Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß die Politik der Technologieentwicklung hinterherhinkt, ist nichts Neues, und daraus würden wir der Bundesregierung eigentlich auch überhaupt keinen Vorwurf machen. Aber daß sich neun Jahre nach dem ersten Retortenkind die gesamte Reproduktionsmedizin, die Forschung in diesem Bereich, das Problem der Leihmutterschaft in einem rechtsfreien Raum entwickeln konnten, kann nicht mehr allein nur mit der Schwierigkeit der Materie entschuldigt werden.
Ich kann auch nicht sagen, daß mir die bisherige Debatte, soweit ich sie verfolgen konnte, mehr Klarheit über das hinaus gegeben hat, was uns in dem Kabinettsbericht vorgelegt worden ist. Ich weiß nicht, was Sie nun wirklich tun wollen, um etwas zu verhindern, was Sie — wie Sie formuliert haben — verhindern wollen.
In meinem Beitrag will ich im wesentlichen auf die sogenannte Reagenzglasbefruchtung eingehen. Mit dieser Methode kann einerseits einigen wenigen Paaren im Falle von Sterilität geholfen werden. Wir tun alle gut daran, diesen Wunsch nach Hilfe ernst zu nehmen. Aber ich sage von dieser Stelle aus an die Paare gerichtet, die sich sehnlich ein Kind wünschen: Es kann auch ihnen nicht gleichgültig sein, welche Mißbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten diese Methode bietet, ob das so gezeugte Kind Schaden nehmen kann, was mit den Paaren passiert, denen nicht geholfen werden kann.
In der Kabinettsvorlage heißt es zu Recht, daß diese Methoden der Fortpflanzungsmedizin in ihren Erfolgsaussichten vielfach überbewertet werden. Im Klartext: Zwischen 75 und 90 %, d. h. in der Regel ist die In-vitro-Fertilisation erfolglos. Würde sie nach strengen Regeln eingesetzt, nämlich bei eileiterbedingter Sterilität — für die sie ja einmal angeboten worden ist — , die nicht anders zu beheben ist — , darauf kommt es eben an; ich vermisse gerade diesen wichtigen Nebensatz im Kabinettspapier gegenüber den Empfehlungen der Bund-Länder-Kommission —, dann käme sie bei 10 bis 15 % aller Paare in Betracht, also ebenfalls in der Regel nicht. Aber sie wird weit über diese Sterilitätsfälle hinaus — einschließlich der Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes — an der Frau probiert. Kein Wunder, daß Edwards, der medizinische Vater des ersten Retortenbabys glaubt, daß diese Methode für 50 % aller Fälle geeignet ist.