Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Breuel, Sie haben es mir und meinen niedersächsischen Kollegen mit der Rede, die Sie eben gehalten haben, nicht einfacher gemacht. Ich darf nur sagen: Die Äußerungen des Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg sind eine Wahrnehmung berechtigter Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg und nicht eine unangemessene Polemisierung in dieser Debatte gewesen. Ich weise diesen Vorwurf zurück.
Als niedersächsischer Bundestagsabgeordneter möchte ich hier für mich und eine Reihe von Kollegen, deren Namen ich gleich vortragen werden, erklären, warum wir anders als die SPD-Bundestagsfraktion insgesamt bei dem Gesetzentwurf über den Finanzausgleich abstimmen werden. Die Kollegen sind: Gerd Andres, Arne Börnsen, Edelgard Bulmahn, Alfred Emmerlich, Carl Ewen, Annette Faße, Monika Ganseforth, Fritz Gautier, Günter Graf, Ingomar Hauchler, Klaus-Dieter Kühbacher, Edith Niehuis, Jan Oostergetelo, Hermann Rappe, Wilhelm Schmidt, Dietmar Schütz, Bodo Seidenthal, Peter Struck, Margitta Terborg, Günther Tietjen und Peter Würz. Wir sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen fühlen uns angesichts der hier zu entscheidenden Frage berechtigt, aus der sonst von uns natürlich auch für sehr wichtig angesehenen Solidarität der Bundestagsfraktion der SPD ausscheren zu können.
— Nun seien Sie doch mal ruhig!
Die Finanzlage des Landes Niedersachsen ist katastrophal durch eine verfehlte Finanzpolitik, für die Sie, Frau Breuel, die Verantwortung tragen.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedingt, ist allein 1987 insgesamt dreimal ein Haushalt in Hannover aufgestellt worden, bei dem die Nettokreditaufnahme von 2,1 Milliarden DM auf schließlich 3,3 Milliarden DM gestiegen ist.
Wenn wir uns jetzt bei der Abstimmung über dieses Gesetz, das Niedersachsen hilft, der Stimme enthalten, dann tun wir das deshalb, weil wir glauben, daß auch dieses Gesetz, insbesondere, Herr Bundesminister der Finanzen, die Erhöhung der Bundesergänzungszuweisungen, ein geeigneter Beitrag ist, um das Süd-Nord-Gefälle, unter dem gerade wir Niedersachsen zu leiden haben, auszugleichen. Wir hätten es allerdings begrüßt, wenn dieses Volumen der Bundesergänzungszuweisungen auch noch so hätte ausgeweitet werden können, Herr Kollege Stoltenberg, daß man den Ländern Hamburg, Bremen, Saarland und Nordrhein-Westfalen mehr Hilfe hätte gewähren können, als das jetzt offenbar der Fall ist.
Die Benachteiligung der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Saarland führt uns sozialdemokratische Abgeordnete aus Niedersachsen dazu, daß wir auf keinen Fall diesem Gesetzentwurf zustimmen können. Wir haben auch Zweifel an dem verfassungsmäßigen Zustandekommen dieses Gesetzes. Ob es verfassungswidrig ist, wird das zuständige Organ zu klären haben, wenn es angerufen wird. Wir sehen uns deshalb nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf der Regierungskoalitionen zuzustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf aus den Gründen, die ich eben dargestellt habe, der Stimme enthalten.
Wir stellen allerdings zuletzt eines fest, gerichtet an Sie, Frau Kollegin Breuel, und gerichtet an die niedersächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten hier in diesem Hause: Die katastrophale Finanzlage des Landes Niedersachsen ist offenbar. Sie wird verschärft, und zwar erheblich verschärft, durch die Zustimmung
3284 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
Dr. Struck
der Landesregierung, zu den bereits verabschiedeten Steuersenkungsgesetzen. Sie wird sich noch erheblich verschärfen durch eine mögliche Zustimmung der Landesregierung Niedersachsens im Bundesrat zur sogenannten großen Steuerreform 1990, die wir für unsozial und ungerecht halten und die allein deshalb schon abgelehnt werden müßte.
Aber diese sogenannte große Steuerreform kostet das Land Niedersachsen jährlich 1,2 bis 1,4 Milliarden DM Mindereinnahmen in seinem Haushalt. Deshalb fordern wir die Kollegen der Union aus Niedersachsen auf, dann, wenn dieses Gesetz hier im Bundestag zur Entscheidung ansteht, mit uns dieses Gesetz abzulehnen.
Vielen Dank.