Ich will das gleich aufnehmen: Wenn wir als GRÜNE nicht andere Vorstellungen auch als die SPD hätten, könnten wir ja gleich zu ihr übertreten. Diese Debatte wird sehr wohl geführt. Wir meinen, daß Strukturkrisen nicht in richtiger Weise entgegengewirkt und daß auch nicht ausreichend vorausschauende Politik gemacht wurde, sondern nur das Alte bewahrt worden ist. Trotzdem ist es zu billig, so zu tun, als ob man nun auf der kleinen landespolitischen Ebene alles schon besser hätte machen können, wenn sich im Nachbarland genau das gleiche abspielt. Vergleichen Sie doch einmal die Werftenpolitik Schleswig-Holsteins mit der Bremens! Da sind eben die großen Unterschiede nicht zu finden. Und dagegen wende ich mich.
Ich möchte hier jetzt auch keine Laudatio auf die SPD-Politik in Bremen halten.
Nur, wir sind uns einig darin, daß wir uns in Bremen über den Fortgang und über die Gestaltung der Politik nicht einmal mehr streiten können, wenn nicht endlich das Geld rüberkommt. Denn sonst können wir dort über unterschiedliche Wege gar nicht mehr argumentieren.
Herr Grobecker wird in einiger Zeit einen Nothaushalt für Bremen auflegen müssen. Das bedeutet eben, daß es weniger oder überhaupt kein Geld für Zukunftsinvestitionen mehr gibt; das zeichnet sich ab. In wirtschaftspolitischen Aktionsprogrammen werden jetzt die Teile weggestrichen werden, die gerade ökologische Investitionen betreffen.
Auch wird es eben keinen Einstieg in die bitter notwendige Strukturpolitik im Bereich Werften und Schiffahrt geben, die über kosmetische Korrekturen hinausgeht. Dann wird eben nur das herauskommen, was von Herrn Lambsdorff hier immer so euphemistisch Gesundschrumpfen genannt wird, was eben nichts anderes ist als ein Kaputtgehenlassen dieser alten Industrien. Daß wir GRÜNEN uns dagegen mit aller Vehemenz wehren, haben wir in anderen Debattenbeiträgen, speziell zu Werften oder Stahl, in diesem Hause ja schon dargelegt.
Die jetzt vorgelegte Neuregelung im Länderfinanzausgleich ist unseres Erachtens ohnehin nur ein Provisorium. Denn wir sind fest davon überzeugt, daß die hier gewonnenen mageren Spielräume für die finanzschwachen Länder immer wieder aufgefressen werden. Das wird jetzt — dazu ist meines Erachtens heute morgen viel zu wenig gesagt worden — durch die Steuerreform geschehen. Die Steuerreform wird das, was Bremen bekommt, dicke wieder auffressen. Insofern wird sich dieses Haus natürlich recht bald mit Vorschlägen, wie sie von uns gebracht worden sind, ernsthafter befassen müssen, nämlich tatsächlich mit ganz neuen Strukturansätzen im Länderfinanzausgleich und im Ausgleich zwischen dem Bund und den Ländern, in denen Strukturmerkmalen, z. B. Arbeitslosigkeit oder den daraus entstehenden Sozialhilfelasten, tatsächlich ganz anders Rechnung getragen wird.
Im Interesse der kurzfristigen Erweiterung der bremischen Handlungsspielräume unterstützen wir hier jedoch die Forderung der bremischen SPD und des Senats sowie der SPD-Fraktion in diesem Hause, die Haushaltsnotlage für Bremen anzuerkennen und eine Gleichbehandlung mit dem Saarland vorzunehmen. Da Herr Grobecker hier nun nicht selbst sprechen wird, möchte ich ihn gern zitieren. Denn ich finde es ausgesprochen treffend — das kann kaum treffender gemacht werden —, wenn er immer sagt: Die Haushaltsnotlage bekomme ich in Karlsruhe schon vom Pförtner zugesprochen. Ich gehe davon aus, daß das genau das ist, was passieren wird. Es wird einen neuen Gang vor den Kadi geben. Es ist völlig unersichtlich, wie Sie argumentieren wollen, daß Sie dem Saarland diese Haushaltsnotlage nicht nur zugestehen, sondern auch alimentieren, dem Land Bremen aber, das nachweislich wesentlich schlechtere Finanzdaten hat, dieses Geld nicht zugestehen wollen. Wie Sie das dort argumentativ aufrechterhalten wollen, ist mir völlig unerklärlich.
Es kann perspektivisch nicht angehen, daß die immer stärker auseinanderklaffenden Lebensbedingungen zwischen Nord und Süd, die eben, wie gesagt, nicht nur hausgemacht sind, allein dem Ausgleich zwischen den Ländern zugeschoben werden. Das
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3291
Frau Beck-Oberdorf
überfordert die mögliche Ausgleichskraft der Länder. Auch darf das Schicksal einzelner Gebiete nicht dem Gezerre der Länder unterworfen werden, wie man das hier dann sieht, sondern hier ist der Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Bundesergänzungszuweisungen werden meines Erachtens eine immer größere Bedeutung in diesem Finanzausgleich bekommen, wenn dem Verfassungsauftrag des Ausgleichs Rechnung getragen werden soll.
Es ist — auch das ist schon oft gesagt worden —schlichtweg ein Skandal, wenn jetzt nichts anderes passiert, als daß Herr Stoltenberg zusammen mit Herrn Albrecht einen Länderfinanzausgleich nach Parteibuch hinbastelt. Anders ist es hier nicht gelaufen.
Wir unterstützen also die hier eingebrachten Forderungen und Anträge, die Haushaltsnotlage Bremens anzuerkennen und Bremen einen Nachschlag von 75 Millionen zu gewähren.
Mit der geforderten Erhöhung einer sogenannten Einwohnerwertung haben wir — auch das haben wir in internen Gesprächen dargelegt — durchaus Probleme, weil wir davon ausgehen, daß eine Politik, die die Städte als Oberzentren so sehr stärkt und die Landgebiete in ihrer untergeordneten Situation beläßt, sehr problematisch ist. Große teure Opern und derlei sind zwar sehr schön, aber gerade in Beziehung auf das problematisch, was den ländlichen Gebieten an kulturellen Angeboten gemacht werden soll. Insofern haben wir Vorbehalte. Doch auch hier stimmen wir zu, weil wir in Bremen im Augenblick — um es ganz platt zu sagen — das nehmen müssen, was wir kriegen können.
Aber wir gehen davon aus, daß insgesamt neue Strukturen im Finanzausgleich angepackt werden müssen, wie wir es in unserem Gesetzentwurf dargestellt haben.