Rede von
Dr.
Inge
Segall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlaß der Aussprache bilden zwei nahezu inhaltsgleiche Petitionen, mit denen erreicht werden soll, den Beruf der Unterrichtsschwester bzw. des Unterrichtspflegers als Mangelberuf anzuerkennen und damit dieser Berufsgruppe ein nicht rückzahlbares Unterhaltsgeld zu gewähren.
Die Petenten sind der Ansicht, daß infolge der Auswirkungen des Krankenpflegegesetzes ein erhöhter Bedarf an Unterrichtsschwestern bzw. -pflegern besteht. So sei eine Mindeststundenzahl für das auszubildende Krankenpflegepersonal von 1 600 theoretischen und praktischen Stunden — also nicht 1 800; ich meine, es wären nur 1 600 — vorgeschrieben.
Das sind etwa 400 Stunden mehr als vor der Novellierung. Bedenke man ferner, daß eine Reihe von Prüfungs- und Ausbildungsfächern neu hinzugekommen seien, die eine weitere Qualifizierung der Unterrichtsschwestern/-pfleger nötig mache, so werde um so klarer, daß eine Mangelsituation bestehe.
Auch das Zahlenverhältnis von Auszubildenden und Unterrichtsschwestern gebe Anlaß, einen Mangel anzunehmen. Schließlich weisen die Petenten auf ein Europäisches Übereinkommen hin, in dem empfohlen wird, die Zahl der Lehrkräfte zur Schülerzahl in ein Verhältnis zu stellen, das eine angemessene Ausbildung und Überwachung gewährleistet. Dabei ist als Ideal eine Lehrkraft für 15 Schüler oder Schülerinnen vorgesehen.
Der Bundesgesetzgeber hat bewußt davon abgesehen, dieses zweite Erfordernis zu übernehmen, um den bestehenden Schwierigkeiten in den Ländern Rechnung zu tragen. Sie wären nämlich mit der Realisierung dieses Zahlenverhältnisses überfordert.
Was die konkrete Mangelsituation betrifft, halte ich die Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung für überzeugend. Danach ist die Frage der Mangelsituation eine Einzelfallfrage. Das heißt, es muß unter Einbeziehung regionaler und zeitlicher Aspekte konkret entschieden werden, ob eine Mangelsituation vorliegt oder nicht. Eine globale Beurteilung — wie vom Petenten vorgeschlagen — ist abzulehnen. Ein entsprechendes Urteil des Landessozialgerichts Bayern liegt ebenfalls vor.
Wieder einmal stehen wir — wie so häufig im Petitionsausschuß — vor einem, so möchte ich beinahe sagen, klassischen Konflikt: Während der Bürger die Ausweitung einer sozialen Leistung verlangt, sieht sich der Staat gezwungen, diese Leistung im Interesse der Gemeinschaft zu begrenzen. Uns allen ist doch bekannt, wie sehr wir uns — und mit „uns " meine ich nicht den Staat, sondern alle Bürger — durch eine immer weitere Inanspruchnahme sozialer Sicherungssysteme selbst gefährden. Die Interpretation des § 44
Abs. 2 Nr. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes dahin gehend, daß ein Einzelfall nachgewiesen sein muß, trägt diesem Umstand Rechnung.
Dennoch meine ich, daß man in diesem konkreten Fall einen gerechten Ausgleich zwischen dem Anliegen der Petenten und dem Anliegen des Staates, finanzielle Mittel im Bereich der sozialen Sicherung zu schonen, finden kann. Bei regionalen Mängeln — die ja auch vom Bundesministerium für Arbeit eingeräumt werden — muß im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung regionaler und zeitlicher Aspekte geprüft werden, ob ein Mangelberuf vorliegt oder nicht. Im Falle der beiden Petenten ist die regionale Mangelsituation nicht gegeben.
Die FDP schließt sich dem ablehnenden Votum des Petitionsausschusses an.