Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Auf der rechten Seite von mir aus gesehen gibt es offensichtlich einen Sinn für hintergründigen Humor. Vom bayerischen Ministerpräsidenten wird der Finanzminister als ein Schlamper, sein Männerfreund als ein Schlaffi, der Außenminister als ein Miesling und der Rest als Nullen und Flaschen bezeichnet. Und das nennen Sie dann „das Ringen um die richtigen Antworten zum Wohle der Koalition und des deutschen Volkes".
— Das hat der bayerische Ministerpräsident gesagt und geschrieben.
Wenn ich nicht genau wüßte, daß sich Herr Stoltenberg das dringlich verbitten würde, würde er mir schon fast leid tun; denn er hat eine Goldmedaille im Schaffen von negativen Schlagzeilen verdient. Er ist vom Glück nicht gerade verfolgt. Was immer er anpackt, es mißlingt ihm, es geht schief, angefangen vom letzten Haushalt über den Versuch, die Verschuldung niederzudrücken, bis zu dem Versuch, neue, Ersatzquellen für seinen leeren, ausgelaufenen Haushalt zu finden.
Dabei ist er dann auf diese steuerpolitische Mißgeburt der Quellensteuer verfallen. Man müßte mal nachlesen — das macht einem direkt Spaß — , was er damals alles gesagt hat, als wir gemeint haben, man müsse geltendes Gesetz zur Versteuerung von Kapitalerträgen anwenden.
Gott, was hat er sich damals aufgeregt! Ich dachte, er kriegt einen Herzinfarkt.
Und nun? Nun kommt er mit einer Sache, die sowohl ungerecht als auch wirtschaftspolitisch dämlich als auch steuerpolitisch eine Mißgeburt ist.
— Der hat nie eine Quellensteuer verlangt. Sie haben ja keine Ahnung von Steuerpolitik; sonst wüßten Sie, daß das keine Quellensteuer ist. Das haben Sie nur so genannt, damit Sie uns einen reinwürgen konnten.
Steuerpflichtige mit hohem Einkommen werden gebeten, doch so freundlich zu sein, mit 10 % eine kleine Versteuerung ihrer hohen Kapitaleinkommen vorzunehmen, und ansonsten werden sie geradezu aufgefordert, Steuerhinterziehung zu betreiben; denn sie werden freundlich gebeten, mitzuteilen, ob das denn ungefähr ihrer Steuerpflicht entspricht oder nicht. Wer das macht, der muß doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er weiß, den Rest braucht er nicht zu versteuern.
Sie versuchen die Gemeinden auszubeuten und finanziell auszubluten, weil Sie genau wissen, daß bei der Quellensteuer die Gemeinden nicht beteiligt sind, während sie bei der Kapitalertragsteuer mit 15 % dabei sind. Das bedeutet: Diesen hervorragenden Coup des Finanzministers müssen die Gemeinden mit jährlich 70 Millionen DM bezahlen, weil sich um diesen Betrag ihre Einnahmen verringern und sie auch selber Quellensteuer bezahlen müssen. Sie ist wirtschaftspolitisch absurd, weil vor allem auch solche öffentlichen Unternehmen, die Regionalpolitik betreiben, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Deutsche Ausgleichsbank, die Landwirtschaftliche Rentenbank, Teile ihrer Erträge an den Fiskus abführen müssen. Und die werden höchstwahrscheinlich sogar noch einkommensgerecht abführen, d. h. mehr als jeder private Kapitaleigner. Das bedeutet eine Kürzung der Fördermöglichkeiten bei der Regionalpolitik, aber auch bei der Wissenschaft, bei Kultur, bei Sport, und in allen anderen Bereichen, in denen wissenschaftliche und sonstige Stiftungen tätig sind.
Es ist aber geradezu skandalös, was die sozialpolitischen Wirkungen anbetrifft. Noch weiß ja kein Mensch, ob das Wort des Männerfreundes Kohl gilt oder ob das gilt, was geplant worden ist, nämlich daß Gewerkschaften, karitative Organisationen, Einrichtungen der Altersfürsorge, Fördereinrichtungen von Kunst und Erziehung, die Kirchen, der Sport der Quellensteuer unterworfen werden. Werden sie es nicht, wird alles dies nachgebessert, wie hier gerade versprochen wird, wird es im Leben keine 4,6 Milliarden DM geben; wird es aber nicht nachgebessert, weil Sie die 4,6 Milliarden DM haben wollen — wer weiß, ob Sie sie je kriegen — , dann bedeutet das, daß gerade die Ärmsten und die Hilflosesten in unserer Gesellschaft durch die Quellensteuer noch mal getroffen werden, obgleich sie vorher schon in überproportionalem Maße Ihre unsoziale Steuerpolitik haben finanzieren müssen.
Ihre Vorschläge sind sozialpolitisch skandalös und nicht ausgewogen. Sie sind wirtschaftspolitisch nicht vertretbar. Und sie sind steuerpolitisch eine Mißgeburt. Wir lehnen sie daher ab und fordern Sie auf, sich doch irgendwann vielleicht mal fünf Minuten Zeit zu nehmen, um unsere Vorschläge anzusehen,
bei denen nicht der Normalverdiener zur Zinsversteuerung herangezogen wird, sondern die, die nach Recht und Gesetz schon heute längst hätten zahlen müssen.
Ich danke Ihnen.