Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Gebiet der Lebensmittelkennzeichnung strotzt es nur so von Lükken, das muß man wirklich feststellen. Wenn es um Lebensmittel geht, gibt es für Verbraucherinnen und Verbraucher sicherlich kaum ein Problem, welches sie stärker beschäftigt, als das, ob alles, was dort angekündigt ist, tatsächlich auch eingehalten wird.
Trotzdem liegt dieser Gesetzentwurf in der Tendenz wahrscheinlich nicht ganz richtig. Soweit es nämlich um Irreführungen und Täuschungen geht, haben wir, denke ich, im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz sowie im Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, UWG, die entsprechenden Grundlagen. Wir haben sie nicht bei der Kennzeichnung von biologischen oder ökologischen Anbaumethoden und auch Weiterverarbeitungsmethoden. Das ist sicherlich eine Frage, die wir lösen müssen. Ich denke, daß die Anhörung, die nächste Woche in Berlin stattfindet, wo in acht großen Fragenkomplexen mit einer ganzen Reihe von Sachverständigen, worunter auch solche sind, die der Tendenz nach den GRÜNEN nicht unangenehm sein dürften, eine ganze Menge Aufschluß geben wird.
Der Gesetzentwurf wird uns, fürchte ich, nicht sehr viel weiterhelfen. Ich habe das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz in den 70er Jahren mit beraten. Wir haben uns damals sehr bemüht, an allen Punkten, die strittig waren, so konkrete und genaue Formulierungen wie irgend möglich zu finden, was sehr schwierig ist.
An vielen Punkten konnten wir dann nur mit Verordnungen arbeiten, weil wir das im Gesetz gar nicht unterbringen konnten. Es wäre sonst noch viel spezieller und dadurch problematisch geworden. Mit Verordnungen zu arbeiten hat natürlich auch seine Haken — ich glaube, wir haben damals 64 Verordnungsermächtigungen gegeben —, denn an Verordnungen sind die Parlamentarier überhaupt nicht mehr beteiligt; diese werden zwischen Ministerium, Bundesrat und den entsprechenden Interessenverbänden geregelt. Das ist sicherlich extrem unbefriedigend.
Aber der Gesetzentwurf, den Sie hier vorgelegt haben, enthält zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe. Beispielsweise steht in § 8, daß bei der „Bearbeitung, Verarbeitung und der Behandlung von Lebensmitteln" Verfahren anzuwenden seien, „die möglichst schonend sind und die wertgebenden Inhaltsstoffe der Lebensmittel weitestgehend erhalten". Damit kommt man keinen Schritt weiter. Denn die Absicht von Leuten, die mit den Begriffen „ökologisch" oder „biologisch" täuschend arbeiten, ist es doch gerade, Gesetzeslücken und schwammige Begriffe zu ihren Gunsten auszunutzen.
Und diese Leute erwischt man nicht, wenn man mit „möglichst" oder „weitestgehend" gesetzgeberisch ansetzt. Damit kommt man überhaupt nicht weiter.
Zum guten Schluß: Ich denke, daß wir aus der Anhörung eine Reihe von Hinweisen bekommen werden, die uns bei der Kennzeichnung solcher Anbaumethoden und der Methoden zur Behandlung von Nahrungsmitteln weiterhelfen. Vom Grundsatz her ist der Vorstoß der GRÜNEN sehr zu begrüßen, meine ich, Herr Kroll-Schlüter. Ungefähr haben Sie das auch erkennen lassen. Auch ich halte nicht besonders viel davon, alles auf die EG zu schieben; denn das ist wirklich ein großer Verschiebebahnhof. Auf der anderen Seite hilft es uns gar nichts: wir können in diesen Bereichen überhaupt nur noch EG-weit arbeiten, weil wir schließlich unter dem Druck stehen, den gemeinsamen Binnenmarkt bis 1992 zu vollenden. Daß wir in dem gesellschaftlichen Bewußtsein, was die Berücksichtigung ökologischer Fragestellungen angeht, wahrscheinlich am weitesten sind,
wird uns die Position in der EG nicht erleichtern. Vielen Dank.