Rede von
Dr.
Anton
Stark
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wie ein Staat seine Bürger behandelt, die er zunächst rechtmäßig durch seine Strafbehörden verfolgt und bei denen sich dann letztlich herausstellt, daß die Verfolgung ungerechtfertigt war, ist signifikant dafür, ob ein Staat Rechtsstaat im besten Sinne des Wortes ist.
Die Entschädigung für zu Unrecht erfolgte Strafverfolgungsmaßnahmen war bis zum Jahre 1970 nicht so geregelt, wie sie im Rechtsstaat unseres Grundgesetzes sein sollte. Bis dahin mußte der zu Unrecht Verfolgte praktisch seine Unschuld beweisen, um in den Genuß von Entschädigungsleistungen zu kommen für zu Unrecht erfolgte Untersuchungshaft, für zu Unrecht erfolgte Entziehung des Führerscheins oder sonstige Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden.
Dieser Bundestag hat im Jahre 1970 einstimmig ein meines Erachtens hervorragendes Entschädigungsrecht für zu Unrecht erfolgte Strafverfolgungsmaßnahmen geschaffen.
Er hat die Unschuldsklausel abgeschafft. Er hat die Beschränkung der Entschädigungsgelder aufgehoben, die damals auf 75 000 DM Kapitalabfindung oder 4 500 DM Jahresrente begrenzt waren. Und er hat etwas eingeführt, um das es heute geht; er hat neben der Erstattung des erlittenen Vermögenschadens, z. B. Verdienstausfall, einen Entschädigungsbetrag für den zu Unrecht erlittenen immateriellen Schaden eingesetzt, und zwar pro Tag erlittener Freiheitsentziehung 10 DM. Der Betrag ist nicht sehr groß.
Es wurde in diesem Zusammenhang von manchen Kollegen von Schmerzensgeld gesprochen. Das ist meines Erachtens aber falsch, weil der Staat diese ungerechtfertigten Strafverfolgungsmaßnahmen ja nicht schuldhaft ergriffen hat, sondern fehlerhaft, wie sich nachträglich heraustellt, wenn die Maßnahme aufgehoben wird. Schmerzensgeld gibt es bekanntlich nur bei Verschulden, z. B. unerlaubter Handlung oder Vorsatz. Deshalb ist der Begriff Schmerzensgeld hier meines Erachtens falsch. Man könnte vielmehr sagen: Der Staat will seinen Fehler mit dieser Zahlung für immaterielle Schäden anerkennen, er will dem Bürger gegenüber, der zwar rechtmäßig, aber letztlich zu Unrecht mit diesen Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen wurde, zum Ausdruck bringen: Wir leisten eine gewisse Genugtuung.
Dieser Betrag war 1970 mit 10 DM pro Tag angesetzt worden. Wir erhöhen ihn heute auf 20 DM. Es wird eingewandt, auch das sei nicht schrecklich hoch. Aber ich habe schon gesagt: Der Betrag soll nicht eme Art Schmerzensgeldfunktion haben, sondern im Grunde genommen ein Anerkennungsbetrag in dein Sinne sein, daß der Staat zum Ausdruck bringt: Wir haben hier Fehler gemacht, es tut uns leid, und dafür kriegt der Bürger, der letztlich zu Unrecht in diese Verfolgungsmaßnahmen gekommen ist, in Zukunft diese 20 DM pro Tag.
Das ist der wesentliche Inhalt dieses vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfs. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf für die CDU/CSU voll und mit Freude zu.