Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die letzten fünf Minuten dazu nutzen, unserem verehrten Kollegen Conradi zu antworten, der heute hier trotz seines Fachwissens mehr Dichtung als Wahrheit vorgetragen hat.
Zunächst, Herr Conradi, haben Sie gesagt — ich zitiere jetzt — , der Bund ziehe sich aus der Mitverantwortung für die Städtebauförderung zurück. Diese Mär nach zwei Jahren Diskussion immer noch zu verbreiten ist etwas peinlich, Herr Conradi. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer, an der Spitze Herr Rau,
haben hier in Bonn vom Bundeskanzler verlangt: Bitte, Bund, zieh dich aus der Städtebauförderung zurück! Dann hat sich der Bundeskanzler damit einverstanden erklärt, und jetzt sagen die Sozialdemokraten in den Ländern, wir würden uns einseitig zurückziehen. Der Fehler ist, daß die Ministerpräsidenten erst mal die finanziellen Aspekte der Städtebauförderung regeln sollten, bevor sie mit solchen Anliegen zu uns kommen.
Zweitens, Herr Conradi, sprechen Sie von angeblich unsozialer Wohnungs- und Städtebaupolitik in Baden-Württemberg. Als in den Staatskanzleien im Jahr 1985 unser Sonderprogramm „Städtebauförderung" diskutiert wurde, wurde vereinbart — ich zitiere, das hat auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterschrieben — : „Es besteht Einvernehmen, daß mit den erhöhten Mitteln Einzelvorhaben gefördert werden sollen, deren Durchführung bisher für die Jahre 1986 und 1987 nicht vorgesehen ist." In Baden-Württemberg, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Landesregierung das Drittel genau so aufgestockt, daß zusätzliche Projekte kommen.
In Nordrhein-Westfalen wurden die Komplementärmittel bis auf einen Anteil von 30 Millionen DM gestrichen. Man hat Mittel, die vorgesehen waren, seitens des Landes zurückgezogen und hat die Bundesmittel mißbraucht, um Lücken zu füllen. Jetzt fordern Sie
von dieser Bundesregierung, sie müsse mehr tun für Arbeitslose,
für die Bauwirtschaft, für Städtebauförderung. Das ist nämlich die Realität, hier solche Reden zu halten und da, wo man Verantwortung hat, genau das Gegenteil zu machen.
Herr Kollege Conradi, Ihren billigen Versuch, die Novellierung des Gemeindeverkehrfinanzierungsgesetzes zu benutzen, um hier die Gegensätze zwischen Stadt und Land noch zu verschärfen, müssen wir auf das schärfste zurückweisen,
selbst wenn Sie dabei Herrn Rommel in Anspruch nehmen, den Sie fünfmal genannt haben
— dreimal — , der auch zu Recht als Oberbürgermeister gewählt worden ist, als Sie gegen ihn kandidierten.
Insofern habe ich Verständnis, daß Sie ihn hier nennen.
In Wirklichkeit sind bisher 90 % der Mittel aus dem GVFG, die für den öffentlichen Nahverkehr bestimmt waren, in die Ballungsräume geflossen und nur 10 % dem ländlichen Raum zugute gekommen. Wir haben auf dem flachen Land Gegenden, wo Sie von Samstag abend bis Montag früh überhaupt kein einziges öffentliches Nahverkehrsmittel mehr bekommen, während die Städte — zu Recht — mit Milliardenaufwand ihre U- und S-Bahn gebaut haben. Aber die CDU/CSU wird nicht zulassen, daß dieses Auseinanderdriften zwischen Stadt und Land weitergeht. Deswegen stehen wir dazu, daß der ländliche Raum in der Novellierung des Städtebauförderungsgesetzes stärker berücksichtigt wird, als das bisher der Fall war.
Als letztes, Herr Conradi — ich habe noch eine Minute, wenn Sie gestatten — : Sie können eines nicht machen. Sie beschwören — zu Recht, sage ich — immer wieder das Gefälle zwischen reicheren Regionen in der Bundesrepublik und ärmeren. Wir werden ja bei der Diskussion des Raumordnungsberichts darauf zurückkommen. Sie können aber nicht am Wochenende Ausstiegsbeschlüsse fassen und am Montag beklagen, daß keine Prosperität in der Gegend ist, wo Sie regieren.
Da hilft uns auch keine Raumordnungspolitik.
Wenn Sie dies und jenes beherzigen, werden wir sicherlich auch wieder zu einer gemeinsamen Städtebaupolitik zurückkommen.
2638 Deutscher Bundestag — 11 Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1987
Dr.-Ing. Kansy
Vielen Dank.