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ID1105600400

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    Plenarprotokoll 11/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Inhalt: Nachruf auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Werner Nachmann 3895 A Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/3/EWG über die Gewichte, Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des Güterkraftverkehrs (Drucksachen 11/929 Nr. 2.26, 11/1007) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (Drucksachen 11/439 Nr. 2.10, 11/1008) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenverkehr mit Kraftomnibussen innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind (Drucksachen 11/138 Nr. 3.150, 11/1016) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat Ausschaltung der Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen im Güterkraftverkehr, Untersuchung über Kraftfahrzeugsteuern, Mineralölsteuern und Straßenbenutzungsgebühren (Drucksachen 11/138 Nr. 3.147, 11/1017) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Zugang zum Markt im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksachen 11/138 Nr. 3.146, 11/1196) Straßmeir CDU/CSU 3896 A Daubertshäuser SPD 3897 C Gries FDP 3899 B Frau Brahmst-Rock GRÜNE 3901 B Dr. Warnke, Bundesminister BMV 3903 A Dr. Niese SPD 3904 D Haungs CDU/CSU 3906 C Antretter SPD 3907 C Dr. Jobst CDU/CSU 3909 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Anwendung der Begriffe „bio", „biologisch", „öko" und „ökologisch" zur Kennzeichnung von Lebensmitteln im Handel (Biokennzeichnungsgesetz für Lebensmittel) (Drucksache 11/1039) Frau Saibold GRÜNE 3911B Kroll-Schlüter CDU/CSU 3912B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 3913 A Heinrich FDP 3913 D Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Berufung eines Ernährungsrates (Drucksache 11/856) Frau Saibold GRÜNE 3914 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 3915 D Frau Dr. Götte SPD 3917 A Frau Würfel FDP 3918A Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 3919B Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1985 bis 1988 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Elfter Subventionsbericht) (Drucksache 11/1338) Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 3920 B Frau Simonis SPD 3921 D Roth (Gießen) CDU/CSU 3923 D Sellin GRÜNE 3925 A Beckmann FDP 3925 D Nächste Sitzung 3926 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3927* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3927* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1988 3895 56. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Beck-Oberdorf 22. 1. Dr. Bötsch 22. 1. Brandt 22. 1. Brück 22. 1. Büchner (Speyer) 22. 1. Carstens (Emstek) 22. 1. Clemens 22. 1. Daweke 22. 1. Dr. Dregger 22. 1. Ebermann 22. 1. Dr. Ehrenberg 22. 1. Frau Eid 22. 1. Francke (Hamburg) 22. 1. Gattermann 22. 1. Dr. Geißler 22. 1. Dr. Glotz 22. 1. Großmann 22. 1. Grünbeck 22. 1. Grüner 22. 1. Dr. Haack 22. 1. Dr. Haussmann 22. 1. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 22. 1. Frau Dr. Hellwig 22. 1. Dr. Hitschler 22. 1. Frau Hoffmann 22. 1. Ibrügger 22. 1. Kißlinger 22. 1. Klein 22. 1. Dr. Kohl 22. 1. Kolbow 22. 1. Kreuzeder 22. 1. Lowack 22. 1. Dr. Mahlo 22. 1. Meyer 22. 1. Dr. Möller 22. 1. Petersen 22. 1. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reschke 22. 1. Reuschenbach 22. 1. Dr. Rose 22. 1. Schäfer 22. 1. Dr. Scheer 22. 1. Frau Schilling 22. 1. Frau Schmidt (Nürnberg) 22. 1. Dr. Schmude 22. 1. Dr. Schöfberger 22. 1. Freiherr von Schorlemer 22. 1. Schwarz 22. 1. Frau Seiler-Albring 22. 1. Dr. Spöri 22. 1. Dr. Stoltenberg 22. 1. Vahlberg 22. 1. Frau Dr. Vollmer 22. 1. Vosen 22. 1. Dr. Wernitz 22. 1. Frau Weyel 22. 1. Wieczorek (Duisburg) 22. 1. von der Wiesche 22. 1. Wischnewski 22. 1. Wissmann 22. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/973 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/253 Nr. 2.30 Drucksache 11/439 Nr. 2.13 Drucksache 11/779 Nr. 2.57
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    Rede von Klaus Daubertshäuser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Straßmeir, Sie haben recht: Zu Europa und zur EG gibt es keine Alternative. Es ist auch unbestritten: Wir brauchen den europäischen Binnenmarkt. Es ist sicher unbestritten, daß leistungsfähige Verkehrssysteme wichtige Bausteine für ein geeintes Europa sind.
    In den Zielen, die Sie auch heute hier beschrieben haben, sind wir uns durchweg einig. Der Weg aber, Herr Kollege Straßmeir, den die Regierung Kohl bisher eingeschlagen hat, ist eindeutig ein Irrweg.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Gerade in den letzten Jahren hat die deutsche Verkehrswirtschaft viele Vorleistungen auf dem Deregulierungssektor erbracht, ohne einen entscheidenden Durchbruch im Bereich der Harmonisierung zu erzielen. Die Bundesregierung darf nicht der Illussion anhängen, daß sich Europa nur durch Verzicht auf deutsche Interessenvertretung bauen läßt. Die Harmonisierung liegt nun einmal fast ausschließlich im deutschen Interesse. Deshalb muß das Ziel eines europäischen Verkehrsmarktes mit nationalen Maßnahmen unterstützt und beschleunigt werden.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Ich bitte um Vorschläge!)

    Diese nationalen Maßnahmen müssen aber baldmöglichst durch europäische Lösungen ersetzt werden.
    Im deutschen Verkehrswesen sind eine Million Menschen beschäftigt. Wer auf ihrem Rücken den Binnenmarkt bauen will, der kann ganz einfach keinen dauerhaften Erfolg haben und verhält sich übrigens auch europapolitisch kontraproduktiv.

    (Beifall bei der SPD)

    Es müssen auf diesem Wirtschaftssektor endlich faire Voraussetzungen geschaffen werden. Auch der Tüchtigste kann sich nicht durchsetzen, wenn seine Konkurrenten wesentliche Wettbewerbsvorteile erhalten. Dies lehnen wir ab. Wir sind nämlich für ein marktwirtschaftliches Fair play. Das herausragende Kennzeichen des heutigen europäischen Straßengüterverkehrs ist: Er wird, Herr Kollege Jobst, durch



    Daubertshäuser
    massive Wettbewerbsverzerrungen geprägt. Diese gehen fast vollständig zu Lasten deutscher Unternehmen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Ich bedauere es sehr, wenn Sie dies nicht anerkennen. Sie zahlen mit die höchsten Kfz-Steuern und die höchsten Mineralölsteuern in Europa. Die schärfsten internationalen Mitbewerber erhalten sogar noch Subventionen und Investitionsbeihilfen in einem nicht geringen Maße. Mit diesen insgesamt viel günstigeren Wettbewerbsbedingungen ihrer Konkurrenten kommen die deutschen Unternehmen kaum noch mit.
    Trotz dieser Ausgangsposition hat diese Bundesregierung kräftig geholfen, die Wettbewerbsverzerrungen in Europa weiter zu verschärfen und die Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Unternehmen massiv zu verschlechtern. Falls Sie es vergessen haben, ich rufe nur ganz kurz die Neustädter Beschlüsse in Erinnerung: Umrechnungsschlüsse bei den Zeitgenehmigungen, die Aufstockung der Gemeinschaftskontingente, die Aufstockung der 50-Liter-Freimengenregelung. Meine Damen und Herren, dies ist der Irrweg, von dem ich anfangs gesprochen habe.
    Herr Kollege Straßmeir, Ihre anvisierten Ziele mögen noch so ehrenwert sein. Nur, mit dieser Politik der verbrannten Erde werden Sie die Ziele, die Sie formuliert haben, verfehlen, Sie werden sie damit nicht erreichen.

    (Straßmeir [CDU/CSU]: Noch brennt es nicht!)

    Die Auswirkungen für die Bundesrepublik sind nun einmal beängstigend. Der Lkw-Verkehr auf unseren Fernstraßen, den Sie zu Recht angesprochen haben, hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Schon heute ist jeder Verkehrsknotenpunkt im deutschen Autobahnnetz mit 10 000 bis 15 000 Lkw pro Tag belastet.
    Durch eine ungehemmte Deregulierungspolitik wird dieser Lkw-Verkehr in Zukunft noch weiter steigen. Auf der Straße droht in der Tat ein Verkehrsinfarkt. Die Bahn hat bei dieser Ausgangsposition dennoch das Nachsehen, ebenso wie die deutschen Seehäfen, die von dieser Entwicklung genauso negativ betroffen sind.
    Die vorgesehene jährliche Aufstockung der Gemeinschaftskontingente um 40 % bis zu einem Übergang in den freien Verkehrsmarkt bedeutet einen zusätzlichen riesigen Kapazitätsschub. Sogar die Kommission erwartet ja Überkapazitäten. Das ist doch der Grund, warum sie diesen Krisenmechanismus vorschlägt.
    Angesichts der immer stärker werdenden Belastungen für Mensch und Umwelt ist eine Verkehrspolitik, die einzelwirtschaftlichen Interessen untergeordnet wird, unverantwortbar. Bei uns hier in der Bundesrepublik — Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: bei uns im Kernland — bündeln sich diese Probleme nun allemal wie in einem Brennglas. Das hängt natürlich damit zusammen, daß in der Bundesrepublik 30 aller Verkehrsströme in der EG ihren Ursprung haben. Es ist deshalb eine Aufgabe einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik, die Voraussetzungen für eine
    ökonomisch und ökologisch verträgliche Verkehrsmarktordnung mit wirksamen Regelungsmechanismen zu schaffen.
    Wenn Sie sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs anschauen, werden Sie sehen, daß darin eindeutig ein politischer Gestaltungsauftrag enthalten ist.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Von Ihren Kollegen angestrengt!)

    — Herr Kollege Jobst, hören Sie doch mit diesen Märchen auf. Diejenigen, die die Klage angestrengt haben — ich sage: zu Recht — , waren die Kollegen Seefeld von der SPD und Hoffmann von Ihrer Partei. Also hören Sie doch mit den Märchen auf, die Sie in der Öffentlichkeit verbreiten.
    Mir geht es darum: Wenn wir alle miteinander
    — und natürlich in erster Linie die Regierenden — diesen Gestaltungsauftrag, der im Urteil steckt, angenommen hätten, wären wir heute schon viel weiter. Wenn Sie sich die Beschlüsse des Europäischen Parlaments ansehen, dann wissen Sie, daß dieser Aspekt ausdrücklich auch von den Europäern unterstrichen wird. Ein Grund für die nationale und damit auch für die europäische Malaise auf dem Verkehrssektor ist doch, daß sich gerade unsere Bundesregierung durch Nichtstun vor diesem Gestaltungsauftrag, der mit im Urteil steckt, gedrückt hat, d. h. die Bundesregierung hat ihre Handlungsmöglichkeiten bisher nicht genutzt.
    Sie hätte die Möglichkeit, die in Europa herrschenden unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen zumindest für das Gebiet der Bundesrepublik zu neutralisieren. In seinen Wirkungen wäre das darauf hinausgelaufen, die notwendige Harmonisierung für die Bundesrepublik zu erreichen.
    Diesen Weg hat sich die Bundesregierung selbst verstellt. Sie hat bis heute weder eine Verkehrsträgerkonzeption noch eine verkehrszweigübergreifende Gesamtkonzeption. Aber wenn man selbst nicht weiß, wohin die Reise gehen soll, dann bestimmen halt andere die Ziele. Wir haben in der Vergangenheit unablässig vor dieser Entwicklung gewarnt. Wir gehen — übrigens in Übereinstimmung mit den Römischen Verträgen — davon aus, daß Verkehrspolitik als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge konzipiert werden muß.
    Wettbewerb und Berücksichtigung des Allgemeininteresses lassen sich vereinbaren. Der freie Wettbewerb muß für alle Marktteilnehmer innerhalb eines in der EG gleichen hoheitlichen Ordnungsrahmens ermöglicht werden. Dieser Ordnungsrahmen muß dem Prinzip der staatlichen Daseinsvorsorge verpflichtet sein.
    Was ist Allgemeininteresse? Wir verstehen unter Allgemeininteresse einmal die flächendeckende Versorgung, die Lage der Eisenbahn, die Belastung der Transitwege, die Arbeitsplatzsicherheit, die Umwelt- und Energiesituation, die Verkehrssicherheit und nicht zuletzt natürlich die Existenz unserer mittelständischen Gewerbestruktur. Das alles muß bei der politischen Rahmensetzung Berücksichtigung finden. Wir halten das für unverzichtbar.



    Daubertshäuser
    Wir haben deshalb auch einen Änderungsantrag eingebracht. Sie haben ja die Möglichkeit, diesem dann zuzustimmen.
    Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen in der Verkehrswirtschaft, und zwar nicht nur für die Unternehmen. Wir brauchen sie ebenfalls für die Arbeitnehmer.

    (Beifall der Abg. Frau Hämmerle [SPD])

    Es liegt an der Bundesregierung, den Harmonisierungszug endlich auf die Gleise und in Fahrt zu bringen. Die Bundesregierung muß durch nationale Maßnahmen in einem ersten Schritt die Wettbewerbsbedingungen harmonisieren.
    Wir haben bereits vor Jahren vorgeschlagen, die Kraftfahrzeugsteuer für Lkw, Herr Kollege Jobst, auf die Beträge abzusenken, die in unseren Nachbarländern gezahlt werden. Sie hatten nach unseren Instrumenten gefragt. Gleichzeitig wird eine Schwerverkehrsgebühr von allen inländischen und ausländischen Nutzfahrzeugen erhoben. Sie muß aufkommensneutral gestaltet werden. Da auch ausländische Lkw die Schwerverkehrsgebühr zu zahlen haben, sind damit die heutigen Wettbewerbsvorteile der Ausländer gegenüber den deutschen Lkw reduziert.
    Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Harmonisierung gewesen. Wir haben hierfür große Zustimmung erhalten. Selbst die EG hat diese Vorschläge teilweise aufgegriffen. Jetzt, nach langem Zuwarten, ist ja auch Herr Minister Warnke offenbar bereit, sich zu bewegen. Das käme zwar reichlich spät, aber trotzdem würden wir es begrüßen. Wenn die Regierungskoalition tatsächlich einen Umdenkungsprozeß eingeleitet hat, so kann sie das ja jetzt auch durch die Zustimmung zu unserem Antrag offenlegen.
    Ich fasse noch einmal unsere Ziele einer europäischen Verkehrsmarktpolitik kurz zusammen. Wir wollen, daß die deutschen Unternehmen angemessen am Transport- und Verkehrsaufkommen in Europa beteiligt werden, die Arbeitsplätze im europäischen Verkehrswesen sicher und human gestaltet werden, daß zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße, Wasserstraße und Luft eine vernünftige Arbeitsteilung stattfindet und daß die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen in Europa harmonisiert werden, um damit einen funktionsfähigen Markt zu erhalten. Wir erteilen aber all denen eine Absage, die aus ideologischen und auch aus egoistischen Gründen die Deregulierung betreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen einen attraktiven und weltweit leistungsstarken europäischen Binnenmarkt und keinen europäischen Umverteilungsverein. Wir wollen ein Europa, das seine Vorzüge und Stärken im weltwirtschaftlichen Spiel der Kräfte optimal zur Geltung bringt. Deshalb kämpfen wir für ein leistungsfähiges europäisches Gesamtverkehrssystem.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gries.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ekkehard Gries


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nutze die Gelegenheit hier gern, aus Anlaß der Anträge, über die bisher allerdings noch keiner der Vorgänger geredet hat, auch unseren Standpunkt zu europäischen Verkehrsfragen noch einmal zu bekräftigen. Ich will am Anfang an das anknüpfen, was der Kollege Daubertshäuser eben gesagt hat. Herr Daubertshäuser, wir wollen dieses Europa. Dieses Europa hat mit Ideologie nichts zu tun. Es ist für uns spätestens seit 1945 ein erstrebenswertes politisches Ziel. Zu diesem politischen Europa gehört eben auch der freie Austausch von Menschen, Gütern und Leistungen. Ich denke, daß wir uns darin einig sind. Wir wollen es schaffen, und ich bin auch überzeugt, daß wir es schaffen werden, wenn wir den nötigen Ernst und die Bereitschaft, unter Umständen auch selber Kompromisse zu schließen und sie nicht nur von anderen zu fordern, an den Tag legen.
    Ich füge aber genauso deutlich hinzu, daß dieses Europa nicht auf unserem Altar geopfert werden kann und daß es die erwähnte Bereitschaft auf allen Seiten geben muß. Auch darüber, daß dabei einzelne Wirtschaftszweige diejenigen sind, die zahlen, während andere vielleicht nur Vorteile haben, soll man ganz realistisch reden. Es ist nicht nur eine Idee, es ist ein erstrebenswertes Ziel. Aber auf dem Wege sind natürlich noch Hindernisse zu beseitigen. Ich denke, daß man das am besten in dem offenen Gespräch mit den Partnern tun sollte.
    Ich sage hier ganz deutlich und in einer etwas vereinfachten Form, daß ich als Verkehrspolitiker nicht die Sorgen erst noch anhäufen möchte, die unsere Agrarpolitiker schon haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Denn sonst wird man auf dem Wege zu Europa nicht sonderlich erfolgreich sein können.
    Dazu gehört der gesamte Komplex, der hier schon angesprochen worden ist; ich will das jetzt nicht wiederholen, auch wenn es auf dem Papier steht. Ich will mich bemühen, hier freier zu reden und mich nicht so sehr an mein Manuskript zu halten. Wir müssen uns ernsthaft mit dem Problem der Harmonisierung und Liberalisierung befassen. Beide dürfen nicht nur Schlagwörter sein. Wir müssen auf unserem Wege zu Europa durch Harmonisierung und Liberalisierung weiterkommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die Regierungserklärung hat das ja in einer erfreulichen Weise deutlich gemacht, so daß es nicht erlaubt ist, das in Zweifel zu ziehen. Der Bundeskanzler hat in der letzten Regierungserklärung noch einmal verdeutlicht, daß es hier ein Parallelverfahren, ein Verfahren Zug um Zug, gibt. Die Liberalisierung ist manchmal schnell gemacht, aber die Harmonisierung muß folgen, sonst treten negative Konsequenzen gerade für die deutsche Verkehrswirtschaft ein; dann ist der Schaden am Ende größer als vorher, und kein Schritt in Richtung Europa ist damit erreicht.
    Wir wollen diesen EG-Verkehrsmarkt und diesen EG-Binnenmarkt schrittweise einführen, und wir wollen ihn zu fairen Bedingungen erreichen. Dazu gehört ganz besonders natürlich die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen.



    Gries
    Meine Damen und Herren, Herr Daubertshäuser hat es auch schon angeschnitten: Wir haben erhebliche Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt. Darüber muß man reden, und man muß nach den besten Möglichkeiten für die Beseitigung suchen. Man darf nicht nur von Vorurteilen ausgehen und fragen, ob die einen Anhänger der Schwerverkehrsabgabe sind und die anderen dagegen sind. Vielleicht reden wir irgendwann einmal wieder darüber, weshalb einige dafür und andere dagegen sind, und benutzen nicht diese eingestanzten Schablonen, nach denen die Diskussion bisher meines Erachtens ein bißchen abläuft.
    Wir haben natürlich Harmonisiserungsbedarf in der Frage der sozialen Verhältnisse, aber auch im Verhältnis zwischen den Absichten und den Vorschriften, die schon vorhanden sind einerseits sowie zwischen der Kontrolle und der Umsetzung der Ergebnisse andererseits. Da sind ja die großen Schwierigkeiten und die großen Unterschiede zu finden.
    Wir haben ja große Differenzen, denn es bestehen Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der fiskalischen Abgaben. Das flackert für den Laien immer nur dann auf, wenn es um Autobahnbenutzungsgebühren oder Maut oder ähnliche Dinge geht. Dahinter stehen ja aber — die Fachleute wissen das — die ganz erheblichen Unterschiede bei der Mineralöl- und bei der Kraftfahrzeugsteuer; das ist das, was so schwierig ist und was abgebaut werden muß. Niemand hat bisher den richtigen Weg dafür gefunden. Wir meinen es ernst damit.
    Auch hier will ich dem Verkehrsminister Dank dafür sagen — auch wenn das mitunter unpopulär klingt, ja, fast antieuropäisch wirken könnte —, daß er es beim letzten Mal, von Italien und Frankreich unterstützt geschafft hat, voreilige Schritte in Richtung dieser dann allerdings sogenannten Harmonisierung zu verhindern, weil wir dabei die einzigen gewesen wären, die unter die Räder gekommen wären. Das heißt — ich will das hier noch einmal bekräftigen — : Harmonisierung muß mit Liberalisierung einhergehen; das gilt umgekehrt in der gleichen Weise. Diese Abhängigkeit muß immer wieder deutlich werden. Aber wir wissen, daß wir da nicht unbedingt in der stärksten Position sind und daß die Dinge für deutsche Politiker gerade im Jahr der deutschen Präsidentschaft sicher nicht einfacher werden.
    Ich will aber auf der anderen Seite, damit kein zu düsteres Bild gemalt wird, auch durchaus darauf hinweisen, daß wir ja schon vernünftige Fortschritte erzielt haben, wenn ich z. B. daran denke, daß Maße und Gewichte, daß beispielsweise Achslasten schon vereinheitlicht sind, d. h. daß wir uns im technischen Bereich immer mehr annähern. Eine der Entschließungen, die hier heute vorliegt, hat ja auch einen technischen Vorgang zum Inhalt. Wir haben im Ausschuß mehrheitlich entschieden, daß wir uns dem angleichen, was unsere Nachbarländer für richtig halten. In diesem Antrag geht es um die Ausmaße von Kühlwagen, um das einmal denjenigen zu sagen, die die Unterlage nicht gelesen haben. Es ist wichtig, daß wir in dieser Frage nicht auseinanderfallen, daß wir uns in dem technischen Bereich — hier müßte es eigentlich am leichtesten sein — finden, daß wir ein hohes Maß
    der Angleichung bei Sozialvorschriften, was Lenkzeiten, Ruhezeiten und andere Dinge angeht, haben und daß wir unsere europäischen Partner nach wie vor dafür gewinnen müssen, daß sie in der gleichen Weise wie wir, wir etwas weniger als die anderen oder sie etwas weniger als wir, kontrollieren. Das ist das große Problem dabei. Es ist einem deutschen Unternehmer und deutschen Mitarbeitern in deutschen Unternehmen einfach nicht zuzumuten, daß es zwar gleiche Gesetze gibt, aber daß ihre Kollegen im Ausland eben nicht oder ganz selten einmal kontrolliert werden, also daß Verstöße, die immer wieder vorkommen, hier geahndet und da nicht geahndet werden. Das ist ein Problem, über das man mit den europäischen Partnern offen reden kann und muß.
    Das gleiche gilt natürlich für die Steuer, meine Damen und Herren. Wir sind hier in einer schwierigen Situation. Ich will das nur an dem Beispiel aufzeigen, daß wir unsererseits — auch intern — nicht über das Geld anderer Leute verfügen sollten. Es gibt den alten Vorschlag der FDP, den ich gerade in diesem Zusammenhang für sehr vernünftig halte, viele Dinge über die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer zu regeln. Das ist eine unbürokratische Lösung. Damit wäre unter Umständen ein Personalabbau verbunden. Es gäbe im europäischen Maßstab eine große Erleichterung. Wir brauchen natürlich die Kompensation über die Mineralölsteuer; darüber sind wir uns klar. Aber ich weiß auch, daß das, was wir auf nationaler Ebene nicht schaffen, natürlich auch auf internationaler Ebene nicht so einfach umzusetzen ist. Deshalb müssen wir uns bemühen, hier andere Wege zu finden, über die Mineralölsteuer, über die Kraftfahrzeugsteuer. Nur müssen wir wissen, daß wir bei der Kraftfahrzeugsteuer über eine Ländereinnahme reden, deren Ertrag nicht ohne weiteres auf dem europäischen Markt abzugeben ist, und daß wir nur bei der Mineralölsteuer über unsere eigenen Einnahmen, über die Einnahmen des Bundes, reden. Wir haben also auch hier noch kein Patentrezept gefunden.
    Nur, ich denke, es geht auf die Dauer nicht an, daß die bundesdeutschen Kraftfahrer über Maut und Autobahngebühren gemolken werden, daß also andere Länder Einnahmen daraus ziehen und umgekehrt an unseren Wegekosten so gut wie überhaupt nicht beteiligt sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier muß man sich noch vorbehalten, daß wir auch zu nationalen Lösungen kommen, wenn es nicht gelingt, in absehbarer Zeit internationale, europäische Gemeinsamkeiten zu entwickeln. Aber wir sind uns darüber klar, daß der Wegekostenanteil bei der Suche nach einem Gesamtkonzept wohl die entscheidende Rolle spielen wird.
    In dem Zusammenhang ist das Territorialitätsprinzip zu nennen. Die Kommission hat in dem Entwurf vom Dezember ja einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Danach soll jeder — das ist von der Idee her logisch und zu begrüßen — an den von ihm tatsächlich verursachten, am jeweiligen Ort entstehenden Kosten beteiligt werden. Es soll nicht nur das Nationalitätsprinzip gelten, was zur Folge hätte, daß jeder seinen Pkw oder seine Lkw gerade dort eintragen läßt, wo es am billigsten ist. Das wäre ja am Ende



    Gries
    sowieso die Folge. Zum Teil haben wir es jetzt schon, etwa bei der Schiffahrt das Ausflaggen. Das Ausflaggen gibt es ja inzwischen auch auf der Straße. Insofern würde das Territorialitätsprinzip dem entgegenwirken.
    Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, Herr Minister, auch für die weiteren Überlegungen, die wir ja im Ausschuß anstellen müssen: So ganz begeistert bin ich davon nach wie vor nicht. Was so logisch und so gerecht aussieht, ist natürlich auf der anderen Seite wohl mit einem geradezu wahnsinnigen bürokratischen Aufwand verbunden, zumal wenn ich höre, woran gedacht wird: an Induktionsschleifen und daran, das vielleicht durch Satelliten zu erfassen und irgendwelche Anstalten herunterzuspielen, um den Ausgleich zu schaffen. Das ist ja kein Zukunftsgemälde, sondern es ist Realität, im Verkehrsbereich so zu denken. Da graust es mir ein bißchen davor, wenn dieses an sich so vernünftige Prinzip so bürokratisiert umgesetzt werden sollte.
    Auf der anderen Seite meine ich — lassen Sie mich das noch sagen — , wir sollten nicht zu ängstlich sein. Wir haben keinen Grund, der europäischen Öffnung entgegenzuwirken. Die Qualität des deutschen Verkehrsgewerbes ist anerkanntermaßen weltweit so hervorragend, daß es durchaus mit Mut und Zuversicht in den Wettbewerb gehen kann. Es ist ja nicht so, daß die anderen alle besser wären. Ich will keine Zeugnisse ausstellen, aber ich glaube, wir sind alle davon überzeugt, daß unsere deutschen Verkehrsunternehmer diesen Wettbewerb nicht zu scheuen haben. Das heißt, daß dieser europäische Markt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine große Chance für das deutsche Verkehrsgewerbe bietet. Da sollten wir unseren Unternehmern und Mitarbeitern im Verkehrsbereich Mut machen. Wir sollten sie stärken und, soweit es Politik tun kann, die notwendigen Voraussetzungen für einen solchen freien Austausch in Europa schaffen.
    Ich bin ganz sicher, daß wir auf dem richtigen Weg sind, daß wir es schaffen werden und daß wir uns um vernünftige und faire Bedingungen bemühen können.
    Ich sage es für die Freien Demokraten: Wir sind durchaus bereit, da auch Kompromisse zu schließen, weil man auch hier nicht mit dem Kopf durch die Wand kann und weil man hier nicht allein die Wahrheit gepachtet hat und nicht allein die Maßstäbe setzen kann. Aber das Ganze muß fair in Übereinstimmung aller Europäer geschehen. Dazu sind wir bereit. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)