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    Plenarprotokoll 11/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Inhalt: Nachruf auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Werner Nachmann 3895 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/3/EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs (Drucksachen 11/929 Nr. 2.26, 11/1007) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (Drucksachen 11/439 Nr. 2.10, 11/1008) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenverkehr mit Kraftomnibussen innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind (Drucksachen 11/138 Nr. 3.150, 11/1016) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat Ausschaltung der Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen im Güterkraftverkehr, Untersuchung über Kraftfahrzeugsteuern, Mineralölsteuern und Straßenbenutzungsgebühren (Drucksachen 11/138 Nr. 3.147, 11/1017) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Zugang zum Markt im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksachen 11/138 Nr. 3.146, 11/1196) Straßmeir CDU/CSU 3896 A Daubertshäuser SPD 3897 C Gries FDP 3899 B Frau Brahmst-Rock GRÜNE 3901 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV 3903 A Dr. Niese SPD 3904 D Haungs CDU/CSU 3906 C Antretter SPD 3907 C Dr. Jobst CDU/CSU 3909 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Anwendung der Begriffe „bio", „biologisch", „öko" und „ökologisch" zur Kennzeichnung von Lebensmitteln im Handel (Biokennzeichnungsgesetz für Lebensmittel) (Drucksache 11/1039) Frau Saibold GRÜNE 3911B Kroll-Schlüter CDU/CSU 3912B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3913 A Heinrich FDP 3913 D Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Berufung eines Ernährungsrates (Drucksache 11/856) Frau Saibold GRÜNE 3914 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 3915 D Frau Dr. Götte SPD 3917 A Frau Würfel FDP 3918A Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 3919B Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1985 bis 1988 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Elfter Subventionsbericht) (Drucksache 11/1338) Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 3920 B Frau Simonis SPD 3921 D Roth (Gießen) CDU/CSU 3923 D Sellin GRÜNE 3925 A Beckmann FDP 3925 D Nächste Sitzung 3926 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3927* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3927* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 3895 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 22. 1. Dr. Bötsch 22. 1. Brandt 22. 1. Brück 22. 1. Büchner (Speyer) 22. 1. Carstens (Emstek) 22. 1. Clemens 22. 1. Daweke 22. 1. Dr. Dregger 22. 1. Ebermann 22. 1. Dr. Ehrenberg 22. 1. Frau Eid 22. 1. Francke (Hamburg) 22. 1. Gattermann 22. 1. Dr. Geißler 22. 1. Dr. Glotz 22. 1. Großmann 22. 1. Grünbeck 22. 1. Grüner 22. 1. Dr. Haack 22. 1. Dr. Haussmann 22. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 22. 1. Frau Dr. Hellwig 22. 1. Dr. Hitschler 22. 1. Frau Hoffmann 22. 1. Ibrügger 22. 1. Kißlinger 22. 1. Klein 22. 1. Dr. Kohl 22. 1. Kolbow 22. 1. Kreuzeder 22. 1. Lowack 22. 1. Dr. Mahlo 22. 1. Meyer 22. 1. Dr. Möller 22. 1. Petersen 22. 1. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reschke 22. 1. Reuschenbach 22. 1. Dr. Rose 22. 1. Schäfer 22. 1. Dr. Scheer 22. 1. Frau Schilling 22. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 1. Dr. Schmude 22. 1. Dr. Schöfberger 22. 1. Freiherr von Schorlemer 22. 1. Schwarz 22. 1. Frau Seiler-Albring 22. 1. Dr. Spöri 22. 1. Dr. Stoltenberg 22. 1. Vahlberg 22. 1. Frau Dr. Vollmer 22. 1. Vosen 22. 1. Dr. Wernitz 22. 1. Frau Weyel 22. 1. Wieczorek (Duisburg) 22. 1. von der Wiesche 22. 1. Wischnewski 22. 1. Wissmann 22. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/973 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/253 Nr. 2.30 Drucksache 11/439 Nr. 2.13 Drucksache 11/779 Nr. 2.57
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helga Brahmst-Rock


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den allgemeinen Reden zu Europa wird oft und gern von einem Europa der Zwölf, einem Europa der Bürger, von einem grenzenlosen Europa gesprochen.
    In der kurzen Zeit, die ich hier als Abgeordnete tätig bin, ist mir eine ganze Reihe von EG-Vorlagen auf den Tisch gekommen. Dazu gehörten Verordnungen über die Schadstoffgrenzwerte bei diesel- und benzinbetriebenen Kraftfahrzeugen, die Änderung der Breiten für Kühlfahrzeuge, die Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen und vieles andere. Mit einem Teil davon haben wir uns heute hier zu befassen.
    Alle diese Vorlagen zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Von einem Europa der Bürger ist dabei nichts zu merken, viel aber von einem Europa der Konzerne und Wirtschaftsinteressen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    von zentralisierter Verwaltung und Umweltzerstörung.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Na!)

    Lassen Sie mich an einem Beispiel verdeutlichen, wohin die Reise geht. Der Kollege Gries erwähnte soeben schon die Änderung der Breiten von Kraftfahrzeugen. Dazu gibt es die Richtlinie des Rates 85/3 EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs. Dahinter verbergen sich in der Tat die spannende Frage und der Wunsch der Fahrzeugnutzer, bei Kühlfahrzeugen künftig eine Breite von 2,60 m zuzulassen statt 2,50 m wie bisher.
    Das könnte man, wenn man es so liest, für ein absolut nachgeordnetes, dritt- bis viertrangiges Problem halten und sagen, daß die Seligkeit dieser Erde nicht an 10 cm mehr oder weniger hängt.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: 10 cm sind immer relativ!)

    Tatsächlich ist es ein Einstieg in eine allgemeine EGweite Erweiterung von Maßen und Gewichten bei Lkw. Denn wenn wir eine Lkw-Breite von 2,60 m bei Kühlfahrzeugen gestatten, werden andere Transportbereiche kaum einsehen, daß sie nur mit 2,50 m breiten Lkw fahren dürfen. 10 cm mehr an Breite bedeuten aber gleichzeitig zusätzliche Ladekapazitäten. So wird der Antrag auf Heraufsetzung der Höchsttonnage nicht lange auf sich warten lassen.
    Besonders kraß und umweltschädigend ist aber das, was unter dem Stichwort Liberalisierung und Vollzug des Binnenmarktes bis 1992 auf uns zurollt. Die Vorlage zur Liberalisierung und Eröffnung der Kabotagemöglichkeiten im Bereich des Personenbeförderungsgewerbes sind der Anfang. Erkannt wird das, was unter diesem Stichwort auf uns zukommt, in allen Fraktionen dieses Hauses. Nur das Handeln ist höchst unterschiedlich und widerspricht teilweise dem, was öffentlich vertreten wird.
    Das Motto des EG-Binnenmarktes könnte ein Slogan des ADAC sein: Freie Bürger im freien Europa bekommen freie Fahrt, ungebremst; oder EG-vornehm ausgedrückt: harmonisiert. Harmonisiert auf dem niedrigsten Niveau werden so lästige Dinge wie Tarif- und Sozialvorschriften und Kontrollen von Lkw und Ladung.
    Wie wichtig gerade dieser Bereich ist, zeigt der Skandal um die Atomwirtschaft, um Nukem und



    Frau Brahmst-Rock
    Transnuklear, der nicht zuletzt auch ein Skandal im Transportgewerbe ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Endlich kommt sie zum Thema!)

    Schon heute müssen wir uns fragen: Was passiert durch die Freigabe der Dienstleistungen? Auf welchem niedrigen Niveau soll diesmal der Kompromiß gefunden werden?
    Nach der Grenzenlosigkeit wird die Schlacht um den Markt losgehen. Die Anbieter mit der geringsten Vorbelastung durch Steuern und Kosten werden im Vorteil sein und ihn auch nutzen. Die kleineren bundesdeutschen Anbieter werden, um überleben zu können, Aufträge auch noch zu Grenzkosten oder Fixkosten übernehmen müssen und auch übernehmen. Das geht dann zwangsläufig zu Lasten der technischen Bedingungen und der Arbeitsbedingungen der Fahrer. Denn ausschließlich in diesen Bereichen kann noch eingespart werden.
    Das heißt dann in der Praxis: Lkw werden nicht mehr so oft gewartet, Reifen nicht mehr so oft gewechselt, die Kontrollen der Bremsen werden ein bißchen verschoben, dafür werden die Ladungsgrenzen ein bißchen, um ein bis drei Tonnen, überschritten. Schon heute zeichnen sich Bestrebungen ab, die Lenkzeiten nach oben zu verändern. Beachtet, eingehalten und kontrolliert werden sie dann wohl noch weniger als heute.
    Da braucht es nicht viel Phantasie, sich folgendes vorzustellen: Ein mit Gefahrgut überladener Lkw, dessen Fahrer übermüdet und/oder dessen Bremssystem nicht ganz so in Ordnung ist, knallt in einen der täglichen Staus. Giftwolken und Gewässerverschmutzung sind grenzenlos, heute wie 1992.
    Hinzu kommt, daß sich der Wettbewerb auf einigen wenigen Relationen abspielen wird. Dort werden, bedingt durch hohes Transportaufkommen, die niedrigsten Frachtraten gezahlt werden. Das werden die Kräfte des freien Marktes schon regeln.
    Der ländliche, strukturschwache Raum, den Sie mit all Ihren Straßenbauprojekten der letzten Jahre und Jahrzehnte fördern wollten, wird nur mit relativ hohen Frachtraten bedient werden können. Denn es glaubt doch sicherlich niemand in diesem Hause daran, daß nach 1992 die Tarife des RKT aufrechterhalten werden können; bestenfalls wird der Ausnahmetarif die Regel sein.
    Wenn es heute zum Teil wegen des schlechten Angebots im öffentlichen Personennahverkehr nur unbequem ist, auf dem Land zu leben, wird es ab 1992 auch teurer. Das Gefälle zwischen armen und reichen Regionen wird weder im eigenen Land noch in der EG aufgehoben werden, im Gegenteil, es wird verschärft. Die reichen Staaten der EG betrachten die ärmeren, die Habenichtse, doch längst als Billigproduktionsstätten, als die mit den miesen Sozialvorschriften, Tarifen und Umweltgesetzgebungen — oder mit den günstigen, je nach Standpunkt des Betrachters.
    Rentabel wird diese Verschieberei von Arbeitskraft und Profiten erst durch die Tatsache, daß Verkehrsleistungen schon heute zu Schleuderpreisen angeboten werden.
    Die europäische Arbeitsteilung, wie das so schön verharmlosend heißt, sieht so aus. Irische Stoffe werden per Lkw nach Spanien geliefert, damit dort aus ihnen Bezüge für Autositze hergestellt werden. Diese Sitze werden in die Bundesrepublik transportiert und dort in Pkws eingebaut.
    Na gut, werden Sie sagen. Aber eben nicht gut. Denn die Sitzproduktion von Opel in Rüsselsheim wurde erst kürzlich von der Bundesrepublik nach Spanien verlegt, weil die Sitze dort ein paar Mark billiger hergestellt werden können. Diese Produktionsweise, gestützt durch billige Transportleistungen, beschert den Herren der Opel-AG einen besseren Gewinn, den Arbeitnehmern in Rüsselsheim aber einen Verlust, nämlich den ihrer Arbeitsplätze.

    (Haungs [CDU/CSU]: Und den Spaniern?)

    Ein weiteres schlimmes Beispiel sind die Gefahrguttransporte. Solange es billiger ist, Giftstoffe in einem anderen Land zu entsorgen, statt auf deren Vernichtung am Ort des Gebrauchs zu bestehen, andernfalls aber die Benutzung oder Herstellung zu verbieten, so lange wird es grenzenlose Gefahrguttransporte geben, mit all ihren Risiken für Mensch und Umwelt. Die Atommülltransporte, die bislang offensichtlich unkontrolliert quer durch Europa liefern, sind hierfür ein besonders unrühmliches Beispiel. Dieser Skandal zeigt auf, wie eine Entsorgung im Sinne der Atomlobby aussieht und wie sie unter tätiger Mithilfe einiger Transporteure möglich ist. Die giftigsten Produkte menschlichen Handelns werden, statt sie zu beseitigen, was ja eh nicht möglich ist, oder wenigstens sicher zu lagern, wie uns jahrelang auf jeden Einwand erzählt wurde, auf Lkw oder Schiene gepackt und europaweit hin- und hertransportiert, sozusagen in Warte- und Verschiebeschleifen. Die Straße ersetzt das nicht vorhandene Endlager. Strahlende Zeiten rollen da auf uns zu.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Allerdings!)

    Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt des Vollzuges des Binnenmarktes hinweisen, nämlich die negative Auswirkung der Liberalisierung auf die Eisenbahn. Durch die Europäisierung des Lkw kommt es zu einer weiteren Wettbewerbsverschärfung zuungunsten insbesondere der deutschen Bahn. Mit der sich abzeichnenden Harmonisierung und ihrer Auswirkung auf die Bahn wird diese weiter verdrängt. Die Defizite werden vergrößert. Die Zeche zahlt der Steuerzahler, wie immer doppelt und dreifach: durch die Abdeckung des Defizits, durch höhere Umweltbelastung, durch höhere Kosten im Bahnbereich. Nachdem sich die Bahn bereits im Personennahverkehr aus der Fläche zurückgezogen hat, wird sie das auch für den Güterverkehr tun. Die ersten Schritte dazu sind bereits eingeleitet. Was bleiben wird, ist eine Rumpf- und Schrumpfbahn, die nur noch die größeren Wirtschaftszentren verbindet.
    Nun könnten Sie meinen Beitrag so interpretieren, daß die GRÜNEN in die Zeiten der Nationalstaaten



    Frau Brahmst-Rock
    zurückwollten, in die Zeiten vor dem Deutschen Zollverein. Das allerdings wäre eine Fehlinterpretation.

    (Schulhoff [CDU/CSU]: In die Steinzeit!)

    — Ja, das sagen sie immer so gerne. Aber wir wollen noch nicht einmal vor 1864 zurück. — Wir wollen das Europa der Bürger, nicht das der Profitinteressen einiger weniger.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir möchten, daß die Kosten für die ökonomischen und sozialen Folgen einer möglichen Deregulierung des Verkehrsmarktes schon heute berücksichtigt werden, damit wir im Jahre 2000 im Verkehrsgewerbe nicht die gleichen Notstände haben wie heute bei den Landwirten und bei den Stahlarbeitern.
    Vor dem Vollzug des Binnenmarktes fordern wir: den Schutz der Eisenbahn, die Harmonisierung der Straßensteuern auf der Grundlage des Territorialprinzips; die Angleichung der europäischen Transportvorschriften darf nicht zu einer Verringerung der Verkehrssicherheit führen; keine weitere Liberalisierung ohne Harmonisierung. Die heute hier zur Verabschiedung anstehenden Vorlagen sind Anfänge dieser Deregulierung. Sie leiten eine Entwicklung ein, der wir nicht zustimmen können und wollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Verkehr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Warnke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes ist ein entscheidender Schritt zur Festigung und Stärkung der Stellung Europas in der Welt. Weit über die Wirtschaft hinaus hat der Binnenmarkt Bedeutung für das politische Gewicht Europas. Das Zusammenwachsen der Gemeinschaft nach innen wird unumkehrbar. Die Anziehungskraft der Gemeinschaft nach außen und damit ihre Leistungsfähigkeit für ganz Europa wächst. Deshalb ist der gemeinsame Binnenmarkt Schwerpunkt für den deutschen Ratsvorsitz im Jahre 1988.
    Ein solches Ziel ist nicht zum Null-Tarif zu erreichen. Es rechtfertigt außergewöhnliche Anstrengungen und die Bereitschaft zum Strukturwandel, zu einem Strukturwandel, der sich zwar leicht aussprechen läßt, der aber oft auch bis an den Kern der Existenz gehen kann. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber bitte, diese Späne dürfen nicht nur bei uns fallen, nicht nur zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland.

    (Straßmeir [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Das ist der Grund, weshalb ich im Dezember drohende Fehlentscheidungen in Europa gestoppt habe, Fehlentscheidungen zu Lasten der deutschen Verkehrswirtschaft, Fehlentscheidungen auch zu Lasten der Umwelt.
    Die Vorstellungen unserer europäischen Partner gingen weit. Der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft hatte zum Ziel, die Gemeinschaftskontingente fünf Jahre hintereinander jährlich um 40 % zu erweitern und ab 1993 alle mengenmäßigen Beschränkungen aufzuheben.
    Meine Damen und Herren, alle übrigen Delegationen — außer der der Bundesrepublik Deutschland — waren bereit, diesem Vorschlag zuzustimmen. Für die Bundesregierung kam eine Zustimmung nicht in Betracht. Ohne erkennbare Schritte zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen werden die deutschen Verkehrsunternehmen mit zerstörerischer Konkurrenz überzogen, muß es zu Firmenzusammenbrüchen, muß es zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen, wird die künftige Rolle der Deutschen Bundesbahn durch eine ruinöse Konkurrenz auf einer nicht kostengerechten Grundlage in schwere Mitleidenschaft gezogen. Ich möchte den Regierungen von Frankreich und von Italien auch hier den Dank der Bundesregierung dafür sagen, daß sie an unserer Seite gestanden und diese Entwicklung mit ihrer Hilfe im Dezember verhindert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage es auch hier noch einmal: Es geht nicht an, daß ausländische Lastkraftwagen mit einer Deckung ihrer Wegekosten von nur 9 % auf unseren Straßen dahinrollen und auf dieser Grundlage europäische Liberalisierung betrieben werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieser heutige Sachverhalt ist eine De-facto-Subvention der ausländischen Lastkraftwagen, unzumutbar für unsere Verkehrswirtschaft, unzumutbar aus Gründen des Haushalts und der Ordnungspolitik, unzumutbar aber auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes.
    Ich sehe auch, daß eine Abschaffung der Straßenbenutzungsgebühren, mit denen unser Fuhrgewerbe und übrigens natürlich auch unsere privaten Fahrzeughalter im Ausland zusätzlich zur Kasse gebeten werden, unseren Partnerstaaten nicht möglich ist und in dem Zeitraum, in dem wir über eine Liberalisierung im Binnenmarkt zu befinden haben, nicht kommen wird. Es geht aber nicht an, daß wir ein Straßennetz, um das uns die übrigen Länder beneiden, kostenlos zur Verfügung stellen und dann bei unseren Nachbarn erneut zur Kasse gebeten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb begrüße ich es, daß die Kommission — entgegen den Vorstellungen, mit denen ursprünglich auch wir an den Binnenmarkt herangegangen waren und die freiheitlicher gewesen wären als die der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren — nun in einem neuen Vorschlag zur Beseitigung steuerlicher Wettbewerbsverzerrungen die Straßenbenutzungsgebühr nicht nur einbezieht, sondern sie zum eigentlichen Instrument macht, diese Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
    Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Gries: Begeisterung für einen solchen Vorschlag kann von uns nicht verlangt werden. Angst vor Induktionsschleifen hätte ich übrigens auch nicht. Ich gehe davon aus, daß auch die FDP der modernen Elektronik, Datenverarbeitung und Datenübermittlung ohne Berührungsängste gegenübersteht. Ich bin sicher, daß wir hier einen Weg finden werden, etwas Marktwirtschaftskonformes und gleichzeitig eine ungehinderte Grenzquerung Ermöglichendes zu konstruieren.



    Bundesminister Dr. Warnke
    Nur, meine Damen und Herren: Dieser Vorschlag enthält Ansatzpunkte für zukunftsweisende Lösungen. Wir werden die Zeit unserer Präsidentschaft nutzen, um diesen Ansätzen nachzugehen. Wenn aber Europas Mühlen zu langsam mahlen, dann müssen wir auch nationale Lösungen in Betracht ziehen, um auf dem Weg zum Gemeinsamen Markt nicht einseitig zu liberalisieren und mit der Angleichung der Wettbewerbsvoraussetzungen auf der Strecke zu bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    An die deutsche Verkehrswirtschaft, d. h. sowohl an den Straßengüterverkehr als auch und gerade an die Bundesbahn, appelliere ich: Stellen Sie sich dem Strukturwandel, ergreifen Sie die Chancen, die Ihnen Europa auch bietet. Seien Sie nicht kleinmütig!
    Wir werden von der Bundesregierung aus die deutsche Präsidentschaft nutzen, um Lösungen zu finden, die die Interessen aller Partner respektieren. Wir werden dabei die Blicke unserer Partner insbesondere auf den Schutz der Umwelt im europäischen Gemeinsamen Markt lenken.
    Frau Kollegin Brahmst-Rock, eines haben Sie hier vergessen, nämlich zu sagen, daß es die Bundesregierung ist, die in Fragen des gemeinschaftlichen Umweltschutzes Speerspitze und Rammbock gewesen ist, um den Katalysator voranzutreiben, um die Entschwefelung und Entstickung voranzutreiben und dafür zu sorgen, daß bleifreies Benzin eingeführt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das war so, und das wird auch während der deutschen Präsidentschaft so sein. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
    Wir sorgen dafür, daß Rahmenbedingungen vorhanden sind, innerhalb deren sich dann Marktwirtschaft entfalten kann.
    Zu Ihrer Aussage, daß Sie Gefahren sehen, daß Arbeitsplätze aus Deutschland in ärmere Länder der Gemeinschaft verlagert werden, kann ich nur sagen: Oh, ihr Eigensüchtigen; aber auch: Oh, ihr Kurzsichtigen! Wir werden nämlich unsere Stellung als stärkstes Exportland nicht behalten, wenn wir nicht bereit sind, uns einem Strukturwandel dergestalt zu stellen, daß das, was bei uns kostengünstig und wettbewerbsfähig produziert werden kann, zu uns verlagert wird, während andere Dinge, bei denen wir auf dem Weltmarkt anderen unterlegen sind, dorthin gegeben werden, wo andere Menschen in der Europäischen Gemeinschaft Arbeit und Brot brauchen.

    (Frau Brahmst-Rock [GRÜNE]: Schaffen Sie denn gleichzeitig neue Arbeitsplätze? Dann wäre es in Ordnung!)

    Ein bißchen mehr Solidarität wünsche ich den GRÜNEN auf dem Weg nach Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Das müssen Sie gerade sagen! Schaffen Sie mal die deutsche Altersarmut und die Massenarbeitslosigkeit ab!)

    — Sie müßten sich einmal in der Welt umsehen, wie
    die Verhältnisse auch nur in den anderen Ländern der
    Europäischen Gemeinschaft im Vergleich zu der Bundesrepublik Deutschland sind; von weiteren Gegenden will ich gar nicht reden.

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Dann würden Sie das etwas wirklichkeitsnäher beurteilen und auf dem Boden der Tatsachen bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das mußte einmal gesagt werden!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, alle Verkehrsträger und Verkehrswege zu nutzen, damit das weiter steigende Verkehrsaufkommen so sicher und so umweltfreundlich wie möglich befördert werden kann. Wichtig ist vor allem ein vernünftiges Verhältnis von Schiene und Straße. Die Eisenbahnen sollen im innergemeinschaftlichen Verkehr mittelfristig einen größeren Anteil am Zuwachs des Verkehrs übernehmen.
    Herzstück eines europäischen Schnellbahnnetzes ist nach unserer Vorstellung die Magistrale ParisBrüssel—Köln mit weiterer Fortsetzung nach dem Osten. Die Beschleunigung und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs wird aber in allen Teilen der Gemeinschaft nötig sein. Die deutsche Präsidentschaft wird sich bemühen, diesen Fortschritt auch zu erzielen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist ja nur ein halbes Jahr!)

    Die Schiene stärker am Transportaufkommen zu beteiligen, meine Damen und Herren, bedeutet besonders auch eine Lösung der Probleme im alpenquerenden Verkehr. Auch dieses wird für den deutschen Ratsvorsitz ein Schwerpunkt sein.
    Die Europäische Gemeinschaft muß sich bewußt bleiben, daß sie nur ein Teilstück Europas ist, das Teilstück, in dem sich der große Teil der freien Staaten Europas befunden hat. Mit der Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes werden wir unserer Verantwortung gegenüber dem ganzen Kontinent gerecht. Deshalb wird für die Bundesregierung und für die Bundesrepublik Deutschland der Verkehrsmarkt über die fachlichen Belange hinaus ein Beitrag sein, Europa als Ganzes näher zusammenzubinden und in seiner Unverwechselbarkeit zu stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)