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ID1106200400

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    Plenarprotokoll 11/62 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur schriftlichen Kritik des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern vom 9. Februar 1988 an Vorhaben der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 4263 B Dr. Schäuble, Bundesminister BK . . . 4264 B Schily GRÜNE 4266C, 4276B Gattermann FDP 4276 C Dr. Apel SPD 4268 D Dr. Langner CDU/CSU 4269 D Frau Simonis SPD 4271 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 4271D Stiegler SPD 4273 A Beckmann FDP 4273 D Lenzer CDU/CSU 4275 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 4276 D Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jugendhilfe und Familie — die Entwicklung familienunterstützender Leistungen der Jugendhilfe und ihre Perspektiven — Siebter Jugendbericht —; Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Jugendbericht (Drucksachen 10/6730, 11/1541) Frau Pack CDU/CSU 4278 A Dr. Böhme (Unna) SPD 4280 A Eimer (Fürth) FDP 4283 A Frau Krieger GRÜNE 4284 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4286B Vizepräsident Cronenberg 4288 B Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dreßler, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen und Risiken der Anwendung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen (Drucksache 11/ 1662) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen (Drucksache 11/1856) Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4289 A Seesing CDU/CSU 4292 B Frau Schmitt-Bott GRÜNE . . . 4294A, 4307 B Funke FDP 4296 A Engelhard, Bundesminister BMJ 4297 D Frau Conrad SPD 4299 B Frau Männle CDU/CSU 4301 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 4302 B Catenhusen SPD 4304 B Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4306 A Geis CDU/CSU 4308 A Nächste Sitzung 4309 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4310* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4310* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1988 4263 62. Sitzung Bonn, den 26. Februar 1988 Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 26. 2. Austermann 26. 2. Frau Beck-Oberdorf 26. 2. Becker (Nienberge) 26. 2. Egert 26. 2. Dr. Ehmke (Bonn) 26. 2. Dr. Glotz 26. 2. Dr. Geißler 26. 2. Genscher 26. 2. Dr. Götz 26. 2. Gröbl 26. 2. Dr. Häfele 26. 2. Frau Hämmerle 26. 2. Hasenfratz 26. 2. Frau Hasselfeldt 26. 2. Hauser (Esslingen) 26. 2. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 26. 2. Helmrich 26. 2. Frau Hensel 26. 2. Jansen 26. 2. Jaunich 26. 2. Jungmann 26. 2. Frau Kelly 26. 2. Klein (Dieburg) 26. 2. Klose 26. 2. Lowack 26. 2. Lüder 26. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 26. 2. Dr. Mechtersheimer 26. 2. Dr. Mertens (Bottrop) 26. 2. Michels 26. 2. Dr. Mitzscherling 26. 2. Möllemann 26. 2. Paintner 26. 2. Poß 26. 2. Dr. Probst 26. 2. Rappe (Hildesheim) 26. 2. Regenspurger 26. 2. Repnik 26. 2. Reuschenbach 26. 2. Frau Rust 26. 2. Frau Schilling 26. 2. Frau Schoppe 26. 2. Schröer (Mülheim) 26. 2. Dr. Spöri 26. 2. Stratmann 26. 2. Frau Trenz 26. 2. Frau Vennegerts 26. 2. Wartenberg (Berlin) 26. 2. Dr. Wernitz 26. 2. Wieczorek (Duisburg) 26. 2. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Wieczorek-Zeul 26. 2. Wissmann 26. 2. Wolfgramm (Göttingen) 26. 2. Frau Wollny 26. 2. Zeitlmann 26. 2. Dr. Zimmermann 26. 2. Zink 26. 2. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Februar 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1986 Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Dezember 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze Gesetz zu dem Vertrag vom 26. März 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze im Bereich der regulierten Grenzgewässer Breitenbach und Schwarzbach, Kreise Aachen und Malmedy Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz zu dem Vertrag vom 23. März 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bolivien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 4. Mai 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 20. Oktober 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Nepal über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.10, 1.28, 1.29 Drucksache 11/1181 Nr. 1.1 Drucksache 11/1656 Nr. 1.15, 1.16 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/929 Nr. 2.6 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/929 Nr. 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, das Thema, zu dem Ihre Fraktion den Antrag auf diese Aktuelle Stunde gestellt hat, lautet: Haltung der Bundesregierung zur schriftlichen Kritik des Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern vom 9. Februar 1988 an Vorhaben der Bundesregierung. Ich habe den Brief des bayerischen Ministerpräsidenten vom 9. Februar an den Bundeskanzler auch ohne Ihren Antrag aufmerksam gelesen. Briefe von Franz Josef Strauß werden vom Bundeskanzler und vom Kanzleramt immer mit aufgeschlossenem Interesse zur Kenntnis genommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das entspricht schon der Bedeutung von Franz Josef Strauß als Ministerpräsident eines Bundeslandes und als Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union. Das ist ebenso begründet durch den sachlichen Gehalt seiner Aussagen

    (Lachen bei der SPD)

    wie durch die ja wohl unbestrittene Sachkompetenz von Franz Josef Strauß.
    Im übrigen, Herr Kollege Vogel, unterscheiden wir uns möglicherweise dadurch von Ihnen, daß wir kritische Anmerkungen und kritische Anregungen immer ernst nehmen und von dem Verdacht besserwisserischer Überheblichkeit befreit sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann mich — auch nach Ihrer Rede, Herr Kollege Vogel — allerdings nicht des Eindrucks erwehren, daß Sie den Brief von Franz Josef Strauß offensichtlich überhaupt nicht gelesen haben. Andernfalls ist die Formulierung Ihres Antrags nicht verständlich.
    Franz Josef Strauß kritisiert in seinem Brief zwar Äußerungen einzelner Mitglieder der Koalitionsparteien, und er macht auch kritische Anmerkungen zu Teilen des Referentenentwurfs zur Steuerreform, aber er kritisiert eben gerade nicht die Bundesregierung und nicht die von allen Parteien der Koalition der Mitte gemeinsam getragene Politik.

    (Lachen bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Wie man sich täuschen kann!)

    An und für sich, Herr Kollege Vogel, zögere ich etwas, hier auf Einzelheiten des Schreibens von Franz Josef Strauß einzugehen, und zwar deshalb, weil er in seiner gestrigen Pressekonferenz in Bonn die Veröffentlichung seines Briefes ausdrücklich bedauert und gerügt hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Warum haben Sie ihn veröffentlicht?)

    Der Bundeskanzler teilt die Kritik an dieser Indiskretion.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie sind ein Flegel, hat er gesagt!)

    Indem wir in dieser Aktuellen Stunde über einen Brief zwischen den Vorsitzenden der beiden Unionsparteien diskutieren, dessen Veröffentlichung sowohl durch den Absender wie durch den Adressaten bedauert wird, prämiieren wir letztlich

    (Dr. Vogel [SPD]: Uui!)

    — Herr Kollege Vogel, Sie sind doch sonst so für die Kleiderordnung — diese Art von Indiskretionen, die Franz Josef Strauß gestern

    (Dr. Vogel [SPD]: Sagt man in Passau dasselbe? Schäuble nach Passau!)




    Bundesminister Dr. Schäuble
    — ausdrücklich als ausgemachte Flegelei bezeichnet hat.
    Ich will dennoch, Herr Präsident, aus Respekt vor dem Hohen Hause einige wenige Anmerkungen machen. Was die Diskussion über eine Abschaffung der Gewerbesteuer betrifft, so ist zunächst einmal völlig klar, daß die Bundesregierung und alle Teile der sie tragenden Koalition sich dafür entschieden haben, in dieser Legislaturperiode das Schwergewicht der Steuerpolitik auf die Reform unserer Lohn- und Einkommensteuer zu legen, die für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wie für die leistungsgerechte Besteuerung der Einkommen aller Bürger, insbesondere der Arbeitnehmer, unverzichtbar ist. Ebenso unbestritten ist — die Bundesregierung hat dies gerade erst im Jahreswirtschaftsbericht 1988, den wir in der nächsten Woche debattieren werden, wieder festgestellt —, daß die Unternehmensbesteuerung langfristig reformiert werden muß.
    Im Zuge der Vollendung des Binnenmarktes in der Europäischen Gemeinschaft werden wir die Steuersysteme unausweichlich harmonisieren müssen. Dabei gilt, wie der Bundeskanzler wiederholt erklärt hat, daß die Reform der Gewerbesteuer eine angemessene Lösung voraussetzt, die von allen Beteiligten mitgetragen werden kann und die den Gemeinden einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bei Wahrung ihrer finanziellen Selbstverantwortung sichert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch insoweit besteht mit Franz Josef Strauß vollständige Übereinstimmung.
    Zur Energiepolitik will ich mich auf den Hinweis beschränken, daß der Sprecher der Bundesregierung, Staatssekretär Friedhelm Ost, zuletzt am 10. Februar nach einer Sitzung der Bundesregierung erneut mitgeteilt hat, daß die Bundesregierung an ihrer Energiepolitik festhält, die neben der Steinkohle und Braunkohle als den heimischen Energieträgern die friedliche Nutzung der Kernenergie als eine wesentliche Grundlage der Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland ansieht. Auch insoweit besteht eine vollständige Übereinstimmung mit dem bayerischen Ministerpräsidenten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Töpfer-Papier!)

    Zu den kritischen Äußerungen von Franz Josef Strauß zu Einzelheiten des Referentenentwurfs zur Steuerreform verweise ich auf die §§ 24 ff. der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien.

    (Lachen bei der SPD)

    — Herr Kollege Vogel, man muß sie Ihnen vorlesen.
    Danach können bei der Vorbereitung von Gesetzen die Vertretungen der beteiligten Fachkreise oder Verbände bzw. müssen die Vertretungen der Länder beim Bund unterrichtet und muß ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Auch Mitgliedern des Bundestages, der Presse oder anderer nicht amtlich beteiligter Stellen oder Personen können Entwürfe aus den Ministerien zugänglich gemacht werden, bevor die Bundesregierung sie verabschiedet hat.

    (Gansel [SPD]: Kriegt Stoltenberg ihn auch?)

    Bei der Unterrichtung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich um einen vom federführenden Minister und von der Bundesregierung noch nicht gebilligten unverbindlichen Referentenentwurf handelt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Der kennt ihn gar nicht!)

    — Sie waren doch mal Mitglied der Bundesregierung, Sie müssen doch die Geschäftsordnung kennen.

    (Dr. Vogel [SPD]: So haben wir uns nicht aufgeführt wie Sie!)

    Ziel dieser Bestimmungen ist, schon vor der politischen Entscheidung der Bundesregierung Beteiligte oder Betroffene zu hören und ihre Argumente bei der Entscheidung mitzuberücksichtigen. Dadurch sollen Entscheidungen am grünen Tisch vermieden werden, und ich plädiere sehr dafür, den Sinn dieser Bestimmungen nicht in Frage zu stellen. Aber dieser von der Geschäftsordnung vorgesehene öffentliche Diskussionsprozeß vor der politischen Entscheidung der Bundesregierung, setzt eben die Bereitschaft zu kritischer Diskussion und gegebenenfalls zur Korrektur
    — übrigens auch zum Zuhören, Herr Kollege — voraus.

    (Duve [SPD]: Eine Regierungserklärung zur Geschäftsordnung!)

    Es setzt auch voraus, daß man bereit ist, die Ergebnisse einer solchen Diskussion am Ende bei der Entscheidung mitzuberücksichtigen. Wer dies zum Gegenstand politischer Angriffe macht, verbessert die Qualität politischer Entscheidungsprozesse nicht.

    (Lachen bei der SPD)

    Ich weiß, daß auch der vom federführenden Minister noch nicht politisch gebilligte Entwurf politische Bedeutung haben kann. Dem entspricht ja auch die Vorschrift des § 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung, daß bei „Gesetzentwürfen von besonderer politischer Bedeutung" vor dieser Fühlungnahme die „Entscheidung des Bundeskanzlers einzuholen" ist. Dementsprechend war es auch notwendig und richtig, die Grundlinien eines so bedeutsamen Gesetzes wie der Steuerreform in der Koalition ausführlich zu erörtern. Dies aber ist gerade kein Widerspruch zur Bereitschaft zur Diskussion und gegebenenfalls auch zur Bereitschaft zur Korrektur einzelner Punkte vor der politischen Entscheidung der Bundesregierung.

    (Gansel [SPD]: Und das nach Aschermittwoch!)

    Im übrigen will ich Ihnen auch sagen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie offensichtlich überhaupt nicht zuhören wollen: Es führt kein Weg daran vorbei, daß jede strukturelle Änderung in unserem demokratischen Staat und in unserer pluralistischen Gesellschaft zwangsläufig vielfältige Diskussionen in Gang setzen muß. Die Pluralität von Interessen und Argumenten spiegelt sich notwendigerweise auch im Willensbildungsprozeß von Koalition und großen Volksparteien wider. Andernfalls würde



    Bundesminister Dr. Schäuble
    jede Sensibilität für die Empfindungen der Bürger verlorengehen.

    (Lachen bei der SPD)

    Wer solche Diskussionsprozesse fürchtet, wird am Ende wie Sie in 13 Jahren in jedem Einzelfalle auf notwendige strukturelle Anpassungen verzichten. Die Folgen einer solchen Politik, die die notwendigen Strukturentscheidungen wegen der Gefahr kritischer Auseinandersetzungen unterlassen hat, haben wir alle bis zum Herbst 1982 verspürt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die von Helmut Kohl geführte Bundesregierung arbeitet noch immer daran, die aufgestauten Ergebnisse dieser Versäumnisse Schritt um Schritt abzuarbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir sind dabei gut vorangekommen, und wir haben notwendige Auseinandersetzungen und Diskussionen nie gescheut. Aber die Ergebnisse dieser Politik lohnen die Anstrengungen. Ohne die Auseinandersetzungen etwa um den Vollzug des NATO-Doppelbeschlusses hätten wir heute nicht die erreichten Abrüstungsfortschritte erzielen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ohne das Ringen um die Einführung schadstoffarmer Autos in der Europäischen Gemeinschaft

    (Lachen bei der SPD)

    hätten wir keine Fortschritte in der Verringerung der Luftverschmutzung und bei der Bekämpfung des Waldsterbens erzielen können.

    (Gansel [SPD]: Das ist die Karawane, die der Fata Morgana entgegenzieht!)

    Ohne die Auseinandersetzungen um die Einführung von Erziehungszeiten und Erziehungsurlaub hätten wir die Fortschritte in der Familienpolitik nicht erreichen können.
    Meine Damen und Herren, wir haben diese und viele andere Reformen Schritt um Schritt durchgesetzt, ohne die zwangsläufigen Diskussionen in voller Würdigung der Argumente pro und contra zu fürchten. Der Erfolg gibt uns in jedem Einzelfall recht, und er dient den Bürgern unseres Landes.
    So werden wir auch die notwendigen Strukturentscheidungen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und damit der Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung und letztlich für die Gestaltung unserer Zukunft Schritt um Schritt durchsetzen, entschlossen, das Notwendige zu tun, aber auch offen für alle kritischen Einwände und Argumente. Wer glaubt, eine große Steuerreform oder eine Reform unseres Gesundheitswesens ohne öffentliche Auseinandersetzungen meistern zu können, hat von der politischen Wirklichkeit unseres Landes keine Ahnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung und alle Teile der sie tragenden Koalition bleiben entschlossen, das für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes Notwendige zu tun, auch wenn wir um die Schwierigkeiten dieses Weges wissen. Die Bürger unseres Landes haben einen Anspruch auf politische Führung,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei der SPD)

    die sich nicht vor kritischen Entscheidungen und Diskussionen scheut. Sie werden die Ergebnisse dieser Politik nicht an den zeitweiligen Irritationen durch solche Diskussionen messen, sondern an den sachlichen Erfolgen dieser Politik.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schily.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Schily


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Es besteht nach unserer Ansicht keinerlei Anlaß zu irgendwelchen Exaltationen, weil Herr Strauß seinem „Männerfreund" wieder einmal einen Brief geschrieben hat. Immerhin sind wir beruhigt, durch diese Korrespondenz zu erfahren, daß Herr Strauß Herrn Kohl immer noch korrekt als Bundeskanzler anzureden weiß

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

    und sich nicht dazu hinreißen läßt, ihn so zu nennen, wie er sonst seine Kritiker und Kontrahenten zu nennen pflegt. Das ist immerhin schon einigermaßen beruhigend für die politische Kultur dieses Landes.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

    Im übrigen — darauf hat Herr Kollege Dr. Vogel schon hingewiesen — scheint doch einiges bei Herrn Strauß ins Schwanken geraten zu sein, nachdem er sich nicht mehr zu entscheiden vermag, ob er nun den Herrn Bundeskanzler duzen oder siezen soll. Man kann natürlich schreiben: Herr Bundeskanzler, Du hast es wieder einmal falsch gemacht.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Aber das sind stilistische Fragen, die der Erörterung hier eigentlich nicht bedürfen.
    Ebensowenig bedarf es aber, meine Damen und Herren Kollegen, aufgeregter Wehklagen, die Bundesregierung sei nicht handlungsfähig. Wir GRÜNEN sind eher erleichtert,

    (Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

    daß die Bundesregierung im Bonner Gestrüpp stekkengeblieben ist, weil auf diese Weise manche Walze im Schuppen bleibt,

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    weil viele Vorhaben mit vorhersehbaren verheerenden Wirkungen wenigstens einstweilen blockiert bleiben. Wie wir es sehen, wird die Einführung einer schadstofffreien Regierung in Bonn einstweilen noch etwas auf sich warten lassen.
    So unschön, wie Bonner Politik eben ist,

    (Seiters [CDU/CSU]: Aber Karneval war auch schön!)




    Schily
    so ist auch die Regierung, Herr Seiters.

    (Uldall [CDU/CSU]: Büttenrede! — Dr. Langner [CDU/CSU]: Nur Schily ist größer!)

    — Nein, Herr Langner, ich glaube, wir alle hier müssen einmal versuchen, darauf einzugehen. Ich denke, der geistige Leerlauf,

    (Uldall [CDU/CSU]: Der Oberstaatsanwalt Schily!)

    die Staffage, das Herumhampeln, die meist lächerliche Geschäftigkeit, die Verödung des Denkens, das ist es, worüber wir in Bonn einmal reden müßten.

    (Uldall [CDU/CSU]: Fangen Sie mal damit an!)

    — Ich fange damit gerade an. Weil die Regierung, weil die Politik in Bonn allgemein

    (Gansel [SPD]: Warum sollten die Fundis nicht auch dafür eine Theorie haben?)

    keinen Sinn für die Wirklichkeit, für das Wirkliche hat, ist sie selber gewissermaßen unwirklich.

    (Seiters [CDU/CSU]: Meinen Sie Herrn Vogel?)

    Wer sich dafür noch ein Gespür bewahrt hat, sollte die Möglichkeit des Erschreckens nicht an sich vorübergehen lassen.

    (Uldall [CDU/CSU]: Ihre Anmaßung ist nicht mehr zu übertreffen!)

    Denn während wir in dieser Unwirklichkeit umherirren, kommen aus der Geschichte und der Gesellschaft Entwicklungen auf uns zu, deren Züge heute bereits in Umrissen erkennbar sind. Computerisierung von Entscheidungen, Chemisierung der Natur, Enthumanisierung der Kommunikation, Brutalisierung der Beziehungen, Entseelung des Bewußtseins, das Erwürgen der Individualität, das sind die realen Gefahren der unmittelbaren Zukunft.

    (Seiters [CDU/CSU]: Schilysierung der GRÜNEN!)

    Die ungeheure Kraft der Phantasie, die unendliche Schönheit des Menschen, sie offenbaren sich nach meiner Überzeugung immer aufs neue in jedem Kind. Die Gesellschaft nimmt nur dann ihre wirklichkeitsgemäße Gestalt an, wenn sie diese Kraft der Kinder in sich aufzunehmen weiß und sich aus der eigenschöpferischen Tätigkeit des einzelnen aufbauen kann.
    Ich bin in großer Sorge — auch bei einer solchen Debatte, wie sie sich heute vollzieht — , daß wir mit der Scheinherrschaft, in der wir herumtapsen,

    (Uldall [CDU/CSU]: Scheinherrschaft und Scheinheiligkeit!)

    unseren Kindern, wie die Bibel es beschreibt, nur Steine, oder sagen wir besser: Styropor statt Brot hinterlassen.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ansprache an die Fraktion der GRÜNEN!)

    Die Frage ist aktueller denn je. Aber wie gewohnt werden Sie einer solchen Frage nur mit Hohn und Spott begegnen.
    Die Lehre, die daraus für mich zu ziehen ist, lautet, daß die Erneuerung der Gesellschaft nicht hier aus Bonn kommen wird,

    (Seiters [CDU/CSU]: Von Jutta Ditfurth! Oder?)

    sondern aus der Gesellschaft selber. Damit werden Sie sich auseinandersetzen müssen, wenn nicht auch in ihren Köpfen nur Styropor ist.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)