Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Elfte Subventionsbericht der Bundesregierung weist ein Subventionsvolumen des Bundes von 32 Milliarden DM für 1988 aus, davon 15 Milliarden Finanzhilfen und 17 Milliarden Steuervergünstigungen.
Der Arbeitskreis „Subventionen" der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute im Rahmen der Strukturberichterstattung hat sich sinnigerweise nach mehreren Jahren auf einen gemeinsamen Subventionsbegriff für die Bundesrepublik geeinigt. Sie beschäftigen sich mit Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Europäischen Gemeinschaft und der Sozialversicherungen für die Unternehmen und nicht für die privaten Haushalte.
Das RWI-Institut veröffentlicht im neuen Strukturbericht für das Jahr 1986 ein Subventionsvolumen in Höhe von 121,5 Milliarden DM, davon allein 48,2 Milliarden DM für Steuervergünstigungen. Die rein quantitative Diskrepanz für die Bundesrepublik ist also, wenn man diese Kumulation rechnet, riesig. Das Subventionsvolumen steigt seit Regierungsantritt der CDU/CSU-FDP-Koalition kontinuierlich. Ein ideologischer Wahlschlager der Koalition, nämlich Subventionen um der Marktwirtschaft willen zu kürzen, konnte nicht verwirklicht werden. Die politische Realität von schweren Strukturkrisen bei Kohle, Stahl, Werften und Landwirtschaft läßt politisch auch nur den Weg des Subventionsumbaus und nicht den ideologisch-marktwirtschaftlich begründeten Weg des Kahlschlags zu.
Auch der Elfte Subventionsbericht der Bundesregierung hat so schwerwiegende Informationsdefizite, daß ich wenigstens einige aufzählen will.
Erstens. § 12 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes bildet die Grundlage für diesen Bericht. Die verwendete Abgrenzung schafft die Verwirrung. Diese Abgrenzung ist für eine ökologisch und sozial zu begründende Strukturpolitik und Regionalpolitik nicht hilfreich.
Zweitens. Der Bericht enthält keine Aussage über die Kumulation von Subventionen zwischen EG, Bund, Ländern und Gemeinden zugunsten eines Wirtschaftszweigs oder zugunsten einer Bevölkerungsgruppe.
Drittens. Der Bericht enthält eine Liste von Steuervergünstigungen von 23 Milliarden DM, die er nicht mehr als Subvention definiert, weil die Mehrzahl der Steuerpflichtigen begünstigt wird. Eine politische Begründung, warum diese Subventionen beibehalten werden — normalerweise sollen Subventionen befristet werden — wird überhaupt nicht mehr thematisiert.
Viertens. Der Bericht enthält eine Vielzahl von Subventionen nicht, die ausschließlich im Sozialbericht der Bundesregierung erwähnt werden.
Fünftens. Der Bericht enthält nicht versteckte Subventionen, z. B. das Ehegattensplitting. Das Volumen, das hier verpulvert wird, wird immerhin auf 42 Milliarden DM geschätzt. Ein anderes Beispiel sind die nicht versteuerten Zinseinkommen von 12 bis 15 Milliarden DM, die im Rahmen der Quellensteuer-Diskussion — man kann auch von Steuerhinterziehung sprechen — genannt werden.
Man kann diese Debatte umdrehen. Der Subventionsbericht müßte im Unternehmensbereich wenigstens die Systematik der fünf Wirtschaftsforschungsunternehmen übernehmen, um die kumulativen Wirkungen von Subventionen offenzulegen. Der Subventionsbericht müßte Förder- und Zielprioritäten nennen und ihre Erreichung bzw. Nichterreichung offenlegen. Nur so wird eine strukturpolitische Debatte überhaupt bewertbar und — wie soll ich sagen — als Industriepolitik offengelegt. Der Subventionsbericht müßte Aussagen über die Effizienz von Subventionen für einzelne Wirtschaftszweige enthalten, die den davon betroffenen Verbänden, Gewerkschaften und Verbraucherverbänden zur politischen Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt werden. Der Subventionsbericht müßte politische Absichtserklärungen für den Abbau und den Umbau von Subventionen enthalten. Der Subventionsbericht müßte begründen, warum Gebote und Verbote Subventionen nicht ersetzen können. Der Subventionsbericht müßte Industriepolitik, die Entwicklung des Dienstleistungssektors und der Sozialpolitik politisch transparent machen. All dies tut er nicht.
Jetzt zwei Beispiele, die der Marktwirtschaftsideologie, die der Präambel des Subventionsberichts zu entnehmen ist, genau widersprechen. Da heißt es: Der Staat kann und soll nicht mit seiner Subventionspolitik über die Art und Richtung des Strukturwandels bestimmen. Das ist schlichtweg eine Lüge; ich will sie mit zwei Beispielen belegen.
Erstens: Airbus. Bis 1991 sind dafür in der Finanzplanung jährlich eine Milliarde DM an Subventionen ausgewiesen. Die Subventionen pro Arbeitsplatz werden für 1987 mit 23 200 DM veranschlagt, für 1988 steigen sie pro Arbeitsplatz auf 45 800 DM. Die Vorgabe lautet industriepolitisch: Der Airbus soll ein Drittel Weltmarktanteil erreichen, koste es, was es will. Das steht aber nicht im Subventionsbericht.
Zweitens: Raumfahrt. Dafür werden bis zum Jahre 2000 35 Milliarden DM vergeben. Diese Subventionen für die Raumfahrt lassen sich in keiner Weise einer Nutzungsrechnung unterwerfen, wie das Bundesforschungsministerium selber zugibt. Von daher kann man nur sagen: Sie betreiben staatliche Subventionspolitik ohne ausgewiesene Industriepolitik. Genau das müßten wir hier debattieren, weil das unsere Aufgabe ist.
Leider ist meine Redezeit abgelaufen; ich muß hier schließen.