Rede von
Dr.
Joachim
Grünewald
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten haben wir über Parteigrenzen hinweg, also miteinander und natürlich auch gegeneinander, um eine verfassungsfeste, mehrheitsfähige und halbwegs gerechte Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gerungen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß dieses Ringen von harten, sehr harten politischen Meinungsverschiedenheiten begleitet war und zur Stunde noch ist, wie auch ein Blick auf die sonst selten so hochkarätig besetzte Bundesratsbank beweist.
Die Materie ist außerordentlich komplex und kompliziert. Sie ist gerade deshalb und wegen der großen Finanzvolumina, die zur Diskussion stehen, besonders für politische Auseinandersetzungen geeignet. Dagegen ist im Prinzip nichts, aber auch gar nichts zu sagen, weil nur auf dem fruchtbaren Boden einer Vielheit von Meinungen und nur im demokratisch und sachlich ausgetragenen Meinungsstreit wirklich gute Entscheidungen heranreifen können.
Wenn allerdings die besonderen Schwierigkeiten der Thematik, wie leider geschehen, so auch noch in den letzten Tagen, zu unzulässigen Vereinfachungen und zu parteipolitisch eingefärbten, für den Bürger draußen im Lande überhaupt nicht mehr nachvollziehbaren Streitereien führt
— Herr Apel, ich glaube, es wird noch viel unruhiger werden —, weil man diese Streitereien so mißbraucht, dann verlieren solche Auseinandersetzungen allerdings ihre innere Rechtfertigung.
Um es gleich ganz deutlich eingangs zu sagen: Die Koalitionsfraktionen sind bei ihren ebenso intensiven wie sorgfältigen Beratungen nur dem Gesetz und den Leitsätzen des Karlsruher Urteils gefolgt.
Entgegen allen anderslautenden Erklärungen, Herr Apel, wurden einzelne Bundesländer aus parteipolitischer Opportunität weder bevorzugt noch benachteiligt,
und schon gar nicht, Herr Minister Posser, wurde willkürlich gerechnet oder gar willkürlich gehandelt.
Die nahezu gleichmäßige Unzufriedenheit aller Bundesländer bestätigt die Richtigkeit dieser Behauptung
— darauf kommen wir noch — und damit, so meine ich, auch die Richtigkeit der von uns gefundenen Lösungen ganz besonders eindrucksvoll.
Noch gestern hat sich diese Unzufriedenheit in den Gremien des Bundesrates erneut artikuliert. Dort soll es nämlich — so habe ich mir soeben sagen lassen — zum wiederholten Male in sehr unterschiedlichen Koalitionen — übrigens über A- und B-Länder-Grenzen
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987 3267
Dr. Grünewald
hinweg — mal wieder zu sehr unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen im Detail gekommen sein.
— So ist es.
Meine Damen und Herren, der bundesstaatliche Finanzausgleich dient dem Ziel, Bund, Länder und Gemeinden finanziell weitgehend selbständig und unabhängig voneinander so zu stellen, daß sie ihre Aufgaben unabhängig erfüllen können. Von diesem Ansatzpunkt her regelt das Gesetz die Verteilung des Finanzaufkommens in verschiedenen aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen, wobei jeder Stufe bestimmte Verteilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet sind. Daraus ergibt sich insgesamt ein verfassungsrechtlich normiertes Gefüge des Finanzausgleichs, das zwar in sich beweglich und anpassungsfähig ist, dessen fünf Stufen aber nicht beliebig funktional ausgewechselt oder übersprungen werden können. Dieses Gefüge führt zu einer Finanzausgleichssystematik, die vom Gesetzgeber zwingend zu beachten ist und deshalb seine, also unsere Gestaltungsmöglichkeiten ganz erheblich einengt.
Der vorliegende Gesetzentwurf trägt dieser Systematik Rechnung, auch und insbesondere bei der sehr umstrittenen Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen 1987 und beim Nachteilsausgleich. Nicht evidente Willkür, wie es da im Vorfeld hieß, Herr Minister Posser
— wir haben hier überhaupt kein schlechtes Gewissen, Frau Matthäus-Maier —,
sondern allein finanzausgleichssystematische Gründe bestimmen insoweit den Lösungsvorschlag der Koalitionsfraktionen.