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ID1103704500

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    Plenarprotokoll 11/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Aktuelle Stunde betr. Ergebnisse des Waldschadenberichts 1987 Dr. Knabe GRÜNE 2497B, 2486 C Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 2480 B Lennartz SPD 2481 A Heinrich FDP 2481 D Vahlberg SPD 2482 D Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 2483 D Baum FDP 2484 D Kiechle, Bundesminister BML 2485 C Bayha CDU/CSU 2487 A Stahl (Kempen) SPD 2487 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 2489 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2490 C Schmidbauer CDU/CSU 2491 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 2492 C Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Schmidt-Bott, Ebermann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiges Moratorium für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (Drucksache 11/695) Frau Schmidt-Bott GRÜNE 2493 D Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 2495 B Catenhusen SPD 2497 C Kohn FDP 2499 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2501 B Tagesordnungspunkt 22: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/118) und b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/860) und c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Männle, Frau Verhülsdonk, Frau Dempwolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Geschlechtsbezogene Formulierungen in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Drucksache 11/1043) Frau Dr. Dobberthien SPD 2502 D Frau Männle CDU/CSU 2503 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 2504 D Richter FDP 2506 B Engelhard, Bundesminister BMJ 2507 C Helmrich CDU/CSU 2508 B Frau Becker-Inglau SPD 2509 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2510A Vizepräsident Cronenberg 2511 B Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksache 11/474) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Dr. de With SPD 2511 D Eylmann CDU/CSU 2513 C Frau Schoppe GRÜNE 2515 B Lüder FDP 2516B Engelhard, Bundesminister BMJ 2517 A Frau Bulmahn SPD 2517 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2519C Nächste Sitzung 2520 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2521* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2521* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 2479 37. Sitzung Bonn, den 6. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 11. Frau Beck-Oberdorf 6. 11. Bernrath 6. 11. Frau Blunck 6. 11. Dr. Briefs 6. 11. Böhm (Melsungen) ** 6. 11. Brauer 6. 11. Frau Brahmst-Rock 6. 11. Clemens 6. 11. Conradi 6. 11. Dollinger 6. 11. Doss 6. 11. Dr. Ehmke (Bonn) 6. 11. Ewen 6. 11. Dr. Feldmann 6. 11. Dr. Fell 6. 11. Gattermann 6. 11. Geis 6. 11. Gerstein 6. 11. Dr. Götz 6. 11. Dr. Haack 6. 11. Haack (Extertal) 6. 11. Heistermann 6. 11. Frau Dr. Hellwig 6. 11. Dr. Jobst 6. 11. Dr. Klejdzinski * 6. 11. Kolbow 6. 11. Kretkowski 6. 11. Lenzer * 6. 11. Leonhart 6. 11. Linsmeier 6. 11. Louven 6. 11. Lowack 6. 11. Frau Dr. Martiny 6. 11. Meyer 6. 11. Michels 6. 11. Mischnick 6. 11. Dr. Möller 6. 11. Müller (Schweinfurt) 6. 11. Frau Pack * 6. 11. Paintner 6. 11. Pfeifer 6. 11. Reuschenbach 6. 11. Frau Schilling 6. 11. Schmidt (München) * 6. 11. Schmidt (Salzgitter) 6. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmitz (Baesweiler) 6. 11. Dr. Schmude 6. 11. Dr. Schneider 6. 11. Schroer 6. 11. Sielaff 6. 11. Dr. Sperling 6. 11. Schwarz 6. 11. Wieczorek (Duisburg) 6. 11. Wischnewski 6. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Oktober 1987 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/803) zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/779 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/779 Nummern 2.5, 2.6 Haushaltsausschuß Drucksache 11/883 Nummern 64, 68 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/253 Nummern 2.5, 2.6, 2.7, 2.8 Drucksache 11/339 Nummern 2.1, 2.2 Drucksache 11/439 Nummern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5 Drucksache 11/561 Nummern 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/779 Nummern 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19, 2.22, 2.23 Drucksache 11/883 Nummern 73, 74, 75, 76, 77 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/253 Nr. 2.26 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/253 Nr. 2.29 Drucksache 11/883 Nr. 116 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/883 Nr. 120 Drucksache 11/883 Nr. 121 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 3.159 Drucksache 11/138 Nr. 3.160 Drucksache 11/138 Nr. 3.161 Drucksache 11/561 Nr. 2.17
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolf-Michael Catenhusen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das von einem Vertreter der CSU zu hören, überrascht mich denn doch etwas. Retourkutsche!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was soll denn das heißen?)

    — So etwas Ähnliches wie das, was er gesagt hat.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme einleitend zu ein paar Ausführungen von Frau Schmidt-Bott Stellung. Frau Schmidt-Bott, die Entwicklung der Gentechnologie pauschal als verheerende Entwicklung zu bezeichnen, wie Sie es getan haben, ich muß sagen, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Spätestens im Bereich der medizinischen Forschung, wo es, wie Sie wissen, um zur Zeit vielleicht einzige Chancen geht, nicht nur den AIDSVirus aufzuklären, sondern neuartige Impfstoffe gegen Viruserkrankungen zu finden, von einer verheerenden Entwicklung zu sprechen: da bleibt mir die Spucke weg; das muß ich Ihnen ganz offen sagen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Der zweite Punkt, die Frage des Experiments in Bayreuth. Auch ich habe es sehr kritisiert, daß wir, obwohl die Enquete-Kommission Gentechnologie das Bundesforschungsministerium gebeten hatte, uns den Stand der Zulassung und Genehmigung in diesem Bereich mitzuteilen, nicht über die Problematik dieses Experiments informiert worden sind. Das Problem dieses Experiments besteht in folgendem, Frau Schmidt-Bott. Da muß man, glaube ich, einmal ganz deutlich über Definitionsfragen reden. Gentechnologie ist eindeutig technisch definiert.

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Eindeutig?)

    — Eindeutig; ja! Es tut mir leid, Frau Schmidt-Bott; es ist leider so. Es ist eine bestimmte technische Methode zur Genmanipulation, Frau Schmidt-Bott. Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten. Auch Ihnen ist ja bekannt, daß zum Beispiel in Kläranlagen auf normalem Weg Antibiotikaresistenzen bei Bakterien entstehen können. Sie können doch nicht pauschal hier sagen: Jede Methode, die zur Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien führt, ist deshalb — ich sage mal — verwerflich und abzulehnen. Wenn Sie diesen Standpunkt durchhalten und von der Methode der Gentechnik ablenken, wie Sie es hier getan haben, dann kommen Sie auch da, wo es um Regelungsmöglichkeiten geht, in ein absolut „schiefes" Fahrwasser.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Die Gentechnik ist natürlich — da sind wir uns wahrscheinlich einig — eine qualitativ neue Möglich-



    Catenhusen
    keit für uns, die Natur und uns Menschen als Teil der belebten Natur zu beeinflussen und damit auch zu gefährden. Wenn Michael Meyer-Abich davon spricht, daß wir „Frieden mit der Natur" schließen sollen, so gilt hier sicherlich für die Gentechnik insbesondere, daß wir mit unseren Handeln und Tun dazu beitragen müssen, daß Ökologische Kreisläufe erhalten bleiben bzw. wiederhergestellt werden. Es ist unsere Aufgabe auch als Politiker, dafür zu sorgen, daß die Artenvielfalt in unserer Natur, der genetische Reichtum nicht weiter verarmen darf und auch nicht etwa durch eine technisch erzeugte Natur ersetzt werden darf. Das, glaube ich, sind Anliegen, die uns alle verbinden. Diese Gefahren haben wir schon heute. Sie könnten durch die Gentechnologie in einer neuen Qualität verschärft werden.
    Die geplante Freisetzung gentechnisch veränderter Lebewesen in die Umwelt kann im Einzelfall natürlich durchaus einen erheblichen Eingriff in die Natur mit erheblichen ökologischen Risiken darstellen. Darüber besteht für mich überhaupt kein Zweifel. Wir dürfen nicht zulassen, daß Wissenschaftler nach dem Prinzip: Versuch's mal und lerne aus deinen Irrtümern
    — try and error — vorgehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Machen die aber!)

    — Entschuldigen Sie, es gibt noch keine Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt. Wenn Sie sagen: Das machen die doch alle, dann würde ich Sie wirklich einmal bitten Frau Unruh, sich über den Stand der gentechnischen Forschung in unserem Enquete-Bericht etwas genauer zu informieren.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Probst [CDU/CSU]: Nichts erschreckt sie mehr als das!)

    Vor allem bei Bakterien und Viren sind Freisetzungsexperimente nicht korrigierbar. Wenn ein solches Experiment stattgefunden hat, kann das Ergebnis nicht rückgängig gemacht werden. Gerade bei einer solchen Gruppe von Experimenten fehlt uns noch weitgehend das Wissen, das uns eine zuverlässige Abschätzung möglicher Folgen ermöglicht. Die Natur darf nach meiner Überzeugung nicht zum beliebig verfügbaren Tummelplatz der gentechnologischen Forschung werden. Zur Verharmlosung der hier zu vermerkenden Risiken besteht wirklich kein Anlaß.
    Ich stimme Ihnen, Frau Schmidt-Bott, auch zu, wenn Sie sagen: Ich habe Angst vor den Angstlosen. Aber ich habe in der Politik auch gewisse Sorgen denjenigen gegenüber, die ihre Angst stolz vor sich hertragen und nicht bereit sind, rational zu überprüfen, was die Gründe für ihre Angst sind und diese rationalen Ursachen für ihre Sorgen im Dialog mit der Wissenschaft zu überprüfen und hinterfragen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Die Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie" war gerade der Versuch, daß die Sorgen und Ängste und die Kritik an der Gentechnologie in der Bevölkerung in einem kritischen Dialog mit der sachverständigen Wissenschaft erprobt werden sollten und daß auch die Antworten aus der Wissenschaft bei unseren politischen Regelungen bedacht werden sollten. Ich meine, Frau Schmidt-Bott, daß Ihr Antrag das eigentlich nicht geleistet hat.
    Ich muß ganz deutlich sagen: Ich bin in die Gentechnikdebatte mit der Vorstellung gegangen, daß wir ein allgemeines Moratorium im Bereich der Freisetzung gentechnologischer Organismen in die Natur brauchen. Ich habe diesen Standpunkt korrigiert. Wenn Sie so wollen: Ich habe dazugelernt. Ich will das an zwei Beispielen verdeutlichen.
    Nicht jede Form der Freisetzung von gentechnisch veränderten Lebewesen ist ein nicht korrigierbarer Eingriff in die Natur, vor allem wenn es um Pflanzen und Tiere geht. Ich will Ihnen ein einfaches Beispiel sagen. Wir verfügen heute über nicht vermehrungsfähiges Saatgut. Wenn Sie eine gentechnisch manipulierte Pflanze mit Hilfe eines nicht vermehrungsfähigen Saatgutes in die Umwelt bringen und wenn Sie wissen, daß von dieser Nutzpflanze — etwa bei Mais — bei uns keine Wildform existiert, dann können Sie absolut sicher sein, daß es hier keine unkontrollierbare Vermehrung dieser Pflanze geben kann und daß es auch nicht zu einem unkontrollierbaren Gentransfer, d. h. zu einer Übertragung solcher Gene in andere Organismen, kommen kann. Das muß man einfach feststellen.

    (Zuruf der Abg. Frau Schmidt-Bott [GRÜNE])

    — Ja, Frau Schmidt-Bott, dann würde ich Ihnen doch wirklich einmal raten, die Diskussion nicht nur mit solchen Wissenschaftlern zu führen, die sowieso Ihrer Überzeugung sind, sondern sich dem kritischen Dialog mit vielerlei Arten von Wissenschaft und Wissenschaftlern zu stellen.
    Punkt 2. Auch der Grad unseres Nichtwissens ist deshalb sehr unterschiedlich. Ökologische Risiken, die durch Aussaat einer gentechnisch manipulierten Getreidesorte entstehen können, sind sehr wohl abschätzbar. Sie liegen nicht in der unkontrollierbaren Verbreitung der Pflanze oder ihrer neuen Erbinformation, sondern hier geht es um ökologische Störungen, die wir schon heute infolge von Fehlentwicklungen der industrialisierten Landwirtschaft haben. Natürlich können auch gentechnisch erzeugte Pflanzen, wenn sie in Monokulturen angebaut werden, zu einer weiteren genetischen Verarmung beitragen.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Auch zu einem Reichtum! Es steht nirgends geschrieben, daß das zu einer Verarmung führen muß!)

    Auch gentechnisch gewonnene neue Weizensorten können heimische Nutzpflanzen in der Dritten Welt verdrängen. Das sind aber keine neuen, spezifisch durch die Gentechnologie entstandenen Probleme. Sie sind auch nicht durch ein Verbot der Gentechnologie im Kern anzugehen. Da brauchen Sie eine neue Agrarpolitik. Darüber sind wir uns doch wieder einig.
    Es gibt also gute Gründe, hier differenziert vorzugehen.
    Für uns gilt: Wo es wirklich um nicht umkehrbare Eingriffe in die Natur geht, wo Risiken benennbar sind



    Catenhusen
    oder wo uns unser Nichtwissen keine vernünftige Abschätzung ökologischer Risiken erlaubt, wo die Gentechnologie mehr kann als bisherige Züchtungsmethoden, da wollen wir für die nächsten fünf Jahre ein Verbot jeglicher Freisetzungsexperimente. In dieser Zeit sollen die Wissenschaftler doch feststellen, ob sie uns auf Grund verstärkter Risikoforschung dann eine sichere Abschätzung der Risiken ermöglichen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Das befristete Freisetzungsverbot soll also für Viren, Kleinstlebewesen und Bakterien gelten, denen artfremde neue Gene eingefügt werden.
    Über diese Probleme werden ohnehin die Ausschüsse des Deutschen Bundestages wegen des Berichts der Enquete-Kommission zur Gentechnologie beraten. Ihr Antrag, Frau Schmidt-Bott, ist dafür wirklich nicht notwendig.
    Ich möchte aber an dieser Stelle an die Frau Ministerin Süssmuth, die seit einigen Monaten für die Regelungsfragen in der Gentechnologie zuständig ist, einen Appell richten: Das Parlament kann erwarten, daß bis zum Abschluß seiner Beratungen zum Bericht der Enquete-Kommission, die bis zur Mitte nächsten Jahres erfolgen sollen, die bestehenden Regelungen, die grundsätzlich die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen ausschließen, nicht durch eine Revision der Richtlinien oder durch Einzelfallgenehmigungen außer Kraft gesetzt werden. Ich meine, meine Damen und Herren, wenn sich das Parlament vorgenommen hat, diese Dinge gründlich und sorgfältig zu beraten, sollte eine Veränderung der Praxis in diesem Bereich, soweit sie mit Zustimmung des Parlaments sinnvoll ist, erst nach Ende der Parlamentsberatungen erfolgen.
    Lassen Sie mich zum Schluß aber noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN machen: Die vorgeschlagene, nahezu uferlose Ausweitung des Moratoriumsgedankens halte ich für sachlich nicht tragbar. Wir müssen uns natürlich über die Frage unterhalten, ob es nicht neben der Gentechnik auch andere Methoden gibt, die die gezielte Einschleusung artfremder Gene ermöglichen. Aber die schrankenlose Erweiterung auf alle Formen der Lebewesen und durch das „etc. " auf beliebige andere Methoden halte ich nicht für sachgerecht. Sie haben sich auch noch nicht einmal die Mühe gemacht, diese Veränderung in Ihrem Antrag zu begründen.
    Zum anderen dürfen Sie, Frau Schmidt-Bott, als erklärte Anhängerin eines totalen Verbots der gentechnischen Forschung selbst Ihre Schwierigkeiten mit diesem Antrag haben. Ich weise darauf hin, daß der grüne Europaabgeordnete Härlin mit Datum vom 30. Juni 1987 einen Antrag im Europäischen Parlament eingebracht hat. Darin hat er wieder eine eigene Version dessen, was dieses Moratorium sein soll. Er spricht in seinem Antrag von einem Moratorium für die Freisetzung gentechnisch manipulierter Organismen für fünf Jahre. Das heißt, die Erweiterung auf andere Methoden hält er offensichtlich nicht für notwendig.
    Ich denke, meine Damen und Herren, das ist ein Zeichen dafür, daß in Ihrer Fraktion das Nachdenken noch fortgesetzt werden muß, ob das fundamentalistische Nein zur Gentechnik wirklich zu verantworten ist. Moratorien können im Einzelfall sinnvoll sein. Wir im Bundestag müssen uns aber beeilen, Antworten auf die Frage zu geben, wo wir konkreten Anwendungen der Gentechnologie Grenzen setzen müssen.

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Sehen Sie nicht, daß Sie damit auch schon hinterherklappen?)

    Dieser Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist meiner Ansicht nach in dieser Diskussion keine große Hilfe, wie auch die Mitarbeit der Vertreterin der GRÜNEN in der Enquete-Kommission in diesem Punkt keine große Hilfe war.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Kohn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Roland Kohn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier über einen Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN für ein sofortiges Moratorium für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Damit soll sichergestellt werden, daß Viren, Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere, die mittels gentechnischer Verfahren verändert wurden, nicht in die Umwelt freigesetzt werden. Dann heißt es dort weiter — ich zitiere — :
    Ebenso gilt das Moratorium für die Freisetzung von Organismen, die gezielt mit nichtgentechnischen Verfahren ... verändert wurden.
    Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt eindeutig, worum es der Fraktion DIE GRÜNEN geht: nicht um eine sachgemäße und anspruchsvolle Diskussion dieser schwierigen Thematik, sondern einfach darum, ein großes Horrorszenario aufzutun und die ganze Gentechnologie in Mißkredit zu bringen.
    Meine Damen und Herren, ich muß dazu sagen: Ich finde es, zum ersten, nicht akzeptabel, daß man den Versuch unternimmt, sich der Mühe des Begriffs zu entziehen.
    Ich muß außerdem sagen: Ich halte es für eine Mißachtung des Parlaments und der Arbeit der EnqueteKommission, wenn man Vorschläge unterbreitet, die in keiner Weise mit dem, was wir über 2 3/4 Jahre in dieser Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages beraten haben, in Einklang zu bringen sind.

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Haben Sie sich bei Herrn Klingmüller beschwert?)

    Außerdem ist es auch, wie ich denke, eine Täuschung der Öffentlichkeit; denn es wird hier so getan, als gäbe es zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt keinen wirklichen Regelungsmechanismus.
    Ich darf aus den jetzt gültigen Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in vitro neu kombinierte Nukleinsäuren zitieren:
    Folgende gentechnologische Experimente dürfen nicht durchgeführt werden .. .



    Kohn
    Dann kommt Verschiedenes, und unter c) heißt es dort:
    die Freisetzung gentechnologisch veränderter Organismen.
    Dies ist der Rechtszustand, der dann mit bestimmten Ausnahmetatbeständen versehen wird.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Eben!)

    Sie haben sich nicht der Mühe unterzogen, auch auf diese Dinge einzugehen.
    Im übrigen muß ich Ihnen sagen: Wenn gestern der Abgeordnete Wetzel von den GRÜNEN in einem anderen Zusammenhang erklärt hat, all das, was die Enquete-Kommission in 2 3/4 Jahren erarbeitet habe, sei ja schon längst überholt, sei ja im Grunde schon Makulatur, sollten Sie einmal anfangen, darüber nachzudenken, welche Sprachregelung Sie in Ihrer Fraktion eigentlich treffen wollen. Entweder berufen Sie sich auf dieses Ding, oder Sie sagen, es sei überholt und wir könnten es in den Papierkorb werfen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zum Stand der Dinge einige Bemerkungen machen. Der erste Punkt: Seit September 1986 finden in Großbritannien Versuche unter dem Stichwort „Sicherheitsforschung" statt. Dabei geht es um die Freisetzung von Baculo-Viren, bei denen eine neue Gensequenz eingebaut wurde, allerdings nur zur Markierung. Das bedeutet: Diese Gensequenz ist nicht genetisch aktiv. Das ist der Sachverhalt.
    Zweitens. Seit April 1987 finden in Kalifornien Versuche mit sogenannten Eis-Minus-Bakterien statt. Dabei geht es darum, die Frostschadensgrenze bei Pflanzen abzusenken.
    Im Juni 1987 wurden in Montana, ebenfalls in den Vereinigten Staaten, gentechnisch veränderte Bakterien auf Ulmen freigesetzt, und zwar um eine weitverbreitete Ulmenkrankheit zu bekämpfen. Dies erfolgte ohne Genehmigung durch die amerikanischen Behörden. Aus diesem Grunde wurden diese Ulmen gefällt und anschließend verbrannt.
    Meine Damen und Herren, seit Mai 1987 findet im Rahmen eines EG-Forschungsprogramms bei uns in der Bundesrepublik unter dem Stichwort „Sicherheit in der Biotechnologie" in Bayreuth ein Versuch mit Knöllchenbakterien statt. Es wurde eine Parzelle auf einem Versuchsfeld entsprechend beimpft. Ziel dieses Versuches ist — neben dem Stichwort „Sicherheitsforschung" — die Stickstoff-Fixierung. Dabei allerdings wurde — das ist hier ja schon Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen — nicht Gentechnologie im strengen Sinne des Wortes angewandt, sondern es kam zu einer Konjugation verschiedener Bakterien, wenn man so will, zu einer Paarung, aber nicht mit Hilfe der Gentechnologie.

    (Widerspruch bei den GRÜNEN)

    — Wenn Sie hier Zwischenrufe machen, empfehle ich Ihnen, einmal das Buch von Herrn Professor Winnakker zu lesen und die dort vorhandenen Definitionen der Begrifflichkeit in der Gentechnologie sehr sorgfältig aufzunehmen.

    (Clemens [CDU/CSU]: Der steht bei den GRÜNEN auf dem Index!)

    Allerdings habe ich bei den GRÜNEN manchmal den Eindruck, daß Sie nach der Methode handeln: Unkenntnis erhöht die Sicherheit des Urteils deutlich.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Nichts schreckt sie mehr als Wissen!)

    Meine Damen und Herren, schließlich findet — das ist ganz aktuell — in South-Carolina ein Versuch der Freisetzung von genetisch veränderten Mikroorganismen auf einem Feld mit Winterweizen statt. Da geht es um Schädlingsbekämpfung. Dieser Versuch ist von der amerikanischen Umweltschutzbehörde genehmigt worden.
    Außerdem müssen wir davon ausgehen — auch dies gehört zu einem vollständigen Bild des Sachverhalts — , daß es im nächsten Jahr erste Anträge auf Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland geben wird.
    Vor diesem Hintergrund hat die Enquete-Kommission Gentechnologie ein differenziertes Bild der Probleme gezeichnet und in ihren zahlreichen Empfehlungen folgendes festgelegt:
    Wir haben erstens gesagt: Wir wollen, daß die Freisetzung von Viren grundsätzlich nicht akzeptiert wird — mit eng begrenzten Ausnahmen, die ich jetzt hier im Detail nicht vortragen will.
    Wir haben zweitens zum Thema der Mikroorganismen folgendes gesagt — das möchte ich zitieren — :
    Die gezielte Freisetzung von Mikroorganismen, in die gentechnisch fremde Gene eingefügt worden sind, ist in den Sicherheitsrichtlinien weiterhin zu untersagen. Nach einem Zeitraum von fünf Jahren muß unter Beteiligung des Bundestages entschieden werden, ob neue Erkenntnisse eine angemessene Abschätzung möglicher Folgen solcher Experimente ermöglichen und die Aufhebung dieses Verbots rechtfertigen.
    Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: Dies ist ein Punkt gewesen, über den wir sehr lange und sehr intensiv diskutiert haben. Auch mir ist die Zustimmung nicht leichtgefallen, aber ich habe auch in diesem Punkt die Auffassung vertreten, daß wir uns, wenn auch nur ein theoretisches Restrisiko besteht, bei der Formulierung unserer Empfehlungen auf die Seite der Sicherheit zu stellen haben.

    (Vorsitz: Vizepräsident Cronenberg)

    Was den Bereich der Pflanzen angeht, so haben wir Genehmigungsvorbehalte der Zentralen Kommission für biologische Sicherheit und eine Risikobewertung hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und der Toxizität eingefordert.
    Schließlich zur Frage der durch Gentechnik veränderten Tiere. Hier haben wir gefordert, daß sichergestellt werden muß, daß die Ausbreitung der Tiere kontrollierbar bleibt. Das heißt auf gut deutsch: Die Rückholbarkeit muß sichergestellt werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese differenzierte Position ist in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit auf sehr viel Kritik gestoßen. Wir haben eine ganze Menge Prügel eingesteckt. Trotzdem glauben wir, daß es sinnvoll war, diese Entscheidungen so zu treffen, weil wir als Politiker dann, wenn



    Kohn
    auch nur ein Risiko besteht, das man nicht abschließend beurteilen kann, die Verpflichtung haben, den Menschen und die Umwelt zu schützen und sicherzustellen, daß, soweit menschliches Vermögen überhaupt reicht, hier keine Schädigungen auftreten können.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesem Grund sind wir der Überzeugung, daß diese Vorschläge, die die Enquete-Kommission dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat, den richtigen Rahmen für die weitere Behandlung dieser Thematik abgeben. Wir werden uns ja im Laufe der nächsten Monate und Jahre weiter intensiv mit diesen Fragen beschäftigen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Ich finde, es ist für die Behandlung dieser Thematik von außerordentlicher Wichtigkeit, daß zumindest die klassischen Fraktionen dieses Hauses hier in den Grundlinien an einem Strick ziehen; denn wenn wir sicherstellen wollen, daß es in der Öffentlichkeit Verständnis für die Arbeiten der Gentechnologie gibt, dann müssen wir sicherstellen, daß optimale Information vorhanden ist und daß in der Öffentlichkeit ein Konsens über den verantwortungsbewußten Umgang mit dieser Technologie entstehen kann. Die Enquete-Kommission hat den Weg dazu gewiesen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)