Rede von
Ludwig
Stiegler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Faltlhauser, wenn Hans Apel eingefallen wäre, was Ihnen eingefallen ist, wäre die Fraktion der Sozialdemokraten aufgestanden und hätte ihn korrigiert. Es wäre nicht passiert wie bei Ihnen: daß Sie hier allem zustimmen, und dann kommt der Obermeister und muß Sie wieder zurückpfeifen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und den Sozialdemokraten. Stoltenberg hat Apel für Schulden kritisiert, die Stoltenberg heute selber gemacht hat. Stellen Sie sich vor, wir hätten damals solche Schulden gemacht! Apel hat dafür Arbeitsplätze geschaffen.
Wir hatten die Arbeitslosigkeit unter einer Million, und Sie haben die Arbeitslosigkeit auf 2,5 Millionen gesteigert.
Meine Damen und Herren, im Gegensatz zur CSU kann die sozialdemokratische Fraktion stehen und braucht nicht immer wieder einen. Sie gehen hier in Bonn die Verpflichtungen ein, und die Haftungsbegrenzung wird dann aus München nachgesteuert. Das ist die Situation der Union.
Aber lassen Sie mich zum Sie-Teil des Briefes kommen. Im Sie-Teil sagt Herr Ministerpräsident Strauß:
Wenn die Bundesregierung will, daß die Bayerische Staatsregierung das WAA-Projekt aufgibt und den polizeilichen Schutz einstellt, bitte ich um klare und schleunigste Mitteilung.
Herr Bundesminister, sagen Sie dem Bundeskanzler, er soll ihm endlich diese klare und schleunigste Mitteilung nach Wackersdorf und nach München schikken. Strauß bittet in seinem Brief sozusagen um Befreiung von seinem Atomgelübde. Befreien Sie ihn endlich von diesem Atomgelübde!
Er leidet unter dem Leonidas-Komplex, er meint, er ist der einzige, der noch die Schlacht an den atomaren Thermopylen führt, und alles andere ist schon verloren.
Befreien Sie ihn! Halten Sie ihm zugute, daß er sich wirklich angestrengt hat! Schauen Sie: Er schreibt, er habe sich für die Atompolitik des Bundes geopfert. Jawohl, seine Opferbereitschaft war so groß, daß er sich mit Albrecht geklopft hat, um opfern zu dürfen. So groß war seine Opferbereitschaft.
Er hat wirklich alles getan, um sein Gelübde zu erfüllen. Er hat die Landräte entmündigt, die Kommunalverfassung beeinträchtigt. Er hat Demonstranten gebührend behandelt; er hat sie sogar mit CS-Gas versehen lassen. Er hat in Kauf genommen, daß er von bayerischen Gerichten verurteilt wird. Ja, er hat bei der Aufstellung der Bebauungspläne dafür gesorgt, daß bei der Abwägung der Interessen, die einander gegenüberstehen, das Atom Gewicht bekommen hat und die Bürger zum Federgewicht reduziert worden sind. Meine Damen und Herren, er hat keine Kosten gescheut. Er hat die Investitionszulage nach Wackersdorf gelenkt, die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe. Hier haben Sie Möglichkeit, in Ihrem Bereich zu sparen, wenn Sie Deckungsvorschläge suchen. Ersparen Sie sich die Verschwendung in Wackersdorf!
Nein, meine Damen und Herren, Herr Strauß hat sich nicht um ungelöste Grundwasserprobleme und um Abluftprobleme gekümmert. Proliferationsprobleme haben ihn nie wirklich interessiert. Jetzt allmählich merkt er, daß er auf dem Holzweg ist. Helfen Sie ihm dabei, daß er herunterkommt, geben Sie ihm die Chance!
Herr Schäuble, denken Sie daran, daß er jetzt noch den konditionierten Ausstieg hat. Er sagt ja, er kann das nur durchhalten — der arme Kerl — , wenn die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien dazu stehen. Und die Liberalen, wie immer vor Wahlen, sind nachdenklich und senden Signale. Denken Sie daran: Die Liberalen werden wieder eine Denkpause einlegen, wenn die Wahlen vorbei sind. Nutzen Sie, wie der Herr Ministerpräsident sagen würde, den Kairos, die günstige Gelegenheit, für die Beendigung dieser Vergewaltigung der Oberpfalz!
Stehen Sie auch Ihrem Umweltminister bei, wenn er die Akzeptanz einbringt, die Akzeptanz als die Voraussetzung für die Technologiepolitik in der heutigen Zeit. Helfen Sie dem Umweltminister dabei, daß er auch dem bayerischen Ministerpräsidenten nicht nur beibringt, daß man Akzeptanz nicht erprügeln kann, daß man Akzeptanz nicht durch Aushungern der Arbeitsplätze erreichen kann, sondern daß man der Bevölkerung folgen muß, wenn sie sich die WAA nicht wie einen Pfahl ins Fleisch der Oberpfalz treiben lassen will!
Meine Damen und Herren, wir haben eine Sternstunde:
ein ernüchterter Ministerpräsident, eine nachdenkliche FDP, ein grüblerischer Töpfer. Lassen Sie uns diese Chance nutzen, und geben Sie. der Karawane die Möglichkeit, in die Solar-Wasserstoff-Technologie zu marschieren und aus der Kernenergie auszusteigen!
Vielen Dank.