Wissen Sie, was aus Ihren Worten spricht, ist der blanke
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3295
Bundesminister Dr. Stoltenberg
Haß. Ich mißbillige ganz entschieden, was Sie hier machen. Ganz entschieden!
— Ich glaube, Sie sind an der Reihe, Herr Kollege Vogel, hier eine klarstellende Äußerung zu machen.
Ich komme jetzt zur Debatte und zu den Zahlen zurück. Die Zahlen erregen Sie wahrscheinlich auch. Baden-Württemberg wird gegenüber geltendem Recht um 41 Millionen DM besser gestellt, Hessen um 71 Millionen DM, Niedersachsen um 24 Millionen DM jährlich, Nordrhein-Westfalen um 300 Millionen DM, Rheinland-Pfalz um 62 Millionen DM, das Saarland um 87 Millionen DM, Schleswig-Holstein um 80 Millionen DM, die Hansestadt Bremen um 134 Millionen DM ohne den Nachteilsausgleich, der befristet ist,
und Hamburg um 65 Millionen DM.
Ich weiß natürlich, meine Damen und Herren, aus den intensiven Gesprächen, die ich seit dem letzten September immer wieder mit den Finanzministern der Länder und auch mit vielen Ministerpräsidenten geführt habe — natürlich nicht nur, Herr Wedemeier, mit denen der CDU/CSU, sondern auch mit denen sozialdemokratisch geführter Länder, damit hier keine Legendenbildung betrieben wird — , daß fast alle Länder — das galt für unionsgeführte genauso wie für SPD-geführte Länder — viel weitergehendere Vorstellungen an die Neugestaltung des Finanzausgleichs zu ihren Gunsten hatten.
Nur, dies ging innerhalb der Länder nicht auf. Es sind Forderungen gestellt worden, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt werden. Es sind auch hier mit großer Polemik Behauptungen gegen uns aufgestellt worden, die im Bereich der Länder selber überhaupt keine Unterstützung gefunden haben. In den Gesprächen, an denen ich teilgenommen habe, — ich habe meine Mitarbeiter noch einmal gefragt; sie bestätigen das —,
ist die von Herrn von Dohnanyi erneut mit dem Vorwurf verfassungswidrigen Verhaltens gegen uns vorgetragene Behauptung, die Nicht-Anhebung der Einwohnerwertung sei ungerecht, von keinem einzigen Land außerhalb Hamburgs und Bremens politisch oder verfassungsrechtlich unterstützt worden, weder von CDU-geführten noch von SPD-geführten Ländern. Auch das sollten Sie fairerweise hier sagen, Herr von Dohnanyi, wenn Sie uns und mich persönlich in dieser massiven Weise attackieren.
Wir haben immer wieder interne Gespräche mit allen Ländern geführt. Aber es gab kein Einvernehmen unter den Ländern. Herr Wedemeier, es ist nicht richtig, wenn Sie gesagt haben, die Länder hätten sich im
Bundesrat am 10. Juli in der ersten Stellungnahme geeinigt.
— Ich habe das mitgeschrieben aus Ihrer Rede. Ganz unmittelbar, bevor ich das Wort nahm, haben Sie das gesagt — vielleicht in freier Rede.
Die Länder haben sich nicht geeinigt. In entscheidenden Fragen gab es eine Kampfabstimmung, und zwar nicht nach parteipolitischen Fronten. Eine Reihe der von der Union geführten Länder, die finanzstärkeren, haben mit Nordrhein-Westfalen die finanzschwachen Länder überstimmt. Daß diese Mehrheitsbildung als ungerecht empfunden wurde, will ich Ihnen jetzt einfach einmal mit einem Zitat aus dem amtlichen Protokoll des Bundesrates verdeutlichen. Der sozialdemokratische Finanzminister des Saarlandes, der Kollege Kasper, hat als sozialdemokratischer Minister diese Mehrheitsentscheidung als eine bittere Ungerechtigkeit für das Saarland bezeichnet.
Ich zitiere, weil das einmal wirklich die Dinge richtigstellt, die hier alle behauptet werden. Er hat gesagt:
Völliges Unverständnis müssen wir jedoch bekunden, wenn solche Bemühungen — das ist das Ergebnis der Beratungen des Finanzausschusses — darin enden, daß die im Gesetzentwurf der Bundesregierung erzielten und, wie ich schon aufzeigte, noch unzureichenden Verbesserungen der Finanzausstattung des Saarlandes wieder halbiert werden.
Herr Posser, wenn Sie — ich hab Ihnen das schon einmal in einem persönlichen Gespräch gesagt —, hier als Anwalt der Gerechtigkeit auftreten, dann muß ich Sie fragen: Wie konnten Sie es am 10. Juli vertreten, die Schwächsten in ihrer Gemeinschaft — das Saarland, SPD-regiert, Niedersachsen, Schleswig-Holstein — gegenüber den Entwürfen der Bundesregierung schlechterzustellen?
Wenn hier schon von Kungelei geredet wird — das tue ich hier normalerweise mit Blick auf Länder nicht; aber Sie haben ja die Vokabel verwandt —,
dann möchte ich sagen: Einiges, was hier auf Kosten des Saarlandes und der anderen finanzschwachen Länder geschehen ist, würde eher diesen Ausdruck verdienen, als das, was wir in diesem Zusammenhang verhandelt haben. Weil dies in den Konsequenzen für das Saarland und andere finanzschwache Länder nicht annehmbar war, haben wir in der Tat — das ist wahr — im Sommer, im September und Oktober, in vielen Einzelgesprächen festzustellen versucht, ob es eine gerechtere Lösung gibt.
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Bundesminister Dr. Stoltenberg
— Ja, das Saarland kommt viel besser weg; ich sage Ihnen das gleich. Das Saarland kommt jetzt in der anstehenden Lösung wesentlich besser weg, Herr Kollege, und es erzielt eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem, was am 10. Juli mit den Stimmen Nordrhein-Westfalens vorgesehen wurde. Insofern ist Ihr ironisch gemeinter Zwischenruf in der Sache durchaus zutreffend.
Wir haben in vielen Gesprächen nicht nur mit unionsgeführten Ländern versucht, einen breiteren Konsens zu erzielen. Es ist nicht richtig, wenn hier gesagt wurde, Herr Wedemeier, daß das vorliegende Ergebnis im Präsidium der CDU ausgehandelt wäre. Das Präsidium der CDU hat darüber geredet, weil das auch ein Forum ist, in dem Verantwortliche des Bundes und der Länder sich treffen. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, daß die abschließenden Erörterungen für die Vorbereitung des hier zu entscheidenden Konzepts unter Ländern selbst geführt worden sind. Ich sage „unter Länder" ; ich sage nicht „unter allen Ländern".
— Ja, genauso wie die Mehrheit am 10. Juli unter Ländern ausgehandelt wurde, genauso ist auch dies gewesen; damit hier nicht ein falscher Zungenschlag in die Diskussion hineinkommt.