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    Plenarprotokoll 11/47 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 47. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 3253 A Seiters CDU/CSU 3253 C Jahn (Marburg) SPD 3253 D Tagesordnungspunkt 23: Aussprache über die Reform des Gesundheitswesens Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3254 A Dreßler SPD 3256 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 3259 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 3262 A Seehofer CDU/CSU 3263 C Kirschner SPD 3264 D Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/789, 11/1404, 11/1405) b) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/1038, 11/1404, 11/1406) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern (Drucksachen 11/805, 11/1404) Dr. Grünewald CDU/CSU 3266 B Poß SPD 3270 C Rind FDP 3272 C Hüser GRÜNE 3275 D Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . . . 3278 D Frau Breuel, Minister des Landes Nieder- sachsen 3281C Dr. Struck SPD 3283 B Dr. Posser, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3284 A Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU . . . . 3287 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3289 A Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3291 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 3294 A Dr. Apel SPD 3298 B Jung (Lörrach) CDU/CSU 3299 C Dr. Graf Lambsdorff FDP (Erklärung nach § 31 GO) 3300B Namentliche Abstimmungen 3301 A, C Ergebnisse 3301D, 3304 A Vizepräsident Cronenberg 3274 C Nächste Sitzung 3305 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 330* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abg. Funke (FDP) zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 24 (Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern) 3307* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3307* D Anlage 4 Mittel für den Ausbau und die Entwicklung der Universitätsklinik in Regensburg MdlAnfr 6 27.11.87 Drs 11/1381 Stiegler SPD SchrAntw StSekr Dr. Boning BMBW . . . 3308* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3253 47. Sitzung Bonn, den 4. Dezember 1987 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 12. Antretter ** 4. 12. Frau Beck-Oberdorf 4. 12. Frau Blunck ** 4. 12. Böhm (Melsungen) ** 4. 12. Frau Brahmst-Rock 4. 12. Dr. Briefs 4. 12. Büchner (Speyer) ** 4. 12. Catenhusen 4. 12. Bühler (Bruchsal) ** 4. 12. Duve ** 4. 12. Ehrbar 4. 12. Engelhard 4. 12. Dr. Feldmann ** 4. 12. Frau Fischer 4. 12. Gattermann 4. 12. Glos 4. 12. Dr. Götz 4. 12. Graf 4. 12. Dr. Häfele 4. 12. Dr. Hauff 4. 12. Dr. Haussmann 4. 12. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 4. 12. Heimann 4. 12. Helmrich 4. 12. Frau Dr. Hellwig 4. 12. Dr. Hennig 4. 12. Höpfinger 4. 12. Hoppe 4. 12. Frau Hürland-Büning 4. 12. Irmer ** 4. 12. Jansen 4. 12. Jaunich 4. 12. Frau Karwatzki 4. 12. Kiechle 4. 12. Kittelmann ** 4. 12. Dr. Klejdzinski * 4. 12. Klose 4. 12. Dr. Köhler (Wolfsburg) 4. 12. Kreuzeder 4. 12. Leidinger 4. 12. Lemmrich** 4. 12. Lenzer ** 4. 12. Dr. Lippelt (Hannover) 4. 12. Frau Luuk ** 4. 12. Dr. Möller 4. 12. Dr. Müller * 4. 12. Müller (Schweinfurt) 4. 12. Dr. Neuling 4. 12. Niegel** 4. 12. Frau Pack** 4. 12. Petersen 4. 12. Reddemann ** 4. 12. Regenspurger 4. 12. Reuschenbach 4. 12. Ronneburger 4. 12. Sauter (Epfendorf) 4. 12. Dr. Scheer * 4. 12. Schily 4. 12. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmidt (München) ** 4. 12. Frau Schmidt-Bott 4. 12. Schmitz (Baesweiler) 4. 12. Dr. Schmude 4. 12. von Schmude ** 4. 12. Sellin 4. 12. Dr. Soell ** 4. 12. Spranger 4. 12. Dr. Stavenhagen 4. 12. Stobbe 4. 12. Dr. Todenhöfer 4. 12. Uldall 4. 12. Frau Vennegerts 4. 12. Frau Dr. Vollmer 4. 12. Dr. Waigel 4. 12. Dr. Warnke 4. 12. Weisskirchen (Wiesloch) 4. 12. Wieczorek (Duisburg) 4. 12. Frau Wieczorek-Zeul 4. 12. Wissmann 4. 12. Dr. Wulff ** 4. 12. Zierer ** 4. 12. Dr. Zimmermann ** 4. 12. Zywietz ** 4. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abg. Funke (FDP) zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 24 (Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern): Ich habe gegen das obige Gesetz gestimmt. Ich halte es für verfassungswidrig. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist in nicht angemessener Weise im Hinblick auf die Einwohnerwertung und die Hafenlasten berücksichtigt worden. Insbesondere die zum Teil kritiklose Übernahme des Ifo-Gutachtens und die ständig für Hamburg nachteilige Ausübung von Schwankungsbreiten bei der Beurteilung sind in meinen Augen verfassungswidrig. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. November 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch (Achtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes) 3308* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhof s Siebtes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Erdölbevorratungsgesetzes Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß er gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beratung nachstehender Vorlagen abgesehen hat: Drucksache 11/147 Drucksache 11/883 Nr. 24, 25, 29 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/929 Nr. 2.7, 2.8, 2.9, 2.10, 2.11 Drucksache 11/973 Nr. 2.5 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/561 Nr. 2.13 Anlage 4 Antwort des Staatssekretärs Dr. Böning auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/1381 Frage 6): Welche Mittel stehen nach den gegenwärtigen Beschlüssen im Rahmen des Zeitraumes der mittelfristigen Finanzplanung für den Ausbau und die Entwicklung der Universitätsklinik in Regensburg bereit, und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß die Mittel über die vom Wissenschaftsrat empfohlenen Größenordnungen hinaus aufgestockt werden, um dem ostbayerischen Raum endlich ein Krankenhaus der Versorgungsstufe III komplett zu sichern? Für das Universitätsklinikum Regensburg sind bisher folgende Vorhaben in den Rahmenplan mit der höchsten Kategorie aufgenommen worden: — 1. Bauabschnitt mit Gesamtkosten von gut 73 Millionen DM, — 2. Bauabschnitt mit Gesamtkosten von ca. 405 Millionen DM, — Planungs- und Erschließungskosten in Höhe von ca. 40 Millionen DM. Vom 1. Bauabschnitt sind hiervon bisher 65,7 Millionen DM realisiert worden, vom 2. knapp 104 Millionen DM und von den Planungs- und Erschließungskosten 36 Millionen DM. Insgesamt sind für das Universitätsklinikum Regensburg damit bisher ca. 206 Millionen DM ausgegeben worden. Der Bund wird auch die noch nicht in Anspruch genommenen 312 Millionen DM für die oben genannten Vorhaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau mitfinanzieren. Der Bund wird sich seine Meinung zu dem Antrag des Freistaates Bayern vom 2. März 1987 zur Mitfinanzierung eines 3. Bauabschnittes für das Klinikum Regensburg im Lichte des Ergebnisses der Prüfung durch den Wissenschaftsrat bilden. Bestimmend für diesen Meinungsbildungsprozeß des Bundes wird zum einen das Fachvotum des Wissenschaftsrates sein. Zu berücksichtigen ist aber auch die finanzielle Situation der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau. Sie wird nicht nur von den verfügbaren Bundesmitteln bestimmt, über die im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für das Haushaltsjahr 1989 beraten werden wird, sondern auch von weiteren großen Vorhaben unter anderem des Freistaates Bayern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe. Bayern hat ebenfalls im Frühjahr 1987 auch die Grundsanierung des Klinikums Erlangen-Nürnberg mit einem Kostenvolumen von insgesamt 750 Millionen DM beantragt. So sehr ich Verständnis dafür habe, daß regionalpolitische Erwägungen dafür sprechen mögen, im ostbayerischen Raum ein Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe zu etablieren, so sehr bitte ich um Verständnis dafür, daß dies kein Argument für den Bau einer Hochschulklinik sein kann. Bei dieser muß der Wissenschaftsrat und der Bund sich allein von den Notwendigkeiten für Forschung und Lehre leiten lassen. Ginge es nur oder im Wesentlichen um Fragen der Krankenversorgung, so wäre hierfür allein der Freistaat Bayern zuständig.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Uwe Hüser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Ich war mir ziemlich sicher, daß diese Frage kommt. Wenn wir uns hier gegenseitig vorhalten, wer wann in welchen Ausschüssen und im Plenum ist, können wir den Laden hier sofort dicht machen. Ich könnte diese Frage ebenfalls stellen. Im Rechtsausschuß gab es beispielsweise dieselbe Situation. Eine Mehrheit zusammen mit der SPD wäre möglich gewesen, aber es war überhaupt nicht möglich, SPD-Abgeordnete in den Ausschuß zu bekommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Frau MatthäusMaier [SPD]: Sie waren im Finanzausschuß nicht da! Keiner! — Dr. Apel [SPD]: Ebermann war auch nicht da! Der war in der Hafenstraße!)

    — In dieser Sitzung waren wir nicht da. Aber wir haben uns an anderen Diskussionen beteiligt. Deswegen werden meine Ausführungen hier aber nicht falscher.

    (Bohl [CDU/CSU]: Sie kommen nur, wenn das Fernsehen da ist!)

    Ich war bei der Umverteilung des Umsatzsteueraufkommens stehengeblieben. Es ist offensichtlich, daß sich die Situation zuungunsten der Länder und Kommunen entwickelt hat.
    Ebenso ist auch ein größerer Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer notwendig, damit sie ihre
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3277
    Hüser
    Aufgaben, die notwendig sind, bei den Investitionen und im Sozialbereich vornehmen können und die kommunale Selbstverwaltung nicht zur Farce wird. Dies ist auch eine Forderung, die die Kollegen, auch die Kollegen Ihrer Partei, aus dem Deutschen Städtetag erhoben haben.
    Aber nichts in dieser Richtung wird von der Regierung in Erwägung gezogen. Im Gegenteil: Durch die Steuerreform erleiden die Länder und Gemeinden Steuerverluste in Milliardenhöhe. Allein der Ausfall der Gemeinden in Höhe von über 6 Milliarden DM — diese Berechnungen sind erst kürzlich angestellt worden, es sind keine 5 Milliarden DM, sondern es sind über 6 Milliarden DM —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie es doch erst einmal ab!)

    — es kann höchstens noch mehr werden — ist ungefähr zehnmal so hoch wie der Betrag, um den die Bundesregierung die Bundesergänzungszuweisungen zu erhöhen bereit ist.
    Dieser gewollte Steuerausfall belastet die sowieso schon krisengeschüttelten Regionen weitaus stärker als die reichen Länder, da sie auf keine Mark mehr verzichten können. Da die Steuersenkungen zudem auch noch unsozial verteilt sind, entfällt auf die Krisenregionen mit extrem vielen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, die von einer Steuersenkung sowieso nicht profitieren, der weitaus kleinere Teil der sogenannten Stärkung des privaten Konsums.
    Dies bewirkt wiederum, daß auch durch die Steuerpolitik die Disparitäten zwischen Nord und Süd noch verschärft werden und damit alles andere getan wird, als einheitliche Lebensverhältnisse herzustellen.

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Sie haben es immer noch nicht verstanden!)

    — Nein, ich werde auch dabei bleiben.
    Meine Damen und Herren, der isolierte Vorschlag der Bundesregierung mit den von den CDU-Ländern ausgehandelten Änderungen ist unter den vorgenannten Punkten nichts weiter als der Versuch, den minimalsten Anforderungen der Verfassung gerecht zu werden. Mit Ansätzen von Strukturpolitik hat der Entwurf überhaupt nichts zu tun, da diese Regierung überhaupt keine Strukturpolitik machen will.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Mit unserem Gesetzentwurf erheben wir natürlich nicht den Anspruch, einen Vorschlag zu machen, der die Strukturprobleme im ganzen und auf einmal löst. Dazu sind viele Komponenten nötig, die wir aber an anderer Stelle schon genannt haben und die alle den Schwerpunkt haben, Arbeitsplätze in ökologischen und sozial verträglichen Bereichen zu schaffen, z. B. Investitionen zur Reinhaltung der Luft, in der Energieeinsparpolitik, im öffentlichen Nahverkehr, im Abfallbereich, die Schaffung von regionalen Entwicklungsfonds und auch direkte staatliche Maßnahmen gegen Massenentlassungen bei Stahl und Kohle.
    In dieser Situation können wir nichts weniger gebrauchen als Steuergeschenke für die Wohlhabenden und Einnahmeverluste für die öffentliche Hand, die dann nicht mehr in der Lage ist, die nötigen Maßnahmen zu bezahlen.
    Der Gesetzentwurf ist aber ein wichtiger Baustein, um dem verfassungsrechtlichen Postulat dieser Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse dadurch Rechnung zu tragen, daß einerseits der Bund finanziell stärker in die Pflicht genommen wird als bisher und andererseits der Ausgleich der Länder untereinander sich stärker an den objektiven Merkmalen der Strukturschwächen orientiert.
    Im einzelnen fordern wir eine geänderte Umverteilung des Umsatzsteueraufkommens. Durch die 1988 in Kraft tretende Steuertarifänderung sind die Länder-und Gemeindehaushalte mit nahezu 8 Milliarden DM Mindereinnahmen betroffen gegenüber knapp 6 Milliarden DM beim Bund. Um die notwendige Finanzkraft der Länder und Gemeinden im Verhältnis zum Bund zumindest zu erhalten, ist eine Anhebung des Umsatzsteueranteils um einen Prozentpunkt nötig. Dies sind Mehreinnahmen von ungefähr 1,3 Milliarden DM für Länder und Gemeinden.
    Bei dem Finanzausgleich der Länder untereinander betrifft unsere wichtigste Änderung die volle Berücksichtigung der Steuereinnahmen der Gemeinden zur Feststellung der Finanzkraft der Länder. Es ist offensichtlich, daß die Einnahmen der Gemeinden einen erheblichen Anteil an der Finanzkraft eines Landes haben. Dies spiegelt sich z. B. an dem daraus resultierenden notwendigen Umfang eines kommunalen Finanzausgleichs wider.
    Der angesehene Grundgesetzkommentar MaunzDürig schreibt hierzu:
    Die Steuereinnahmen der Gemeinden werden nach § 8 Abs. 5 Finanzausgleichsgesetz allerdings nur zur Hälfte angesetzt. Diese Regelung dürfte über den Ermessensspielraum hinausgehen, der durch die Forderung nach „Berücksichtigung" der Finanzkraft der Gemeinden eingeräumt wird. Sie begünstigt die ausgleichspflichtigen Länder, ohne daß ein sachlicher Grund dafür vorliegt. Aus dem Sinn und Zweck des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 ergibt sich vielmehr, daß die Steuerkraft der Gemeinden voll in den horizontalen Finanzausgleich einbezogen werden muß.
    Somit ist die Argumentation, eine volle Einbeziehung der Gemeindesteuern wäre verfassungswidrig, nicht stichhaltig. Es ist vielmehr eine politische Entscheidung, wie gerecht diese Vorschrift geregelt werden soll, und wir haben uns durch die volle Einbeziehung der Gemeindesteuern für die wohl gerechteste Lösung entschieden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ebenso schreibt der Art. 107 des Grundgesetzes ausdrücklich vor, daß neben der Finanzkraft auch der Finanzbedarf der Gemeinden zu berücksichtigen ist. So spiegeln die von den Kommunen kaum beeinflußbaren Sozialhilfeausgaben einen für alle Kommunen dem Grunde nach gleichen Finanzbedarf wider, der aber in der Höhe je nach Strukturschwäche der Region sehr unterschiedlich ist. Es ist nicht übertrieben, wenn wir davon sprechen, daß für viele Kommunen die Sozialhilfe zum Sprengsatz des Gemeindehaus-
    3278 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
    Hüser
    halts geworden ist. So sind z. B. in Duisburg die Sozialhilfeausgaben allein für die Unterstützung von Arbeitslosen zwischen 1982 und 1986 von 7 Millionen DM auf über 35 Millionen DM explodiert.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Furchtbar!)

    Dies führt zu einem finanziellen Teufelskreis. Was die Kommunen auf der einen Seite für die Folgen der Arbeitslosigkeit aufwenden müssen, fehlt ihnen auf der anderen Seite für soziale, ökologische und beschäftigungssichernde Investitionen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    An dieser Todesspirale dreht ja der Kruppkonzern aktuell wieder kräftig mit.
    Unsere Konsequenz aus diesem Sachverhalt ist, daß wir die Sozialhilfeausgaben der Gemeinden als Finanzbedarf anerkennen und somit von den Steuereinnahmen der Gemeinden abziehen und damit eine für alle einheitliche Grundlage schaffen, die natürlich denen zugute kommt, die Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und als Folge davon auch mit hohen Sozialhilfeausgaben haben.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Einen Punkt im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen, der sich von der Regierungsvorlage unterscheidet, möchte ich am Schluß noch hervorheben. Die Regierungsvorlage sieht vor, nach Abzug von Vorabbeträgen die Bundesergänzungszuweisungen nur als Anpassung der allgemeinen Finanzkraft zu verwenden.
    Wie schon vorher erläutert, spiegelt die Arbeitslosigkeit sehr genau die Strukturunterschiede der Länder wider. Die Arbeitslosigkeit ist auch ein Indikator dafür, daß überproportional Finanzmittel notwendig sind, um hier arbeitsplatzschaffende Maßnahmen zu tätigen. Von daher halten die GRÜNEN es für notwendig, einen erheblichen Teil der Bundesergänzungszuweisungen, nämlich 30 %, nach Maßgabe der Arbeitslosigkeit zu verteilen.
    Meine Damen und Herren, Sie zu bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, werde ich mir verkneifen, da ich in den Vordiskussionen gemerkt habe, daß Sie gar nicht gewillt sind, sich mit den Ansätzen, die wir in die Diskussion gebracht haben, auseinanderzusetzen. Hier hätte ich auch diese Zwischenfrage eigentlich mehr erwartet.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Zur Diskussion waren Sie ja eben nicht da!)

    Aber eines kann ich Ihnen versichern, meine Damen und Herren von der Koalition, mit Ihrer Politik treiben Sie die Lebensverhältnisse der Länder immer weiter auseinander, als sie auszugleichen. Ich bin sicher, die betroffenen Menschen werden dies nicht länger tatenlos hinnehmen. Die Unruhen im Ruhrgebiet sind nur ein erstes Anzeichen dafür.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    Ausreichende Finanzmittel und eine gerechtere Verteilung bei den Ländern und Gemeinden sind natürlich nicht zwangsläufig Garantie dafür, daß diese Mittel auch sinnvoll eingesetzt werden.

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Beispiele gibt es hier genug wie der Dollart-Hafen in Niedersachsen oder ökologisch schädliche und ökonomisch sinnlose Hafenerweiterungen und vieles mehr.

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Oder die Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen!)

    Ein paar Worte zu den SPD-Anträgen: Grundsätzlich finde ich es bedauerlich, daß Sie sich mit den Ansätzen in unserem Gesetzantrag überhaupt nicht befaßt haben, auch wenn ich im Hintergrund schon positive Stimmen dazu gehört habe, was die Berücksichtigung von Arbeitslosigkeit und auch Sozialhilfekomponenten betrifft.
    Nun habe ich Verständnis dafür, daß Sie in der prekären Situation, in der sich die meisten SPD-regierten Länder befinden, versuchen, den Entwurf der Bundesregierung durch Änderungsanträge gerechter zu gestalten. Wir werden Ihren Anträgen auch zustimmen, da sie in sich gerechtfertigte Punkte enthalten, deren nochmalige Begründung ich mir hier erspare.
    Auch wenn ich nochmal betone, daß die großen Strukturprobleme durch andere politische Mittel gelöst werden müssen und der Länderfinanzausgleich hier nur unterstützend wirken kann, so möchte ich nochmal darauf hinweisen, daß wir es für zwingend notwendig halten, daß zumindest in der Richtung, die unser Gesetzentwurf zeigt, weitere Diskussionen stattfinden. Der Entwurf der Bundesregierung mit den Kompromissen aus den Koalitionsländern wird mit Sicherheit keine Unterstützung darstellen, um diese Strukturprobleme zu lösen. Zu Einzelproblemen wird nachher meine Kollegin noch weitere Ausführungen machen.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. von Dohnanyi.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist erstens ungerecht, zweitens verfassungswidrig und drittens politisch kurzsichtig.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] und des Abg. Funke [FDP])

    Ich will versuchen, das kurz zu begründen. Bei einer Debattenlage am Freitagvormittag, an die ich mich aus der Vergangenheit sehr wohl erinnern kann, müssen wir gerade von der Bundesratsbank her versuchen, das kurz zu machen.
    Ich kann verstehen, wenn hier der Eindruck entsteht: Jedes Land vertritt hier seine Interessen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nur Sie nicht, was?)

    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3279
    Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi (Hamburg)

    Und wenn's ums Geld geht, sind sie alle da. — Ich bitte doch, daß zugehört wird, weil es ja wirklich auch um die Interessen der Länder und um die Gerechtigkeit gegenüber den Ländern geht.
    Hamburg als Stadtstaat — ich will versuchen, das Problem an diesem Beispiel zu illustrieren —

    (Zuruf des Abg. Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU])

    — ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege, wenn Sie einen Augenblick zuhören könnten — Hamburg ist eines der drei zahlenden Ländern. Hamburg hat seit 1970 7,5 Milliarden DM in den Finanzausgleich gezahlt, der Freistaat Bayern seit dieser Zeit 3,8 Milliarden DM herausgenommen. Aus einer Kasse für arme Länder, in die die Freie und Hansestadt Hamburg gezahlt hat! Hamburg zahlt im Jahre 1987 erneut mehr als 250 Millionen DM in diesen Länderfinanzausgleich. Pro Einwohner hat Hamburg seit 1970 4 000 DM gezahlt, der zweitgrößte Zahler pro Einwohner, Baden-Württemberg, weniger als 2 000 DM pro Einwohner. —

    (Duve [SPD]: Hört! Hört! Das muß einmal gesagt werden! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Nur damit Klarheit besteht, was die wirkliche Sachlage ist. Es wird hier ja sehr abstrakt diskutiert, und keiner weiß mehr, worum es in der Sache wirklich geht. —(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten
    der GRÜNEN)
    Das wäre ja richtig, Herr Bundesminister — und Sie könnten Ihre Vorlage hier dann vertreten — , wenn die Finanzkraft Hamburgs dem wirklich entsprechen würde. Das ist aber tatsächlich nicht der Fall.
    Die bisherige Regelung zum Länderfinanzausgleich hat die Stadtstaaten anders gestellt als die Flächenstaaten, indem man gesagt hat, in den Flächenstaaten gilt jeder Einwohner gleich 100, und in den Stadtstaaten gilt jeder Einwohner gleich 135. Und man hat gemeint, diese Berechnung würde dem Unterschied zwischen dem Bedarf der Einwohner in den Großstädten und dem Bedarf der Einwohner in den Flächenstaaten am Ende insgesamt gerecht werden. Interessant war schon, daß wir zu Beginn dieser Debatte festgestellt haben, daß z. B. München — im Verhältnis zum Durchschnitt des Freistaats Bayern von 100 — in der Finanzausstattung bei 151 liegt; Stuttgart — im Verhältnis zum Durchschnitt Baden-Württembergs von 100 — bei 155 und Frankfurt — im Verhältnis zum Durchschnitt Hessens von 100 — bei 165.
    Wir haben dann — das ist richtig — ein Ifo-Gutachten bekommen. Das Ifo-Gutachten sollte dem Auftrag des Verfassungsgerichts folgen, vergleichbare Großstädte mit den Stadtstaaten in Vergleich zu setzen. Wir sind der Auffassung, daß vergleichbare Großstädte in erster Linie solche sind, die metropole Aufgaben erfüllen, wie wir das in Hamburg tun: mit Flughafen, mit großen Kultureinrichtungen, mit großen Universitäten usw.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Neue Heimat!)

    — Auch mit den Problemen der Neuen Heimat; das ist
    auch richtig. Aber trotzdem, Herr Kollege, wäre ich
    dankbar, Sie würden weiter versuchen, zuzuhören
    und Ihre Vorurteile doch einmal bitte zu Hause zu lassen, um hier zu arbeiten, anstatt zu polemisieren.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie des Abg. Funke [FDP] — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Vogel ist als Oberlehrer besser! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Merkwürdige Methoden! — Glocke des Präsidenten)

    Wenn Sie, Herr Kollege, also einmal versuchen, die wirklich vergleichbaren Städte mit Hamburg zu vergleichen, dann haben Sie fünf Städte in der Republik, die am ehesten vergleichbar sind: München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf und Hannover. Zwei davon liegen in Finanzausgleich empfangenden Ländern, nämlich Düsseldorf und Hannover, die drei anderen in entweder nicht mehr empfangenden oder sogar zahlenden Ländern.
    Wenn man nun den Vergleich zwischen Hamburg mit seiner Finanzausstattung und dem Durchschnitt dieser fünf Großstädte anstellt, dann müßte Hamburg 800 Millionen DM mehr haben, ehe die Stadt gefordert werden könnte, Finanzausgleich zu zahlen. — Sie nicken mit dem Kopf, Herr Kollege Grünewald. — Dies muß doch jeden nachdenklichen Menschen zu der Schlußfolgerung führen: Wenn der Unterschied, z. B. zwischen Hamburg und München, heute so ist, daß die Finanzausstattung Münchens, übertragen auf Hamburg, etwa 400 Millionen DM mehr ausmachen würde, und wir dennoch Finanzausgleich zahlen müssen, während München bis ins letzte Jahr hinein am Finanzausgleich beteiligt war,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Skandalös!)

    dann kann doch etwas nicht stimmen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich bitte Sie, doch einmal die eklatante Ungerechtigkeit zu verstehen, mit der hier gearbeitet wird.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich bin der SPD-Fraktion dankbar, daß Sie die Einwohnerwertung von 135 auf 145 durch ihren Antrag heraufsetzen will. Freilich liegen nach unserer Berechnung auch die 145, die selber ein Kompromiß sind, unter dem, was eigentlich für die Stadtstaaten erforderlich ist.
    Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, es sollen vergleichbare Großstädte herangezogen werden. Das ist mit dem großen Durchschnitt des Ifo-Gutachtens nicht erfolgt. Hier hat also in Wahrheit die Bundesregierung dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nicht Folge geleistet.

    (Duve [SPD]: Nicht verfassungsgehorsam!)

    Die Pendler-Problematik, von der gesagt wurde, man solle darauf wenigstens einen Blick werfen, hat die Bundesregierung, Herr Kollege Stoltenberg, offenbar überhaupt nicht beschäftigt. Wir leisten 750 Millionen DM im Jahr nur an Lohnsteuer — Einkommensteuer nicht eingerechnet, weil wir die so gar nicht festhalten können — an die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 750 Millionen jedes Jahr! Wir
    3280 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
    Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi (Hamburg)

    kriegen ja für all die Lasten, die mit der Erhaltung dieser Arbeitsplätze verbunden sind, keinen Pfennig aus der Lohnsteuer. Keinen Pfennig! Aber die Regierung hat keinen Blick auf diese Problematik geworfen!

    (Dr. Grünewald [CDU/CSU]: Und die Kaufkraft?)

    Schließlich: Die Berechnung der Finanzkraft ohne Berücksichtigung der Sozialhilfe — das ist vorhin schon gesagt worden — ist eine Absurdität.

    (Bohl [CDU/CSU]: Dafür bauen Sie die Hafenstraße aus!)

    — Ich bin gern bereit, mit Ihnen auch über die Hafenstraße zu debattieren. Aber Sie sähen ziemlich schlecht aus, Herr Kollege, wenn wir darüber reden würden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie des Abg. Funke [FDP])

    Die Sozialhilfe wird nicht von unserer Finanzkraft abgezogen. Wir sind nicht in der Lage, diese „außergewöhnliche Belastung" — um es steuertechnisch auszudrücken — , die Hamburg ja durch das Zahlen von Sozialhilfe in der Finanzkraft beeinträchtigt, auch nur abzuziehen, um unsere Finanzkraft zu berechnen.
    Die Ungerechtigkeit ist also eklatant. Es wird immer mißverstanden: Wir als Hamburger wollen doch gar kein Geld von anderen. Wir wollen nur nicht weiter in den Finanzausgleich zahlen müssen, solange andere Städte besser als wir behandelt werden.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Funke [FDP])

    Der zweite Punkt die Verfassungswidrigkeit. Herr Kollege Grünewald, Sie haben hier das Stichwort geliefert. Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts war nachdrücklich, nicht die Mehrheit zu suchen, sondern eine Vorlage zu machen, die dem Verfassungsauftrag entspricht. Ich erinnere mich sehr wohl, wie in den Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht, an denen ich teilgenommen haben, der Präsident, Herr Zeitler, den Vertreter der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Voss — ich sage es mal in einfacher Sprache — den Rost dafür runtergetan hat, daß die Bundesregierung die These vertreten hat, ihre Aufgabe sei es allein, gewissermaßen notariell zu beurkunden, was aus den Länderkompromissen herauskommt.

    (Dr. Struck [SPD]: Das ist wahr!)

    Vorhin haben Sie gesagt, Sie hätten Ihre Verhandlungen mit Blick auf die Mehrheit im Bundesrat geführt. Ich sage von dieser Stelle aus schlicht: Dies ist verfassungswidrig.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die Bundesregierung hätte eine Vorlage machen
    müssen, mit der sie notfalls, wenn die Länder zu anderen Ergebnissen kommen, untergehen mußte, um
    dann selber vor Gericht gehen und die Verfassungswidrigkeit dort feststellen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] und des Abg. Funke [FDP])

    Diese Form, einen nicht gerechten Finanzausgleich von vornherein gewissermaßen nur notariell von Mehrheiten beurkunden zu lassen, wird Sie teuer zu stehen kommen. Ich werde das, was Sie gesagt haben, vor dem Gericht zitieren, wenn wir uns dort wiedersehen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die Verfassung ist in zweierlei Weise verletzt worden.
    Erstens ist gegenüber den Stadtstaaten nicht die Vergleichbarkeit mit den Großstädten wirklich festgestellt worden. Zweitens ist das Nivellierungsverbot verletzt. Seit 1952 gibt es eine Rechtsprechung, die sagt: Ein Flächenstaat darf als zahlendes Land nicht unter oder auf das Niveau eines empfangenden Landes gedrückt werden. Hamburg ist ein zahlender Stadtstaat und liegt eindeutig und nachweisbar unter dem Niveau

    (Bohl [CDU/CSU]: Ja! Unter welchem Niveau?)

    der Pro-Kopf-Finanzausstattung von vergleichbaren Großstädten im empfangenden Ländern, z. B. Hannover, Düsseldorf, aber auch München. Das ist verfassungswidrig.
    Drittens. Es ist kurzsichtig, was Sie hier machen. Bremen und Hamburg sind nun einmal die beiden größten Städte Norddeutschlands. Sie haben große Aufgaben für die Region. Wir beschäftigen netto 175 000 — nach Abzug der Auspendler — Einpendler, davon 100 000 netto aus Schleswig-Holstein. Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hätte eine Arbeitslosigkeit von nahezu 20 % , gäbe es nicht die Hamburger Arbeitsplätze für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Schleswig-Holstein.
    Herr Kollege Stoltenberg, nun wird der Stadt Hamburg die Substanz entzogen, indem man uns ausblutet zugunsten anderer Länder, anstatt die Stadt zu stärken und der Stadt eine Chance zu geben, ihre Funktion in Norddeutschland zu erfüllen.

    (Beifall bei der SPD)

    Da wird dann gesagt — ich höre das ja hier aus den Reihen der Opposition — :

    (Seiters [CDU/CSU]: Immer noch Koalition! — Bohl [CDU/CSU]: Wir sind hier nicht in Hamburg! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Die Hafenstraße!, die anderen sagen: Welches Niveau!, die Dritten sagen: An der Arbeitslosigkeit in Hamburg sind wir ganz gewiß selber schuld!, nicht wahr?
    Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister hat uns bestätigt: Seit 1970 ist der Zuwachs in den Ausgaben der Freien und Hansestadt Hamburg der niedrigste aller Bundesländer. Das gilt sowohl für den
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3281
    Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi (Hamburg)

    Personalbereich wie für den Sachbereich. Man kann uns also nicht der Verschwendung bezichtigen. Die Arbeitslosigkeit in den Großstädten um Hamburg herum ist nicht geringer, nicht größer, etwa genauso wie auch in Hamburg. Die Bundesländer, in denen Hannover, Kiel und Lübeck liegen, werden nicht von Sozialdemokraten regiert, auch die Stadt Lübeck nicht. Es ist also falsch, wenn uns vorgeworfen wird: Ihr seid ja selber schuld an dem, was in Norddeutschland los ist. Das sind törichte Argumente. In Wahrheit ist es so: Norddeutschland ist schwerer belastet, und wir müssen in dieser Zeit eher gestärkt als geschwächt werden. Was Sie, Herr Kollege Grünewald, begründen, ist eine Schwächung des Stadtstaates.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich fasse zusammen: Die sogenannte Neuordnung ist phantasielos und unverantwortlich. Die Bundesregierung ist ihrem verfassungspolitischen Auftrag nicht gerecht geworden. Herr Bundesfinanzminister, Sie sind hier ein Buchhalter der Ungerechtigkeit und ein Notar der Machtverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und nicht ein Gestalter von Politik, wie Sie es sein müßten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Ist das etwa nicht Polemik?)

    Ich will ein weiteres Wort an Sie richten, Herr Bundesminister. Sie kennen die Lage in Norddeutschland. Mit Ihrer Politik, mit dem, was Sie Hamburg und Bremen antun, zerstören Sie die Chancen von Norddeutschland. Sie müssen hier an dieser Stelle auch noch einmal begründen, wie Sie eine solche Position überhaupt beziehen konnten.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Funke [FDP])

    Ich stelle nachdrücklich fest: Die Stadtstaaten haben so keine Zukunft. Wenn Sie die Länderneugliederung wollen, Herr Bundesminister — ich bin dazu bereit — , dann müssen Sie es aber sagen, dann müssen wir diese Frage verfassungspolitisch eben neu aufnehmen. Die Stadt aber auszubluten, anstatt ihr eine Chance zu geben, das ist unzulässig, und das können wir nicht hinnehmen.
    Es macht einen ja nachdenklich, wenn man sich folgendes überlegt: Wäre Hamburg nicht Teil der Republik, wären wir eine reiche Stadt! Denn von den Steuern und den Zöllen, die wir einnehmen, geben wir rund 80 % weiter an den Bund und an andere Länder. Eine solche Debatte kann ja niemanden lostreten. Sie müssen aber einmal überlegen, was die Hamburgerinnen und Hamburger von einem Bundestag denken müssen, der solche Beschlüsse zur Ausblutung unserer Stadt faßt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Separatist! — Klaus Störtebeker!)

    Die Bundesregierung weiß, daß ihre Vorlage verfassungswidrig ist. Sie weiß, daß Ungerechtigkeit und politische Kurzsichtigkeit die Grundlage dieses Länderkompromisses, dem sie sich gebeugt hat, sind. Die Bundesregierung hat in der schwierigen Aufgabe — ich gebe das zu — , der sie gegenüberstand, versagt.
    Ich befürchte, wenn so entschieden wird, wird Hamburg erneut zu Gericht gehen müssen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Bevor Sie von Versagen reden, Herr Dohnanyi, muß etwas passieren!)

    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall des Abg. Funke [FDP])