Rede von
Dieter-Julius
Cronenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer Dank verdient, dem sollte man Dank sagen. Ich möchte mich bei der Opposition bedanken, nicht weil diese Debatte heute morgen so früh angesetzt worden ist — das hat mich ein bißchen gestört — , sondern weil sie für heute beantragt worden ist. Sie haben damit einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, daß wir gestern unter Druck ordentlich und vernünftig fertig geworden sind.
Über die Notwendigkeit der Strukturreform will ich mich hier nicht auslassen. Dafür reicht die Zeit nicht. Ich verweise auf das, was der Bundesarbeitsminister gesagt hat. Dem stimmen ja dankenswerterweise in der Analyse alle zu.
Steigende Beiträge bedeuten eben weniger Einkommen für den Arbeitnehmer, bedeuten höhere Preise für den Verbraucher und bedeuten verschlechterte Exportchancen, d. h. Verlust von Arbeitsplätzen. Das System frißt sich sozusagen selber auf.
Neue Aufgaben stehen uns bevor. Ältere Mitbürger bedürfen ärztlicher Leistung, und sie haben Anspruch auf ordentliche Leistungen. Die wachsende Zahl der Pflegefälle ist unbestritten ein Problem, das zu lösen und anzupacken wir verpflichtet sind. Ein Gesetzgeber, der auf diese Situation nicht reagiert, handelt grob fahrlässig. Deswegen müssen Konsequenzen gezogen werden.
Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, einer Pflicht- und einer Zwangsversicherung, ist es, Krankheit zu heilen, auch wenn es teuer ist, und dafür Sorge zu tragen, daß Krankheit, wo immer möglich, vermieden wird. Mit anderen Worten: Das medizinisch Notwendige, das Zweckmäßige und das wirtschaftlich Vertretbare muß für die Beitragszahler und von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Aber die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht zuständig für Sportbril-
3260 Deutscher Bundestag — I 1. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1987
Cronenberg
len, und es muß nicht sein, daß jeder mit dem Taxi zum Arzt fährt, wenn öffentliche Verkehrsmittel da sind.
Wir müssen dafür sorgen, daß die Patienten mit dafür Sorge tragen, daß sich der Arzt kostenbewußt verhält. Wir müssen die Ärzte zwingen, wirtschaftlich zu arbeiten, und wir müssen und werden die Pharmaindustrie in den Wettbewerb zwingen. Wir müssen dafür sorgen, daß auf Dauer im Krankenhaus alle Möglichkeiten wahrgenommen werden, Kosten zu sparen. Dort, wo es beim besten Willen nicht möglich ist und wo auch nach einer Übergangszeit das System der Festzuschüsse nicht eingeführt werden kann, werden wir auch nicht auf Selbstbeteiligung verzichten.
Einigkeit herrscht darüber, daß Vorbeugen notwendig und richtig und zu finanzieren ist. Einigkeit herrscht darüber, daß Dirigismus und mehr Planung keine Verbesserungen bringen. Deswegen sind wir nach wie vor gegen Positivlisten. Für uns sind nach wie vor Negativlisten ein Greuel. Wir wollen nicht, daß der Staat vorschreibt, zu welchem Arzt man geht, welche Medikamente man benutzen darf und wie lange man im Krankenhaus bleiben soll oder darf.
Aber es gibt außerordentlich wirksame marktwirtschaftliche Instrumente, die die Versorgung sicherstellen und trotzdem optimale Leistungen ermöglichen. Meine Kolleginnen und Kollege von der SPD, ich möchte Sie mit allem Ernst bitten, objektiv darüber nachzudenken, ob die Instrumente, die wir eingesetzt haben, nicht doch richtig sind. Ich bitte Sie, nicht aus Lust an der parteipolitischen Auseinandersetzung oder aus Lust an der Opposition um der Opposition willen die Pläne der Koalition madig zu machen und zu zerreden, nicht um dem angeblichen Lobbyisten für die Pharmaindustrie und Zahnärzte — das wird mir ja immer vorgeworfen — einen Gefallen zu tun, sondern um im Interesse der Beitragszahler, ihrer frei verfügbaren Einkommen, die notwendigen Leistungen zu erbringen.