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ID1106206200

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    Plenarprotokoll 11/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur schriftlichen Kritik des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern vom 9. Februar 1988 an Vorhaben der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 4263 B Dr. Schäuble, Bundesminister BK . . . 4264 B Schily GRÜNE 4266C, 4276B Gattermann FDP 4276 C Dr. Apel SPD 4268 D Dr. Langner CDU/CSU 4269 D Frau Simonis SPD 4271 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 4271D Stiegler SPD 4273 A Beckmann FDP 4273 D Lenzer CDU/CSU 4275 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 4276 D Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jugendhilfe und Familie — die Entwicklung familienunterstützender Leistungen der Jugendhilfe und ihre Perspektiven — Siebter Jugendbericht —; Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Jugendbericht (Drucksachen 10/6730, 11/1541) Frau Pack CDU/CSU 4278 A Dr. Böhme (Unna) SPD 4280 A Eimer (Fürth) FDP 4283 A Frau Krieger GRÜNE 4284 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4286B Vizepräsident Cronenberg 4288 B Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dreßler, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen und Risiken der Anwendung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen (Drucksache 11/ 1662) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen (Drucksache 11/1856) Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4289 A Seesing CDU/CSU 4292 B Frau Schmitt-Bott GRÜNE . . . 4294A, 4307 B Funke FDP 4296 A Engelhard, Bundesminister BMJ 4297 D Frau Conrad SPD 4299 B Frau Männle CDU/CSU 4301 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4302 B Catenhusen SPD 4304 B Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4306 A Geis CDU/CSU 4308 A Nächste Sitzung 4309 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4310* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4310* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 4263 62. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1988 Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 26. 2. Austermann 26. 2. Frau Beck-Oberdorf 26. 2. Becker (Nienberge) 26. 2. Egert 26. 2. Dr. Ehmke (Bonn) 26. 2. Dr. Glotz 26. 2. Dr. Geißler 26. 2. Genscher 26. 2. Dr. Götz 26. 2. Gröbl 26. 2. Dr. Häfele 26. 2. Frau Hämmerle 26. 2. Hasenfratz 26. 2. Frau Hasselfeldt 26. 2. Hauser (Esslingen) 26. 2. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 26. 2. Helmrich 26. 2. Frau Hensel 26. 2. Jansen 26. 2. Jaunich 26. 2. Jungmann 26. 2. Frau Kelly 26. 2. Klein (Dieburg) 26. 2. Klose 26. 2. Lowack 26. 2. Lüder 26. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 26. 2. Dr. Mechtersheimer 26. 2. Dr. Mertens (Bottrop) 26. 2. Michels 26. 2. Dr. Mitzscherling 26. 2. Möllemann 26. 2. Paintner 26. 2. Poß 26. 2. Dr. Probst 26. 2. Rappe (Hildesheim) 26. 2. Regenspurger 26. 2. Repnik 26. 2. Reuschenbach 26. 2. Frau Rust 26. 2. Frau Schilling 26. 2. Frau Schoppe 26. 2. Schröer (Mülheim) 26. 2. Dr. Spöri 26. 2. Stratmann 26. 2. Frau Trenz 26. 2. Frau Vennegerts 26. 2. Wartenberg (Berlin) 26. 2. Dr. Wernitz 26. 2. Wieczorek (Duisburg) 26. 2. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Wieczorek-Zeul 26. 2. Wissmann 26. 2. Wolfgramm (Göttingen) 26. 2. Frau Wollny 26. 2. Zeitlmann 26. 2. Dr. Zimmermann 26. 2. Zink 26. 2. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Februar 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1986 Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Dezember 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze Gesetz zu dem Vertrag vom 26. März 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze im Bereich der regulierten Grenzgewässer Breitenbach und Schwarzbach, Kreise Aachen und Malmedy Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz zu dem Vertrag vom 23. März 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bolivien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 4. Mai 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 20. Oktober 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Nepal über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.10, 1.28, 1.29 Drucksache 11/1181 Nr. 1.1 Drucksache 11/1656 Nr. 1.15, 1.16 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/929 Nr. 2.6 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.31
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    Rede von Rainer Funke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die FDP teilt die Auffassung, daß noch in dieser Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen zur künstlichen Befruchtung beim Menschen geschaffen werden müssen. So ist das Embryonenschutzgesetz möglichst zügig noch in diesem Jahr vorzulegen, nachdem es auf Grund der Empfehlungen der Bund-Länder-Gruppe überarbeitet worden ist. Dabei hat sich das Gesetz daran zu orientieren, daß bereits mit Abschluß der Befruchtung, d. h. mit der Kernverschmelzung innerhalb der befruchteten Eizelle menschliches Leben besteht, das gesetzlich besonders geschützt werden muß. Das Embryonenschutzgesetz wird dabei zwischen der Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes und den allgemeinen Wertentscheidungen des Grundgesetzes abzuwägen haben. So wäre es mit Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, wenn zu Forschungszwecken gezielt Embryonen erzeugt oder sonstwie fremdnützig verwendet würden. Strafrechtlich wäre zu prüfen, ob nach dem Entwurf des Embryonenschutzgesetzes Eingriffe an extrakorporal befruchteten menschlichen Eizellen verboten werden sollen, soweit dadurch der spätere Embryotransfer zwar nicht ausgeschlossen, wohl aber die weitere Entwicklung des Embryos gefährdet werden könnte.
    Ich weiß, daß diese Frage in der Wissenschaft, in der Forschung umstritten sein könnte, weil durch ein Verbot auch die Ausschaltung schwerster Erbleiden verhindert werden könnte. Auf der anderen Seite sind die Gefahren des Mißbrauchs zur Menschenzüchtung nicht zu übersehen. Diese möglichen entgegenstehenden Interessen müssen vom Gesetzgeber noch sorgfältig abgewogen werden, auch unter Berücksichtigung der internationalen Forschung und der medizinischen Entwicklung.
    Die bereits heute schon möglichen Manipulationen in der Bestimmung der Nachkommenschaft durch Spermienselektion, also die vorzeitige Bestimmung des Geschlechts des künftigen Kindes, sollte ebenfalls verboten werden, soweit die Spermienselektion nicht dazu dient, eine schwerwiegende Erbkrankheit zu vermeiden.
    Einig sind sich alle Parteien des Bundestages sicherlich auch darin, daß eine gezielte Zeugung genetisch identischer Menschen, also Klonen, sowie die Zeugung von Chimären und Hybridwesen verboten werden sollten. Darauf ist bereits hingewiesen worden.
    Ein weiteres Thema wird uns als Gesetzgeber zu beschäftigen haben, nämlich das Verbot der Ersatzmuttervermittlung und Ersatzmutterschaft, ein Thema, das in der Öffentlichkeit breit diskutiert worden ist.
    Wir Liberalen treten dafür ein, daß beim Adoptionsvermittlungsgesetz ein strafbewehrtes Verbot der



    Funke
    kommerziellen Vermittlung von Ersatzmüttern vorgesehen wird. Wir lehnen es jedoch ab, das Verhalten der Ersatzmutter und der sogenannten Wunscheltern unter Strafe zu stellen.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Kinder per Katalog!)

    Wir sind insoweit in Übereinstimmung mit den Forderungen des 56. Deutschen Juristentages und der 57. Justizministerkonferenz, die auch ein Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern gefordert hat.
    Gegen die Pönalisierung der unmittelbar Beteiligten sprechen folgende Argumente. Erstens. Ersatzmutterschaftsvereinbarungen entfalten keine zivilrechtlichen Wirkungen. Das angestrebte Ziel, die Herstellung einer Eltern/Kind-Beziehung zwischen Wunscheltern und Kind, ist nur im Wege der Adoption oder Legitimation zu erreichen. Die Rechtsprechung hält im übrigen die Vereinbarung über Ersatzmutterschaften für sittenwidrig und damit für nichtig. Zweitens. Dem Kindeswohl wird durch eine Strafbarkeit der unmittelbar Beteiligten eher geschadet als gedient.
    Umstritten ist die Frage, ob die heterologe Insemination mit einem generellen strafrechtlichen Verbot versehen werden soll. Der Kollege Seesing hat hier schon sehr ausführlich berichtet. Eine solche künstliche Befruchtung ist unseres Erachtens zulässig, wenn die medizinische Unfruchtbarkeit eines oder beider Partner auf anderem Wege nicht überwunden werden kann und nur auf diesem Weg der Wunsch des Paares nach einem Kind erfüllt werden kann. Dabei muß das Kindeswohl selbstverständlich besonders berücksichtigt werden. Ich habe Zweifel, ob eine Pönalisierung der heterologen Insemination zweckmäßig ist; auch wenn man bedenkt, daß eine betroffene Partnerschaft dem deutschen Strafgesetz durch ein Ausweichen ins Ausland ohne weiteres entgehen kann. Maßstab bei der Abwägung des Verbots der heterologen Insemination ist das Wohl des Kindes, die Würde und die Persönlichkeit der Beteiligten und der Schutz von Ehe und Familie.
    Neben der strafrechtlichen Regelung bei der künstlichen Befruchtung beim Menschen müssen auch die zivilrechtlichen Folgerungen bedacht werden. Bei der homologen künstlichen Befruchtung ergeben sich keine gesetzlichen Schlußfolgerungen, da sie genetischen Eltern auch die nach dem Gesetz verantwortlichen Eltern sind. Anders verhält es sich bei der künstlichen Befruchtung im heterologen System, also unter der Verwendung der Keimzellen Dritter. Eine Klarstellung sollte im Gesetz erfolgen, daß die gebärende Mutter auch die gesetzliche Mutter ist. Dies gilt auch für den Fall, daß ein Kind durch die Eispende einer Dritten gezeugt wurde.
    Im Hinblick darauf, daß eine heterologe Insemination nur dann zulässig sein sollte, wenn der Ehemann und gegebenenfalls der Partner der künstlichen Befruchtung durch notarielle Einwilligungserklärung zustimmt, sollte die Rechtsfolge sein, daß der Ehemann bzw. Partner der gesetzliche Vater sein soll und nicht der genetische Vater. Mit dieser notariellen Einwilligungserklärung erklärt der Ehepartner ja gleichzeitig, daß er auf das Anfechtungsrecht verzichtet und er die Verantwortung wie ein leiblicher Vater übernehmen will. Damit sind meines Erachtens auch die Schlußfolgerungen nach dem Familien- und dem Erbrecht gegeben.
    Dies soll jedoch nicht zur Anonymität der genetischen Herkunft des Kindes führen. Das Kind sollte Anspruch haben, zu wissen, wer sein genetischer Vater ist. Diese genetische Herkunft muß dokumentiert und gesichert werden. Es muß sichergestellt werden, daß das Kind diesen Anspruch geltend machen kann, aber nicht muß.
    Ich bin mir bewußt, daß die künstliche Befruchtung beim Menschen uns alle vor schwierige gesetzliche, moralische, ethische und gesellschaftliche Probleme stellt. Dies sind gar nicht so sehr parteipolitische oder ideologische Fragestellungen, sondern grundsätzliche, nämlich moralische und ethische, Fragen, die die Grundlagen unseres Rechts und unserer Gesellschaft berühren.
    Ich bin sicher, daß jeder von uns mit großer Verantwortung an diese Fragen herangehen will. Diese Probleme sollten sich dem Parteienstreit entziehen, und sie werden uns deutlich machen, daß nicht alles, was technisch möglich ist, auch erlaubt sein kann.
    Ich bitte die Bundesregierung, möglichst bald einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, damit wir hinreichend Zeit haben, in dieser Legislaturperiode diese Fragen miteinander zu beraten und in den Ausschüssen intensiv zu erörtern. Ich meine, daß diese Vorlagen sowohl die strafrechtlichen als auch die zivilrechtlichen Aspekte berühren sollten.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Hans Engelhard.

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    Rede von Hans A. Engelhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der generellen Aufforderung an die Bundesregierung, wie es zuweilen in der Vergangenheit geschehen ist, die schwierigen Fragen der Fortpflanzungsmedizin endlich anzupakken, bedarf es nicht. Denn wir können für uns in Anspruch nehmen, überhaupt als erste Bundesregierung diesen Fragen die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet zu haben.
    Schon im Mai 1984 hatten Herr Kollege Riesenhuber und ich die sogenannte Benda-Kommission nach den dazu erforderlichen, nicht einfachen Vorarbeiten eingesetzt. Die Benda-Kommission erstattete ihren umfassenden Bericht im November 1985.
    Darauf aufbauend habe ich dann bereits im April 1986 den ersten Diskussionsentwurf eines Gesetzes zum Schutze von Embryonen vorgelegt.

    (Catenhusen [SPD]: Das war leider nur Spielmaterial!)

    Schon in diesem Diskussionsentwurf habe ich eine Reihe von strafrechtlichen Verboten für Manipulationen vorgeschlagen, die der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion lediglich mit dem die rechtliche Konse-



    Bundesminister Engelhard
    quenz letztlich offenlassenden Begriff „unzulässig" versehen hat.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Dann lesen Sie mal nach, was wir in der Fassung von 1985 vorgelegt haben! Das wissen Sie doch! Was soll denn das! Das ist doch wahr! Das ist doch kein Niveau! Ich bestreite doch nicht, daß Sie nachdenken!)

    — Ich lege, Frau Kollegin, Wert darauf, wenn Vorwürfe erhoben werden, hier werde etwas versäumt
    — das ist heute in dieser Debatte erfreulicherweise nicht geschehen — , darzustellen, was in der Vergangenheit und wie stark konkretisiert geschehen ist.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber dann bitte richtig!)

    Ab Herbst 1986 tagte dann die aus Juristen und Medizinern zusammengesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die den gesamten staatlichen Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin erarbeiten und Regelungsvorschläge für den Bund wie die Länder vorlegen sollte.
    Der Zwischenbericht vom November vergangenen Jahres enthält in allen Einzelfragen, die jetzt auch Gegenstand Ihres Entschließungsantrages sind, konkrete Empfehlungen. Die Beratungen dieser Arbeitsgruppe sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Doch hielt es die Bundesregierung angesichts der Bedeutung des Themas bereits jetzt für geboten, die Richtung festzulegen, in der die wesentlichen Fragen der Fortpflanzungsmedizin aus ihrer Sicht gelöst werden sollten.
    Am 10. Februar hat deshalb das Kabinett einen von mir gemeinsam mit Frau Kollegin Süssmuth und Herrn Kollegen Riesenhuber erstellten Bericht beraten und verabschiedet. Die Bundesregierung hat darin vor allem die Grenzen aufgezeigt, die der rasanten technischen Entwicklung im Bereich der Fortpflanzungsmedizin gesetzt werden müssen. In-vitroFertilisation, Samen-, Ei-, Embryonenspende und Gentransfer sind ja nur einige wenige Stichworte für die Probleme, die hier behandelt sind.
    Es bleibt als Fazit dieses Berichtes festzuhalten: Wir lassen die in den neuen Technologien liegende Chance, krankheitsbedingte Kinderlosigkeit zu überwinden, nicht außer acht, aber bei allen Regelungen müssen eindeutig die Würde des Menschen und der Schutz des Lebens im Vordergrund stehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es wird im Rahmen dieser Debatte von verschiedener Seite noch einmal mit der gebotenen Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß sich ein unlösbarer Konflikt mit der in Art. 5 unserer Verfassung garantierten Forschungsfreiheit nicht ergibt, mit einer Forschungsfreiheit, die nicht unter Gesetzesvorbehalt steht, die aber ihre Grenze dort findet, wo höherrangige Güter und Garantien unserer Verfassung mit ihr in Konflikt geraten.
    Meine Damen und Herren, wir müssen der Vorstellung entgegenwirken, daß die Entwicklungen in der Fortpflanzungsmedizin und beim Eingriff in menschliche Keimbahnzellen gleichsam Wundermittel zur Lösung von Problemen in unserer Gesellschaft darstellen. Die künstliche Fortpflanzung ist kein Instrument der Familienplanung. Sie darf nicht unkritisch angewandt werden, da sie kaum übersehbare Risiken für das Kind wie für die Mutter mit sich bringt. Daß der Mensch eines fernen Tages durch den Eingriff in Keimbahnzellen vielleicht Erbkrankheiten besiegen kann, ist heute Zukunftsmusik; aber es steht die Vision drohend vor uns, daß solche Manipulationen zum Mittel der Menschenzüchtung werden könnten.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Dagegen kann man doch etwas tun!)

    Wir insbesondere schlagen vor, strafbewehrt zu verbieten: den Gentransfer in menschliche Keimbahnzellen, die gezielte Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken sowie jede Forschung an menschlichen Embryonen, die zu deren Vernichtung oder Schädigung führen kann; ferner gezielte Maßnahmen zur Geschlechtswahl bei künstlicher Befruchtung, die gezielte Erzeugung genetisch identischer Menschen sowie die Erzeugung von Chimären und Hybridwesen aus Mensch und Tier.
    Es ist die Frage aufgetaucht, wann seitens der Bundesregierung der allgemein vorhandene Wunsch, zu gesetzlichen Regelungen zu kommen, erfüllt wird. Wie ich bereits sagte, sind die Arbeiten der BundLänder-Arbeitsgruppen noch nicht abgeschlossen, aber der Zeitpunkt ist nahe herangekommen. Ich kann ankündigen: Zu einem sehr bald möglichen Zeitpunkt wird ein Entwurf vorgelegt werden, der dann als Regierungsentwurf Gegenstand der Beratungen sein wird.
    Dasselbe gilt im übrigen in einer anderen Frage — aber Frau Kollegin Professor Süssmuth wird ja noch Gelegenheit haben, hier selber dazu Stellung zu nehmen — , in der Frage der Ersatzmutterschaft. Auch hier soll in Kürze ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Jede Form der Ersatzmutterschaft ist, so sage ich, abzulehnen. Die Methoden der künstlichen Befruchtung dürfen Frauen nicht zu angemieteten Gebärmaschinen degradieren. Daher muß die kommerzielle, aber auch, so betone ich, die nichtkommerzielle Vermittlung von Ersatzmüttern strafrechtlich verboten werden. Dasselbe gilt für Anzeigen, in denen Ersatzmütter gesucht oder die Dienste einer Ersatzmutter angeboten werden.
    Es ist, wie Sie wissen, die Frage noch nicht vollständig ausdiskutiert, ob die heterologe Insemination, also die Samenspende eines Dritten, bei Ehepaaren verboten werden sollte. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich mehrheitlich gegen ein generelles Verbot ausgesprochen, hat jedoch enge Voraussetzungen für die Zulässigkeit vorgeschlagen. Hier muß nun, so meine ich, zwischen dem starken Wunsch von Ehepaaren nach einem wenigstens einseitig genetisch verwandten Kind und den Gefahren für das Kindeswohl wie auch — das sollte man nicht vergessen — für den Bestand der Ehe weiter abgewogen werden.
    Ebenfalls noch nicht zu Ende gedacht ist die Frage der künstlichen Befruchtung bei nicht verheirateten Paaren. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist der Auffassung, daß eine künstliche Befruchtung mit dem Samen des Partners nicht verboten werden sollte, wenn die Stabilität einer solchen Verbindung und



    Bundesminister Engelhard
    eine gedeihliche Entwicklung des gewünschten Kindes gewährleistet erscheinen. Bei den weiteren Überlegungen wird man der Frage des Kindeswohls besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen.
    Ich sage, weil wir uns in der Diskussion häufig auch mit den Entwicklungen im Ausland zu beschäftigen haben: Ich bin der Auffassung, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, dies aufmerksam zu verfolgen, um es anschließend abzuschreiben, abzukupfern oder wie immer Sie wollen. Wir müssen den uns richtig erscheinenden Weg gehen. Nur müssen wir wissen — jeder weiß es — , daß dieses Land keine abgeschiedene, nicht erreichbare Insel ist, und deswegen ist es schon unter diesem Gesichtspunkt von großer Bedeutung, was im Ausland an gesetzlichen Regelungen getroffen ist. Ich sage für meine Person sehr deutlich: Wären wir jene Insel, wären Rücksichten solcher Art nicht zu nehmen. Ich wäre in jedem Falle für die restriktivsten Lösungen, die überhaupt in Erwägung gezogen werden können.
    Meine Damen und Herren, was auch immer künftig erlaubt und verboten sein wird, schon wegen — ich wiederhole es — der möglicherweise davon abweichenden Rechtssituation im Ausland muß der Gesetzgeber in jedem Falle — das ist dann ein dritter Punkt der Gesetzgebung — eine eindeutige Antwort auf eine Frage geben, die sich durch die Jahrtausende nicht gestellt hat oder jedenfalls eine sehr einfache und klare Antwort gefunden hat, nämlich die Frage: Wer ist die Mutter? Ist es die genetische oder die biologische Mutter? Wir haben uns mit guten Gründen für die Frau entschieden, die das Kind zur Welt bringt, also die biologische Mutter. Eine gespaltene Mutterschaft darf es nicht geben, und mit dieser Klarstellung wird im übrigen auch dem Phänomen der Ersatzmutterschaft wiederum eine ganz deutliche Absage erteilt.
    Meine Damen und Herren, wir stehen bei der Fortpflanzungsmedizin vor Entscheidungen, die weit in die Zukunft reichen. Tagespolitischer Streit, aber auch kurzatmige Gesetzgebungshektik sind hier so unangebracht wie kaum bei einem anderen Thema. Die viel beschworene Verantwortung für zukünftige Generationen hat hier ein ganz besonderes Gewicht. Ich meine, lassen Sie uns diese Verantwortung gemeinsam wahrnehmen!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)