Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um vorweg einige Fragen zu beantworten: Frau Beck-Oberdorf sitzt nicht im Kabinett in Bremen.
Aber Sie setzt sich trotzdem vehement für Bremen ein. Dafür bedanke ich mich.
Ich mache zwei Vorbemerkungen.
Zum einen: Sehr geehrte gnädige Frau Breuel, Sie haben gesagt, Niedersachsen habe eine bessere wirtschaftliche Entwicklung als Hamburg und natürlich auch Bremen. Ich will dazu nur sagen: Das ist auch deshalb so, weil Ihnen Hamburg und Bremen 200 000 Menschen abnehmen, die bei uns Arbeit finden und deren Arbeitsplätze von Hamburg und Bremen finanziert worden sind,
und weil wir für Ihre Menschen im Umland der Großstädte Krankenhäuser, Schulen usw. zur Verfügung stellen. Mehr dazu nicht.
Wie Sie darauf kommen, zu sagen, alle Länder seien Sieger, verstehe ich überhaupt nicht. Aber das kann ja Ihr Geheimnis bleiben.
Herrn Dr. Meyer frage ich:
— Entschuldigung; ich habe den Adelstitel vergessen.
— Sie haben von einem Kompromiß über Parteigrenzen hinweg gesprochen. Ich frage: Wie viele Parteien gibt es eigentlich in der CDU? Sie haben doch den Kompromiß ganz allein gemacht. Über welche Parteigrenzen hinweg ist denn dieser Kompromiß gemacht worden? Vielleicht zwischen CDU und CSU? Aber es hat ja eine Sitzung des CDU-Präsidiums stattgefunden. Da müssen Sie sagen: Über alle Gruppen in der CDU hinweg haben wir den Kompromiß gemacht. Das wäre richtig gewesen.
Nun zitiere ich auch für das Protokoll kurz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
Der Länderfinanzausgleich wird dem freien Aushandeln der Länder untereinander entzogen und in die Verantwortung des Bundesgesetzgebers — hier mit Zustimmung des Bundesrates — gegeben, der als solcher den Ländern insgesamt
— Herr Bundesminister —
gegenübersteht und ihnen gegenüber zur Bundestreue verpflichtet ist. Zum anderen wird er darüber hinaus nicht einfach der freien politischen Gestaltung des Bundesgesetzgebers überlassen, sondern gewissen normativen Vorgaben unterstellt ... Diese Bindungen und Vorgaben schließen politische Verhandlungen zwischen allen Beteiligten
— allen Beteiligten! —
nicht aus, ebensowenig ein Zusteuern auf Verständigung und Kompromiß. Der Bund darf sich in diesen Verhandlungen auch durchaus als ehrlicher Makler betätigen. Letztlich wird allerdings der Bundesgesetzgeber von der Verfassung in die Pflicht genommen. Der Bund darf sich nicht etwa damit begnügen, politische Entscheidungen einer Ländermehrheit ohne Rücksicht auf deren Inhalt zu beurkunden.
Und genau das, Herr Bundesminister Stoltenberg, haben Sie getan. Sie haben die politische Entscheidung einer Mehrheit der CDU/CSU-regierten Länder oder einer Mehrheit im Präsidium schlicht beurkundet. Es gab zunächst den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Auch er war für uns nicht ausreichend. Dann gab es Verhandlungen im Bundesrat. Da waren die A-Länder, die sozialdemokratischen Länder, noch beteiligt. Da hat es Kompromisse gegeben: Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Das war übrigens noch über Parteigrenzen hinweg. Da war es noch so weit.
3292 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
Präsident des Senats Wedemeier
Dann kam plötzlich hinzu, daß die Steuerreform offenbar nicht mehr durchgesetzt werden konnte, weil Herr Vogel — CDU-Vogel — in Rheinland-Pfalz versprochen hatte, er würde nie einer Absenkung des Spitzensteuersatzes zustimmen — das war aber vor der Wahl —, weil umgekehrt Herr Albrecht gesagt hatte, er würde der Steuerreform auch nicht zustimmen, und weil Frau Breuel gesagt hatte: Wer zu dem Ganzen, was der Bund überhaupt macht, geglaubt hat, der Bund werde sich als ehrlicher Makler zwischen den finanzschwachen und den finanzstarken Ländern betätigen, sieht sich durch den Gesetzentwurf des Bundes zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs getäuscht. Es hat eine ganze Menge gekostet, daß Sie heute eine andere Erklärung abgegeben haben. Auf unsere Kosten aber ist Ihnen das bezahlt worden.
Weil die Steuerreform durchgesetzt werden sollte, hat es dann diesen berühmten Kompromiß gegeben über die Parteigrenzen innerhalb der CDU hinweg. Wir sind darüber über die Presse informiert worden — welch ein Verhalten zwischen Bund und Ländern in so einer wichtigen Frage eigentlich, Länder über die Presse zu informieren —,
was denn da eigentlich ausgekungelt worden ist.
Dann die Äußerung von Herrn Albrecht im niedersächsischen Landtag, der dann aber so freundlich war
— das muß ich dazu sagen — , uns, Hamburg und Bremen, das Ausgehandelte wenigstens zu geben. So konnten wir zur Ministerpräsidentenkonferenz nach München reisen und wußten sogar, was sie beraten hatten. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte das auf der Tagesordnung. Die einzigen aber, die eine Vorlage hatten, waren die CDU-Ministerpräsidenten, weil das eine geheime Kommandosache war.
Nun haben wir ein Ergebnis im Gegensatz zum Bundesratsergebnis — man muß ja sehen, daß sich die Länder bereits geeinigt hatten —, bei dem die nichtCDU/CSU-regierten Länder eben schlicht auf der Strecke bleiben. Das ist es.
Sie mußten Ihre Mehrheiten in der Partei sichern. Das hat ein paar hundert Millionen DM gekostet. So ist es gewesen.
Daß Sie die nicht-CDU/CSU-regierten Länder außen vorgelassen haben, ist auch ganz bewußt geschehen. Das wissen wir ja.
Ich habe hier bereits am 9. September zu dem Thema Stellung genommen. Als ich gesagt habe:
Föderalismus heißt auch die Existenz der Stadtstaaten sichern
— da ist aus der CDU/CSU der Zuruf gekommen: Die müssen richtig wählen!
Laut Protokoll ein Zwischenruf.
— Das haben sie gemacht: 23 % CDU. Das haben sie gemacht.
Was ich aber damit sagen will, ist ja: Es zeigt, welcher Gedanke hinter all der Kungelei steckt, die hier vonstatten gegangen ist. Wir teilen die Republik nicht nach Arm und Reich, sondern wir teilen sie nach Schwarz und Rot. Die Schwarzen bekommen Geld und die Roten nicht. So ist es. Das ist das Problem.
Meine Damen und Herren, ich lege Ihnen von der CDU/CSU-Fraktion ans Herz — die FDP hat sich ja überhaupt nicht eingeschaltet in die ganze Debatte — : Sie können das so nicht machen. Das kann vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben. Die Bundesrepublik und auch die Steuerkasse sind doch keine Selbstbedienungsläden für CDU/CSU-regierte Länder.
— Ich muß Ihnen sagen: Die ganze Zurückhaltung hat nichts gebracht.
Ich will Ihnen jetzt an einem Beispiel einmal demonstrieren, wie — ich möchte das Wort gerne aufgreifen
— zurückhaltend z. B. die Bremer gewesen sind.
Wir sind ja nicht darauf aus, unbedingt wieder nach Karlsruhe zu gehen. Es ist ein Armutszeugnis für die gesamte Politik in der Bundesrepublik, für uns, wie aber auch für Sie, wenn wir wichtige politische Entscheidungen dauernd dort ausfechten müssen.
— Ja, dann müssen Sie aber auch einmal kompromißfähig sein
und nicht glauben: Wir beschließen mit Mehrheit und die anderen haben es zu fressen.
— So lebt eine Demokratie nicht, junger Mann.
Jetzt einmal zu zwei Punkten: Sie haben uns — ich beziehe mich jetzt auf den Beschluß des Finanzausschusses — einen Nachteilsausgleich gewährt für die Jahre 1983 bis 1985 in Höhe von 200 Millionen DM verteilt auf zwei Jahre. Richtig nachgerechnet sind es eigentlich 260 Millionen DM. Eigentlich müßten Sie auch 260 Millionen DM hineinschreiben. Es gab einmal eine Phase, da hat uns der Bundesfinanzminister gefragt, ob wir auch mit 200 Millionen DM zufrieden wären. Das war 1986. Damals wollte er ein Vorschaltgesetz machen. Dann haben wir gesagt: Wenn wir das Geld sofort kriegen, sind wir mit 200 Millionen DM
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einverstanden, denn dann sparen wir ja für zwei, drei Jahre Zinsen. Das hat nicht geklappt, weil die CDU das nicht wollte. Jetzt kriegen wir aber nicht die 260 Millionen DM, die uns eigentlich zustehen, sondern nur noch 200 Millionen DM, und wir bekommen das Geld später.
Dann ziehen Sie das mit heran — da hat der Pförtner beim Bundesverfassungsgericht wirklich recht —
und sagen: Weil ihr einen Nachteilsausgleich für die Jahre 1986 und 1987 bekommt, erhaltet ihr keine Beträge für die eingetretene Haushaltsnotlage. Nun muß man sich einmal folgendes vorstellen: Wir mußten in den Jahren 1983 bis 1985 260 Millionen DM aufnehmen, weil wir, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, bei den Bundesergänzungszuweisungen in verfassungswidriger Weise benachteiligt worden sind. Wir mußten damals also zusätzlich 260 Millionen DM an Krediten aufnehmen. Jetzt bekommen wir von den 260 Millionen DM nur 200 Millionen zurück. Wir müßten sie ja eigentlich gleich wieder den Banken zurückgeben, die uns diese 260 Millionen DM damals vorgeschossen haben. Jetzt kommen Sie aber, Herr Vorsitzender, und sagen: Nein, das verbessert eure Einnahmesituation. Deshalb bekommt ihr keine Beträge für den Haushaltsnotstand. Ich kenne eine ganze Reihe von Mitgliedern der CDU-Fraktion — es sind nicht nur Bremer — , die sagen, daß dies eindeutig verfassungswidrig ist. Ein Jurist, der es wirklich ehrlich meint mit seinem Beruf, der muß das auch zugeben.