Rede von
Rudolf
Kraus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schreiner, so einfach ist es also mit der Verantwortung:
Die jetzige Bundesregierung muß die Verantwortung für die Fehlentwicklung vieler, vieler Jahre tragen.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat damit offenbar überhaupt nichts zu tun. Wenn man die Rede hier gehört hat, hat man den Eindruck, als ob sich diese Regierung in erster Linie auf die Verwaltung der Probleme und auf Image-Pflege, sprich: Wegtauchen, konzentrieren würde, sich aber mit der Sache nicht mehr identifizierte.
Es wurden heute eine Menge Hoffnungen geweckt. Mir fällt allerdings auf, daß kaum, insbesondere von seiten der Opposition, durchführbare Handlungsvorschläge gemacht worden sind. Den Leuten ist am allerwenigsten dadurch geholfen, daß man ihnen Hoffnungen macht, von denen man eigentlich wissen müßte, daß sie so nicht erfüllt werden können.
Interessant war für mich auch die Aussage von Herrn Stratmann hinsichtlich der Mitbestimmung. Ich glaube, das ist etwas, was wir in den nächsten Monaten im Zuge der Beratung der neuen Mitbestimmung schon beachten sollten. Hier hat ein Mann der Mitbestimmung heute bescheinigt, daß sie praktisch voll versagt habe, jemand, der sonst nicht müde wird, sich bei den Gewerkschaften immer wieder anzubiedern. Was er vorschlägt, ist nun eine ganz merkwürdige Sache. Das, was er will, hat eine große Ähnlichkeit mit dem, was in anderen Ländern unter „Arbeiterselbstverwaltung" läuft. Jemand, der auch nur minimal informiert ist, müßte eigentlich wissen, daß derartige Systeme — es gibt Beispiele dafür — wirklich in die Katastrophe geführt haben und nur ein ganz uninfor-
3568 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
Kraus
mierter Mensch überhaupt damit konfrontiert werden dürfte.
Meine Damen und Herren, beim Stahl haben wir die Situation, daß der Nachfragerückgang und die damit verbundene Rückläufigkeit der Erträge in Wahrheit natürlich der Zwang zu weiteren Anpassungen ist. Wir werden in der Bundesrepublik sicher 35 000 bis 40 000 Arbeitsplätze abbauen müssen, anteilig weit mehr als die 80 000 in der gesamten EG. Das hat natürlich letztlich auch die Infragestellung ganzer Standorte zur Folge. Daraus ziehe ich nur den Schluß, daß auf jeden Fall alles getan werden muß, das Quotensystem zu verlängern.
Es wäre verkehrt, die Ursache für die Situation der Stahlindustrie nur in der EG zu suchen. Die Ursachen sind vielmehr weltweit: weltweiter Rückgang der Nachfrage in den Industrieländern, auch in der Bundesrepublik, Vordringen der sogenannten Schwellenländer auf dem Markt, Fortschritt in der Stahltechnologie mit immer besseren Qualitäten und damit Rückgang des spezifischen Stahlverbrauchs ; Vordringen von Substitutionsprodukten und ähnliche weitere Entwicklungen. Dieser Entwicklung muß sich die Stahlindustrie in den Industrieländern anpassen. Dann wird sie auch wieder eine positive Zukunftsperspektive haben.
Der negative Einfluß der bis 1985 gezahlten Subventionen auf die Wettbewerbssituation ist ja wohl nicht zu leugnen. Wir begrüßen deshalb, daß es der Bundesregierung gelungen ist, ab 1986 das weitgehende Verbot von Subventionen für die Stahlindustrie durchzusetzen. Allerdings ist auch erkennbar, daß die Verluste von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten wieder zu Subventionen führen können.
Außerdem hat der Bericht der sogenannten Drei Weisen gezeigt, daß offensichtlich noch eine Reihe von versteckten Subventionen existiert, sei es in Form einer üppigen Eigenkapitalausstattung durch den Staat, sei es in Form von offensichtlich unbesorgt und reichlich gewährten Krediten an Unternehmen, offensichtlich deshalb, weil sie dem Staat gehören. Hier sollte die Bundesregierung einhaken, um einen neuen Subventionswettlauf bzw. ein Unterlaufen des Stahlsubventionskodex zu unterbinden. Nur bei absoluter Beihilfedisziplin kann eine Liberalisierung des Stahlmarktes gelingen.
Es wird auch häufig der Eindruck erweckt, daß nur die deutsche Stahlindustrie Kapazitäten und Personal abbaue und damit Sonderopfer für Europa bringe. Dieser Eindruck ist falsch. Seit 1974 sind die Belegschaften sowohl in Großbritannien, in Frankreich als auch in Belgien deutlich stärker abgebaut worden, als das bei uns der Fall ist. Bei einem Anteil von rund einem Drittel an Produktion und Kapazität wurden in Deutschland von 1980 bis 1985 rund 20 % der Kapazitäten abgebaut. Andere Länder wie Großbritannien, Frankreich und Luxemburg reduzierten ihre Kapazitäten stärker, als ihren Produktionsanteilen entsprach.
Ich möchte auf noch etwas eingehen: Im nordrhein-westfälischen Landtag wurde am 2. Dezember 1987 ein nationaler Stahlverbund, ein nationales Stahlkonzept auf der Basis eines europaweit wettbewerbsfähigen Stahlverbundes gefordert. Herr Farthmann forderte eine einheitliche bundesdeutsche Stahl AG nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG. Es ist unklar, was unter dem „nationalen Stahlverbund" oder einem „europaweit wettbewerbsfähigen Stahlverbund" verstanden wird. Herr Farthmann denkt offensichtlich nicht nur an eine derartige Konstruktion, wenn er eine bundesdeutsche Stahl AG nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG schaffen will. Er fordert vielmehr gleichzeitig Erhaltungssubventionen in Milliardenhöhe auf unabsehbare Zeit.
Diese Erhaltungssubventionen werden bei der Kohle aus Gründen der Energiesicherung von Bund, Ländern und Verbrauchern getragen. Sie belasten die gesamte deutsche Industrie. Ähnliche Gründe wie bei der Kohle sehen wir beim Stahl nicht. Ein solches Konzept ist deshalb auch wirklich kein Ansatzpunkt für eine Lösung des Problems. Es schaffte keine Tonne mehr Absatz — das wurde hier schon gesagt — , vielmehr würden die Verluste sozialisiert und die Verantwortlichkeiten verwischt.
Wenn aber auf Grund des verstärkten politischen Einflusses betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte vernachlässigt und Entscheidungen verzögert werden, müssen später noch gravierendere Stillegungen durchgeführt werden. Die politischen Aktivitäten müssen auf die Bewältigung zukünftiger Aufgaben gerichtet werden. Dabei geht es vor allem um die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen. Die Bundesregierung sollte sich daher weiterhin zügig für die Anwendung und Durchführung von Programmen gerade im Hinblick darauf einsetzen.
Wie das Problem der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen verantwortungsbewußt, schnell und entschlossen aufgegriffen werden kann, demonstriert die Bayerische Staatsregierung mit ihren Aktivitäten für die Standorte der Maxhütte. Die vielfältigen Maßnahmen und der engagierte Einsatz Bayerns präsentieren die mittlere Oberpfalz heute als eine zukunftsträchtige Industrieregion mit industrieerfahrener Bevölkerung und guter Infrastruktur. Wir werden alles unterlassen, dasselbe zu tun, was Sie hier machen, nämlich genau diese Standorte, für die Sie heute etwas tun wollen, in so grauenhaften Farben zu schildern, daß das Ganze zu einem echten Abschreckungsprogramm für einen jeden Investor geraten muß.
Wir bitten die Bundesregierung, weiterhin den eingeschlagenen Weg — insbesondere der Unterstützung der Bemühungen für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen — zu gehen. Das scheint uns neben der notwendigen sozialen Flankierung des Abbaus der Arbeitsplätze der entscheidende Punkt zu sein. Nur so kann man auf die Dauer die Probleme lösen, nicht mit einer hinhaltenden Taktik, mit Versprechungen, die letztlich nicht eingehalten werden können.
Ich bedanke mich.