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ID1105601000

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    Plenarprotokoll 11/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Inhalt: Nachruf auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Werner Nachmann 3895 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/3/EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs (Drucksachen 11/929 Nr. 2.26, 11/1007) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (Drucksachen 11/439 Nr. 2.10, 11/1008) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenverkehr mit Kraftomnibussen innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind (Drucksachen 11/138 Nr. 3.150, 11/1016) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat Ausschaltung der Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen im Güterkraftverkehr, Untersuchung über Kraftfahrzeugsteuern, Mineralölsteuern und Straßenbenutzungsgebühren (Drucksachen 11/138 Nr. 3.147, 11/1017) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Zugang zum Markt im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksachen 11/138 Nr. 3.146, 11/1196) Straßmeir CDU/CSU 3896 A Daubertshäuser SPD 3897 C Gries FDP 3899 B Frau Brahmst-Rock GRÜNE 3901 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV 3903 A Dr. Niese SPD 3904 D Haungs CDU/CSU 3906 C Antretter SPD 3907 C Dr. Jobst CDU/CSU 3909 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Anwendung der Begriffe „bio", „biologisch", „öko" und „ökologisch" zur Kennzeichnung von Lebensmitteln im Handel (Biokennzeichnungsgesetz für Lebensmittel) (Drucksache 11/1039) Frau Saibold GRÜNE 3911B Kroll-Schlüter CDU/CSU 3912B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3913 A Heinrich FDP 3913 D Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Berufung eines Ernährungsrates (Drucksache 11/856) Frau Saibold GRÜNE 3914 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 3915 D Frau Dr. Götte SPD 3917 A Frau Würfel FDP 3918A Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 3919B Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1985 bis 1988 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Elfter Subventionsbericht) (Drucksache 11/1338) Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 3920 B Frau Simonis SPD 3921 D Roth (Gießen) CDU/CSU 3923 D Sellin GRÜNE 3925 A Beckmann FDP 3925 D Nächste Sitzung 3926 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3927* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3927* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 3895 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 22. 1. Dr. Bötsch 22. 1. Brandt 22. 1. Brück 22. 1. Büchner (Speyer) 22. 1. Carstens (Emstek) 22. 1. Clemens 22. 1. Daweke 22. 1. Dr. Dregger 22. 1. Ebermann 22. 1. Dr. Ehrenberg 22. 1. Frau Eid 22. 1. Francke (Hamburg) 22. 1. Gattermann 22. 1. Dr. Geißler 22. 1. Dr. Glotz 22. 1. Großmann 22. 1. Grünbeck 22. 1. Grüner 22. 1. Dr. Haack 22. 1. Dr. Haussmann 22. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 22. 1. Frau Dr. Hellwig 22. 1. Dr. Hitschler 22. 1. Frau Hoffmann 22. 1. Ibrügger 22. 1. Kißlinger 22. 1. Klein 22. 1. Dr. Kohl 22. 1. Kolbow 22. 1. Kreuzeder 22. 1. Lowack 22. 1. Dr. Mahlo 22. 1. Meyer 22. 1. Dr. Möller 22. 1. Petersen 22. 1. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reschke 22. 1. Reuschenbach 22. 1. Dr. Rose 22. 1. Schäfer 22. 1. Dr. Scheer 22. 1. Frau Schilling 22. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 1. Dr. Schmude 22. 1. Dr. Schöfberger 22. 1. Freiherr von Schorlemer 22. 1. Schwarz 22. 1. Frau Seiler-Albring 22. 1. Dr. Spöri 22. 1. Dr. Stoltenberg 22. 1. Vahlberg 22. 1. Frau Dr. Vollmer 22. 1. Vosen 22. 1. Dr. Wernitz 22. 1. Frau Weyel 22. 1. Wieczorek (Duisburg) 22. 1. von der Wiesche 22. 1. Wischnewski 22. 1. Wissmann 22. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/973 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/253 Nr. 2.30 Drucksache 11/439 Nr. 2.13 Drucksache 11/779 Nr. 2.57
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    Rede von Dr. Jürgen Warnke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes ist ein entscheidender Schritt zur Festigung und Stärkung der Stellung Europas in der Welt. Weit über die Wirtschaft hinaus hat der Binnenmarkt Bedeutung für das politische Gewicht Europas. Das Zusammenwachsen der Gemeinschaft nach innen wird unumkehrbar. Die Anziehungskraft der Gemeinschaft nach außen und damit ihre Leistungsfähigkeit für ganz Europa wächst. Deshalb ist der gemeinsame Binnenmarkt Schwerpunkt für den deutschen Ratsvorsitz im Jahre 1988.
    Ein solches Ziel ist nicht zum Null-Tarif zu erreichen. Es rechtfertigt außergewöhnliche Anstrengungen und die Bereitschaft zum Strukturwandel, zu einem Strukturwandel, der sich zwar leicht aussprechen läßt, der aber oft auch bis an den Kern der Existenz gehen kann. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber bitte, diese Späne dürfen nicht nur bei uns fallen, nicht nur zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland.

    (Straßmeir [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Das ist der Grund, weshalb ich im Dezember drohende Fehlentscheidungen in Europa gestoppt habe, Fehlentscheidungen zu Lasten der deutschen Verkehrswirtschaft, Fehlentscheidungen auch zu Lasten der Umwelt.
    Die Vorstellungen unserer europäischen Partner gingen weit. Der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft hatte zum Ziel, die Gemeinschaftskontingente fünf Jahre hintereinander jährlich um 40 % zu erweitern und ab 1993 alle mengenmäßigen Beschränkungen aufzuheben.
    Meine Damen und Herren, alle übrigen Delegationen — außer der der Bundesrepublik Deutschland — waren bereit, diesem Vorschlag zuzustimmen. Für die Bundesregierung kam eine Zustimmung nicht in Betracht. Ohne erkennbare Schritte zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen werden die deutschen Verkehrsunternehmen mit zerstörerischer Konkurrenz überzogen, muß es zu Firmenzusammenbrüchen, muß es zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen, wird die künftige Rolle der Deutschen Bundesbahn durch eine ruinöse Konkurrenz auf einer nicht kostengerechten Grundlage in schwere Mitleidenschaft gezogen. Ich möchte den Regierungen von Frankreich und von Italien auch hier den Dank der Bundesregierung dafür sagen, daß sie an unserer Seite gestanden und diese Entwicklung mit ihrer Hilfe im Dezember verhindert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage es auch hier noch einmal: Es geht nicht an, daß ausländische Lastkraftwagen mit einer Deckung ihrer Wegekosten von nur 9 % auf unseren Straßen dahinrollen und auf dieser Grundlage europäische Liberalisierung betrieben werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieser heutige Sachverhalt ist eine De-facto-Subvention der ausländischen Lastkraftwagen, unzumutbar für unsere Verkehrswirtschaft, unzumutbar aus Gründen des Haushalts und der Ordnungspolitik, unzumutbar aber auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes.
    Ich sehe auch, daß eine Abschaffung der Straßenbenutzungsgebühren, mit denen unser Fuhrgewerbe und übrigens natürlich auch unsere privaten Fahrzeughalter im Ausland zusätzlich zur Kasse gebeten werden, unseren Partnerstaaten nicht möglich ist und in dem Zeitraum, in dem wir über eine Liberalisierung im Binnenmarkt zu befinden haben, nicht kommen wird. Es geht aber nicht an, daß wir ein Straßennetz, um das uns die übrigen Länder beneiden, kostenlos zur Verfügung stellen und dann bei unseren Nachbarn erneut zur Kasse gebeten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb begrüße ich es, daß die Kommission — entgegen den Vorstellungen, mit denen ursprünglich auch wir an den Binnenmarkt herangegangen waren und die freiheitlicher gewesen wären als die der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren — nun in einem neuen Vorschlag zur Beseitigung steuerlicher Wettbewerbsverzerrungen die Straßenbenutzungsgebühr nicht nur einbezieht, sondern sie zum eigentlichen Instrument macht, diese Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
    Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Gries: Begeisterung für einen solchen Vorschlag kann von uns nicht verlangt werden. Angst vor Induktionsschleifen hätte ich übrigens auch nicht. Ich gehe davon aus, daß auch die FDP der modernen Elektronik, Datenverarbeitung und Datenübermittlung ohne Berührungsängste gegenübersteht. Ich bin sicher, daß wir hier einen Weg finden werden, etwas Marktwirtschaftskonformes und gleichzeitig eine ungehinderte Grenzquerung Ermöglichendes zu konstruieren.



    Bundesminister Dr. Warnke
    Nur, meine Damen und Herren: Dieser Vorschlag enthält Ansatzpunkte für zukunftsweisende Lösungen. Wir werden die Zeit unserer Präsidentschaft nutzen, um diesen Ansätzen nachzugehen. Wenn aber Europas Mühlen zu langsam mahlen, dann müssen wir auch nationale Lösungen in Betracht ziehen, um auf dem Weg zum Gemeinsamen Markt nicht einseitig zu liberalisieren und mit der Angleichung der Wettbewerbsvoraussetzungen auf der Strecke zu bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    An die deutsche Verkehrswirtschaft, d. h. sowohl an den Straßengüterverkehr als auch und gerade an die Bundesbahn, appelliere ich: Stellen Sie sich dem Strukturwandel, ergreifen Sie die Chancen, die Ihnen Europa auch bietet. Seien Sie nicht kleinmütig!
    Wir werden von der Bundesregierung aus die deutsche Präsidentschaft nutzen, um Lösungen zu finden, die die Interessen aller Partner respektieren. Wir werden dabei die Blicke unserer Partner insbesondere auf den Schutz der Umwelt im europäischen Gemeinsamen Markt lenken.
    Frau Kollegin Brahmst-Rock, eines haben Sie hier vergessen, nämlich zu sagen, daß es die Bundesregierung ist, die in Fragen des gemeinschaftlichen Umweltschutzes Speerspitze und Rammbock gewesen ist, um den Katalysator voranzutreiben, um die Entschwefelung und Entstickung voranzutreiben und dafür zu sorgen, daß bleifreies Benzin eingeführt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das war so, und das wird auch während der deutschen Präsidentschaft so sein. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
    Wir sorgen dafür, daß Rahmenbedingungen vorhanden sind, innerhalb deren sich dann Marktwirtschaft entfalten kann.
    Zu Ihrer Aussage, daß Sie Gefahren sehen, daß Arbeitsplätze aus Deutschland in ärmere Länder der Gemeinschaft verlagert werden, kann ich nur sagen: Oh, ihr Eigensüchtigen; aber auch: Oh, ihr Kurzsichtigen! Wir werden nämlich unsere Stellung als stärkstes Exportland nicht behalten, wenn wir nicht bereit sind, uns einem Strukturwandel dergestalt zu stellen, daß das, was bei uns kostengünstig und wettbewerbsfähig produziert werden kann, zu uns verlagert wird, während andere Dinge, bei denen wir auf dem Weltmarkt anderen unterlegen sind, dorthin gegeben werden, wo andere Menschen in der Europäischen Gemeinschaft Arbeit und Brot brauchen.

    (Frau Brahmst-Rock [GRÜNE]: Schaffen Sie denn gleichzeitig neue Arbeitsplätze? Dann wäre es in Ordnung!)

    Ein bißchen mehr Solidarität wünsche ich den GRÜNEN auf dem Weg nach Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Das müssen Sie gerade sagen! Schaffen Sie mal die deutsche Altersarmut und die Massenarbeitslosigkeit ab!)

    — Sie müßten sich einmal in der Welt umsehen, wie
    die Verhältnisse auch nur in den anderen Ländern der
    Europäischen Gemeinschaft im Vergleich zu der Bundesrepublik Deutschland sind; von weiteren Gegenden will ich gar nicht reden.

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Dann würden Sie das etwas wirklichkeitsnäher beurteilen und auf dem Boden der Tatsachen bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das mußte einmal gesagt werden!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, alle Verkehrsträger und Verkehrswege zu nutzen, damit das weiter steigende Verkehrsaufkommen so sicher und so umweltfreundlich wie möglich befördert werden kann. Wichtig ist vor allem ein vernünftiges Verhältnis von Schiene und Straße. Die Eisenbahnen sollen im innergemeinschaftlichen Verkehr mittelfristig einen größeren Anteil am Zuwachs des Verkehrs übernehmen.
    Herzstück eines europäischen Schnellbahnnetzes ist nach unserer Vorstellung die Magistrale ParisBrüssel—Köln mit weiterer Fortsetzung nach dem Osten. Die Beschleunigung und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs wird aber in allen Teilen der Gemeinschaft nötig sein. Die deutsche Präsidentschaft wird sich bemühen, diesen Fortschritt auch zu erzielen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist ja nur ein halbes Jahr!)

    Die Schiene stärker am Transportaufkommen zu beteiligen, meine Damen und Herren, bedeutet besonders auch eine Lösung der Probleme im alpenquerenden Verkehr. Auch dieses wird für den deutschen Ratsvorsitz ein Schwerpunkt sein.
    Die Europäische Gemeinschaft muß sich bewußt bleiben, daß sie nur ein Teilstück Europas ist, das Teilstück, in dem sich der große Teil der freien Staaten Europas befunden hat. Mit der Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes werden wir unserer Verantwortung gegenüber dem ganzen Kontinent gerecht. Deshalb wird für die Bundesregierung und für die Bundesrepublik Deutschland der Verkehrsmarkt über die fachlichen Belange hinaus ein Beitrag sein, Europa als Ganzes näher zusammenzubinden und in seiner Unverwechselbarkeit zu stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niese.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Niese


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ein Gespenst geht um in Europa: Liberalisierung ohne Harmonisierung." Ich glaube, treffender als die „Verkehrsrundschau" im November 1987 kann man es nicht zum Ausdruck bringen. Das Dilemma der EG-Verkehrspolitik liegt eben in der schrittweisen Vollziehung der Liberalisierung ohne gleichzeitige und gleichgewichtige Harmonisierung der Wettbewerbsverzerrungen. Dem Verkehrsminister ist es bislang nicht gelungen, Harmonisierung und Liberalisierung in Einklang zu bringen. Auch Ihre heutigen
    Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 3905
    Dr. Niese
    Ausführungen, Herr Bundesverkehrsminister, bewegen mich nicht dazu, diese Beurteilung abzuändern.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Deutsche Interessen werden einseitig auf dem europäischen Altar geopfert. Oder sollen wir es etwa als Fortschritt ansehen, daß sich der EG-Verkehrsministerrat in Sachen Regelung des Gemeinschaftskontingentes bis auf weiteres vertagt hat? Ist tatsächlich die Gefahr des Automatismus der jährlichen Aufstockung der Gemeinschaftskontingente um 40 % gebannt? Ich sage nein.
    Notwendig und wichtig ist aber, daß wir auch bei einem europäischen Binnenmarkt eine Kapazitätssteuerung haben, um ruinösen Wettbewerb zu verhindern.

    (Beifall bei der SPD)

    Bevor wir uns überhaupt einen freieren Marktzugang leisten können, muß die Bundesrepublik ihren europäischen Partnern erst noch Harmonisierungsschritte auf den Feldern Steuervorschriften, Sozialvorschriften und technische Vorschriften abringen. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften muß endlich vereinheitlicht werden. Verstöße, vor allem gegen die Sozialvorschriften, müssen, wenn wir deutschen Transportunternehmen nicht weiter Wettbewerbsnachteile auf dem europäischen Verkehrsmarkt zumuten wollen, einheitlich sanktioniert werden, Ich kann mir keinen funktionierenden Wettbewerb im europäischen Verkehrsmarkt vorstellen, wenn die deutsche Kfz-Steuer und die Steuer für Dieselkraftstoff weiterhin im europäischen Vergleich Spitzenreiter bleiben.
    Herr Verkehrsminister, auch Sie haben die unterschiedlichen Wegekostenbelastungen anerkannt. Warum ergreifen Sie dann aber nicht die Möglichkeiten, die Sie für nationale Politik haben?

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Greifen Sie unseren Vorschlag der Schwerverkehrsabgabe auf, und Sie beseitigen einen Teil der Wettbewerbsnachteile für die deutschen Transportunternehmen. Hier sind Sie gefordert.

    (Beifall bei der SPD)

    Gerade was diese Wettbewerbsverzerrungen anbetrifft, die ich eben geschildert habe, möchte ich als Hamburger Abgeordneter darauf hinweisen, daß auch hieraus erhebliche Nachteile für unsere deutschen Seehäfen entstehen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Es verwundert ja nicht, wenn bei diesen Wettbewerbsnachteilen die Waren ihren Weg über die sogenannten ARA-Häfen nehmen, also z. B. Rotterdam, und dann auch der Seehafenhinterlandverkehr dort von z. B. holländischen Verkehrsunternehmen bedient wird — zu Lasten unserer Verkehrsunternehmen.
    Ein weiterer Punkt sind die Sozialvorschriften. Zwar sind sie in Europa auf dem Papier vereinheitlicht, z. B. Lenk- und Ruhezeiten, aber die Anwendung dieser Vorschriften, die Überwachung und die Ahndung von Verstößen wird unterschiedlich streng
    gehandhabt. In keinem Staat der EG werden diese Vorschriften strenger überwacht — das muß zugegeben werden — als in der Bundesrepublik. Dies ermöglicht aber ausländischen Transportunternehmen, die teilweise einer weniger strengen Überwachung unterliegen, weitere Wettbewerbsvorteile. Endlich müssen unserer Auffassung nach die nationalen Überwachungsbehörden international koordiniert werden, damit eine Gleichbehandlung und damit auch Gleichbelastung der Transportunternehmen gewährleistet ist.
    Die strikte Anwendung der allgemein anerkannten Sozialvorschriften muß daher von allen EG-Staaten sichergestellt werden.
    Natürlich besteht weiterhin ein Harmonisierungsbedarf im Bereich der technischen Vorschriften. Die strenge Überwachung der Einhaltung der technischen Vorschriften und Standards, wie sie z. B. in der Bundesrepublik und in Belgien praktiziert wird, muß europaweit vereinheitlicht werden. Gleichwohl darf aus verkehrssicherheitstechnischen Erwägungen an den bundesdeutschen Vorschriften und Standards keine Abschwächung vorgenommen werden. Vielmehr müssen diese zur EG-Norm werden. Die Bundesregierung muß gerade bei einer deutschen EG-Präsidentschaft unsere Interessen im Verkehrsministerrat, was die Verkehrspolitik anbetrifft, mit besonderem Nachdruck vertreten.
    Ich glaube, die Unfallkatastrophe von Herborn, über die wir in der vergangen Woche diskutiert haben, hat jedermann vor Augen geführt, welchen Stellenwert technische Vorschriften z. B. in dem Bereich der Gefahrguttransporte haben. Die im Vergleich hohen deutschen Sicherheitsstandards müssen dennoch ständig weiterentwickelt und dann auch in verbindliches EG-Recht umgesetzt werden.

    (Straßmeir [CDU/CSU]: So ist es!)

    Auf Grund unseres dichten Straßenverkehrsnetzes und der starken Frequentierung unserer Autobahnen und Straßen durch ausländische Lastkraftwagen ist die Festlegung, Durchführung und Kontrolle einheitlicher technischer Vorschriften auf EG-Ebene auch von höchster nationaler Priorität.
    Die Verwirklichung all dieser Harmonisierungsschritte auf steuerlichem, technischem und arbeitsschutzrechtlichem Gebiet halte ich für dringend geboten. Jedoch meine ich, daß jede Angleichung von Vorschriften unseren ureigensten Interessen nicht entgegenstehen darf.
    Jetzt möchte ich auf die mehrheitlich gefaßte Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses auf Drucksache 11/1007 eingehen. Wenn wir dieser Beschlußempfehlung folgten, die höchstzulässige Breite der Kühlfahrzeuge von 2,50 auf 2,60 Meter zu erhöhen, wäre eine solche Änderung nun gerade ein klassisches Beispiel dafür, welche Harmoniserungsschritte wir uns nicht vorstellen.
    Sie, Herr Verkehrsminister, haben auf der Ministerratstagung im Dezember Ihre Zustimmung in dieser Frage signalisiert. Wir können uns aber einer solchen Entscheidung nicht anschließen, weil wir sie weder für notwendig noch für verkehrspolitisch sinnvoll hal-



    Dr. Niese
    ten. Wir teilen in dieser Frage die Auffassung des Bundesrates; denn wir befürchten, daß wir zu immer breiteren und größeren Kraftfahrzeugen kommen. Nun wird argumentiert, auf Grund technischer Gegebenheiten der Isolation und Luftzirkulation müßten diese Kühlfahrzeuge bei den genormten Paletten, die da sind, die Außenbreite von 2,60 Meter haben. Aber auch in anderen Bereichen des Warentransportes gibt es genormte Paletten, gibt es Container, und hier ist die Verkehrswirtschaft in der Lage, mit einer Innenbreite von 2,30 Meter auszukommen. Ich kann nicht begreifen, warum die Wirtschaft nicht auch in der Frage der Kühlfahrzeuge in der Lage ist, mit den jetzt höchstzulässigen Breiten auszukommen.
    Die Folge ist doch — und das ist das Entscheidende dabei —, daß unsere Straßen vor allem im kommunalen Bereich doch auf die jetzt höchstzulässigen Breiten ausgelegt sind. Wenn Sie jetzt also größere Fahrzeugbreiten zulassen, werden wir dort, um den Verkehrsfluß, aber vor allen Dingen auch die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, zu Ausbaumaßnahmen kommen, so daß diese Frage, die zunächst ziemlich unbedeutend scheint, doch erhebliche Auswirkungen auch auf unseren Verkehr haben wird. Wir sind der Meinung, daß wir diesen Trend auch an dieser Stelle stoppen sollten, immer breitere, immer größere Fahrzeuge zu bekommen.
    Nebenbei graben wir damit der Bundesbahn weiter das Wasser ab. Ihre Aussage, einen Gleichklang zwischen Schiene und Straße zu erreichen — wir, ich glaube, alle Fraktionen im Parlament, sagen sogar: mehr Güter auf die Schiene —, diese Aussage wird doch zur Farce, wenn wir durch andere Maßnahmen die Möglichkeit, Güter auf der Straße zu transportieren, ausweiten. Deswegen wollen wir an dieser Stelle nicht mitmachen. Auch die umweltpolitischen Belastungen, die durch größere, breitere Fahrzeuge auf unseren Straßen entstehen, müssen an dieser Stelle bedacht werden.
    Das angebliche Harmonisierungskonzept der Bundesregierung im Verkehrsbereich — das möchte ich zum Schluß zusammenfassend feststellen — stellt sich wie folgt dar. In den Bereichen, in denen eine Harmonisierung wirklich notwendig wäre — ich habe ein Beispiel angegeben, wo mit einer nationalen Maßnahme ein Harmoniserungseffekt erzielt werden kann —, werden kaum oder gar keine Anstrengungen unternommen. In den Bereichen aber, die vordergründig und kurzfristig keinerlei finanzielle und sonstige Konsequenzen erfordern — ich hatte das mit den Fahrzeugbreiten geschildert — , werden leichtfertig Zusagen auf EG-Ebene durch den Bundesverkehrsminister gemacht, die sich bei näherer Betrachtung leicht als Bumerang erweisen könnten. Die Bundesregierung und der Verkehrsminister haben kein langfristig tragbares Konzept zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bundesdeutscher Transportunternehmen. Die betriebene Verkehrspolitik ist volkswirtschaftlich teilweise unsinnig, ökologisch aber sehr bedenklich.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)