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ID1106205000

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    Plenarprotokoll 11/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur schriftlichen Kritik des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern vom 9. Februar 1988 an Vorhaben der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 4263 B Dr. Schäuble, Bundesminister BK . . . 4264 B Schily GRÜNE 4266C, 4276B Gattermann FDP 4276 C Dr. Apel SPD 4268 D Dr. Langner CDU/CSU 4269 D Frau Simonis SPD 4271 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 4271D Stiegler SPD 4273 A Beckmann FDP 4273 D Lenzer CDU/CSU 4275 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 4276 D Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jugendhilfe und Familie — die Entwicklung familienunterstützender Leistungen der Jugendhilfe und ihre Perspektiven — Siebter Jugendbericht —; Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Jugendbericht (Drucksachen 10/6730, 11/1541) Frau Pack CDU/CSU 4278 A Dr. Böhme (Unna) SPD 4280 A Eimer (Fürth) FDP 4283 A Frau Krieger GRÜNE 4284 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4286B Vizepräsident Cronenberg 4288 B Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dreßler, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen und Risiken der Anwendung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen (Drucksache 11/ 1662) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen (Drucksache 11/1856) Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4289 A Seesing CDU/CSU 4292 B Frau Schmitt-Bott GRÜNE . . . 4294A, 4307 B Funke FDP 4296 A Engelhard, Bundesminister BMJ 4297 D Frau Conrad SPD 4299 B Frau Männle CDU/CSU 4301 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4302 B Catenhusen SPD 4304 B Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4306 A Geis CDU/CSU 4308 A Nächste Sitzung 4309 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4310* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4310* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 4263 62. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1988 Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 26. 2. Austermann 26. 2. Frau Beck-Oberdorf 26. 2. Becker (Nienberge) 26. 2. Egert 26. 2. Dr. Ehmke (Bonn) 26. 2. Dr. Glotz 26. 2. Dr. Geißler 26. 2. Genscher 26. 2. Dr. Götz 26. 2. Gröbl 26. 2. Dr. Häfele 26. 2. Frau Hämmerle 26. 2. Hasenfratz 26. 2. Frau Hasselfeldt 26. 2. Hauser (Esslingen) 26. 2. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 26. 2. Helmrich 26. 2. Frau Hensel 26. 2. Jansen 26. 2. Jaunich 26. 2. Jungmann 26. 2. Frau Kelly 26. 2. Klein (Dieburg) 26. 2. Klose 26. 2. Lowack 26. 2. Lüder 26. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 26. 2. Dr. Mechtersheimer 26. 2. Dr. Mertens (Bottrop) 26. 2. Michels 26. 2. Dr. Mitzscherling 26. 2. Möllemann 26. 2. Paintner 26. 2. Poß 26. 2. Dr. Probst 26. 2. Rappe (Hildesheim) 26. 2. Regenspurger 26. 2. Repnik 26. 2. Reuschenbach 26. 2. Frau Rust 26. 2. Frau Schilling 26. 2. Frau Schoppe 26. 2. Schröer (Mülheim) 26. 2. Dr. Spöri 26. 2. Stratmann 26. 2. Frau Trenz 26. 2. Frau Vennegerts 26. 2. Wartenberg (Berlin) 26. 2. Dr. Wernitz 26. 2. Wieczorek (Duisburg) 26. 2. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Wieczorek-Zeul 26. 2. Wissmann 26. 2. Wolfgramm (Göttingen) 26. 2. Frau Wollny 26. 2. Zeitlmann 26. 2. Dr. Zimmermann 26. 2. Zink 26. 2. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Februar 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1986 Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Dezember 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze Gesetz zu dem Vertrag vom 26. März 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze im Bereich der regulierten Grenzgewässer Breitenbach und Schwarzbach, Kreise Aachen und Malmedy Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz zu dem Vertrag vom 23. März 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bolivien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 4. Mai 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 20. Oktober 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Nepal über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.10, 1.28, 1.29 Drucksache 11/1181 Nr. 1.1 Drucksache 11/1656 Nr. 1.15, 1.16 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/929 Nr. 2.6 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herta Däubler-Gmelin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben die heutige Debatte beantragt. Wir begrüßen, daß sie endlich zustande gekommen ist. Wir halten es für nötig — um das von vornherein zu sagen — , daß sich der Bundestag so schnell wie möglich auf gemeinsame Weichenstellungen für die Reproduktionsmedizin, also für die Anwendung der Methoden der künstlichen Befruchtung auf den Menschen verständigt.
    Die Zeit für Weichenstellungen dieser Art ist überfällig. Wir wissen, daß Louise Brown, das erste Kind, das nach Verschmelzung von Samen und Eizellen im Reagenzglas geboren wurde, in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag begehen wird. Wir wissen, daß Tausende von Kindern überall auf der Welt durch diese Form der Laborzeugung entstehen.
    Wir lesen immer Umstritteneres darüber, daß Frauen gesucht — und leider auch gefunden — werden, die ihre Eizellen, die ihre Gebärmutter zum Zwecke der künstlichen Befruchtung und zur Austragung von Fremdschwangerschaften zur Verfügung stellen. Der gängige Jargon nennt sie „Leihmütter"; obwohl Mutterschaft gerade nicht gefragt ist. Es geht lediglich und ausschließlich um das Zur-VerfügungStellen von Eizellen oder um die vorübergehende Gebrauchsüberlassung der Gebärmutter, also von Organen der weiblichen Fortpflanzung oder Teilen davon aus kommerziellen oder anderen Gründen.
    Wir lesen auch, daß es unsere Gerichte gerade noch schaffen, die Tätigkeit einer Leihmutteragentur zu untersagen. Frankfurt war der neueste Anwendungsfall. Und wir lesen Berichte über den Streit vor US-Gerichten, wer nun eigentlich ein leihweise ausgetragenes Kind letztendlich bekommen soll. Das beschäftigt die Bürger nicht nur in den USA, sondern auch bei uns, vor allen Dingen deshalb, weil wir wissen — bei allem Widerwillen, mit dem wir diesen Streit und auch das Hin und Her beobachten mögen — , daß dieser Streit nur eine günstigere von mehreren Möglichkeiten betrifft.
    In jenem Streit vor US-Gerichten beanspruchen schließlich mehrere Erwachsene dasselbe Kind. Beide betroffenen Paare wollen es, wenigstens jetzt. Denkbar ist aber auch — das ist gar nicht außerhalb unseres Vorstellungsvermögens — , daß eben niemand ein solches Kind will, weil es den Erwartungen nicht entspricht oder mit Fehlern behaftet sein soll. Was aber ist dann mit diesem Kind?
    Auch von Samenbanken und Samenspendern ist immer häufiger zu hören. Da werden Samenspender gesucht, bisweilen auch durch Aushang in Universitäten; eine besonders „geschmackvolle" und unzulässige Art, vorzugehen. Wenn wir von Samenspendern reden, macht aber wenigstens der Begriff deutlich, worauf die Nachfrage abzielt: Eben nicht der Vater ist gefragt, sondern nur dieser eine Teil der männlichen Fortpflanzungsfähigkeit.
    Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber, gerade auch der Deutsche Bundestag, ist gefragt, ob er diese Aufspaltung, diese technisch zerteilte und warenmäßig verwendete menschliche Fortpflanzungsfähigkeit durch die Methoden der künstlichen Befruchtung rechtlich zulassen will.
    Auch um viele andere Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse und ärztlicher Kunst geht es, die allesamt Grundfragen betreffen: um die Möglichkeit, einen unfruchtbaren Elternteil bei der Fortpflanzung einfach auszutauschen und zu ersetzen, um die Auswahl des Geschlechts oder anderer Eigenschaften eines Kindes vor seiner Zeugung. Es geht um Samenbanken hier oder in anderen Bereichen der Welt. Es geht auch um mit erhofften Erkenntnisfortschritten begründete Eingriffe in menschliches Leben auf dieser Vorstufe vor der Geburt, das nach der Verschmelzung von Ei und Samenzellen in den Labors entsteht und gängigerweise von uns als menschliche Embryonen bezeichnet wird.
    Was noch alles möglich sein könnte infolge dieser Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Entwicklungs- und Molekularbiologie, was alles auch auf Menschen zukommen könnte, wenn wir die Weichen nicht schnell, gemeinsam und wirksam in eine ganz andere Richtung stellen, das zeigt ein Blick über den Zaun auf heute längst gängige Methoden der Tierzucht. Da werden Rinderembryonen geradezu am Fließband erzeugt, eingefroren, über Kontinente hinweg versandt, in andere Tiere eingepflanzt oder zu identischen Rinderembryonen vervielfältigt, also geklont und zur Erforschung der heutigen Überwindung der Artgrenzen verbraucht.
    Was in der Tierzucht aus verschiedenen und zum Teil auch ganz anderen Gründen als immer bedenklicher angesehen wird und deshalb zurückgedrängt werden muß, darf beim Menschen — das ist unsere hoffentlich gemeinsame Überzeugung — nicht einmal in Ansätzen verwirklicht werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Nun wissen wir, daß Kinderlosigkeit zur schweren Belastung werden kann. Auch das kann, ja muß uns bei unserer Überlegung leiten. Für die schon heute deutlich werdenden Gefahren, für die schwerwiegenden Mißbrauchsmöglichkeiten, vor allem aber für die Notwendigkeit, sie zu verhindern, gilt das mindestens jedoch in gleicher Weise.
    Professor Jonas, der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1988, hat unser Spannungsverhältnis vor jenem sozialdemokratischen Kongreß, der sich mit Grundfragen menschengerechter Technik und deshalb auch mit der Anwendung der Methoden der künstlichen Befruchtung zu befassen hatte, richtigerweise folgendermaßen beschrieben. Er sagte, der Gesetzgeber sehe sich hier ganz neuartigen Aufgaben gegenüber. Er dürfe die Verheißungen oder drohenden Entwicklungen nicht einfach dem Laisser-faire des Individualismus und des freien Marktes überlassen, er dürfe nicht blind, müsse vielmehr sehend für die drohenden Gefahren in die weit offene



    Frau Dr. Däubler-Gmelin
    Zukunft dieser neuen Möglichkeiten gehen und, soweit er Techniken dieser Art überhaupt erlauben wolle, nicht nur Barmherzigkeit für einzelne Härtefälle, sondern auch das Gebot verantwortlicher Vermeidung unerwünschter Entwicklungen im Blick haben.
    Hans Jonas hat recht. Kirchliche Stellungnahmen, Empfehlungen von Kommissionen wie jene, die 1985 unter Leitung von Professor Benda, also schon vor zwei Jahren, erarbeitet wurden, oder Vorschläge wie die der Sozialdemokratischen Partei, die auch schon 1985 erarbeitet wurden, oder auch von Gremien, die — wie die Bundesärztekammer oder auch Landesärztekammern — Richtlinien erstellt haben — sie alle mahnen die Entscheidung des Gesetzgebers an, und sie haben dafür gute Gründe.
    Der Gesetzgeber — der Bundestag und die Landesgesetzgeber, je nach Zuständigkeit — ist gefordert. Grundrechte und Grundentscheidungen unserer Verfassung müssen gegenüber neuen Anwendungsmöglichkeiten als Folge wissenschaftlicher Forschung durchgesetzt und sichergestellt werden. Nur das, was nach diesem Wertungsprozeß übrigbleibt, ist Fortschritt, den wir wollen und wollen können. Solchen Grundsatzentscheidungen der Auswahl unter vielen technisch machbaren Möglichkeiten müssen wir uns stellen.
    Wir kennen diese Verantwortung aus anderen Bereichen, etwa aus dem Streit um die Verwendung der Atomenergie, die wir nicht für verantwortbar halten, aus dem Streit um Einzelfragen oder den Einsatz von Teilen der Informations- und Kommunikationstechnologie, aber auch aus dem Streit um die Genomanalyse, der ja noch auf uns zukommt. Überall wird der Ruf nach rechtzeitigen gestaltenden Eingriffen durch den Gesetzgeber zu Recht lauter, gerade weil eben heute immer deutlicher auffällt, daß solche Entscheidungen nicht oder nicht rechtzeitig oder ganz woanders fallen, z. B. auf dem Markt oder im Bereich staatlicher Bürokratien, und wir als beauftragte Vertreter der Bevölkerung laufen bestenfalls mit hängender Zunge den tatsächlichen Ereignissen hinterher.
    Diese Gefahr droht auch auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin. Dabei fordern uns doch die Folgen noch zusätzliche Verantwortung ab. Neue Menschen entstehen, und diese Kinder besitzen nicht nur per definitionem in jedem Fall eine eigene Würde und eigene Grundrechte, ganz egal, auf welchem Weg oder unter welchen Umständen sie erzeugt wurden. Sie müssen auch Lebenschancen bekommen, sie müssen die Möglichkeit erhalten, durch Eltern angenommen zu werden, die sie lieben. Das ist schon ohne Anwendung der Methoden der künstlichen Befruchtung häufig schwer genug, manchmal nicht zu erreichen; das wissen wir doch alle. Wir wissen auch, daß noch so gute staatliche Einrichtungen eben doch nur zweitbeste Lösungen sein können, die Schäden längst nicht in allen Fällen zu kompensieren vermögen.
    Bei der Bewertung und bei der Zulassung von Methoden der künstlichen Befruchtung müssen wir diese Folgen sehen und deutlich sagen, daß es keinesfalls verantwortet werden kann, solche Schwierigkeiten und Schädigungen für Kinder bewußt oder nur leichtfertig in Kauf zu nehmen.
    Meine Damen und Herren, der Ruf nach gesetzgeberischen Entscheidungen hat zusätzlich ganz handfeste Gründe. Gerichte entscheiden Einzelaspekte und Einzelfälle nach Teilgesichtspunkten, weil die grundsätzlichen Weichenstellungen fehlen. Das ist unbefriedigend, auch wenn die bisher bekanntgewordenen Urteile unsere restriktive Tendenz durchaus stützen.
    Es kommt hinzu, daß sinnvolle Richtlinien von Ärztekammern zunehmend angefochten werden, eben unter Hinweis auf fehlende gesetzliche Grundlagen. Auch deshalb darf der Gesetzgeber nicht länger zögern.
    In dem Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, machen wie in knapper Form deutlich, wie diese Entscheidungen aussehen müssen. Wir haben neun Festlegungen aufgeführt. Sie alle beruhen auf unseren Empfehlungen aus dem Jahre 1985. Lassen Sie mich in dieser ersten Debattenrunde nur drei Schwerpunkte herausgreifen:
    Erstens. Methoden der künstlichen Befruchtung sollen nur durch dafür besonders zugelassene Ärzte im Klinikdienst und nur zur Überwindung von auf anderer Weise nicht überwindbarer eigener Kinderlosigkeit angewendet werden dürfen,

    (Beifall bei der SPD)

    die Methode der Reagenzglasbefruchtung höchstens unter zusätzlichen Beschränkungen dort, wo diese Beschränkungen auch auf ihre Einhaltung kontrolliert werden können. Die nachgewiesene Möglichkeit, stabiler Eltern-Kind-Beziehungen muß in jedem Fall zu den notwendigen Voraussetzungen gehören.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

    Sie werden immer eine stabile Partnerschaft erfordern, die in den allermeisten Fällen, aber nicht ausschließlich in einer Ehe verwirklicht sein wird.
    Zweitens. Die sogenannte Leihmutterschaft, aber auch die sogenannte Sammenspende von Dritten, also die Zurverfügungstellung, die Aufbewahrung, die Verwendung, die Vermittlung von Teilen der männlichen und weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit zum Zwecke der künstlichen Befruchtung, — das alles wollen wir nicht. Dem erteilen wir eine Absage,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

    auch wenn wir wissen, daß damit manchen Fällen von Kinderlosigkeit mit Methoden der künstlichen Befruchtung nicht abgeholfen werden kann.
    Drittens. Wir sagen „Nein" zu dem Wunsch, Embryonen zu Forschungszwecken zu erzeugen oder auch nur zu verwenden, aus welchen Gründen oder Motiven sie auch an uns herangetragen werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

    Wir sagen das ganz klar. Wir sagen auch „Nein" zu Eingriffen in Keimbahnzellen und zu den Methoden, die zu geklonten Menschen, zur Züchtung von Chimären, zur Herstellung von Hybriden führen sollen oder können.



    Frau Dr. Däubler-Gmelin
    Meine Damen und Herren, diese Grundkonzeption will die Anwendung der Methoden auf wenige kontrollierte Ausnahmefälle begrenzen. Ich denke, das wird deutlich. Das bedeutet aber nicht, wie einige meinen befürchten zu müssen, daß wir dazu raten, uns mit einer Auffassung zu identifizieren, die gesellschaftlich anerkanntes menschliches Sexualverhalten ausschließlich auf Fortpflanzung beziehen und nur in der Ehe rechtfertigen will. Dazu haben wir weder Veranlassung noch das Recht.

    (Beifall bei der SPD)

    Es geht uns aber auch nicht um die Behinderung oder auch nur um die forschungsfeindliche Verhinderung von wissenschaftlichem Fortschritt. Forscherdrang und Wissenschaftsfreiheit gehören zu den wichtigsten Faktoren unserer Gesellschaft. Das wissen wir, daß wollen wir, und das fördern wir auch. Wo aber der Mensch und seine Erbanlagen zum Gegenstand verändernder Forschung und von Eingriffen gemacht wird oder werden kann, da ist Vorsicht geboten. Zu Forschungseingriffen in Embryonen sagen wir deshalb grundsätzlich und vollständig nein. Wir werden in dieser Haltung durch verantwortliche Aussagen von Wissenschaftsorganisationen bestärkt, die erklären, konkrete höherrangige Schutzzwecke durch Forschungen an menschlichen Embryonen gebe es über einen ganz langen vor uns liegenden Zeitraum nicht.
    Wir sagen nein, weil uns allgemeiner, durchaus verständlicher Forscherdrang nach Erkenntnis und Fortschritt an dieser Stelle nicht genügt. Ich meine jetzt genau jenen Forscherdrang, von dem Robert Oppenheimer sprach, als er gefragt wurde, warum er und seine Kollegen — alles verantwortliche Forscherpersönlichkeiten — damals an jenem Manhattan-Projekt zum Bau der Atombomben, die dann auf Hiroshima und Nagasaki fielen, in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren auch dann noch weitergearbeitet hätten, als der Sieg über Hitler und seine Verbündeten schon absehbar war.
    Oppenheimer sprach damals von „sweet science" als Begründung, also von jener verführerischen Verlockung der Wissenschaft — Weizenbaum berichtet uns über dieses Gespräch. Dieser allgemeine Forscherdrang nach Erkenntnis und Fortschritt reicht zur Rechtfertigung von Eingriffen verändernder oder verbrauchender Forschung in diese Stufe menschlichen Lebens eben genau nicht aus.
    Meine Damen und Herren, nun werden unserem kategorischen Nein an dieser Stelle häufig Einwände entgegengehalten, warum wir dann nicht zugleich die Verschärfung des Strafrechts bei Schwangerschaftsabbrüchen forderten. Dazu will ich einige Worte sagen, denn es gilt hier, Unvergleichbares auseinanderzuhalten und bewußte Irreleitungen oder auch Irrtümer zu vermeiden.
    In beiden Fällen geht es unbestritten nach der Verschmelzung von Samenzelle und Ei um menschliches Leben auf der Vorstufe vor der Geburt, das auch strafrechtlichem Schutz unterliegt. Aber, meine Damen und Herren, Konflikte von Schwangeren vor Strafgerichten bekämpfen zu wollen, halten wir für falsch.
    Strafrecht kann hier nicht helfen, Leben zu schützen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir haben immer für Hilfen zur Vermeidung solcher Konflikte und für Hilfe für Frauen in solchen Konflikten geworben. Das tun wir auch weiter. Deshalb fordern und, wo wir es können, fördern wir auch Maßnahmen der Aufklärung über langfristige und mehr Rechte für Frauen und auch Chancengleichheit.
    Bei Forschungen an Embryonen gibt es vergleichbare Konfliktlagen und Schutzlagen nicht. Hier geht es um ganz andere Absichten: Hier geht es um die Erkenntnisse und um die Entwicklung von Methoden, und genau diese Methoden wollen wir wegen ihrer hohen Gefährlichkeit und der Mißbrauchsmöglichkeit nicht.
    Meine Damen und Herren, wir wollen, wie gesagt, die baldige und, wenn es geht, die übereinstimmende Weichenstellung des Bundestages in den wichtigsten Fragen der künstlichen Befruchtung. Wir fordern in unserem Antrag die Bundesregierung auf, uns so bald wie möglich die dafür notwendige Hilfestellung zur Verfügung zu stellen. Ich sehe gute Chancen für eine Verständigung. In vielen Fragen sind wir uns schon heute einig, auch wenn das nach außen relativ wenig hervorgetreten ist. Wir alle lehnen, wenn ich das richtig sehe, Methoden ab, die zu geklonten, gezüchteten Menschen oder zur Herstellung von Chimären und Hybriden führen können oder sollen. Ich denke auch, wir sind uns grundsätzlich einig, daß die Methoden der künstlichen Befruchtung auf wenige Fälle und nur unter strenger Kontrolle zulässig sein sollen.
    Nicht so ganz klar ist bisher, ob die Mehrheit des Deutschen Bundestages zur Ablehnung der Zulässigkeit von Eingriffen in Keimbahnzellen entschlossen ist und ob Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, der Verwendung von Samenzellen Dritter oder auch von Samenbanken und auch der Ablehnung von Forschungseingriffen in menschliche Embryonen, die wir vorschlagen, folgen.
    Wir hoffen, daß die Diskussion heute, die wir fortsetzen müssen, dazu mehr Entscheidungshilfen und mehr Klarheit bringt. Wir wissen im übrigen auch, daß Gesetzesvorhaben dieser Art und die Hilfestellung, die wir von Ihnen wollen, Probleme aufwerfen. Wir wissen auch, daß der Bund nicht für alle Detailfragen die Kompetenz besitzt und daß auch die gegenwärtige Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Regierung der Erarbeitung schneller Gesetzesvorlagen zumindest bisher eher hinderlich war.
    All das mag auch für Ungereimtheiten in Stellungnahmen verantwortlich sein, die wir in den letzten Tagen erhalten haben. Sie ziehen sich auch durch den jüngsten Kabinettsbericht, der ja dadurch gekennzeichnet ist, daß der erste Teil von den Folgerungen hinterher nicht immer vollständig getragen, manchmal sogar konterkariert ist.
    Lassen Sie mich unterstreichen: Für die Bürgerinnen und Bürger, für die Betroffenen, aber auch für die Bedeutung der Grundsatzfragen sind diese Zuständigkeitsprobleme zweitrangig. Der Bundestag muß aufpassen — dafür werbe ich — , daß nicht der Lang-



    Frau Dr. Däubler-Gmelin
    samste hier wieder das Tempo bestimmt. Wir halten im übrigen ein Gesamtkonzept für richtig, also die Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Bundes auf den verschiedenen Rechtsgebieten in einem einzigen Gesetzentwurf in einem Artikelgesetz.

    (Beifall der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Der gesamte Deutsche Bundestag sollte die Bundesregierung auffordern, schnell und klar Äußerungen abzugeben und Gesetzentwürfe vorzulegen,

    (Beifall der Abg. Frau Blunck [SPD])

    und zwar aus einem letzten Grund, den ich noch anfügen will: Wir müssen ja nicht nur unsere eigene Rechtsordnung ergänzen, sondern darüber hinaus zumindest im Rechtsraum Europa für neue Gesetze und neue Festlegungen sorgen — eben deshalb, weil die Herausforderungen durch diese neue Technik, wie auch auf anderen Gebieten zu sehen ist, eben nur dann wirksam beantwortet werden können, wenn wenigstens in Grundsatzfragen eine einheitliche Meinung besteht.
    Das Parlament von St. Gallen hat es uns dieser Tage vorgemacht. Nun ist St. Gallen klein; wahrscheinlich meinen wir, wir seien bedeutender. Ich finde, wir sollten diesem Vorbild folgen. Dafür werbe ich.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seesing.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Seesing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neue Technologien bestimmen immer stärker unser Leben: menschliches Leben und die Welt um uns. Neue Techniken ermöglichen die Herstellung von Leben, aber auch seine beliebige Beendigung.
    Ich habe vor einiger Zeit einen großen Heiterkeitserfolg erzielt, als ich vor einem sonst durchaus ernst gesonnenen Publikum die Frage stellte: Wie macht man einen Menschen?
    Diese Frage stellen müssen weist schon auf eine neue und notwendige Auseinandersetzung um den Menschen und seine Würde hin. Der Lebensbeginn ist nicht mehr allein Sache von Mann und Frau. Er ist in manchen Fällen Sache der Ärzte geworden.
    Die sogenannte Fortpflanzungs- oder Reproduktionsmedizin bietet neue Wege. Es geht um die künstliche Befruchtung. Dabei ist schon der Begriff nicht ganz glücklich; denn nicht die Befruchtung ist künstlich — da verschmelzen nach wie vor die Kerne von Eizelle und Samenzelle — , sondern die Verfahren sind zum Teil weit von der Natur entfernt. Die Menschwerdung droht zu einer Sache der Techniker zu werden. Ich frage mich, wie weit wir das noch mittragen oder ertragen können.
    Manches Verfahren der künstlichen Befruchtung gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Schon 1897 hat die katholische Kirche ein Verdikt über jede Art künstlicher Befruchtung ausgesprochen. Das Verbot wurde 1987, also 90 Jahre später, erneuert. Es gibt gute Gründe dafür.
    Aber in unserer pluralistischen Gesellschaft gibt es zu diesem Problem auch andere Auffassungen, die man durchaus als ebenfalls berechtigt ansehen kann. Es ist tatsächlich eine Frage des Gewissens des einzelnen Menschens, wie er sich in diesen Fragen entscheiden kann. Es ist aber auch eine Aufgabe des Staates, menschliches Leben und Menschenwürde zu schützen.
    Neue Methoden der Fortpflanzungsmedizin sind nur dann zu verantworten, wenn die Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Schutz des Lebens, der Schutz von Ehe und Familie und das Wohl des Kindes gewährleistet sind. Es ist eigentlich erschreckend, daß wir auf medizinisch-technische Verfahren angewiesen sind, um neues menschliches Leben zu erzeugen und zu gewinnen.
    Die Zahl der Ehepaare, die ungewollt kinderlos sind, ist groß — zu groß, als daß man darüber einfach zur Tagesordnung übergehen könnte. Man geht von etwa 1,5 Millionen betroffener Ehepaare aus.
    Natürlich darf man in dieser Diskussion auch die Frage stellen, ob man Kinderlosigkeit nicht als persönliches Schicksal annehmen muß. Viele werden das tun. Aber viele andere werden nach einem Weg suchen, um zu einem eigenen Kind zu kommen.
    Deswegen müssen wir uns die Frage stellen, ob wir schon genug geforscht und versucht haben, die Sterilität eines Mannes, einer Frau oder gar eines Paares zu beheben, ohne daß man etwa zum Mittel der In-vitroFertilisation mit Embryotransfer greifen muß.
    Ich erläutere das Verfahren etwas; denn ich kann nicht erwarten, daß sich schon jeder in die Fachsprache eingedacht hat.
    Ich sagte, daß sich viele Paare ein Leben ohne ein eigenes Kind nicht vorstellen können. Aber sie bleiben wegen der Sterilität eines Partners ohne Kinder. Wenn diese Sterilität auf eine gestörte Funktionsfähigkeit der Eileiter beruht, kann man, wenn alle anderen bekannten medizinischen Methoden nicht mehr greifen, folgendes Verfahren anwenden.
    Nach einer Behandlung mit Hormonen entnimmt man den Eierstöcken der Frau reife Eizellen. Das macht man durch eine Bauchspiegelung unter Vollnarkose oder — heute vorwiegend — mit einer Punktionsnadel, die durch die Scheide eingeführt wird. Die Eizellen bringt man in einer Nährlösung aus Blutserum und Spurenelementen mit dem männlichen Samen zusammen, der in aller Regel durch Masturbation des Ehemannes oder eines Samenspenders gewonnen wurde. Dabei muß ich die Worte „oder eines Samenspenders" eigentlich in Klammern setzen. Denn ich möchte den Samenspender und damit die sogenannte heterologe Insemination ausgeschlossen wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Die Verschmelzung in der Retorte, im Reagenzglas nennt man In-vitro-Befruchtung, also Befruchtung im Glas. Die befruchteten Eizellen werden 48 bis 60 Stunden im Brutschrank aufbewahrt. In dieser Zeit findet eine zweifache Zellteilung statt. Aus Eizelle und Samenzelle wird der Embryo.



    Seesing
    Inzwischen ist die Gebärmutter der Frau nun auch mit Hormonen angereichert worden. Nun wird der Embryo in die so vorbereitete Gebärmutter eingepflanzt. In 15 bis 25 % aller Fälle kommt es zur Nidation, zur Einnistung des Embryos, und damit zu einer Schwangerschaft.
    Ich bitte sehr um Verständnis, daß ich das hier so breit dargestellt habe. Aber es lassen sich alle Grundfragen an diesem Beispiel diskutieren.
    Da ist zunächst die Frage, ab wann denn nun menschliches Leben zu schützen ist. Solange sich die Entstehung menschlichen Lebens im Verborgenen abspielte — man kann auch sagen: an einem gesicherten Platz — , spielte diese Frage nicht die große Rolle. Wenn ich aber das ganze Verfahren der Zeugung — oder besser: Erzeugung — menschlichen Lebens in einen Bereich verlege, der einsehbar ist und in dem man manipulieren kann, so muß der Schutz des Lebens von Anfang an gewährleistet sein.
    Mit dem Augenblick der Verschmelzung der Kerne von Eizelle und Samenzelle ist neues menschliches Leben gegeben. Das Geschlecht des Menschen ist festgelegt und damit wesentlicher Teil seiner Person, und die ist schätzenswert.
    Deswegen können wir auch nicht zulassen, daß Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt werden, wie das in anderen Ländern als durchaus vertretbar angesehen wird. Hier stellt sich wirklich die Frage nach dem Vorrang der Menschenwürde vor der Forschungsfreiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Auch das in der Tierzucht, besonders in der Rinderzucht, angewandte Verfahren der Mikromanipulation — Frau Däubler-Gmelin sprach vorhin davon — könnte man auf den Menschen übertragen: Man teilt einen Embryo noch im Zellstadium von acht totipotenten Zellen, läßt diese beiden Teile von zwei Muttertieren austragen und erhält völlig identische Zwillinge. Man kann auf diese Weise auch Achtlinge völlig identisch herstellen.
    Unser Menschenbild verlangt, daß wir solche Entwicklungen bei Menschen von Anfang an unterbinden und alle strafrechtlichen Möglichkeiten einsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum Menschsein, meine Damen und Herren, gehören Werden und Sterben, Schönheit und Häßlichkeit, Klugheit und Dummheit, Gesundheit und Krankheit. Es gibt den Menschen nach meiner Auffassung nicht mehr, wenn wir das mit Hilfe neuer Technologien, z. B. der Gentechnologie, alles änderten. Die Würde des Menschen verlangt, daß wir bereit sind, jeden als Person anzunehmen. Wenn wir auch jede vernünftige Technologie einsetzen wollen, um Krankheiten zu heilen, so dürfen diese Techniken aber nicht genutzt werden, um den Menschen als Einzelwesen in Richtung auf die Schaffung eines neuen Menschen verändern zu wollen. Deswegen möchten wir gentechnische Eingriffe in menschliche Keimbahnzellen strafrechtlich verboten wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der SPD)

    In vielen Fällen sind bei der In-vitro-Fertilisation weltweit mehr Embryonen erzeugt worden, als in die Gebärmutter einer Frau eingesetzt wurden oder eingesetzt werden konnten. Auch da hat die technische Entwicklung — wenigstens dem Anschein nach — geholfen. Samenzellen, Embryonen und wohl auch Eizellen können bei minus 196 Grad Celsius eingefroren und wahrscheinlich unbegrenzt gelagert werden. In Tiefkühltruhen in aller Welt lagern solche Embryonen tiefgefroren, also Menschen, die nach meiner Auffassung, wenn sie in Deutschland lagern, dem Schutz des Grundgesetzes unterliegen. Man kann sie vielleicht noch lange liegenlassen.
    Ist dann die Frage eigentlich so unberechtigt, die ich schon einmal gestellt habe: Ist die Urenkelin einer Eizellenspenderin vielleicht eines Tages bereit, den eingelagerten Embryo auszutragen und so ihre eigene Großtante zur Welt zu bringen? Mir macht allein die Aufhebung der Generationen schon große Sorge, von anderen Problemen ganz zu schweigen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Am sichersten ist es, die Konservierung von Embryonen grundsätzlich zu verbieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jede Form der künstlichen Befruchtung darf nur als letzte medizinische Maßnahme zur Behandlung einer Sterilität zugelassen werden. Deswegen muß dafür gesorgt werden, daß diese Tätigkeit einem Arzt vorbehalten wird. Eine In-vitro-Befruchtung darf nur in dafür besonders zugelassenen Einrichtungen vorgenommen werden.
    Es gibt in der CDU und CSU Vorbehalte gegen die In-vitro-Fertilisation. Sie wird aber von den meisten noch eher für vertretbar angesehen als die heterologe Insemination, d. h. die Herbeiziehung eines Samenspenders. Wir wissen um die Schwierigkeit eines Verbotes der heterologen Insemination, weil in fast allen Nachbarstaaten diese Frage anders gesehen wird. Viele zivilrechtlich zu klärenden Probleme können bei einem Verbot bei uns leichter geklärt und gelöst werden.
    Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß ich nur in der Lage war, einige Einzelfälle aufzuzeigen und zu versuchen, sie in einen Zusammenhang zu bringen. Frau Professor Männle, Herr Dr. Voigt und Herr Geis werden andere Aspekte ansprechen oder auf Einzelheiten vertieft eingehen.
    Die neuen technischen Möglichkeiten stellen neue Fragen an unser ethisches Handeln. Wir müssen uns auf das besinnen, was den Menschen ausmacht. Das ist sicher mehr als die Summe von Eizelle und Samenzelle oder die Summe der Genbausteine.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die neuen medizinischen Möglichkeiten können eine Hilfe für viele Menschen werden. Sie können aber auch der Manipulation am Menschen Tür und Tor öffnen.



    Seesing
    Ich trete dennoch für eine teilweise Nutzung der neuen Verfahren ein; denn ich gehe davon aus, daß ein Unterlassen ethisch nicht immer wertvoller als ein Tun ist. Ich hoffe aber, daß ich die Grenzen für dieses Handeln deutlich genug aufzeigen konnte.

    (Frau Saibold [GRÜFTE]: Denken Sie an Transnuklear!)

    Die Grenzen sind der Schutz der Menschenwürde. Ich glaube, daß es möglich ist, nur das für den Menschen Gute zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)