Rede von
Hans A.
Engelhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können uns bei der heutigen Debatte bereits stützen auf die Ergebnisse des Hearings vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, der Anhörung, die im Bundesministerium der Justiz stattgefunden hat, und auf die Ergebnisse der Umfrage des Emnid-Instituts, die seinerzeit von mir in Auftrag gegeben worden war.
Danach steht fest, daß der strafrechtliche Schutz vor sexuellen Gewalthandlungen innerhalb der Ehe ergänzungsbedürftig ist. Ein wirksamer Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts muß auch innerhalb der Ehe gewährleistet sein. 41 % — wenn man die Zahlen zusammennimmt — der vom Emnid-Institut Befragten war es nicht bekannt, daß schon nach geltendem Recht die Vergewaltigung einer Ehefrau nicht straflos ist. Die Einbeziehung der Ehefrau in die Vorschriften des Sexualstrafrechts expressis verbis wird daher auch eine klarstellende Funktion haben und einem weitverbreiteten Irrtum entgegenwirken können.
Allerdings gehen die Meinungen über die konkrete Ausgestaltung einer Reform bisher auseinander. Es muß eine differenzierte, eine ausgewogene Lösung gefunden werden, die einerseits einen wirksamen strafrechtlichen Schutz gewährleistet, die aber andererseits auch die Probleme — Herr Kollege Lüder hat es angesprochen — einzubeziehen sucht, die von den Gegnern einer gesetzlichen Änderung für den Fall einer Reform befürchtet werden.
Es darf nicht verkannt werden, daß mit der Frage der Einbeziehung des ehelichen Intimbereichs in Tatbestände des Sexualstrafrechts ein Bereich berührt wird, in dem der Gesetzgeber mit großer Behutsamkeit agieren muß; agieren sollte er, aber er muß mit großer Behutsamkeit agieren.
Diesen Anforderungen wird der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht gerecht. Eine gesetzliche Regelung kann sich meines Erachtens nicht auf die bloße Streichung des Merkmals „außerehelich" in den einschlägigen Straftatbeständen beschränken.
Ich meine, eine gesetzliche Regelung sollte in Ehegattenfällen dem Opfer die Möglichkeit einer eigenständigen Konfliktregelung eröffnen.
Ich meine, gerade in dem grundrechtlich besonders geschützten ehelichen Bereich dürfen staatliche Eingriffe nur mit großer Zurückhaltung erfolgen. Dies läßt der SPD-Entwurf außer acht. Für Ehegattenfälle sollte — das ist nach reiflichem Überlegen meine Auffassung — allerdings kein Sondertatbestand geschaffen werden. Eheliche und außereheliche sexuelle Gewalthandlungen sollten grundsätzlich gleichbehandelt werden. Ein Zweiklassenrecht sollte es hier nicht geben.
Die Anhörungen und Umfragen haben weiter ergeben — gerade auch die Anhörung bei mir im Ministerium —, daß die Differenzierung des geltenden Rechts zwischen dem Beischlaf auf der einen und anderen Penetrationsformen auf der anderen Seite als ungerechtfertigt empfunden wird. Ich denke, eine Neuregelung sollte dem Rechnung tragen und alle Fälle gleichbehandeln.
Zugleich sollte eine umfassende Neugestaltung der geltenden Vorschriften über Vergewaltigung und sexuelle Nötigung erfolgen, die auch die teilweise Beschränkung des Strafrechtsschutzes auf Frauen durch eine geschlechtsneutrale — siehe unsere Debatte vorhin — Fassung der Tatbestände beseitigt.
Die Bundesregierung ist dabei, auf der Basis der genannten, von mir soeben kurz angerissenen Prämissen einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten, die als Grundlage für eine ausgewogene und angemessene strafrechtliche Reaktion auf sexuelle Gewalttaten innerhalb der Ehe dienen kann. Ich bin zuversichtlich, daß wir in sehr absehbarer Zeit einen Gesetzentwurf vorlegen können, der die Vielzahl der divergierenden Vorstellungen auf einen möglichst großen gemeinsamen Nenner zusammenführen wird.