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ID1105600600

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    Vokabeln: 6
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    4. Frau: 1
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    6. Brahmst-Rock.: 1
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    Plenarprotokoll 11/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Inhalt: Nachruf auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Werner Nachmann 3895 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/3/EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs (Drucksachen 11/929 Nr. 2.26, 11/1007) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (Drucksachen 11/439 Nr. 2.10, 11/1008) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenverkehr mit Kraftomnibussen innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind (Drucksachen 11/138 Nr. 3.150, 11/1016) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat Ausschaltung der Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen im Güterkraftverkehr, Untersuchung über Kraftfahrzeugsteuern, Mineralölsteuern und Straßenbenutzungsgebühren (Drucksachen 11/138 Nr. 3.147, 11/1017) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Zugang zum Markt im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksachen 11/138 Nr. 3.146, 11/1196) Straßmeir CDU/CSU 3896 A Daubertshäuser SPD 3897 C Gries FDP 3899 B Frau Brahmst-Rock GRÜNE 3901 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV 3903 A Dr. Niese SPD 3904 D Haungs CDU/CSU 3906 C Antretter SPD 3907 C Dr. Jobst CDU/CSU 3909 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Anwendung der Begriffe „bio", „biologisch", „öko" und „ökologisch" zur Kennzeichnung von Lebensmitteln im Handel (Biokennzeichnungsgesetz für Lebensmittel) (Drucksache 11/1039) Frau Saibold GRÜNE 3911B Kroll-Schlüter CDU/CSU 3912B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3913 A Heinrich FDP 3913 D Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Berufung eines Ernährungsrates (Drucksache 11/856) Frau Saibold GRÜNE 3914 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 3915 D Frau Dr. Götte SPD 3917 A Frau Würfel FDP 3918A Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 3919B Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1985 bis 1988 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Elfter Subventionsbericht) (Drucksache 11/1338) Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 3920 B Frau Simonis SPD 3921 D Roth (Gießen) CDU/CSU 3923 D Sellin GRÜNE 3925 A Beckmann FDP 3925 D Nächste Sitzung 3926 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3927* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3927* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 3895 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 22. 1. Dr. Bötsch 22. 1. Brandt 22. 1. Brück 22. 1. Büchner (Speyer) 22. 1. Carstens (Emstek) 22. 1. Clemens 22. 1. Daweke 22. 1. Dr. Dregger 22. 1. Ebermann 22. 1. Dr. Ehrenberg 22. 1. Frau Eid 22. 1. Francke (Hamburg) 22. 1. Gattermann 22. 1. Dr. Geißler 22. 1. Dr. Glotz 22. 1. Großmann 22. 1. Grünbeck 22. 1. Grüner 22. 1. Dr. Haack 22. 1. Dr. Haussmann 22. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 22. 1. Frau Dr. Hellwig 22. 1. Dr. Hitschler 22. 1. Frau Hoffmann 22. 1. Ibrügger 22. 1. Kißlinger 22. 1. Klein 22. 1. Dr. Kohl 22. 1. Kolbow 22. 1. Kreuzeder 22. 1. Lowack 22. 1. Dr. Mahlo 22. 1. Meyer 22. 1. Dr. Möller 22. 1. Petersen 22. 1. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reschke 22. 1. Reuschenbach 22. 1. Dr. Rose 22. 1. Schäfer 22. 1. Dr. Scheer 22. 1. Frau Schilling 22. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 1. Dr. Schmude 22. 1. Dr. Schöfberger 22. 1. Freiherr von Schorlemer 22. 1. Schwarz 22. 1. Frau Seiler-Albring 22. 1. Dr. Spöri 22. 1. Dr. Stoltenberg 22. 1. Vahlberg 22. 1. Frau Dr. Vollmer 22. 1. Vosen 22. 1. Dr. Wernitz 22. 1. Frau Weyel 22. 1. Wieczorek (Duisburg) 22. 1. von der Wiesche 22. 1. Wischnewski 22. 1. Wissmann 22. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/973 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/253 Nr. 2.30 Drucksache 11/439 Nr. 2.13 Drucksache 11/779 Nr. 2.57
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    Rede von Ekkehard Gries


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nutze die Gelegenheit hier gern, aus Anlaß der Anträge, über die bisher allerdings noch keiner der Vorgänger geredet hat, auch unseren Standpunkt zu europäischen Verkehrsfragen noch einmal zu bekräftigen. Ich will am Anfang an das anknüpfen, was der Kollege Daubertshäuser eben gesagt hat. Herr Daubertshäuser, wir wollen dieses Europa. Dieses Europa hat mit Ideologie nichts zu tun. Es ist für uns spätestens seit 1945 ein erstrebenswertes politisches Ziel. Zu diesem politischen Europa gehört eben auch der freie Austausch von Menschen, Gütern und Leistungen. Ich denke, daß wir uns darin einig sind. Wir wollen es schaffen, und ich bin auch überzeugt, daß wir es schaffen werden, wenn wir den nötigen Ernst und die Bereitschaft, unter Umständen auch selber Kompromisse zu schließen und sie nicht nur von anderen zu fordern, an den Tag legen.
    Ich füge aber genauso deutlich hinzu, daß dieses Europa nicht auf unserem Altar geopfert werden kann und daß es die erwähnte Bereitschaft auf allen Seiten geben muß. Auch darüber, daß dabei einzelne Wirtschaftszweige diejenigen sind, die zahlen, während andere vielleicht nur Vorteile haben, soll man ganz realistisch reden. Es ist nicht nur eine Idee, es ist ein erstrebenswertes Ziel. Aber auf dem Wege sind natürlich noch Hindernisse zu beseitigen. Ich denke, daß man das am besten in dem offenen Gespräch mit den Partnern tun sollte.
    Ich sage hier ganz deutlich und in einer etwas vereinfachten Form, daß ich als Verkehrspolitiker nicht die Sorgen erst noch anhäufen möchte, die unsere Agrarpolitiker schon haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Denn sonst wird man auf dem Wege zu Europa nicht sonderlich erfolgreich sein können.
    Dazu gehört der gesamte Komplex, der hier schon angesprochen worden ist; ich will das jetzt nicht wiederholen, auch wenn es auf dem Papier steht. Ich will mich bemühen, hier freier zu reden und mich nicht so sehr an mein Manuskript zu halten. Wir müssen uns ernsthaft mit dem Problem der Harmonisierung und Liberalisierung befassen. Beide dürfen nicht nur Schlagwörter sein. Wir müssen auf unserem Wege zu Europa durch Harmonisierung und Liberalisierung weiterkommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die Regierungserklärung hat das ja in einer erfreulichen Weise deutlich gemacht, so daß es nicht erlaubt ist, das in Zweifel zu ziehen. Der Bundeskanzler hat in der letzten Regierungserklärung noch einmal verdeutlicht, daß es hier ein Parallelverfahren, ein Verfahren Zug um Zug, gibt. Die Liberalisierung ist manchmal schnell gemacht, aber die Harmonisierung muß folgen, sonst treten negative Konsequenzen gerade für die deutsche Verkehrswirtschaft ein; dann ist der Schaden am Ende größer als vorher, und kein Schritt in Richtung Europa ist damit erreicht.
    Wir wollen diesen EG-Verkehrsmarkt und diesen EG-Binnenmarkt schrittweise einführen, und wir wollen ihn zu fairen Bedingungen erreichen. Dazu gehört ganz besonders natürlich die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen.



    Gries
    Meine Damen und Herren, Herr Daubertshäuser hat es auch schon angeschnitten: Wir haben erhebliche Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt. Darüber muß man reden, und man muß nach den besten Möglichkeiten für die Beseitigung suchen. Man darf nicht nur von Vorurteilen ausgehen und fragen, ob die einen Anhänger der Schwerverkehrsabgabe sind und die anderen dagegen sind. Vielleicht reden wir irgendwann einmal wieder darüber, weshalb einige dafür und andere dagegen sind, und benutzen nicht diese eingestanzten Schablonen, nach denen die Diskussion bisher meines Erachtens ein bißchen abläuft.
    Wir haben natürlich Harmonisiserungsbedarf in der Frage der sozialen Verhältnisse, aber auch im Verhältnis zwischen den Absichten und den Vorschriften, die schon vorhanden sind einerseits sowie zwischen der Kontrolle und der Umsetzung der Ergebnisse andererseits. Da sind ja die großen Schwierigkeiten und die großen Unterschiede zu finden.
    Wir haben ja große Differenzen, denn es bestehen Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der fiskalischen Abgaben. Das flackert für den Laien immer nur dann auf, wenn es um Autobahnbenutzungsgebühren oder Maut oder ähnliche Dinge geht. Dahinter stehen ja aber — die Fachleute wissen das — die ganz erheblichen Unterschiede bei der Mineralöl- und bei der Kraftfahrzeugsteuer; das ist das, was so schwierig ist und was abgebaut werden muß. Niemand hat bisher den richtigen Weg dafür gefunden. Wir meinen es ernst damit.
    Auch hier will ich dem Verkehrsminister Dank dafür sagen — auch wenn das mitunter unpopulär klingt, ja, fast antieuropäisch wirken könnte —, daß er es beim letzten Mal, von Italien und Frankreich unterstützt geschafft hat, voreilige Schritte in Richtung dieser dann allerdings sogenannten Harmonisierung zu verhindern, weil wir dabei die einzigen gewesen wären, die unter die Räder gekommen wären. Das heißt — ich will das hier noch einmal bekräftigen — : Harmonisierung muß mit Liberalisierung einhergehen; das gilt umgekehrt in der gleichen Weise. Diese Abhängigkeit muß immer wieder deutlich werden. Aber wir wissen, daß wir da nicht unbedingt in der stärksten Position sind und daß die Dinge für deutsche Politiker gerade im Jahr der deutschen Präsidentschaft sicher nicht einfacher werden.
    Ich will aber auf der anderen Seite, damit kein zu düsteres Bild gemalt wird, auch durchaus darauf hinweisen, daß wir ja schon vernünftige Fortschritte erzielt haben, wenn ich z. B. daran denke, daß Maße und Gewichte, daß beispielsweise Achslasten schon vereinheitlicht sind, d. h. daß wir uns im technischen Bereich immer mehr annähern. Eine der Entschließungen, die hier heute vorliegt, hat ja auch einen technischen Vorgang zum Inhalt. Wir haben im Ausschuß mehrheitlich entschieden, daß wir uns dem angleichen, was unsere Nachbarländer für richtig halten. In diesem Antrag geht es um die Ausmaße von Kühlwagen, um das einmal denjenigen zu sagen, die die Unterlage nicht gelesen haben. Es ist wichtig, daß wir in dieser Frage nicht auseinanderfallen, daß wir uns in dem technischen Bereich — hier müßte es eigentlich am leichtesten sein — finden, daß wir ein hohes Maß
    der Angleichung bei Sozialvorschriften, was Lenkzeiten, Ruhezeiten und andere Dinge angeht, haben und daß wir unsere europäischen Partner nach wie vor dafür gewinnen müssen, daß sie in der gleichen Weise wie wir, wir etwas weniger als die anderen oder sie etwas weniger als wir, kontrollieren. Das ist das große Problem dabei. Es ist einem deutschen Unternehmer und deutschen Mitarbeitern in deutschen Unternehmen einfach nicht zuzumuten, daß es zwar gleiche Gesetze gibt, aber daß ihre Kollegen im Ausland eben nicht oder ganz selten einmal kontrolliert werden, also daß Verstöße, die immer wieder vorkommen, hier geahndet und da nicht geahndet werden. Das ist ein Problem, über das man mit den europäischen Partnern offen reden kann und muß.
    Das gleiche gilt natürlich für die Steuer, meine Damen und Herren. Wir sind hier in einer schwierigen Situation. Ich will das nur an dem Beispiel aufzeigen, daß wir unsererseits — auch intern — nicht über das Geld anderer Leute verfügen sollten. Es gibt den alten Vorschlag der FDP, den ich gerade in diesem Zusammenhang für sehr vernünftig halte, viele Dinge über die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer zu regeln. Das ist eine unbürokratische Lösung. Damit wäre unter Umständen ein Personalabbau verbunden. Es gäbe im europäischen Maßstab eine große Erleichterung. Wir brauchen natürlich die Kompensation über die Mineralölsteuer; darüber sind wir uns klar. Aber ich weiß auch, daß das, was wir auf nationaler Ebene nicht schaffen, natürlich auch auf internationaler Ebene nicht so einfach umzusetzen ist. Deshalb müssen wir uns bemühen, hier andere Wege zu finden, über die Mineralölsteuer, über die Kraftfahrzeugsteuer. Nur müssen wir wissen, daß wir bei der Kraftfahrzeugsteuer über eine Ländereinnahme reden, deren Ertrag nicht ohne weiteres auf dem europäischen Markt abzugeben ist, und daß wir nur bei der Mineralölsteuer über unsere eigenen Einnahmen, über die Einnahmen des Bundes, reden. Wir haben also auch hier noch kein Patentrezept gefunden.
    Nur, ich denke, es geht auf die Dauer nicht an, daß die bundesdeutschen Kraftfahrer über Maut und Autobahngebühren gemolken werden, daß also andere Länder Einnahmen daraus ziehen und umgekehrt an unseren Wegekosten so gut wie überhaupt nicht beteiligt sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier muß man sich noch vorbehalten, daß wir auch zu nationalen Lösungen kommen, wenn es nicht gelingt, in absehbarer Zeit internationale, europäische Gemeinsamkeiten zu entwickeln. Aber wir sind uns darüber klar, daß der Wegekostenanteil bei der Suche nach einem Gesamtkonzept wohl die entscheidende Rolle spielen wird.
    In dem Zusammenhang ist das Territorialitätsprinzip zu nennen. Die Kommission hat in dem Entwurf vom Dezember ja einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Danach soll jeder — das ist von der Idee her logisch und zu begrüßen — an den von ihm tatsächlich verursachten, am jeweiligen Ort entstehenden Kosten beteiligt werden. Es soll nicht nur das Nationalitätsprinzip gelten, was zur Folge hätte, daß jeder seinen Pkw oder seine Lkw gerade dort eintragen läßt, wo es am billigsten ist. Das wäre ja am Ende



    Gries
    sowieso die Folge. Zum Teil haben wir es jetzt schon, etwa bei der Schiffahrt das Ausflaggen. Das Ausflaggen gibt es ja inzwischen auch auf der Straße. Insofern würde das Territorialitätsprinzip dem entgegenwirken.
    Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, Herr Minister, auch für die weiteren Überlegungen, die wir ja im Ausschuß anstellen müssen: So ganz begeistert bin ich davon nach wie vor nicht. Was so logisch und so gerecht aussieht, ist natürlich auf der anderen Seite wohl mit einem geradezu wahnsinnigen bürokratischen Aufwand verbunden, zumal wenn ich höre, woran gedacht wird: an Induktionsschleifen und daran, das vielleicht durch Satelliten zu erfassen und irgendwelche Anstalten herunterzuspielen, um den Ausgleich zu schaffen. Das ist ja kein Zukunftsgemälde, sondern es ist Realität, im Verkehrsbereich so zu denken. Da graust es mir ein bißchen davor, wenn dieses an sich so vernünftige Prinzip so bürokratisiert umgesetzt werden sollte.
    Auf der anderen Seite meine ich — lassen Sie mich das noch sagen — , wir sollten nicht zu ängstlich sein. Wir haben keinen Grund, der europäischen Öffnung entgegenzuwirken. Die Qualität des deutschen Verkehrsgewerbes ist anerkanntermaßen weltweit so hervorragend, daß es durchaus mit Mut und Zuversicht in den Wettbewerb gehen kann. Es ist ja nicht so, daß die anderen alle besser wären. Ich will keine Zeugnisse ausstellen, aber ich glaube, wir sind alle davon überzeugt, daß unsere deutschen Verkehrsunternehmer diesen Wettbewerb nicht zu scheuen haben. Das heißt, daß dieser europäische Markt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine große Chance für das deutsche Verkehrsgewerbe bietet. Da sollten wir unseren Unternehmern und Mitarbeitern im Verkehrsbereich Mut machen. Wir sollten sie stärken und, soweit es Politik tun kann, die notwendigen Voraussetzungen für einen solchen freien Austausch in Europa schaffen.
    Ich bin ganz sicher, daß wir auf dem richtigen Weg sind, daß wir es schaffen werden und daß wir uns um vernünftige und faire Bedingungen bemühen können.
    Ich sage es für die Freien Demokraten: Wir sind durchaus bereit, da auch Kompromisse zu schließen, weil man auch hier nicht mit dem Kopf durch die Wand kann und weil man hier nicht allein die Wahrheit gepachtet hat und nicht allein die Maßstäbe setzen kann. Aber das Ganze muß fair in Übereinstimmung aller Europäer geschehen. Dazu sind wir bereit. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Brahmst-Rock.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helga Brahmst-Rock


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den allgemeinen Reden zu Europa wird oft und gern von einem Europa der Zwölf, einem Europa der Bürger, von einem grenzenlosen Europa gesprochen.
    In der kurzen Zeit, die ich hier als Abgeordnete tätig bin, ist mir eine ganze Reihe von EG-Vorlagen auf den Tisch gekommen. Dazu gehörten Verordnungen über die Schadstoffgrenzwerte bei diesel- und benzinbetriebenen Kraftfahrzeugen, die Änderung der Breiten für Kühlfahrzeuge, die Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen und vieles andere. Mit einem Teil davon haben wir uns heute hier zu befassen.
    Alle diese Vorlagen zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Von einem Europa der Bürger ist dabei nichts zu merken, viel aber von einem Europa der Konzerne und Wirtschaftsinteressen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    von zentralisierter Verwaltung und Umweltzerstörung.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Na!)

    Lassen Sie mich an einem Beispiel verdeutlichen, wohin die Reise geht. Der Kollege Gries erwähnte soeben schon die Änderung der Breiten von Kraftfahrzeugen. Dazu gibt es die Richtlinie des Rates 85/3 EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs. Dahinter verbergen sich in der Tat die spannende Frage und der Wunsch der Fahrzeugnutzer, bei Kühlfahrzeugen künftig eine Breite von 2,60 m zuzulassen statt 2,50 m wie bisher.
    Das könnte man, wenn man es so liest, für ein absolut nachgeordnetes, dritt- bis viertrangiges Problem halten und sagen, daß die Seligkeit dieser Erde nicht an 10 cm mehr oder weniger hängt.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: 10 cm sind immer relativ!)

    Tatsächlich ist es ein Einstieg in eine allgemeine EGweite Erweiterung von Maßen und Gewichten bei Lkw. Denn wenn wir eine Lkw-Breite von 2,60 m bei Kühlfahrzeugen gestatten, werden andere Transportbereiche kaum einsehen, daß sie nur mit 2,50 m breiten Lkw fahren dürfen. 10 cm mehr an Breite bedeuten aber gleichzeitig zusätzliche Ladekapazitäten. So wird der Antrag auf Heraufsetzung der Höchsttonnage nicht lange auf sich warten lassen.
    Besonders kraß und umweltschädigend ist aber das, was unter dem Stichwort Liberalisierung und Vollzug des Binnenmarktes bis 1992 auf uns zurollt. Die Vorlage zur Liberalisierung und Eröffnung der Kabotagemöglichkeiten im Bereich des Personenbeförderungsgewerbes sind der Anfang. Erkannt wird das, was unter diesem Stichwort auf uns zukommt, in allen Fraktionen dieses Hauses. Nur das Handeln ist höchst unterschiedlich und widerspricht teilweise dem, was öffentlich vertreten wird.
    Das Motto des EG-Binnenmarktes könnte ein Slogan des ADAC sein: Freie Bürger im freien Europa bekommen freie Fahrt, ungebremst; oder EG-vornehm ausgedrückt: harmonisiert. Harmonisiert auf dem niedrigsten Niveau werden so lästige Dinge wie Tarif- und Sozialvorschriften und Kontrollen von Lkw und Ladung.
    Wie wichtig gerade dieser Bereich ist, zeigt der Skandal um die Atomwirtschaft, um Nukem und



    Frau Brahmst-Rock
    Transnuklear, der nicht zuletzt auch ein Skandal im Transportgewerbe ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Endlich kommt sie zum Thema!)

    Schon heute müssen wir uns fragen: Was passiert durch die Freigabe der Dienstleistungen? Auf welchem niedrigen Niveau soll diesmal der Kompromiß gefunden werden?
    Nach der Grenzenlosigkeit wird die Schlacht um den Markt losgehen. Die Anbieter mit der geringsten Vorbelastung durch Steuern und Kosten werden im Vorteil sein und ihn auch nutzen. Die kleineren bundesdeutschen Anbieter werden, um überleben zu können, Aufträge auch noch zu Grenzkosten oder Fixkosten übernehmen müssen und auch übernehmen. Das geht dann zwangsläufig zu Lasten der technischen Bedingungen und der Arbeitsbedingungen der Fahrer. Denn ausschließlich in diesen Bereichen kann noch eingespart werden.
    Das heißt dann in der Praxis: Lkw werden nicht mehr so oft gewartet, Reifen nicht mehr so oft gewechselt, die Kontrollen der Bremsen werden ein bißchen verschoben, dafür werden die Ladungsgrenzen ein bißchen, um ein bis drei Tonnen, überschritten. Schon heute zeichnen sich Bestrebungen ab, die Lenkzeiten nach oben zu verändern. Beachtet, eingehalten und kontrolliert werden sie dann wohl noch weniger als heute.
    Da braucht es nicht viel Phantasie, sich folgendes vorzustellen: Ein mit Gefahrgut überladener Lkw, dessen Fahrer übermüdet und/oder dessen Bremssystem nicht ganz so in Ordnung ist, knallt in einen der täglichen Staus. Giftwolken und Gewässerverschmutzung sind grenzenlos, heute wie 1992.
    Hinzu kommt, daß sich der Wettbewerb auf einigen wenigen Relationen abspielen wird. Dort werden, bedingt durch hohes Transportaufkommen, die niedrigsten Frachtraten gezahlt werden. Das werden die Kräfte des freien Marktes schon regeln.
    Der ländliche, strukturschwache Raum, den Sie mit all Ihren Straßenbauprojekten der letzten Jahre und Jahrzehnte fördern wollten, wird nur mit relativ hohen Frachtraten bedient werden können. Denn es glaubt doch sicherlich niemand in diesem Hause daran, daß nach 1992 die Tarife des RKT aufrechterhalten werden können; bestenfalls wird der Ausnahmetarif die Regel sein.
    Wenn es heute zum Teil wegen des schlechten Angebots im öffentlichen Personennahverkehr nur unbequem ist, auf dem Land zu leben, wird es ab 1992 auch teurer. Das Gefälle zwischen armen und reichen Regionen wird weder im eigenen Land noch in der EG aufgehoben werden, im Gegenteil, es wird verschärft. Die reichen Staaten der EG betrachten die ärmeren, die Habenichtse, doch längst als Billigproduktionsstätten, als die mit den miesen Sozialvorschriften, Tarifen und Umweltgesetzgebungen — oder mit den günstigen, je nach Standpunkt des Betrachters.
    Rentabel wird diese Verschieberei von Arbeitskraft und Profiten erst durch die Tatsache, daß Verkehrsleistungen schon heute zu Schleuderpreisen angeboten werden.
    Die europäische Arbeitsteilung, wie das so schön verharmlosend heißt, sieht so aus. Irische Stoffe werden per Lkw nach Spanien geliefert, damit dort aus ihnen Bezüge für Autositze hergestellt werden. Diese Sitze werden in die Bundesrepublik transportiert und dort in Pkws eingebaut.
    Na gut, werden Sie sagen. Aber eben nicht gut. Denn die Sitzproduktion von Opel in Rüsselsheim wurde erst kürzlich von der Bundesrepublik nach Spanien verlegt, weil die Sitze dort ein paar Mark billiger hergestellt werden können. Diese Produktionsweise, gestützt durch billige Transportleistungen, beschert den Herren der Opel-AG einen besseren Gewinn, den Arbeitnehmern in Rüsselsheim aber einen Verlust, nämlich den ihrer Arbeitsplätze.

    (Haungs [CDU/CSU]: Und den Spaniern?)

    Ein weiteres schlimmes Beispiel sind die Gefahrguttransporte. Solange es billiger ist, Giftstoffe in einem anderen Land zu entsorgen, statt auf deren Vernichtung am Ort des Gebrauchs zu bestehen, andernfalls aber die Benutzung oder Herstellung zu verbieten, so lange wird es grenzenlose Gefahrguttransporte geben, mit all ihren Risiken für Mensch und Umwelt. Die Atommülltransporte, die bislang offensichtlich unkontrolliert quer durch Europa liefern, sind hierfür ein besonders unrühmliches Beispiel. Dieser Skandal zeigt auf, wie eine Entsorgung im Sinne der Atomlobby aussieht und wie sie unter tätiger Mithilfe einiger Transporteure möglich ist. Die giftigsten Produkte menschlichen Handelns werden, statt sie zu beseitigen, was ja eh nicht möglich ist, oder wenigstens sicher zu lagern, wie uns jahrelang auf jeden Einwand erzählt wurde, auf Lkw oder Schiene gepackt und europaweit hin- und hertransportiert, sozusagen in Warte- und Verschiebeschleifen. Die Straße ersetzt das nicht vorhandene Endlager. Strahlende Zeiten rollen da auf uns zu.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Allerdings!)

    Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt des Vollzuges des Binnenmarktes hinweisen, nämlich die negative Auswirkung der Liberalisierung auf die Eisenbahn. Durch die Europäisierung des Lkw kommt es zu einer weiteren Wettbewerbsverschärfung zuungunsten insbesondere der deutschen Bahn. Mit der sich abzeichnenden Harmonisierung und ihrer Auswirkung auf die Bahn wird diese weiter verdrängt. Die Defizite werden vergrößert. Die Zeche zahlt der Steuerzahler, wie immer doppelt und dreifach: durch die Abdeckung des Defizits, durch höhere Umweltbelastung, durch höhere Kosten im Bahnbereich. Nachdem sich die Bahn bereits im Personennahverkehr aus der Fläche zurückgezogen hat, wird sie das auch für den Güterverkehr tun. Die ersten Schritte dazu sind bereits eingeleitet. Was bleiben wird, ist eine Rumpf- und Schrumpfbahn, die nur noch die größeren Wirtschaftszentren verbindet.
    Nun könnten Sie meinen Beitrag so interpretieren, daß die GRÜNEN in die Zeiten der Nationalstaaten



    Frau Brahmst-Rock
    zurückwollten, in die Zeiten vor dem Deutschen Zollverein. Das allerdings wäre eine Fehlinterpretation.

    (Schulhoff [CDU/CSU]: In die Steinzeit!)

    — Ja, das sagen sie immer so gerne. Aber wir wollen noch nicht einmal vor 1864 zurück. — Wir wollen das Europa der Bürger, nicht das der Profitinteressen einiger weniger.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir möchten, daß die Kosten für die ökonomischen und sozialen Folgen einer möglichen Deregulierung des Verkehrsmarktes schon heute berücksichtigt werden, damit wir im Jahre 2000 im Verkehrsgewerbe nicht die gleichen Notstände haben wie heute bei den Landwirten und bei den Stahlarbeitern.
    Vor dem Vollzug des Binnenmarktes fordern wir: den Schutz der Eisenbahn, die Harmonisierung der Straßensteuern auf der Grundlage des Territorialprinzips; die Angleichung der europäischen Transportvorschriften darf nicht zu einer Verringerung der Verkehrssicherheit führen; keine weitere Liberalisierung ohne Harmonisierung. Die heute hier zur Verabschiedung anstehenden Vorlagen sind Anfänge dieser Deregulierung. Sie leiten eine Entwicklung ein, der wir nicht zustimmen können und wollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)