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ID1104004600

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    Plenarprotokoll 11/40 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 40. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. November 1987 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde in der Sitzungswoche ab 23. November 1987 2655 A Erweiterung der Tagesordnung 2655 B Wahl des Abg. Dr. Hitschler als ordentliches Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an Stelle des ausgeschiedenen Abg. Dr. Rumpf 2655 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der beruflichen Rehabilitation und der wirtschaftlichen Eingliederung der Behinderten Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der sozialen Eingliederung und einer eigenständigen Lebensführung der Behinderten KOM (87) 342 endg. — Ratsdok. Nr. 7999/87 (Drucksachen 11/973 — Nr. 2.12, 11/1176) 2655 B Tagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Amtszeit der Jugendvertretungen in den Betrieben (Drucksachen 11/948, 11/1140) Müller (Wesseling) CDU/CSU 2655 D Andres SPD 2657 B Dr. Thomae FDP 2659 B Frau Krieger GRÜNE 2660 A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 2661 A Hasenfratz SPD 2663 B Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (Drucksachen 11/917, 11/1142, 11/1178) und b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (Drucksachen 11/923, 11/1143, 11/1179) Straßmeir CDU/CSU 2665 B Daubertshäuser SPD 2666 D Gries FDP 2668 C Frau Brahmst-Rock GRÜNE 2669 D Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 2671 C Haar SPD 2672 B Fischer (Hamburg) CDU/CSU 2674 D Antretter SPD 2677 A Rauen CDU/CSU 2679 A Vizepräsident Frau Renger 2680 C Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung (Drucksachen 11/862, 11/1006, 11/1158, 11/1159) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1987 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 2681 B Frau Weiler SPD 2682 A Heinrich FDP 2683 B Frau Unruh GRÜNE 2684 A Höpfinger, Parl. Staatssekretär BMA . . 2684 C Nächste Sitzung 2685 D Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2687* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2687* C Anlage 3 Verstärkung der Förderprogramme zur Qualifizierung von Ausbildern in der Berufsbildung, insbesondere der Mitglieder in den Berufsbildungs- und -prüfungsausschüssen MdlAnfr 47, 48 06.11.87 Drs 11/1109 Kuhlwein SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMBW 2687* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1987 2655 40. Sitzung Bonn, den 13. November 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 13. 11. Austermann 13. 11. Bachmaier 13. 11. Frau Beck-Oberdorf 13. 11. Bernrath 13. 11. Dr. Blens 13. 11. Böhm (Melsungen) * 13. 11. Börnsen (Ritterhude) 13. 11. Borchert 13. 11. Dr. Briefs 13. 11. Bühler (Bruchsal) 13. 11. Frau Bulmahn 13. 11. Dr. von Bülow 13. 11. Dr. Daniels 13. 11. Duve 13. 11. Ebermann 13. 11. Dr. Ehmke (Bonn) 13. 11. Ehrbar 13. 11. Dr. Faltlhauser 13. 11. Gattermann 13. 11. Dr. Geißler 13. 11. Genscher 13. 11. Gerstein 13. 11. Dr. Götz 13. 11. Dr. Grünewald 13. 11. Frau Hämmerle 13. 11. Dr. Hauff 13. 11. Frau Dr. Hellwig 13. 11. Freiherr Heeremann von Zydtwyck 13. 11. Dr. Hitschler 13. 11. Dr. Holtz 13. 11. Horn 13. 11. Dr. Hüsch 13. 11. Huonker 13. 11. Ibrügger 13. 11. Kiechle 13. 11. Kleinert (Marburg) 13. 11. Dr. Kohl 13. 11. Koschnick 13. 11. Kretkowski 13. 11. Lamers 13. 11. Leidinger 13. 11. Frau Luuk ' 13. 11. Frau Dr. Martiny 13. 11. Petersen 13. 11. Paintner 13. 11. Reschke 13. 11. Reuschenbach 13. 11. Rixe 13. 11. Ruf 13. 11. Schmidt (Salzgitter) 13. 11. Schröer (Mülheim) 13. 11. Dr. Spöri 13. 11. Spranger 13. 11. Dr. Stavenhagen 13. 11. Dr. Stoltenberg 13. 11. Dr. Unland 13. 11. Voigt (Frankfurt) 13. 11. Dr. Voigt (Northeim) 13. 11. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Vondran 13. 11. Dr. Waffenschmidt 13. 11. Dr. Warnke 13. 11. Wetzel 13. 11. Wieczorek 13. 11. von der Wiesche 13. 11. Wissmann 13. 11. Dr. Zimmermann 13. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. November 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zu dem Vertrag vom 25. März 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und St. Vincent und den Grenadinen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 12. April 1986 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie ihren Antrag „Einsetzung von Ausschüssen" - Drucksache 11/56 - zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/779 Nr. 2.7 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/839 Nr. 2, 4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 3.162 Drucksache 11/439 Nr. 2.14 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Kuhlwein (SPD) (Drucksache 11/1109 Fragen 47 und 48): Ist die Bundesregierung bereit - wie vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft mehrfach angekündigt - , die Förderprogramme zur Qualifizierung von Ausbildern in der beruflichen Bildung zu verstärken? Um welche Förderprogramme handelt es sich gegebenenfalls im einzelnen, und wird dazu auch - wie angekündigt - das Programm zur Weiterbildung von Mitgliedern in den Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen gehören? 2688' Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1987 Zu Frage 47: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat von 1972 bis 1987 rund 59 Millionen DM für Maßnahmen zur Förderung des außerschulischen Personals in der beruflichen Bildung bewilligt. Damit konnten unter anderem ca. 10 000 Beauftragte in den Ausschüssen der beruflichen Bildung weiterqualifiziert werden und rund 1 500 Fachkräfte der beruflichen Bildung aus etwa 30 Ländern am internationalen Austauschprogramm teilnehmen. Die bereits laufenden Projekte des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft zur Qualifizierung von Ausbildern werden in den kommenden Jahren unter Berücksichtigung anderer Aufgaben in dem Rahmen fortgesetzt, in dem dies die Haushaltsansätze zulassen. Zu Frage 48: Zu diesen Maßnahmen gehören im einzelnen: — Die Weiterbildung von Mitgliedern in den Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen einschließlich der Ausbildungsberater und Lehrlingswarte, — Projekte zum Erwerb weiterer fachlicher und berufspädagogischer Kenntnisse und Fähigkeiten mit Blick auf die Einführung neuer Technologien und neuer Anforderungen durch die zunehmende Zahl von Abiturienten in der Berufsausbildung. Darüber hinaus das — Programm zum internationalen Erfahrungsaustausch von Fachkräften der beruflichen Bildung. Ferner ist eine ab 1988 bis voraussichtlich 1991 durchzuführende Maßnahme zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Ausbildern und Berufsschullehrern vorgesehen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ekkehard Gries


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der verehrte Kollege Daubertshäuser hat hier ein Szenario dargestellt, daß ich glaube, er hat das falsche Gesetz oder noch das ganz alte Gesetz zu Rate gezogen. Bei aller Kritik, die ich auch selber geübt habe und hier üben will, glaube ich nicht, daß das auch nur in etwa der Wahrheit nahekommt; denn immerhin bleiben wir ja wohl in der Größenordnung von, wie ich hoffe, 2,6 Milliarden DM. Wir streiten uns hier, relativ gesagt, vielleicht um ein paar hundert Millionen DM. Das rechtfertigt nach meiner Auffassung nun weiß Gott nicht die Darstellung, daß die Verkehrs- und die Arbeitswelt gleichzeitig zusammenbrechen.
    Aber ich will hier mit meiner Kritik gar nicht hinter dem Berg halten. Ich empfinde hier heute morgen jedenfalls mehr Erleichterung und Genugtuung als noch vor wenigen Tagen, vielleicht sogar mehr als noch gestern morgen. Insofern haben wir hier Fortschritte gemacht.
    Ich will das wiederholen, was ich im Ausschuß gesagt habe. Das, was uns die Regierung hier auf den Tisch gelegt hat, war in der Tat schon eine garstige Kröte. Aber ich meine, daß hier heute mit den Änderungsanträgen aus dem Ausschuß ein, wenn auch nicht sehr köstliches, so doch durchaus genießbares Menü zusammengestellt werden kann.

    (Haar [SPD]: Der Nachtisch fehlt!)

    Es ist für mich ein ermutigendes Zeichen — das sollten Sie auch anerkennen; Sie wissen, daß ich neu hier im Hause bin — , daß hier aus den Reihen des Parlaments Veränderungen und Nachbesserungen eines Entwurfs zustande gebracht worden sind, auch wenn dabei die eigene Regierung korrigiert werden muß. Das ist ja nun weiß Gott kein Schaden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Frau Hamm-Brücher und all diejenigen, die sich so für die Parlamentsreform engagieren, sollten das — allerdings morgens um 7.30 Uhr — vielleicht einmal als ein Beispiel dafür nehmen, daß so etwas auch geht, ohne daß eine Regierung Schaden nimmt und ohne daß dabei Unmögliches verlangt wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich denke, daß wir hier auch ehrlich sein sollten. Ich unterscheide mich dabei ein bißchen von anderen.
    Ich bin schon der Meinung — die FDP stellt sich auch dahinter — , daß wir alle miteinander einen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen leisten müssen und daß 50 Milliarden DM, die im Wege der Steuerreform an den Bürger zurückgehen, die dem Staat fehlen, nicht irgendwo gedruckt werden kön-



    Gries
    nen, sondern durch eine Begrenzung der Ausgaben des Staates zusammengeholt werden müssen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Insofern ist es für mich überhaupt keine Frage, daß der ursprüngliche Ansatz, nämlich zu plafondieren — wie das so schön heißt — , natürlich diese finanzpolitische Motivation hat und haben muß. Ich würde lieber sagen: Es ist eine Kürzung. Es ist ja irgendwie ein Etikettenschwindel; der Bürger versteht ja gar nicht, was eine Plafondierung ist. Es ist natürlich eine Kürzung der nach der Vorausberechnung vorgesehenen Mittel. Wer wollte denn das bestreiten? Ich will das nicht bestreiten. Es ist so, aber ich bekenne mich dazu, daß wir einen solchen Beitrag leisten müssen, es ist nur die Frage, ob die vorgesehenen Kürzungen von der Sache her noch vertretbar sind oder nicht. Ich denke, daß sie insgesamt vertretbar sind.
    Nun haben wir, wie ich denke, in den Beratungen ja doch einige wesentliche Verbesserungen vornehmen können. Heute liegt ein Ergebnis vor, das zumal die Koalition — ich würde sogar Sie bitten, einmal über Ihren Schatten zu springen — , glaube ich, tragen kann.
    Herr Straßmeir hat hier die meisten Dinge genannt. Ich will das alles nicht wiederholen. Diese sogenannten Plafondierung wird eben um 100 Millionen DM höher angesetzt. Wir haben den Härtefonds für den ÖPNV. Wir haben, was ich als früherer Landespolitiker und als Kommunalpolitiker, der ich heute noch bin, auch bemerkenswert finde, durch die Verteilerschlüssel und durch die Verrechnungsmodalitäten im Grunde ein höheres Maß an Flexibilität und Kompetenz auf der Seite der Länder und Kommunen geschaffen. Auch das ist ein vernünftiger Weg. Es muß nicht alles von diesem Haus oder von dem Ministerium in dieser Stadt aus geregelt werden. Insofern glaube ich, daß die neue Konzeption eigentlich praxisnäher und ein bißchen ideologiefreier ist, als so manches andere war. Wir müssen da die Länder und die Kommunen, glaube ich, nicht in diesem hohen Maße reglementieren.
    Was ich auch für in Ordnung halte — Herr Daubertshäuser hat das in einem Punkt kritisiert; ich glaube nicht, daß das zutreffend ist — : Ich finde es richtig, daß wir zum erstenmal die Zweibahnigkeit eröffnen. Daß eben nicht in Anspruch genommene Mittel, die für den Straßenbau vorgesehen waren, in den ÖPNV gehen, ist schon Regel, und das ist jetzt hier noch einmal verbessert worden. Ich halte es umgekehrt auch für in Ordnung, daß in Zukunft — jedenfalls ab 1992 —, weil nicht mehr zu befürchten ist, daß es dann ÖPNV-Ruinen gibt, auch einmal Mittel aus dem ÖPNV, wenn sie dort nicht in Anspruch genommen werden, in den Straßenbau gehen können.
    Ich glaube, daß diese Zweibahnigkeit den Lebensumständen und den Lebensverhältnissen in unserem Lande und den unterschiedlichen Strukturen eher gerecht wird und damit insgesamt eine durchaus gerechte Funktion ermöglicht. Deshalb ist es richtig, daß wir das jetzt eingeführt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es ist sicher in den Beratungen — lassen Sie mich auch das ganz ungeniert sagen — nicht sehr hilfreich gewesen, daß sich die Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler darauf geeinigt haben, statt einer höheren Plafondierung — das wären 250 Millionen DM mehr gewesen — 600 Millionen DM im Länderfinanzausgleich zu nehmen. Das sieht so aus, als hätten sie eine gute Rechnung gemacht. Die Verkehrspolitiker haben jedoch mit Sicherheit keine gute gemacht, denn sie werden von diesen 600 Millionen DM nicht viel sehen.
    Deshalb erneuere ich den Appell, den mein Kollege Richter in der ersten Lesung hier gebracht hat, daß nämlich jetzt die Ministerpräsidenten der Länder einmal gefälligst ihre Verkehrsminister nicht vergessen und über die hier heute vorgesehene Plafondierung von 100 Millionen DM hinaus — da fehlen uns immer noch fast 200 Millionen DM — vielleicht einmal den Verkehr in ihren Ländern in ihrer Kompetenz aus dem Länderfinanzausgleich auch wirklich bedenken. Ich glaube, daß man das durchaus erwarten darf und auch diese Forderung stellen kann.
    Meine Damen und Herren, zu dem Entwurf der Fraktion der GRÜNEN will ich nicht viel sagen. Wir haben ihn im Ausschuß abgelehnt; und er wird auch hier abgelehnt. Ich halte das was dahintersteckt, für ein vielleicht in sich schlüssiges, aber in der Sache so grundfalsches Denken, daß es sich nicht lohnt, sich damit länger auseinanderzusetzen.

    (Frau Brahmst-Rock [GRÜNE]: Wie immer! Das sollten Sie aber tun! — Frau Flinner [GRÜNE]: Sie haben die Wahrheit gepachtet!)

    — Verehrte Kollegin Brahmst-Rock, ich finde es auch nicht sonderlich gut — liberal ist es ohnehin nicht —, von welchem Gesellschaftsbild Sie ausgehen

    (Frau Brahmst-Rock [GRÜNE]: Ich rede von der Notwendigkeit!)

    und in welch hohem Maße Sie eigentlich die Bürger alle bevormunden wollen. Auch das steckt hier hinter Ihrem Entwurf.

    (Frau Brahmst-Rock [GRÜNE]: Wo haben Sie das denn gelesen? Doch nicht in dem Entwurf! )

    Deshalb werden wir ihn natürlich ablehnen.
    Ich hoffe und gehe davon aus, daß der Entwurf in der Ausschußfassung hier die Mehrheit findet. Die FDP wird ihn mittragen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Brahmst-Rock.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helga Brahmst-Rock


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Entwurf der Bundesregierung in der ersten Lesung noch nicht einmal bei den Koalitionsfraktionen Zustimmung fand, wurde er nachgebessert, dies jedoch nicht zu seinem Vorteil, sondern eher zu seinem Nachteil.

    (Zurufe von der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo sie recht hat, hat sie recht!)




    Frau Brahmst-Rock
    Der Entwurf war in der ursprünglichen Fassung an sich schon schlimm genug. Aber was sich jetzt als Nachbesserung auftut, ist ein verkehrspolitischer Abgrund.
    Der Entwurf plafondiert die Mittel bei 2,5 bzw. bei 2,6 Milliarden DM. Eine Mittelkürzung um 10 % wird von der Bundesregierung als hehre Tat zur Verbesserung der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs darzustellen versucht. Die Kürzung sollte ursprünglich durch eine Änderung des Verteilerschlüssels vertuscht werden. Der kommunale Straßenbau sollte zu 43 %, der öffentliche Personennahverkehr zu 57 % finanziert werden. Durch die Verschlimmbesserung aus den Reihen der Koalitionsfraktionen wird der alte Verteilerschlüssel 50 : 50 wiederhergestellt. Allein dies ist ein Schlag ins Gesicht der Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: In den Großstädten vielleicht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die wissen doch gar nicht, wie es auf dem Lande aussieht!)

    Die Mittelkürzung geht damit zu Lasten des öffentlichen Personennahverkehrs und zu Lasten der Städte, Gemeinden und Kreise und nicht zuletzt zu Lasten der Benutzer und Benutzerinnen des öffentlichen Personennahverkehrs.
    Wie Hohn klingen da die Worte des Verkehrsministers Warnke in seiner ersten Rede als Verkehrsminister, daß der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche der besonderen Förderung bedürfe. Er sagte wörtlich: „Etwas mehr als Streckenstillegungen müssen wir uns schon einfallen lassen."
    Wenn wir aber diesen Entwurf und die Worte des Verkehrsministers ernst nehmen, dann ist dieser Entwurf ein Ausdruck von regierungsamtlicher Phantasielosigkeit. Denn dem Verkehrsminister fällt offensichtlich nichts anderes ein als Streckenstillegungen.

    (Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

    Er belegt das auch wörtlich in der Begründung zu der Novelle — ich zitiere — : „Durch die Förderung von Omnibussen wird die Stillegung unrentabler Schienenstrecken der Deutschen Bundesbahn erleichtert. "
    Sie geben weiter vor, mit Ihrem Entwurf gerade die Kommunen angemessen zu berücksichtigen. Aber auch das trifft nicht zu. Die Auswirkungen Ihrer Gesetzesnovelle auf den öffentlichen Nahverkehr in den Ballungsräumen und der dadurch entstehende Druck auf die dort lebenden Menschen, immer mehr vom Nahverkehr ins Auto umsteigen zu müssen, ist schlimm. Aber für den öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche ist das schlicht eine Katastrophe. Sie benachteiligen damit eine Mehrheit unserer Bevölkerung und zwingen 55 % aller Menschen in unserem Lande, die im ländlichen Raum leben, Auto zu fahren. Sie verweigern aus durchsichtigen Gründen einen annehmbaren funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr auf dem Lande.
    Hier wird die Not des Finanzministers deutlich, seine Umverteilung von oben nach unten finanzieren zu müssen. Auch der Herr Kollege Gries hat dem nicht widersprochen, sondern indirekt bestätigt. Die Gelder werden dort zusammengekratzt, wo die Regierung am wenigsten Widerstand vermutet. Dabei haben Sie offensichtlich das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz entdeckt. Man merkt diesem Entwurf an, wes Geistes Kind er ist. Er ist nicht von Verkehrspolitikern unter der Prämisse einer Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs entworfen, sondern vom Finanzministerium zur Verbesserung der miserablen Lage der Bundeskasse.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn es Ihnen mit einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrs auch im Sinne einer Verringerung von Umweltschäden und Schutz von Menschenleben tatsächlich ernst ist, dann kann man dieser Novelle der Bundesregierung nicht zustimmen, sondern muß sich dem von uns eingebrachten Entwurf anschließen.
    Sie führen häufig das blumige Wort von der Gleichberechtigung aller Verkehrsträger im Munde und tun genau das Gegenteil. Wir wollen deshalb die Schwerpunkte des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes umweltorientiert verändern. Wir wollen zur Verkehrsberuhigung, zur Lärm- und Umweltentlastung beitragen.
    Uns wird oft der Vorwurf gemacht, wir würden mit der Rücknahme der Mittel für den kommunalen Straßenbau die Investitionsfähigkeit der Städte und Gemeinden hemmen und damit Arbeitsplätze gefährden. Genau das Gegenteil ist der Fall. Bei Rückbau-maßnahmen können wesentlich mehr Menschen als im Bundesfernstraßenbau beschäftigt werden.
    Wenn ich Ihnen das sage, werden Sie das als Behauptung abtun. Aber vielleicht glauben Sie dem hessischen Wirtschaftsminister mehr, der in seiner Auskunft vom 20. August 1987 festgestellt hat, daß bei einem Investitionsvolumen von 100 Millionen DM folgende Beschäftigungseffekte erzielt werden: Beim Bau von Bundesautobahnen werden 1 441 Personen beschäftigt, beim Bau von Landstraßen 1 876, beim Bau von Erschließungsstraßen 3 073 und bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen 3 088 Personen. Diese Zahlen belegen auch, warum wir uns nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Wohnumfeldverbesserung für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen einsetzen. Sie aber lassen diese Chance ungenutzt vorbeigehen.
    60 % unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen fühlen sich dauernd vom Verkehrslärm belästigt — Grund genug, in unserem Sinne zu handeln. Wir wollen eine tatsächliche Gleichberechtigung aller Verkehrsmittel und aller Verkehrsarten, also auch des Rad- und Fußgängerverkehrs. Im Stadtbereich sind dies die wirtschaftlichen Fortbewegungsarten und dazu noch die umweltverträglichsten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Radfahrer und Fußgänger dürfen nicht länger Freiwild des Automobilverkehrs sein, sondern müssen ihren eigenen ungebrochenen Verkehrsweg erhalten.
    Wir wollen, daß der öffentliche Personennahverkehr allgemein sein Angebot und seine Qualität ver-



    Frau Brahmst-Rock
    bessert. Dazu gehört auch, daß alle Menschen, auch Behinderte, in die Lage versetzt werden, dieses Angebot anzunehmen. Wir wollen Busse und Bahnen so eingerichtet wissen, daß Behinderte nicht ausgegrenzt werden, sondern ohne fremde Hilfe am öffentlichen Personennahverkehr teilnehmen können. Busse und Bahnen sollen im Stadtverkehr absoluten Vorrang erhalten, um den öffentlichen Verkehr zu beschleunigen. Die nachahmenswerten Modelle des öffentlichen Personennahverkehrs in Freiburg, Wiesbaden oder Marburg belegen, daß der öffentliche Personennahverkehr keineswegs am Ende ist, sondern nur aus dem Würgegriff der Automobillobby befreit werden muß.
    Ein kleines Bonbönchen für Sie: Wir wollen keineswegs das Auto abschaffen oder seine Benutzer verteufeln.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ihr laßt euch nur mit dem Fahrrad fotografieren! Dann fahrt ihr mit dem Auto weiter!)

    Das Auto wird auch in Zukunft wichtige Funktionen erfüllen müssen. Es ist aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Aber es geht um eine sinnvolle Verknüpfung von Individual- und öffentlichem Verkehr. Das Auto darf nicht ausschließliches Verkehrsmittel werden. Es muß zumindest im Stadtbereich als Ergänzung des öffentlichen Verkehrs gesehen werden.
    Abschließend möchte ich auf die von uns vorgeschlagenen Kostendeckungsbeiträge eingehen. Sie behaupten so mit breitem, etwas väterlichem Lächeln, unsere Vorschläge seien typisch grün und daher unrealistisch. Diesen Vorwurf weise ich als unsachlich zurück. Wir haben vorgeschlagen, nicht bei anderen, sondern im eigenen Haushalt zu sparen, d. h. konkret beim vollkommen überzogenen Bundesfernstraßenbau. Wir waren aber auch bereit, einer Erhöhung der Mineralölsteuer um 6 Pf zugunsten des öffentlichen Personenverkehrs zuzustimmen. Dieser Vorschlag rief bei Ihnen einen im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Sturm der Entrüstung hervor. Einige von Ihnen verstiegen sich sogar zu der Aussage, es sei nicht durchsetzbar. Wenn aber der Finanzminister zur Finanzierung der am Rande der Zahlungsunfähigkeit befindlichen Europäischen Gemeinschaft die Mineralölsteuer um 7 Pf anheben möchte, dann ist derselbe Vorschlag plötzlich maßvoll und durchdacht.
    Bitte, erklären Sie mir und anderen diesen Widerspruch, daß eine Erhöhung um 6 Pf, wenn sie von der Fraktion der GRÜNEN vorgeschlagen wird, grundsätzlich nicht machbar, sozusagen geistiges Wolkenkuckucksheim ist, dagegen eine Erhöhung um 7 Pf auf Vorschlag des Finanzministers vertretbar und durchsetzbar.

    (Zuruf von der SPD: Das können die nicht erklären!)

    Solange dieser Widerspruch nicht erklärt ist, bleibt der Verdacht, daß Sie unseren Antrag nicht aus inhaltlichen Gründen ablehnen, sondern allein aus der Tatsache heraus, daß er von der Fraktion der GRÜNEN gestellt wurde.

    (Beifall bei den GRÜNEN)