Rede von
Manfred
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die rhetorische Frage der Frau Kollegin Oesterle-Schwerin beantworten. Ich möchte nicht so gerne „Fraufred Richterin" heißen. Ich bleibe lieber bei meinem Namen Manfred Richter.
Es ist für mich ohnehin verwunderlich, in welchem Maße man bei uns an eine geradezu magische, schöpferische Kraft des gedruckten Papiers glaubt; denn die Benachteiligung der Frauen, die es unbestreitbar ja immer noch gibt, werden wir — so fürchte ich — durch philologische Exerzitien nicht aus der Welt schaffen.
— Das ist richtig, Herr Schily. Ich komme darauf zurück.
Selbst wenn man den Versuch unternähme: Niemand soll doch glauben, daß sich die Menschen Sprachgebrauch verordnen lassen. Niemand soll auch glauben, daß Veränderungen in unserem Sprachgebrauch, die ja ständig vorkommen, etwa generalstabsmäßig zu planen wären.
Denn auch diejenigen, die einmal vor langer Zeit den Versuch unternahmen, Fremdwörter aus der deutschen Sprache zu verbannen
— Herr Schily, hören Sie es doch einmal im Zusammenhang an —,
und die geniale Idee hatten, etwa das Wort „Fenster"
durch das Wort „Tageleuchter" zu ersetzen, das zwar
deutsch, aber dummerhaftig ist, haben erkennen müssen, daß bei solchen Unternehmungen das Scheitern vorprogrammiert ist.
Selbst wenn es erfolgversprechend wäre, ändert sich durch den bloßen Austausch von Begriffen noch gar nichts.
Die Bockwurst bleibt eine Bockwurst, selbst wenn der Deutsche Bundestag beschließen sollte, sie Chateaubriand zu nennen.
Man sagt uns Deutschen wohl mit einer gewissen Berechtigung nach, daß wir zum Perfektionismus neigten. Es ist meine Befürchtung, daß wir auch in diesem Fall zu einer superdurchdachten, zu einer absolut wasserdichten Lösung kämen,
die nur einen Nachteil hätte: Sie würde nämlich nichts nützen, sie würde unsere Gesetze und Verordnungen gänzlich unlesbar machen. Es sagen vielleicht manche: Das sind sie jetzt schon. Das mag sein. Es mag auch sein, daß es der Mühe wert wäre, die Anstrengungen auf verständlichere Formulierungen schlechthin zu verlegen.
Was aber herauskommt, wenn man — immer ein wohlmeinendes Motiv unterstellt — meint, konsequent gleichzeitig die männliche und weibliche Form eines Wortes in eine Verordnung packen zu sollen,
säuberlich getrennt durch Schrägstriche, das zeigt dieses Beispiel einer Verfahrensrichtlinie aus der Stadtverwaltung Bremerhaven — ich zitiere — :
Vertreter des Rektors/der Rektorin als Gesamtleiter/Gesamtleiterin der Schule kann entweder der Abteilungsleiter/die Abteilungsleiterin oder der erste Konrektor/die erste Konrektorin sein. Die Entscheidung darüber trifft der Schuldezernent/ die Schuldezernentin. Der zuständige Oberschulrat/die zuständige Oberschulrätin und der Gesamtleiter/die Gesamtleiterin der Schule werden dazu gehört.