Das ist aber eine nette neue Gepflogenheit des Hauses.
— Das kann ja noch kommen. Sie machen ja so eine gute Mütterpolitik. Wenn dabei noch etwas mehr herausspringt, wird es vielleicht noch mehr Kinder geben.
Es ist eine etwas schwierige Situation, jetzt hier quasi als Patriotin aufzutreten, jeder oder jede für ihr oder sein Land, und nun in das große Gejammer darüber einzutreten, welchem Land es nun am schlechtesten geht. Wir haben nun schon gehört, Niedersachsen hat eine katastrophale Finanzsituation, das Saarland hat hier bis jetzt noch nicht gesprochen, wird aber das gleiche reklamieren;
Herr Dohnanyi hat sehr überzeugend dargelegt, daß es ein Ausbluten der Städte gibt. Und nun kommen wir aus Bremen. Wir werden Ihnen jetzt erzählen, daß es uns noch schlechter als all den anderen geht.
Ich gebe zu, daß das natürlich von vornherein etwas von der Glaubwürdigkeit wegnehmen kann, aber es ist einfach so. Die Finanzsituation Bremens ist in der Tat noch viel dramatischer als die der angeführten Beispiele. Insofern kann die Beschreibung „Land unter in Bremen" kaum treffender sein. Bei uns in Bremen geht nichts mehr, wenn sich im Wege der Umverteilung nicht etwas ändert.
Wenn wir GRÜNEN in der Debatte um IWF und Dritte-Welt-Problematik immer gefordert haben, jetzt endlich zu radikalen Lösungen zu kommen und nicht nur über Zinsmoratorium, sondern über radikalen Schuldenerlaß zu reden, so kann ich hier prophezeien, daß wir in einigen Jahren vielleicht hier sitzen werden und über solche Maßnahmen reden müssen, die für Bremen notwendig werden, weil sich der Schuldenberg für dieses kleine Land Jahr für Jahr so überproportional auftürmt, daß dann Herr Wedemeier vielleicht ähnliche Forderungen an den Bund stellen wird, damit er in seinem Land überhaupt noch Politik machen kann. Wie Sie wissen, hat zu Ihrer aller Erstaunen Herr Herrhausen inzwischen solche Vorschläge für nicht ganz abwegig erklärt. Also mal gucken, was da noch kommt!
Wenn man sich die Debatte vom September anschaut, sieht man, daß da das passiert ist, was auch hier im Hause immer ausgesprochen unerfreulich ist, nämlich daß auf ganz demagogische und billige Art und Weise Schuldzuweisungen vorgenommen werden. Herr Neumann, CDU-Abgeordneter aus Bremen, hat dort so getan, als sei das ehemals blühende Land Bremen der 60er Jahre durch die SPD-Politik und durch Herrn Koschnick in den Ruin geritten worden.
Diese Art von Niveau sollten Sie sich selbst eigentlich schenken, meine Herren.
Das ist natürlich ausgesprochen billig, weil Sie alle es eigentlich besser wissen. Ich kann nur hoffen, daß Sie es besser wissen, daß der Niedergang von alten Industrien in bestimmten Regionen — hier sind es Stahl und Werften —,
die die nördlichen Länder anders betroffen haben als die südlichen Länder, natürlich nicht hausgemacht gewesen sind. Es ist unsinnig, so zu tun, als ob ein kleines Bundesland nun alle Macht hätte, politisch gegen Strukturverwerfungen zu steuern, die sich auf viel höherer Ebene abspielen. Insofern ist das — das müssen Sie zugeben — einfach platte Demagogie. Sie müssen zugeben, daß auch CDU-regierte Länder, z. B. Ostfriesland, eklatant hohe Arbeitslosenzahlen haben, daß auch dort die Werften kaputtgehen und daß auch das Land Schleswig-Holstein in keiner Weise besser dran ist als das SPD-regierte Land Bremen.
Insofern möchte ich bitten, von diesen billigen Schuldzuweisungen Abstand zu nehmen.
Auch die von Herrn Neumann angeführte Verschwendungssucht im öffentlichen Dienst in Bremen ist so ein unhaltbarer Vorwurf. Es hat zwar Anfang der 70er Jahre einen Ausbau der öffentlichen Leistungen in hohem Maße gegeben, aber natürlich ist es da in Bremen auch die CDU als Oppositionspartei gewesen, die den Ausbau öffentlicher Leistungen gefordert hat. Aber jetzt tut sie so, als ob sie damit nichts mehr zu tun haben will. Nun braucht sie ja auch keine Angst davor zu haben, daß sie dieses Land und die Aufgaben, die sich dort stellen, übernehmen müßte — davon sind sie seit dem 13. September weiter denn je entfernt —,
aber auch hier möchte ich diese billige Art von Schuldzuweisungen einfach zurückweisen. Wir können nämlich belegen, daß sich die Personal- und Sachausgaben in Bremen seit 1979 überproportional reduziert haben, und insofern ist Bremen ein Land, das tatsächlich anfängt, zum Armenhaus der Nation zu werden, was die Schuldzuweisung anlangt.