Rede von
Prof. Dr.
Eckhart
Pick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da sich jeder rechtfertigen muß, der an dieses Pult tritt, will ich das mit der Begründung tun, daß ich mich einfach dafür interessiere, wie man hier steht. Ich stehe also zum erstenmal in diesem Hohen Hause an dieser Stelle.
Ich möchte zunächst einmal um Verständnis bitten, wenn alte Hasen oder alte Häsinnen
dieses Parlament mit einem gewissen Augenaufschlag gen Himmel diese erneute Debatte, wenn überhaupt, verfolgen. Aber ich glaube, es ist einfach notwendig, daß auch wir Neuankömmlinge uns Gedanken machen, wie die Arbeit hier weitergehen soll. Ich denke, daß der Grundsatz 1 der Verwaltung — Herr Schwarz, Sie als ehemaliger Innenminister kennen ihn besonders gut — , „Das haben wir schon immer so gemacht", allen Bestrebungen entgegensteht.
Ich will ein paar Bemerkungen, die im Laufe dieser Debatte gemacht worden sind, aufnehmen.
Zunächst einmal finde ich es typisch, daß die Selbstverständnisdebatte zu dieser Zeit angesetzt ist. Denn im Grunde ist sie so wichtig, daß sie eigentlich an den Anfang eines Sitzungstages gehört hätte.
Insofern ist es nicht verwunderlich, daß nur noch eine relativ geringe Anzahl von Kolleginnen und Kollegen der Debatte folgt.
Auch das, meine ich, hat etwas mit dem Selbstverständnis des Parlaments zu tun.
Ich möchte mit einem Vorschlag beginnen, der heute morgen gemacht worden ist, der als Gedanke in dem Raum gestellt worden ist, nämlich: Entlastung des Parlaments. Natürlich ist man etwas verzweifelt, wenn man sich die bunte Tagesordnung des Plenums anschaut. Sie kommt daher wie zusammengewürfelt und entbehrt halt einer Logik. Ich denke, daß es unsere Aufgabe sein könnte, die Tagesordnungen etwas nach sachlichen Gesichtspunkten zu strukturieren.
Entlastung heißt, das Parlament soll sich auf die wesentlichen Aufgaben beschränken, was vom Prinzip her sicher ein guter Vorschlag ist. Wenn er aber darauf hinausläuft, daß sich das Parlament nicht nur selbst entlastet, sondern möglicherweise auch seiner Aufgaben enthebt, dann ist dieser Vorschlag nicht so gut. Ich denke an einen Vorschlag, der gemacht worden ist: daß man die Bundesregierung und die anderen Formen der Exekutive ermächtigen könnte, durch
Rechtsverordnung im Sinne des Gesetzgebers tätig zu werden. Sie wissen, daß in Art. 80 des Grundgesetzes die Vorschrift enthalten ist, daß das Parlament die Regierung oder Minister ermächtigen kann, im Sinne eines Gesetzes, wenn auch nach Inhalt, Zweck und Umfang festgelegt, entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen.
Nun dient das meistens nicht dem Bürger, weil er dann immer vor der Frage steht, ob eine Rechtsverordnung auch im Sinne der Ermächtigungsnorm ist. Das heißt, die Rechtsunsicherheit und die Nachprüfbarkeit durch die Gerichte wären sicher ein Problem.
Wenn nun vorgeschlagen wird, daß man sich darauf beschränken sollte, die Ermächtigung nur insoweit vorzugeben, als man sagt, daß die Zielsetzung des Gesetzes durch Rechtsverordnung ausgeführt werden könnte, dann habe ich mit diesem Vorschlag besondere Probleme. Denn Art. 80 ist ja nicht zufällig in unsere Verfassung hineingeraten, sondern er ist die Antwort auf eine unglückliche Entwicklung in der Weimarer Republik und auf die Pervertierung des Verordnungsrechts während der nationalsozialistischen Zeit. Das heißt, die Väter oder die Mütter des Grundgesetzes haben sich sehr wohl überlegt, warum sie die Ermächtigung an ganz bestimmte Voraussetzungen gebunden haben. Ich halte das für wichtig.
Es ist vorhin gesagt worden, daß das Bild dieses Parlaments in den Medien zu wünschen übriglasse. Wenn ich mir die Debatte von heute morgen noch einmal vor Augen führe, dann muß ich doch sagen, daß mir ein gewisser Widerspruch aufgefallen ist: Es wurden sehr häufig hehre Grundsätze beschworen: Freiheit der Presse, der Information. Es wurde gesagt, der Angeklagte oder der Beschuldigte habe die Unschuldsvermutung für sich. Das sind alles gute und vor allen Dingen auch beherzigenswerte Gedanken. Nur, man sollte sich dann auch entsprechend daran halten, wenn man hier seine Rede vorträgt,
und auch entsprechend diesem Grundsatz verfahren.
Ich meine, dieses Parlament trägt selber dazu bei, wie sein Bild in der Öffentlichkeit aussieht.
Wir dürfen das nicht nur der Presse überlassen, je nachdem, ob sie uns gefällt oder nicht. Unsere Aufgabe ist es, hier für ein besseres Bild in der Öffentlichkeit zu sorgen. Das hat etwas mit der Qualität von Beiträgen und auch mit der Qualität des Umgangs miteinander zu tun.
Vielen Dank.