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ID1103704100

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    Plenarprotokoll 11/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 8: Aktuelle Stunde betr. Ergebnisse des Waldschadenberichts 1987 Dr. Knabe GRÜNE 2497B, 2486 C Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 2480 B Lennartz SPD 2481 A Heinrich FDP 2481 D Vahlberg SPD 2482 D Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 2483 D Baum FDP 2484 D Kiechle, Bundesminister BML 2485 C Bayha CDU/CSU 2487 A Stahl (Kempen) SPD 2487 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 2489 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2490 C Schmidbauer CDU/CSU 2491 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 2492 C Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Schmidt-Bott, Ebermann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiges Moratorium für die Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (Drucksache 11/695) Frau Schmidt-Bott GRÜNE 2493 D Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 2495 B Catenhusen SPD 2497 C Kohn FDP 2499 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2501 B Tagesordnungspunkt 22: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/118) und b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksache 11/860) und c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Männle, Frau Verhülsdonk, Frau Dempwolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Geschlechtsbezogene Formulierungen in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (Drucksache 11/1043) Frau Dr. Dobberthien SPD 2502 D Frau Männle CDU/CSU 2503 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 2504 D Richter FDP 2506 B Engelhard, Bundesminister BMJ 2507 C Helmrich CDU/CSU 2508 B Frau Becker-Inglau SPD 2509 A Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2510A Vizepräsident Cronenberg 2511 B Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksache 11/474) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 Dr. de With SPD 2511 D Eylmann CDU/CSU 2513 C Frau Schoppe GRÜNE 2515 B Lüder FDP 2516B Engelhard, Bundesminister BMJ 2517 A Frau Bulmahn SPD 2517 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 2519C Nächste Sitzung 2520 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2521* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2521* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1987 2479 37. Sitzung Bonn, den 6. November 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 11. Frau Beck-Oberdorf 6. 11. Bernrath 6. 11. Frau Blunck 6. 11. Dr. Briefs 6. 11. Böhm (Melsungen) ** 6. 11. Brauer 6. 11. Frau Brahmst-Rock 6. 11. Clemens 6. 11. Conradi 6. 11. Dollinger 6. 11. Doss 6. 11. Dr. Ehmke (Bonn) 6. 11. Ewen 6. 11. Dr. Feldmann 6. 11. Dr. Fell 6. 11. Gattermann 6. 11. Geis 6. 11. Gerstein 6. 11. Dr. Götz 6. 11. Dr. Haack 6. 11. Haack (Extertal) 6. 11. Heistermann 6. 11. Frau Dr. Hellwig 6. 11. Dr. Jobst 6. 11. Dr. Klejdzinski * 6. 11. Kolbow 6. 11. Kretkowski 6. 11. Lenzer * 6. 11. Leonhart 6. 11. Linsmeier 6. 11. Louven 6. 11. Lowack 6. 11. Frau Dr. Martiny 6. 11. Meyer 6. 11. Michels 6. 11. Mischnick 6. 11. Dr. Möller 6. 11. Müller (Schweinfurt) 6. 11. Frau Pack * 6. 11. Paintner 6. 11. Pfeifer 6. 11. Reuschenbach 6. 11. Frau Schilling 6. 11. Schmidt (München) * 6. 11. Schmidt (Salzgitter) 6. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmitz (Baesweiler) 6. 11. Dr. Schmude 6. 11. Dr. Schneider 6. 11. Schroer 6. 11. Sielaff 6. 11. Dr. Sperling 6. 11. Schwarz 6. 11. Wieczorek (Duisburg) 6. 11. Wischnewski 6. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Oktober 1987 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/803) zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/779 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/779 Nummern 2.5, 2.6 Haushaltsausschuß Drucksache 11/883 Nummern 64, 68 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/253 Nummern 2.5, 2.6, 2.7, 2.8 Drucksache 11/339 Nummern 2.1, 2.2 Drucksache 11/439 Nummern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5 Drucksache 11/561 Nummern 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/779 Nummern 2.8, 2.9, 2.10, 2.11, 2.12, 2.13, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17, 2.18, 2.19, 2.22, 2.23 Drucksache 11/883 Nummern 73, 74, 75, 76, 77 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/253 Nr. 2.26 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/253 Nr. 2.29 Drucksache 11/883 Nr. 116 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/883 Nr. 120 Drucksache 11/883 Nr. 121 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 3.159 Drucksache 11/138 Nr. 3.160 Drucksache 11/138 Nr. 3.161 Drucksache 11/561 Nr. 2.17
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Regula Schmidt-Bott


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Bei einem so lebenswichtigen Thema wie der Gentechnologie erleben wir, daß die Abgeordneten bei der Befassung mit dem Bericht der Enquete-Kommission „ Chancen und Risiken der Gentechnologie" mehr zu Gedankenspielen verdonnert sind, als daß sie noch die Chance hätten, realitätstüchtige Lösungen zu entwickeln. Denn die politische Weichenstellung wird anderenorts gemeinsam von Regierung, Wissenschaft und Industrie schon längst vollzogen.
    Mit unserem Antrag unternehmen wir den Versuch, dieser verheerenden Entwicklung wenigstens an einem Punkt noch Einhalt zu gebieten. Wir wollen die Vertreterinnen der anderen Parteien in der EnqueteKommission beim Wort und in der Folge vor allem die Bundesregierung in die Pflicht nehmen.
    Alle Kommissionsmitglieder hatten sich bei der Frage der Freisetzung gentechnisch veränderter Mikroorganismen in die Umwelt auf ein zunächst fünfjähriges Moratorium geeinigt. Doch noch bevor diese Empfehlung im Bundestag überhaupt diskutiert werden konnte, fand in Bayreuth die erste Freisetzung von manipulierten Bakterien statt, die alle ernstgemeinten Moratoriumsvorschläge zunichte machte.

    (Schily [GRÜNE]: Die Bundesregierung besteht ja auch aus manipulierten Bakterien!)




    Frau Schmidt-Bott
    Im Rahmen eines von der EG mit 60 000 Dollar finanzierten Projektes haben Wissenschaftler in Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik Bakterien freigesetzt, denen die Erbinformation für die Resistenz gegen verschiedene Antibiotika eingebaut wurde. In dem Bayreuther Versuch wurden rund 10 Billionen manipulierte Bodenbakterien auf einem Erbsenacker versprüht. Ein Ergebnis dieses Versuches kennen die Wissenschaftler, wie so oft, natürlich schon vorher. Sie behaupten, die Bakterien seien trotz gentechnischer Manipulation harmlos. Sie behaupten, sie würden früher oder später sowieso absterben und stellten überhaupt keine Gefahr für die Umwelt dar.
    Da frage ich: Wenn wirklich keine Gefahren bestehen, warum erfuhr die Öffentlichkeit erst dann von dem Experiment, als es längst gelaufen war?

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Wir werden nicht nur nicht informiert, man will uns auch noch für dumm verkaufen.
    Die Freilandversuche werden unter dem Motto gestartet: Besser jetzt Fakten setzen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, als später womöglich nicht mehr den lieben Gott persönlich spielen zu können.
    Die Zentrale Kommission für die biologische Sicherheit und die Bundesregierung haben offensichtlich darauf gesetzt, daß die Öffentlichkeit nicht so schnell etwas davon erfährt.

    (Zuruf von der SPD: Die ist doch gar nicht beteiligt!)

    — Doch.
    Diese Vorgänge sind erst durch die Recherchen kritischer Beobachterinnen und durch einen Artikel im „Genethischen Netzwerk" an die Öffentlichkeit gelangt. Herr Catenhusen beklagte zu Recht, aber eben zu spät, daß die Kommission davon nicht informiert worden war. Vielleicht wäre die Empfehlung der Kommission noch schärfer ausgefallen.
    Seit die Katze aus dem Sack ist, wird versucht, die Bedeutung dieser ersten Freisetzung herunterzuspielen. Der Bayreuther Forscher Klingmüller behauptet immer wieder, dieses Experiment habe nichts mit Gentechnologie zu tun, obwohl die britischen Urheber dieses Versuchs offen von gentechnisch manipulierten Organismen sprechen.
    Die zuständige ZKBS war auffallend schnell bereit, sich der Interpretation von Herrn Klingmüller anzuschließen. Der ZKBS-Vorsitzende Goebel sieht in dem Experiment einen „völlig natürlichen Vorgang" und tut so, als ob er die ganze Aufregung nicht verstehe. So kann die bisher einzige Kontrollinstanz für Genversuche in der Bundesrepublik ihre Hände in Unschuld waschen nach dem Motto: Der Fall ist bei uns nicht vorgesehen; wir sind nicht zuständig; macht, was ihr wollt. Und die ZKBS ist sich der Rückendeckung durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie sicher; siehe die entsprechende Antwort auf unsere Kleine Anfrage auf Drucksache 11/761 vom 7. September 1987, auf die ich aus Zeitgründen nicht genauer eingehen kann.
    Es ist zwar richtig, daß bei der Bayreuther Freisetzung keine Genübertragung in vitro, also im Reagenzglas, stattgefunden hat, sondern eben „nur" in lebenden Organismen. Aber diese sogenannte In-vivoÜbertragung mit Hilfe von Transposons als völlig natürlichen Vorgang zu bezeichnen ist nicht nur verharmlosend, das ist nicht haltbar. Experten sprechen bei dieser Methode offen von „einem neuen Werkzeug für gentechnische In-vivo-Manipulationen". Das bedeutet, dieser sogenannte „natürliche Vorgang" wird in den Händen der Genforscher als Erweiterung ihres Repertoirs zur Herstellung neuer genetischer Schöpfungen benutzt.
    Ich muß unterstellen, daß ZKBS und Bundesministerium FT dieses wissen, aber eben keine Konsequenzen ziehen wollen. Denn wie immer auch jeder denkbare Streit über die Methodendefinition bei der Manipulation von Mikroorganismen ausfällt, für jedes Ergebnis haben Industrie, Wissenschaft und Regierung einen Tranquilizer bereit: „Sicherheitsforschung" heißt die neue Pille, ist groß im Kommen und mächtig in Mode.
    Am 17. Juli 1987 stellte Minister Riesenhuber in einer Pressemitteilung das Konzept zur biologischen Sicherheitsforschung vor. Schon die Überschrift lautet: „Biologische Sicherheitsforschung ermöglicht gefahrlosen Umgang mit der Zukunftstechnologie Gentechnik" ; nicht: soll ermöglichen, sondern: ermöglicht. Zwei Sätze weiter: „Bei der Nutzung auftretende Risiken müssen" — das ist ja noch korrekt — „und können im Vorfeld einer breiten Anwendung eingefangen und beherrscht werden. " Herr Riesenhuber kennt auch hier schon das Ergebnis und will Sicherheit suggerieren.
    Auf Seite 3 dieser Pressemitteilung kann er seinen Optimismus allerdings selbst nicht mehr durchhalten. Dort muß er zugeben, daß es bei der Sicherheitsforschung nicht nur darum geht, Risiken und Gefahren zu eliminieren, sondern, wo das nicht funktioniert, auf ein „vertretbares Maß" zu reduzieren. Da haben wir es wieder, das berühmte Restrisiko.
    Wer bestimmt, was ein akzeptables Restrisiko, was das vertretbare Maß ist? Nicht etwa die Bevölkerung oder kritische Wissenschaftlerinnen und Experten, nein, der Bundesverband der Industrie und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die schon die Empf eh-lung der Enquete-Kommission für ein fünfjähriges Moratorium als unnötig und als übertrieben ansehen. Die wollen darüber entscheiden, was vertretbar ist und was nicht.
    Daß die Industrie hier freie Fahrt haben will, wundert nicht. Gefährlich ist es aber, wenn auch der ZKBS-Vorsitzende in diese Kerbe haut. Er tut die Forderung nach einem Moratorium als wissenschaftlich unsinnig ab. Dabei unterschlägt er die Beurteilung einer Abteilung des Bundesgesundheitsamts, in der es heißt, der bisherige Wissensstand reiche nicht aus, um Freilandexperimente verantworten zu können. Die geforderte Wartezeit von fünf Jahren sei eher zu kurz.
    Uneingeschränkter und verantwortungsloser Konkurrenzkampf unter den Wissenschaftlern und zwischen den- Industriemultis sind Maßstab für unsere



    Frau Schmidt-Bott
    Sicherheit. Vertretbar ist, was der Profit- und Lorbeergeilheit dient.
    Selbst Herr Catenhusen fragt inzwischen, ob wirklich vorsichtig und abwägend vorgegangen wird oder ob der Galopp des Profits alle Bedenken hinter sich läßt. Die Antwort ist längst bekannt. Jüngst wurde sie wieder bei der Genehmigung Weimars für die sogenannte Insulin-Versuchsanlage bei Hoechst bestätigt.
    Mit dem heutigen Antrag sind wir noch bescheiden; denn die Moratoriumsforderung bezieht sich nur auf den Zeitraum der parlamentarischen Beratung des Enquete-Berichts, zielt also erst einmal nur darauf ab, während der parlamentarischen Beratung nicht wieder so übers Ohr gehauen zu werden, wie es der Enquete-Kommission mit der Bayreuther Freisetzung ergangen ist.
    Als logische Konsequenz ergeben sich daraus auch die weiteren, in den Punkten 1 bis 3 unseres Antrages erhobenen Forderungen nach unverzüglicher Offenlegung aller bisher durchgeführten Experimente, nach Transparenz und Veröffentlichung aller Anträge und Planungen sowie dem Auftrag an die Bundesregierung, sich für ein gleichlautendes Moratorium der EG-Staaten einzusetzen.
    Ich will nicht verschweigen: Mit unserem Antrag nehmen wir auch eine Erweiterung des von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Moratoriums vor; denn das Kommissionsmoratorium bezieht sich nur auf Mikroorganismen, also nicht auf Tiere und Pflanzen, und macht auch bei Mikroorganismen zwei wesentliche Ausnahmen, von denen wir wissen, daß sie nicht haltbar sind.
    Häufig werden wir Kritikerinnen der Gentechnologie gefragt, was denn nun wirklich passieren könnte, wenn sich gentechnisch manipulierte Organismen in der Umwelt ausbreiteten. Man verlangt von uns den Entwurf eines Katastrophenszenariums. Doch bei Katastrophenphantasien verweigert sich oft das menschliche Hirn. Uns sind Hiroshima, Nagasaki, Seveso, Bhopal und Tschernobyl Warnung und Mahnung.
    „Ich habe Angst vor den Angstlosen unter den Forschern", sagte eine Teilnehmerin bei der Tagung der Synode der EKD zu Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin, zitiert nach „Frankfurter Rundschau" vom 4. November 1987. Ich möchte das ergänzen: Leute, die nach all den Katastrophen ungebremst die Gift-und Seuchenproduktion fortsetzen, sind wohl nicht nur angstlos, sie sind skrupellos.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Voigt (Northeim).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Peter Voigt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie unseriös der Antrag der GRÜNEN ist, macht sich zweifelsohne schon an der Verallgemeinerung zu Beginn Ihres Vortrages, Frau Schmidt-Bott, bemerkbar, wenn Sie davon sprechen, daß die Enquete-Kommission ein Moratorium über fünf Jahre gefordert hat, und Sie nicht den Mut haben, weil es dann für Sie nämlich problematisch wird, zwischen den verschiedenen Organismenstufen zu differenzieren, die es gibt. Sie haben zum Schluß versucht, noch einen kleinen Schlenker zu machen. Es gibt aber zweifelsohne sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen für die einzelnen Organismusformen, die wir in der Kommission zu begründen versucht haben. Ich möchte auch jetzt versuchen, sie Ihnen als den Standpunkt der Union noch einmal ans Herz zu legen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, das eine oder andere Verallgemeinernde zu korrigieren. Diese Verallgemeinerung aber dient ja letztlich Ihrem Szenario und macht für Sie den Wert dieser Diskussion aus, mit dem Sie einfach nur neue Angstperspektiven aufzeigen wollen.

    (Widerspruch bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Genau getroffen!)

    — Ich gebe zu: Das gefällt Ihnen zwar nicht, aber es ist so.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ich hoffe, Sie haben auch Angst!)

    — Ich habe Furcht. Das ist etwas anderes, das ist nämlich eine gezielte Form der Angst, weil man mit der Ratio damit umgehen kann.

    (Lachen bei den GRÜNEN)

    — Sie haben nur Angst, irrationale Angst, die Sie befriedigt, Frau Unruh.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da ich Furcht habe und weiß, wie man damit umgehen kann, bin ich der Meinung, daß es durchaus differenzierte Formen der Betrachtung der Gentechnik gibt. Wenn ich mir anschaue, wie Sie während der Beratungen der Enquete-Kommission versucht haben, die Gentechnik völlig zu verdammen, dann interpretiere ich diesen Antrag, wo es darum geht, ein Moratorium zu empfehlen, so, daß es für die GRÜNEN irgendwo eine Wende aus dieser völlig ablehnenden Haltung heraus in den Einstieg in die Gentechnik gibt.
    Das ist Ihr Problem, das müssen Sie in Ihren eigenen Reihen austragen. Ich will mich da nicht einmischen. Ich habe den Eindruck, wenigstens aus den Beobachtungen der letzten Wochen, daß es bei Ihnen durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich denke, daß man mit denjenigen, die mehr auf unserer Linie liegen, auch in Zukunft ins Gespräch kommen wird.
    Was hat die Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie" gemacht? Sie hat versucht, in einer Grundsatzentscheidung zu Beginn der Beratungen die Frage zu klären, ob man die Gentechnik bejaht oder nicht bejaht. Wir haben gesagt: Ja, aber mit Rahmenbedingungen. Ich glaube, das ist ein Punkt, über den wir auch in Zukunft diskutieren müssen und bei dem die Kommissionsmitglieder, die sich mit dieser sehr schwierigen Materie beschäftigt haben, auch sensibel sind.
    Wir haben gesagt, es gibt — in Abwägung der Chancen und Risiken — durchaus ein Überwiegen der Chancen, es gibt durchaus Möglichkeiten, sogar die Notwendigkeit, wenn Sie sich die medizinischen Anwendungen anschauen, diese Technik auch weiterhin zu bejahen. Wir haben aber auch gesagt, daß auf der anderen Seite Risiken vorhanden sind. Wir



    Dr. Voigt (Northeim)

    wollen hier eine verantwortbare Technikfolgenabschätzung machen. Wir möchten Rahmenbedingungen, die wir festlegen wollen, gern so gestalten, daß es Grenzen gibt, daß wir uns aber wesentliche Dinge nicht verbauen. Ich glaube, gerade die medizinische Diskussion in den letzten Wochen und Jahren hat deutlich gemacht, daß wir bestimmte Dinge dringend brauchen: Medikamente, Impfstoffe, die wir ohne die Gentechnik nicht herstellen können.

    (Widerspruch bei den GRÜNEN)

    — Ich weiß, das gefällt Ihnen nicht. Aber hören Sie doch einmal zu.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: In den biologischen Sektor hinein!)

    — Ich weiß nicht, was Sie mit „biologischem Sektor" meinen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ich schicke Ihnen das mal!)

    Aber lassen Sie uns doch auf die akute, aktuelle Frage kommen. Glauben Sie denn im ernst, daß wir eine Prophylaxe bei AIDS irgendwann ohne Gentechnik zustande bringen? Oder wollen Sie die Lebensbedingungen da so verändern, wie andere das wollen?

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Also, Frau Unruh, ich lade Sie gerne ein, dann schauen wir uns das einmal zusammen an. Ich kann Ihnen da schöne Bilderchen zeigen, die dann vielleicht auch Sie überzeugen.

    (Kohn [FDP]: Tun Sie sich das nicht an!)

    — Soll ich mir nicht antun? Gut, Herr Kohn, wenn Sie das meinen — Sie haben da vielleicht schon Erfahrungen — , dann lassen wir das lieber. —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir zu den wichtigen Punkten zurück, die wir aus der Sicht der Union sehen. Ich glaube, niemand kann den Mitgliedern der Enquete-Kommission vorwerfen, daß sie die unterschiedlichen Fragen, die da zu bedenken sind, nicht mit Ernsthaftigkeit geprüft haben. Das geht von der Frage der ethischen Belastbarkeit bis hin zu der Frage der Gefährlichkeit. Wir sind uns durchaus darüber im klaren, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Freisetzung von Mikroorganismen ein Problem darstellt,

    (Seesing [CDU/CSU]: Richtig!)

    das geregelt werden muß. Und ich nehme es gleich vorweg: Wir waren alle davon überzeugt, daß die Freisetzung von Mikroorganismen den bisher üblichen Kontrollverfahren und der Begrenzung durch die ZKBS zweifelsohne unterliegen muß.
    Wir sind uns aber auch darüber im klaren, daß wir das erweitern müssen, daß wir in die Regelung, so wie sie im Augenblick besteht, natürlich Mikroorganismen mit einbeziehen müssen, die zusätzliche Gene eingebaut bekommen haben, daß Regulationsgene mit einem ganzen Paket von zu regulierenden Genen dahinter einbezogen werden müssen, wenn sie verändert werden, daß neu synthetisierte Gene, die eingebaut werden, dazugehören und daß das Weglassen von Genen da ebenfalls hineingehört.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Dann stimmen Sie doch zu! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    — Moment, ich komme ja gleich darauf, ich komme gleich darauf zurück. Ich spreche von den Mikroorganismen. Sie haben ja gar nicht den Versuch gemacht, hier einen zustimmungsfähigen Antrag einzubringen, weil Sie die ganze Palette der Organismen, die wir nun einmal haben, einbezogen haben: von Tieren über Pflanzen bis hin zu den Viren. Genau das macht doch deutlich, daß Sie gar keine Zustimmung haben wollen,

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: So ist es!)

    sondern daß Sie im Grunde genommen nur die Diskussion wollen und sie in Ihrem Sinne ausschlachten wollen. Das ist doch das Ziel, nicht die ernsthafte Diskussion über das, worum es wirklich geht.

    (Widerspruch bei den GRÜNEN)

    — Ja, natürlich, lesen Sie es sich doch einmal durch, Herr Kleinert.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, gar keine Frage: Die Freisetzung von Mikroorganismen soll verhindert werden. Hier sind wir der Meinung, daß die ZKBS-Richtlinie auch auf Mikroorganismen ausgeweitet werden muß, die durch die herkömmlichen Methoden der Entwicklung von Mikroorganismen, die der Gentechnik nicht angepaßt sind, entstanden sind. Auch hier glauben wir, daß wir eine Zulassungsbeschränkung durch die ZKBS bzw. Anmeldeverpflichtungen brauchen und hierüber dann eine gewisse Kontrolle seitens der ZKBS ausüben müssen.
    Schauen wir uns die Viren an: Hier sind wir der Auffassung, daß gentechnisch veränderte Viren
    — ganz gleich, nach welchen Mechanismen — diesen Kontrollmechanismen ebenfalls unterstellt werden müssen, daß wir aber auch hier Ausnahmen brauchen. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß es Viren mit einer so hohen, über Jahrzehnte erprobten Wirtsspezifität gibt, daß wir sie bei der Insektenbekämpfung in der Landwirtschaft durchaus nutzen können. Und hier sagen Sie, das ist ein Alibi. Aber wir sind der Meinung, daß das BMFT hierfür Forschungsprogramme auflegen muß, Forschungsprogramme, die uns dann bestätigen sollen, ob wir hier eine Ausnahme von den normalen Regeln des Verbots der Freisetzung manipulierter Viren machen können.

    (Geis [CDU/CSU]: Richtig, genau!)

    Wir sind aber auch hier der Auffassung — und da habe ich ja soeben schon Gelächter geerntet — , daß wir bei der Entwicklung von Impfstoffen — und die Anwendung von Impfstoffen ist, wenn Sie so wollen, ein Freilandversuch — ebenfalls Ausnahmen brauchen.

    (Geis [CDU/CSU]: Genau!)




    Dr. Voigt (Northeim)

    Unter den von mir schon aufgezeigten medizinischen Indikationen wird man das zweifelsohne vertreten können.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein!)

    — Sie sagen nein, ich sage ja; ein schönes Spiel. Ich jedenfalls meine, daß wir das Freilandexperiment hier brauchen

    (Schily [GRÜNE]: Frankenstein!)

    — das hat nichts mit Frankenstein zu tun — , weil wir die Weiterentwicklung vernünftiger Impfstoffe zweifelsohne nur über den Freilandversuch ermöglichen können.
    Lassen Sie mich eines nachtragen. Auch bei der Freisetzung von Mikroorganismen werden wir ja zweifelsohne die Bierproduktion nicht verbieten wollen. Oder ist das Ihr Ziel?

    (Zuruf der Abg. Frau Schmidt-Bott [GRÜNE])

    — Aber das gehört doch hier hinein — es tut mir leid — , wenn Sie konsequent Ihren Antrag beachten. Da sehen Sie, wie unseriös Ihr Antrag ist.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: „Genetisch manipulierte Organismen" steht da!)

    — Ich bitte Sie: Was wird denn da tagtäglich gemacht? Ich will das nicht ausführen.
    Lassen Sie mich noch zu der Frage kommen, wie wir die Pflanzen behandeln sollen. Wir sind der Auffassung, daß die ZKBS zweifelsohne diese Experimente wissen muß, daß wir melden müssen, daß es Zustimmungen gibt, daß hier Risikoforschung betrieben werden muß, wie es sinnvoll ist, um eine vernünftige Technikfolgenabschätzung zu machen.
    Bei den Tieren sollte man bei den Regelungen bleiben, wie sie im Augenblick da sind. Je kleiner das Tier, um so stärker wird kontrolliert. Wo die Tiere nicht rückholbar sind, sind sicher ähnliche Bestimmungen anzuwenden, wie wir sie bei Mikroorganismen haben. Dagegen sind wir der Meinung, daß wir bei Tieren, die in der Gesellschaft des Menschen leben und daher eindeutig zu kontrollieren sind, andere Voraussetzungen als bei den kleineren Tieren aufzeigen sollen.
    Wer die Gentechnik als eine Chance bejaht, kann hier, wenn er vernünftig nachdenkt, wenn er verantwortlich handelt, wenn er alle Möglichkeiten der Umweltverträglichkeit in seine Überlegungen einbezieht, durchaus etwas Konstruktives und Verantwortliches tun. Er kann damit seine ethischen Vorstellungen vereinbaren. Er kann zweifellos auch für die Zukunft unserer Bundesrepublik gute Dinge tun. Aber ich bin sicher, daß nur einige das wollen.
    Auf der anderen Seite bin ich auch sehr überzeugt, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit — die Aktivitäten der letzten Monate zeigen das — die Empfehlungen der Enquete-Kommission, gerade bezogen auf die Freilandexperimente sehr ernst nimmt. Ich fordere Sie noch mal nachhaltig auf, gerade unsere Forderungen möglichst schnell in die ZKBS-Richtlinien einzubauen und damit den Forderungen der Kommission gerecht zu werden.
    Ich bedanke mich, daß Sie so geduldig zugehört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)