1,3 Millionen junge Menschen völlig ohne Ausbildung geblieben. Und diejenigen, die nach dem Motto „Besser irgendeine Ausbildung als gar keine" den Beruf ihrer dritten oder vierten Wahl akzeptiert haben, sind sehr häufig in Sackgassen auf dem Arbeitsmarkt gelandet. Nach der Ihnen ja auch bekannten Studie der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung vom Oktober 1987 trifft das vor allem für die Berufe Bäcker/ Bäckerin, Sprechstundenhelfer/Sprechstundenhelferin, Friseur/Friseurin, Apothekenhelfer/Apothekenhelferin zu. Aber auch Kraftfahrzeugmechaniker, Gärtner, Konditoren, Stahlbauschlosser, Tankwarte, Gärtnerinnen, Tischlerinnen und Konditorinnen haben große Schwierigkeiten, im erlernten Beruf einen Arbeitsplatz zu finden.
Das Motto, auf das sich einige heute wieder berufen haben, ist von Anfang an nur ein Notbehelf gewesen, der die Unfähigkeit von Staat und Gesellschaft kaschierte, das Recht aller jungen Menschen auf eine qualifizierte Ausbildung in konkrete Ausbildungsplätze umzusetzen. Wir sollten dieses Motto deshalb so schnell wie irgend möglich aus dem Verkehr ziehen.
Wir sollten auch nicht verdrängen, daß wegen der großen Zahl die Zulassung von Betrieben zur Ausbildung gelegentlich sehr großzügig gehandhabt worden ist. Herr Bundesminister, es ist nicht sinnvoll, zu sagen: Alle sollen anbieten, sondern alle, die die Kriterien des Berufsbildungsgesetzes erfüllen, sollen auch in Zukunft Ausbildungsplätze anbieten.
Wenn wir von Qualität in der Berufsausbildung reden, meinen wir nicht nur die Erarbeitung und Umsetzung neuer Ausbildungsordnungen, wir meinen auch die Frage, ob die erworbenen Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind. Und wir meinen nicht zuletzt auch die Frage, ob alle jungen Menschen nach gründlicher Beratung einen ihrer Neigung und Eignung entsprechenden Ausbildungsplatz erhalten und die Ausbildung auch erfolgreich absolvieren können — Problem der Abbrecher, wachsende Zahlen.
Bei der Neuordnung hat es dank der Bemühungen der Tarifparteien in den vergangenen Jahren zweifellos Fortschritte gegeben. Die beiden anderen Fragen jedoch hat die Regierung bis heute nicht befriedigend beantwortet. Fehlqualifizierungen scheint es für sie nicht zu geben. Probleme von jungen Frauen auf dem Ausbildungsstellenmarkt und an der zweiten Schwelle finden zwar verbale Beachtung, gehandelt wird jedoch nicht. Und nahezu skandalös wird es, wenn die Studie der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung einfach zu den Akten gelegt wird und folgenlos bleibt, als ob eine weitere Million von Ungelernten bis zum Jahr 2000 so etwas wie eine schicksalhafte Heimsuchung wäre, die man eben einfach hinnehmen muß. Wenn es stimmt, was dort ausgerechnet worden ist, und weil wir die Jahre ja noch vor uns haben, gäbe es heute die Chance, tätig zu werden, um zu verhindern, daß im Jahre 2000 eine weitere Million Menschen ohne Qualifikation Arbeit suchen.
Der Bund ist für die Ordnung und Förderung der Berufsausbildung zuständig. Er hat dazu eine Reihe von Instrumenten entwickelt. Aber diese Instrumente müssen auch genutzt werden, wenn das Recht auf eine zukunftsorientierte Ausbildung eingelöst werden soll. Wenn die vorhandenen Instrumente nicht ausreichen, muß über neue nachgedacht werden. Wir haben in unserem Änderungsantrag einige Vorschläge gemacht, und ich will hier einige Punkte nennen.
Die Reform der Ausbildungsordnungen muß zügig fortgesetzt werden. Dabei sollte auf zweijährige Ausbildungen generell verzichtet werden, weil sie für den Arbeitsmarkt der Zukunft nicht mehr ausreichend sind,
schon gar nicht ausreichend für diejenigen, die mit einer schwächeren schulischen Vorbildung eine berufliche Ausbildung absolvieren wollen; denn die lernen in zwei Jahren wirklich nichts, was man auf dem Arbeitsmarkt verwerten könnte.
Wachsende Anforderungen an Allgemeinbildung und Fachtheorie müssen durch einen Ausbau der Teilzeitberufsschulen erfüllt werden. Herr Kollege Schemken, nicht nur in der Schule, aber auch in der Schule, muß eine Verbesserung der Berufsausbildung stattfinden.
— Gleich kommen Sie dran.
Und machen wir uns nichts vor: Berufsfeldbreite Grundbildung und Schlüsselqualifikationen machen auch einen zweiten Berufsschultag erforderlich.