Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Poß, Sie haben hier den Vorwurf erhoben, es sei außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens so quasi hinter den Kulissen gekungelt worden. Demgegenüber möchte ich Sie doch einmal darauf aufmerksam machen, wie intensiv im Finanzausschuß am 4. November nicht nur um jedes einzelne Detail gerungen, sondern auch über die aktuellen Zahlen und Fakten, die dem Regierungsentwurf zugrunde lagen, gesprochen wurde und die Entscheidung nicht am 4. November gefällt wurde, sondern erst in der nachfolgenden Ausschußsitzung. Das war unser Beitrag dazu, genügend Gelegenheit zu geben, alle Argumente mit den Senatoren der Länder und mit den Finanzministern auch der SPD-geführten Länder auszutarieren und zu einem ausgewogenen Verhältnis zu kommen. So war das, und es wurde nicht hinter den Kulissen gekungelt, wie Sie behauptet haben.
Meine Damen und Herren, man muß dem Verfassungsgericht für sein Urteil vom 24. Juni 1986 eigentlich dankbar sein, dankbar deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht relativ weit in die Einzelfragen des Länderfinanzausgleichs eingestiegen ist. Dies hat uns als Gesetzgeber in die Lage versetzt, ein Konzept vorzulegen, das, wenn überhaupt, nur noch punktuell angreifbar wäre und dann auch nur noch punktuell geändert werden müßte. Die Entscheidung am heutigen Tag und nachfolgend im Bundesrat stellt also die Weichen für Länderfinanzausgleiche und Bundesergänzungszuweisungen für eine längere Zeit. Unter diesem Aspekt ist der Kampf der Länder im Vorfeld der Gesetzgebung, unabhängig von der politischen Couleur, verständlich. Es kann nach dem Beschluß des Finanzausschusses des Bundesrates von gestern als sicher gelten, daß, wenn heute die parlamentarischen Hürden hier im Bundestag genommen sind, auch der Bundesrat dem Vorhaben zustimmen wird.
Dieser große Erfolg hat sicherlich nicht nur einen, sondern mehrere Väter oder Mütter. Einen wichtigen, wenn nicht gar den wichtigsten Beitrag hat dabei der Bundesfinanzminister geleistet. Ohne die Aufstokkung der Bundesergänzungszuweisungen aus Haushaltsmitteln des Bundes um 689 Millionen für das Jahr 1988 wäre sicherlich ein für die Länder mehrheitsfähiger Kompromiß nicht gefunden worden.
Wir Freien Demokraten legen deshalb Wert auf diese Feststellung, weil eine solche Bereitschaft nicht selbstverständlich ist. Bei all der Kritik an einzelnen Regelungen sollte dazu auch einmal ein Wort des Dankes — ich denke hier nicht zuletzt an die SPDgeführten Länder — für diese Bundesmittel zu hören sein. Dies ist leider nicht der Fall.
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Es ist keine Selbstverständlichkeit, Frau Matthäus-Maier, daß der Bund aus Haushaltsmitteln hier um fast 700 Millionen aufstockt.
Der horizontale Finanzausgleich geht den Bund ja nur insoweit etwas an, als er ihn zu reglementieren hat. Dazu, wie der Bund dies zu regeln hat, hat das Bundesverfassungsgericht grundlegende Ausführungen gemacht. Ich erwähne hier nur die Einbeziehung der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgaben in den Finanzausgleich und die volle Berücksichtigung der bergrechtlichen Förderabgaben.
Nun gibt es neben diesen verfassungsrechtlichen Geboten unumstritten weiteren Regelungsbedarf, bei dem politischer Gestaltungsspielraum vorhanden war. Ich spreche hier summarisch die Abgeltungsbeträge für Hafenlasten, die Berücksichtigung der Gemeindesteuerkraft und die Einwohnerwertung an. In diesem disponiblen Bereich haben wir, wie ich glaube, gerechte und vertretbare Entscheidungen gefällt.
Bei dem Thema Hafenlasten haben wir uns dem Votum des Bundesrates weitgehend angeschlossen. Dies geschah, weil der Bundesrat entgegen den Zahlen, die die Bundesregierung zugrunde gelegt hatte, mit den tatsächlich angefallenen Ausgaben für diesen Bereich gerechnet hat. Dies war die Entscheidungsgrundlage für unsere Regelung bei den Hafenlasten.
Entgegen dem Votum des Bundesrates erschien es uns jedoch nicht gerechtfertigt, die besonderen Hafenlasten des Landes Niedersachsen für den Seehafen Emden unberücksichtigt zu lassen. Wir wollen — und ich dokumentiere dies ausdrücklich als unseren politischen Willen — Niedersachsen im Bereich seiner Seehäfen eine Hilfe in vertretbarer Höhe gewähren.
Nun einige Ausführungen zu einem Thema, das uns im Finanzausschuß besonders bewegt hat, nämlich der Frage der Einwohnerwertung in den Stadtstaaten. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Einwohnerwertung der Hansestädte mit 135 nicht verworfen. Es hat nur den Auftrag gegeben, für die Einwohnerwertung verläßliche Daten zu erarbeiten. Dazu hat das Ifo-Institut ein Gutachten vorgelegt. Die darin enthaltenen konkreten Zahlen hat Kollege Dr. Grünewald korrekt zitiert. Sie sind zu Recht Grundlage der Einwohnerwertung der Stadtstaaten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß nicht nur wir diese Meinung vertreten, sondern auch das Land Nordrhein-Westfalen, also ein SPD-geführtes Bundesland, höhere Einwohnerwerte für Hamburg und Bremen abgelehnt hat; dies allerdings — dies unterstelle ich wohl nicht zu Unrecht —, weil eine höhere Einwohnerwertung u. a. eben zu Lasten des Länderausgleichs auch für das Land NRW gegangen wäre. So läuft das ab, wenn hier Bundesländer mit Recht ihre eigenen Interessen vertreten.
Ich habe auch bei den Diskussionen im Finanzausschuß von den Vertretern Hamburgs und Bremens nie eine Antwort auf das Argument gehört, daß Bürger aus dem Umland, die in den Hansestädten arbeiten, zur Wertschöpfung in den Hansestädten beitragen und man diese Wertschöpfung bei der Festsetzung der
Einwohnerwertung eigentlich schon berücksichtigen sollte. Kein Wort dazu, weil dies nicht ins Konzept gepaßt hat.
Nun einige Ausführungen zum § 11 a, den Ergänzungszuweisungen des Bundes. An dieser Stelle haben wir im Finanzausschuß über die Parteigrenzen hinweg einen einstimmigen Beschluß zustande gebracht, und zwar zur Aufstockung des Gesamtvolumens von 1,5 auf 2 v. H. des Umsatzsteueraufkommens für die Jahre 1988 bis 1993. Es ist klar, daß die Opposition hier zugestimmt hat. Aber nach diesem einstimmigen Beschluß hätte man eigentlich schon erwarten können, daß die Vertreter der SPD im Finanzausschuß Verständnis dafür gehabt hätten, daß weitere Forderungen auf Nachteilsausgleiche für NRW und Bremen im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen zu Lasten des Bundeshaushalts nicht mehr vertretbar waren. Sie, meine lieben Kollegen von der Opposition, haben ja wohl auch eine Verantwortung für den Bundeshaushalt, die Sie auch einmal als Oppositionspartei sehen sollten.
— Lieber Herr Kollege Apel, der Vorwurf der Manipulation wurde vom Kollegen Grünewald mit Recht zurückgewiesen. Ich bin der einzige Redner meiner Fraktion, ich möchte nicht zu ausführlich zu Lasten meiner Redezeit auf solch unqualifizierte Zwischenrufe eingehen.
Wir haben bei den Ergänzungszuweisungen eine Haushaltsnotlage nur beim Saarland für die Jahre 1987 bis 1990 anerkennen können. Bremen ist nach unserer Auffassung durch Zahlung des Nachteilsausgleichs in den Jahren 1987 bis 1988 besser dargestellt, als es tatsächlich ist. Aber die Anerkennung einer Haushaltsnotlage darf wirklich nur die ultima ratio sein. Dieser außergewöhnliche Ausnahmefall ist eben in den Jahren 1987 bis 1988 für Bremen wegen der Nachzahlung des Nachteilsausgleichs nicht gegeben. Gleichwohl sind wir der Meinung, daß für Bremen ab 1989 eine gesetzliche Änderung notwendig wird, wenn sich die Haushaltslage in Bremen bis dahin nicht gravierend verbessert. Ich glaube, dies wird nach allen Anzeichen, die man hat, nicht der Fall sein.
Wir setzen uns daher dafür ein, daß Bremen nach Auslaufen des Nachteilsausgleichs ab 1989 ebenfalls Mittel zur Beseitigung der Haushaltsnotlage erhält.
Nun gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der die Bundesregierung auffordert, weitere Hilfen für das Land NRW im Bereich Kohlelasten zu gewähren. Was bei Debatten um diese Fragen immer unerwähnt bleibt, ist das, was der Bund zur Unterstützung der schwierigen Lage in den Kohlerevieren tatsächlich tut. Da gab es im Finanzausschuß eine interessante Debatte, bei der Herr Minister Pos-
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ser von 10 Milliarden DM jährlicher Unterstützung für den Bergbau sprach, Herr Kollege Glos von der CDU/ CSU von 18 Milliarden DM. Wegen dieser unterschiedlichen Aussagen habe ich einmal nachrecherchiert. Ich darf hier an dieser Stelle zu Ihrem Entschließungsantrag einmal ganz pauschal feststellen: Alle direkten Unterstützungsleistungen im Bereich Kohlelasten betragen ca. 10 Milliarden DM. Das ist wohl die Zahl, die Herr Posser genannt hat. Hinzu kommen Zuschüsse des Bundes zur Knappschaftsversicherung in Höhe von 8,5 Milliarden DM. Das ergibt das Gesamtvolumen von 18,5 Milliarden DM.
Die Zuschüsse zur Knappschaftsversicherung stärken die Haushaltsposition des Landes NRW nachhaltig. Denn das sind Gelder, die dort ausgegeben werden und in den Wirtschaftskreislauf fließen.
Von diesen 18,5 Milliarden DM entfallen nach seriösen Schätzungen ca. 80 v. H. auf das Land NRW, so daß richtig 14 bis 15 Milliarden DM beim Land Nordrhein-Westfalen ankommen.