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ID1106205200

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    Plenarprotokoll 11/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur schriftlichen Kritik des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern vom 9. Februar 1988 an Vorhaben der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 4263 B Dr. Schäuble, Bundesminister BK . . . 4264 B Schily GRÜNE 4266C, 4276B Gattermann FDP 4276 C Dr. Apel SPD 4268 D Dr. Langner CDU/CSU 4269 D Frau Simonis SPD 4271 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 4271D Stiegler SPD 4273 A Beckmann FDP 4273 D Lenzer CDU/CSU 4275 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 4276 D Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jugendhilfe und Familie — die Entwicklung familienunterstützender Leistungen der Jugendhilfe und ihre Perspektiven — Siebter Jugendbericht —; Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Jugendbericht (Drucksachen 10/6730, 11/1541) Frau Pack CDU/CSU 4278 A Dr. Böhme (Unna) SPD 4280 A Eimer (Fürth) FDP 4283 A Frau Krieger GRÜNE 4284 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4286B Vizepräsident Cronenberg 4288 B Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dreßler, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen und Risiken der Anwendung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen (Drucksache 11/ 1662) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen (Drucksache 11/1856) Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4289 A Seesing CDU/CSU 4292 B Frau Schmitt-Bott GRÜNE . . . 4294A, 4307 B Funke FDP 4296 A Engelhard, Bundesminister BMJ 4297 D Frau Conrad SPD 4299 B Frau Männle CDU/CSU 4301 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4302 B Catenhusen SPD 4304 B Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4306 A Geis CDU/CSU 4308 A Nächste Sitzung 4309 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4310* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4310* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 4263 62. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1988 Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 26. 2. Austermann 26. 2. Frau Beck-Oberdorf 26. 2. Becker (Nienberge) 26. 2. Egert 26. 2. Dr. Ehmke (Bonn) 26. 2. Dr. Glotz 26. 2. Dr. Geißler 26. 2. Genscher 26. 2. Dr. Götz 26. 2. Gröbl 26. 2. Dr. Häfele 26. 2. Frau Hämmerle 26. 2. Hasenfratz 26. 2. Frau Hasselfeldt 26. 2. Hauser (Esslingen) 26. 2. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 26. 2. Helmrich 26. 2. Frau Hensel 26. 2. Jansen 26. 2. Jaunich 26. 2. Jungmann 26. 2. Frau Kelly 26. 2. Klein (Dieburg) 26. 2. Klose 26. 2. Lowack 26. 2. Lüder 26. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 26. 2. Dr. Mechtersheimer 26. 2. Dr. Mertens (Bottrop) 26. 2. Michels 26. 2. Dr. Mitzscherling 26. 2. Möllemann 26. 2. Paintner 26. 2. Poß 26. 2. Dr. Probst 26. 2. Rappe (Hildesheim) 26. 2. Regenspurger 26. 2. Repnik 26. 2. Reuschenbach 26. 2. Frau Rust 26. 2. Frau Schilling 26. 2. Frau Schoppe 26. 2. Schröer (Mülheim) 26. 2. Dr. Spöri 26. 2. Stratmann 26. 2. Frau Trenz 26. 2. Frau Vennegerts 26. 2. Wartenberg (Berlin) 26. 2. Dr. Wernitz 26. 2. Wieczorek (Duisburg) 26. 2. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Wieczorek-Zeul 26. 2. Wissmann 26. 2. Wolfgramm (Göttingen) 26. 2. Frau Wollny 26. 2. Zeitlmann 26. 2. Dr. Zimmermann 26. 2. Zink 26. 2. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Februar 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1986 Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Dezember 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze Gesetz zu dem Vertrag vom 26. März 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze im Bereich der regulierten Grenzgewässer Breitenbach und Schwarzbach, Kreise Aachen und Malmedy Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz zu dem Vertrag vom 23. März 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bolivien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 4. Mai 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 20. Oktober 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Nepal über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.10, 1.28, 1.29 Drucksache 11/1181 Nr. 1.1 Drucksache 11/1656 Nr. 1.15, 1.16 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/929 Nr. 2.6 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Seesing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neue Technologien bestimmen immer stärker unser Leben: menschliches Leben und die Welt um uns. Neue Techniken ermöglichen die Herstellung von Leben, aber auch seine beliebige Beendigung.
    Ich habe vor einiger Zeit einen großen Heiterkeitserfolg erzielt, als ich vor einem sonst durchaus ernst gesonnenen Publikum die Frage stellte: Wie macht man einen Menschen?
    Diese Frage stellen müssen weist schon auf eine neue und notwendige Auseinandersetzung um den Menschen und seine Würde hin. Der Lebensbeginn ist nicht mehr allein Sache von Mann und Frau. Er ist in manchen Fällen Sache der Ärzte geworden.
    Die sogenannte Fortpflanzungs- oder Reproduktionsmedizin bietet neue Wege. Es geht um die künstliche Befruchtung. Dabei ist schon der Begriff nicht ganz glücklich; denn nicht die Befruchtung ist künstlich — da verschmelzen nach wie vor die Kerne von Eizelle und Samenzelle — , sondern die Verfahren sind zum Teil weit von der Natur entfernt. Die Menschwerdung droht zu einer Sache der Techniker zu werden. Ich frage mich, wie weit wir das noch mittragen oder ertragen können.
    Manches Verfahren der künstlichen Befruchtung gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Schon 1897 hat die katholische Kirche ein Verdikt über jede Art künstlicher Befruchtung ausgesprochen. Das Verbot wurde 1987, also 90 Jahre später, erneuert. Es gibt gute Gründe dafür.
    Aber in unserer pluralistischen Gesellschaft gibt es zu diesem Problem auch andere Auffassungen, die man durchaus als ebenfalls berechtigt ansehen kann. Es ist tatsächlich eine Frage des Gewissens des einzelnen Menschens, wie er sich in diesen Fragen entscheiden kann. Es ist aber auch eine Aufgabe des Staates, menschliches Leben und Menschenwürde zu schützen.
    Neue Methoden der Fortpflanzungsmedizin sind nur dann zu verantworten, wenn die Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Schutz des Lebens, der Schutz von Ehe und Familie und das Wohl des Kindes gewährleistet sind. Es ist eigentlich erschreckend, daß wir auf medizinisch-technische Verfahren angewiesen sind, um neues menschliches Leben zu erzeugen und zu gewinnen.
    Die Zahl der Ehepaare, die ungewollt kinderlos sind, ist groß — zu groß, als daß man darüber einfach zur Tagesordnung übergehen könnte. Man geht von etwa 1,5 Millionen betroffener Ehepaare aus.
    Natürlich darf man in dieser Diskussion auch die Frage stellen, ob man Kinderlosigkeit nicht als persönliches Schicksal annehmen muß. Viele werden das tun. Aber viele andere werden nach einem Weg suchen, um zu einem eigenen Kind zu kommen.
    Deswegen müssen wir uns die Frage stellen, ob wir schon genug geforscht und versucht haben, die Sterilität eines Mannes, einer Frau oder gar eines Paares zu beheben, ohne daß man etwa zum Mittel der In-vitroFertilisation mit Embryotransfer greifen muß.
    Ich erläutere das Verfahren etwas; denn ich kann nicht erwarten, daß sich schon jeder in die Fachsprache eingedacht hat.
    Ich sagte, daß sich viele Paare ein Leben ohne ein eigenes Kind nicht vorstellen können. Aber sie bleiben wegen der Sterilität eines Partners ohne Kinder. Wenn diese Sterilität auf eine gestörte Funktionsfähigkeit der Eileiter beruht, kann man, wenn alle anderen bekannten medizinischen Methoden nicht mehr greifen, folgendes Verfahren anwenden.
    Nach einer Behandlung mit Hormonen entnimmt man den Eierstöcken der Frau reife Eizellen. Das macht man durch eine Bauchspiegelung unter Vollnarkose oder — heute vorwiegend — mit einer Punktionsnadel, die durch die Scheide eingeführt wird. Die Eizellen bringt man in einer Nährlösung aus Blutserum und Spurenelementen mit dem männlichen Samen zusammen, der in aller Regel durch Masturbation des Ehemannes oder eines Samenspenders gewonnen wurde. Dabei muß ich die Worte „oder eines Samenspenders" eigentlich in Klammern setzen. Denn ich möchte den Samenspender und damit die sogenannte heterologe Insemination ausgeschlossen wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Die Verschmelzung in der Retorte, im Reagenzglas nennt man In-vitro-Befruchtung, also Befruchtung im Glas. Die befruchteten Eizellen werden 48 bis 60 Stunden im Brutschrank aufbewahrt. In dieser Zeit findet eine zweifache Zellteilung statt. Aus Eizelle und Samenzelle wird der Embryo.



    Seesing
    Inzwischen ist die Gebärmutter der Frau nun auch mit Hormonen angereichert worden. Nun wird der Embryo in die so vorbereitete Gebärmutter eingepflanzt. In 15 bis 25 % aller Fälle kommt es zur Nidation, zur Einnistung des Embryos, und damit zu einer Schwangerschaft.
    Ich bitte sehr um Verständnis, daß ich das hier so breit dargestellt habe. Aber es lassen sich alle Grundfragen an diesem Beispiel diskutieren.
    Da ist zunächst die Frage, ab wann denn nun menschliches Leben zu schützen ist. Solange sich die Entstehung menschlichen Lebens im Verborgenen abspielte — man kann auch sagen: an einem gesicherten Platz — , spielte diese Frage nicht die große Rolle. Wenn ich aber das ganze Verfahren der Zeugung — oder besser: Erzeugung — menschlichen Lebens in einen Bereich verlege, der einsehbar ist und in dem man manipulieren kann, so muß der Schutz des Lebens von Anfang an gewährleistet sein.
    Mit dem Augenblick der Verschmelzung der Kerne von Eizelle und Samenzelle ist neues menschliches Leben gegeben. Das Geschlecht des Menschen ist festgelegt und damit wesentlicher Teil seiner Person, und die ist schätzenswert.
    Deswegen können wir auch nicht zulassen, daß Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt werden, wie das in anderen Ländern als durchaus vertretbar angesehen wird. Hier stellt sich wirklich die Frage nach dem Vorrang der Menschenwürde vor der Forschungsfreiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Auch das in der Tierzucht, besonders in der Rinderzucht, angewandte Verfahren der Mikromanipulation — Frau Däubler-Gmelin sprach vorhin davon — könnte man auf den Menschen übertragen: Man teilt einen Embryo noch im Zellstadium von acht totipotenten Zellen, läßt diese beiden Teile von zwei Muttertieren austragen und erhält völlig identische Zwillinge. Man kann auf diese Weise auch Achtlinge völlig identisch herstellen.
    Unser Menschenbild verlangt, daß wir solche Entwicklungen bei Menschen von Anfang an unterbinden und alle strafrechtlichen Möglichkeiten einsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum Menschsein, meine Damen und Herren, gehören Werden und Sterben, Schönheit und Häßlichkeit, Klugheit und Dummheit, Gesundheit und Krankheit. Es gibt den Menschen nach meiner Auffassung nicht mehr, wenn wir das mit Hilfe neuer Technologien, z. B. der Gentechnologie, alles änderten. Die Würde des Menschen verlangt, daß wir bereit sind, jeden als Person anzunehmen. Wenn wir auch jede vernünftige Technologie einsetzen wollen, um Krankheiten zu heilen, so dürfen diese Techniken aber nicht genutzt werden, um den Menschen als Einzelwesen in Richtung auf die Schaffung eines neuen Menschen verändern zu wollen. Deswegen möchten wir gentechnische Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen strafrechtlich verboten wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der SPD)

    In vielen Fällen sind bei der In-vitro-Fertilisation weltweit mehr Embryonen erzeugt worden, als in die Gebärmutter einer Frau eingesetzt wurden oder eingesetzt werden konnten. Auch da hat die technische Entwicklung — wenigstens dem Anschein nach — geholfen. Samenzellen, Embryonen und wohl auch Eizellen können bei minus 196 Grad Celsius eingefroren und wahrscheinlich unbegrenzt gelagert werden. In Tiefkühltruhen in aller Welt lagern solche Embryonen tiefgefroren, also Menschen, die nach meiner Auffassung, wenn sie in Deutschland lagern, dem Schutz des Grundgesetzes unterliegen. Man kann sie vielleicht noch lange liegenlassen.
    Ist dann die Frage eigentlich so unberechtigt, die ich schon einmal gestellt habe: Ist die Urenkelin einer Eizellenspenderin vielleicht eines Tages bereit, den eingelagerten Embryo auszutragen und so ihre eigene Großtante zur Welt zu bringen? Mir macht allein die Aufhebung der Generationen schon große Sorge, von anderen Problemen ganz zu schweigen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Am sichersten ist es, die Konservierung von Embryonen grundsätzlich zu verbieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jede Form der künstlichen Befruchtung darf nur als letzte medizinische Maßnahme zur Behandlung einer Sterilität zugelassen werden. Deswegen muß dafür gesorgt werden, daß diese Tätigkeit einem Arzt vorbehalten wird. Eine In-vitro-Befruchtung darf nur in dafür besonders zugelassenen Einrichtungen vorgenommen werden.
    Es gibt in der CDU und CSU Vorbehalte gegen die In-vitro-Fertilisation. Sie wird aber von den meisten noch eher für vertretbar angesehen als die heterologe Insemination, d. h. die Herbeiziehung eines Samenspenders. Wir wissen um die Schwierigkeit eines Verbotes der heterologen Insemination, weil in fast allen Nachbarstaaten diese Frage anders gesehen wird. Viele zivilrechtlich zu klärenden Probleme können bei einem Verbot bei uns leichter geklärt und gelöst werden.
    Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß ich nur in der Lage war, einige Einzelfälle aufzuzeigen und zu versuchen, sie in einen Zusammenhang zu bringen. Frau Professor Männle, Herr Dr. Voigt und Herr Geis werden andere Aspekte ansprechen oder auf Einzelheiten vertieft eingehen.
    Die neuen technischen Möglichkeiten stellen neue Fragen an unser ethisches Handeln. Wir müssen uns auf das besinnen, was den Menschen ausmacht. Das ist sicher mehr als die Summe von Eizelle und Samenzelle oder die Summe der Genbausteine.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die neuen medizinischen Möglichkeiten können eine Hilfe für viele Menschen werden. Sie können aber auch der Manipulation am Menschen Tür und Tor öffnen.



    Seesing
    Ich trete dennoch für eine teilweise Nutzung der neuen Verfahren ein; denn ich gehe davon aus, daß ein Unterlassen ethisch nicht immer wertvoller als ein Tun ist. Ich hoffe aber, daß ich die Grenzen für dieses Handeln deutlich genug aufzeigen konnte.

    (Frau Saibold [GRÜFTE]: Denken Sie an Transnuklear!)

    Die Grenzen sind der Schutz der Menschenwürde. Ich glaube, daß es möglich ist, nur das für den Menschen Gute zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt-Bott.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Regula Schmidt-Bott


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Lange Zeit wurde versucht, uns vorzugaukeln, das treibende und einzige Motiv für künstliche Befruchtung sei der von Mitleid bestimmte Wunsch zur Hilfe bei Unfruchtbarkeit.
    Bei Lektüre der Debattenvorlagen für heute habe ich den Eindruck, daß wir uns in einer neuen Diskussionsphase befinden; denn von dem verlogenen Schmus um das Glück der Mutter- und Elternschaft,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

    das die neuen Reproduktionstechniken den armen, sonst kinderlos gebliebenen Menschen bringen, ist in diesen beiden Vorlagen und auch in den bisherigen Debattenbeiträgen nicht viel zu finden.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ja! Überhaupt nichts!)

    — Ja, schon in der Debatte; Herr Seesing hat es doch probiert.
    Nun ist es sicher positiv, wenn nicht mehr so viel gelogen wird.

    (Bohl [CDU/CSU]: Wählen Sie eine andere Sprache! Das ist ja furchtbar!)

    Diese neue Sachlichkeit dokumentiert aber auch das erschreckende Ausmaß der Akzeptanz und Selbstverständlichkeit, mit der die neuen Reproduktionstechnologien ihren gesellschaftlichen Durchbruch bereits erreicht haben. Die Befürworterinnen haben das Lügengesülze nicht mehr nötig.

    (Bohl [CDU/CSU]: Ich kann das nicht mehr hören! Bei so einem Thema! So ein Niveau haben Sie doch eigentlich gar nicht!)

    Sie haben ihr erstes Etappenziel — Akzeptanz — erreicht und können offen zum nächsten Schritt übergehen: Freie Bahn für die Neoeugenik!
    Es ist kein Zufall und Indiz dafür, daß der Streit über die sogenannte Forschungsfreiheit derzeit so massiv läuft, auch wenn hier offensichtlich Konsens besteht
    — bei den großen Parteien bzw. SPD und Regierung — über ein Verbot der Forschung an Embryonen. Bitte, Frau Däubler-Gmelin, erklären Sie, wie Sie Forschung verhindern wollen — einmal ganz abgesehen von dem Problem der Kontrolle — , wenn Sie künstliche Befruchtung in bestimmten Ausnahmen zulassen wollen. Es geht nicht! Das müssen Sie selber sehen und dann auch sagen. Damit ist die Bahn
    für Forschung an Embryonen frei; denn sonst kann man es auch für die Ausnahmen nicht nutzen.
    Beide Vorlagen unterscheiden sich in ihrem inhaltlichen Gehalt nicht. Sie sind Dokumente der wiederum nur technischen — hier: juristischen — Verwaltung der neuen Fortpflanzungstechniken. Frau Däubler-Gemlin hat es anfangs ja auch selber benannt. In dem SPD-Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der unter Einbeziehung des bürgerlichen Rechts, des Personenstandrechts, des Strafrechts, des Gewerberechts, des ärztlichen Berufsrechts, des Gesundheitsrechts, des Sozialversicherungsrechts, des Datenschutzrechts insbesondere mindestens folgende Festlegung enthalten soll. Hoffentlich haben Sie nicht noch irgendeinen Rechtsbereich vergessen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sonst sagen Sie es uns einfach, Frau Schmidt-Bott!)

    — Genau. Dazu kommen wir dann ja noch.
    Von den Ursachen der Unfruchtbarkeit ist — logisch — in dem SPD-Antrag überhaupt nicht die Rede. In dem Kabinettsbericht gibt es bei insgesamt 36 Seiten anderthalb Seiten Text zu den Ursachen der ungewollten Unfruchtbarkeit, die hier sogar als Massenphänomen bezeichnet wird. Anderthalb Seiten für ein Massenphänomen!
    Wo werden die Ursachen vor allen Dingen gesehen? Ich zitiere:
    Das fein abgewogene hormonelle Wechselspiel ist störanfällig. Lebensweise, Ernährungsfaktoren, Über- und Untergewicht,

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Chemisierung des Alltags!)

    aber auch Arbeitssituationen können unmittelbar oder mittelbar die biologische Reservekapazität der Fortpflanzungsorgane überfordern.
    Ein weiteres Zitat:
    Körperliche wie seelische Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Alkohol und Nikotin wie auch
    — ziemlich zu vernachlässigen —
    Dauerbelastung und Überforderung können die Fortpflanzungsfähigkeit von Mann und Frau vorübergehend oder auch dauernd schädigen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wo bleibt die Chemie?)

    Von Chemie, von atomarer Verseuchung ist überhaupt nicht die Rede. Von Arbeitsplätzen, von Arbeitsschutz — einem Stiefkind, wie wir auch vor zwei Tagen in der Anhörung hören konnten — ist überhaupt nicht die Rede.

    (Bohl [CDU/CSU]: Ihre Lösung: Zurück in den Urwald!)

    Dann ist es auch nur konsequent — Frau Süssmuth ist anwesend — , wenn Sie in der Kurzfassung in Ihrem Pressedienst, wenn Sie darauf eingehen, was im Sinne von Prävention und Ursachenforschung zu tun ist, von der Stärkung der Eigenverantwortung sprechen. Wer unfruchtbar ist, ist selber schuld und hat gefälligst erst



    Frau Schmidt-Bott
    einmal selbst zu gucken, er oder sie. Das macht mich deshalb so böse, weil Sie, Frau Süssmuth, ja nun an frauenpolitischen Debatten beteiligt sind

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Richtig verbissen sind Sie!)

    — ja, da bin ich auch verbissen, zu Recht, wie ich meine — und wissen müßten — ich denke, Sie wissen es auch — , daß von Eigenverantwortung, von einer eigenen Entscheidung in diesem Zusammenhang gar nicht mehr die Rede sein kann.
    Die Zuständigkeiten der Medizin haben sich derart erweitert, daß die künstliche Befruchtung jetzt am Beginn des Lebens steht oder demnächst stehen wird. Vorgeburtliche Diagnostik, Operationen am Fötus sowie eine ärztlich verwaltete Geburt haben wir bereits. Am Ende des Lebens wartet die Intensivstation. So sind normale Lebensereignisse unter die Kontrolle der Medizin geraten. Nur, niemand kontrolliert die Medizin.
    Das heißt: Eigenverantwortung, Eigenentscheidung ist für uns alle in diesen Bereichen schon gar nicht mehr möglich. Regierungsparteien und SPD wollen diese Fremdbestimmung darüber hinaus noch weiter an Ärzte delegieren. Diese sollen jetzt nach beiden Vorlagen über das Wohl des Kindes entscheiden, das noch zu erzeugen oder im Reagenzglas herzustellen ist. Sie wollen das Wohl des Kindes in die Hände von Ärzten legen. Von Psychologen, Sozialpädagogen reden Sie gar nicht, aber da will ich es auch nicht hingeben. Dabei wissen Sie, wie schwierig es ist, das Wohl des Kindes — eines Kindes, das wir kennen, das wir in seiner Lebenswelt, in seiner Familie, in seiner Umgebung erleben — zu beurteilen. Auch dies wollen Sie wieder an nur technische Experten delegieren. Nur so macht die Forderung, die in beiden Vorlagen enthalten ist, einen Sinn.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber es ist doch nicht wahr, was Sie sagen!)

    Die Enteignung der Körper von Frauen und Männern im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung, mit den neuen Fortpflanzungstechniken schreitet voran. Die eigentliche Zielsetzung wird, wie ich am Anfang sagte, auch immer unverhohlener zugegeben, obwohl sie uns seit Jahren bekannt ist. Ich zitiere nach Gena Corea, zwei amerikanischen Wissenschaftlern — das sind Äußerungen, die schon aus dem Jahre 1976 stammen — , von Karp und Donahue:
    Deshalb könnten sich die In-vitro-Befruchtung und die Züchtung von Embryonen zur bevorzugten Reproduktionsmethode entwickeln, wobei nur genetisch gesunde Embryonen in den Uterus eingepflanzt werden. So könnte hinsichtlich der Verhinderung eines Großteils der allzu häufig auftretenden schweren Geburtsfehler erhebliche Fortschritte erzielt werden.
    Zweites Zitat:
    Unbegrenzter Zugang zu einer staatlich regulierten Abtreibung in Verbindung mit den gegenwärtig perfektionierten Techniken zur Entdekkung von Chromosomenanomalien wird uns von
    einigen Prozent aller Geburten befreien, die
    heute unkontrollierbare Defekte darstellen.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Vorgezogene Euthanasie!)

    Kein Elternpaar wird in dieser Zukunft das Recht haben, die Gesellschaft mit einem mißgestalteten oder geistig unfähigen Kind zu belasten.
    Das Zitat stammt von dem US-amerikanischen Genetiker Bentley Claas, auch bereits von 1971. Das hat er bei seiner Abschiedsrede geäußert, als er den Vorsitz der amerikanischen Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaft abgab.
    Wenn dann eine Journalistin zu dem Ergebnis kommt, daß aus der Fortpflanzungstechnologie die Fortpflanzungsdiktatur werden kann, hat sie recht, schlicht und ergreifend recht, so dramatisch ist das Ganze bereits.
    Lassen Sie mich deshalb klar sagen: Wir werden ja beide Vorlagen weiter beraten. Wir haben, nicht zufällig, eine Große Anfrage zu Ursachen, Prävention und Behandlung der Unfruchtbarkeit eingereicht, für deren Beantwortung die zuständigen Ministerien, bisher jedenfalls, mindestens neun Monate brauchen.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Neun Monate?)

    — Ja.
    Diese Anfrage haben wir gestellt, um vor allen Dingen zu thematisieren, uns allen bewußt zu machen, daß es nötig ist, Prävention in der Weise anzugehen, daß nach den Ursachen von Unfruchtbarkeit gesucht, geforscht wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das ist ein Dunkelfeld. Da passiert so gut wie gar nichts. Das darf aber nicht in dem individuellen Sinne geschehen, wie ich vorhin Frau Süssmuth zitiert habe, nämlich: Ich bin krank, meine Fortpflanzungsorgane sind krank — in Zukunft werden es sowieso die Gene sein, weil ja auch Krebs dann als genetisch bedingt und nicht mehr mit den Umweltfaktoren zusammenhängend angesehen wird. Diese Forschung ist erforderlich, um überhaupt erst mal klären, abschätzen zu können, welchen Sinn solche Fortpflanzungstechniken für die haben, für die sie angeblich gedacht sind.

    (Seesing [CDU/CSU]: So einfach ist das jetzt nun wirklich nicht!)

    Meine Position ist ganz klar: Verbote werden da nicht viel helfen. Da kommen wir mit dem Strafrecht nicht so schrecklich viel weiter, denn da gibt es Widersprüche, die auch Sie in Ihren eigenen Vorlagen haben. Es muß eine öffentliche Debatte, es muß Aufklärung stattfinden, es müssen Alternativen erforscht, entwickelt werden, um diese Entscheidungsfreiheit für uns alle überhaupt erst herzustellen. Die ist zur Zeit ja überhaupt nicht gegeben, weil, nicht zufällig, sondern bewußt, politisch gewollt, genau diese Alternativen vernachlässigt werden, keinen Stellenwert haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)