Rede von
Friedrich
Bohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will mich bemühen, in freier Rede zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen,
— Herr Gansel, wir kennen uns; gut, so ist es — und gleich zu Beginn sagen, daß wir bei diesem Antrag durchaus auch zwiespältige Gefühle haben. Zum einen — das war ja Ihr Hauptanliegen, Frau HammBrücher; Sie haben es gesagt — soll dieser Antrag dazu beitragen, daß wir über uns selbst diskutieren,
daß wir die Selbstverständnisdebatte einmal mehr hier in diesem Plenum führen, daß wir sozusagen die Parlamentsreform als ständige Aufgabe begreifen und einen Impuls mit diesem Antrag geben wollen. Ich glaube, dem kann man zustimmen. Dafür haben auch wir viel Sympathie, weil in der Tat Parlamentsreform ein ständiger Prozeß ist.
Aber ich darf vielleicht gleich aus meiner Sicht hier doch eine wichtige Anmerkung vornehmen. Die Par-
1876 Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 28. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. September 1987
Bohl
lamentsreform bezieht sich natürlich nicht nur auf die Geschäftsordnung und mögliche Änderungen der Geschäftsordnung, sondern zu einem großen Teil auch auf das, was man als „common sense" in diesem Hause, sozusagen als ein gemeinsames Vorverständnis von unserer Arbeit bezeichnen mag,
und auch auf das, was die technische, materielle und organisatorische Ausstattung anbelangt.
Da möchte ich doch gleich einmal sagen: Wir haben in den letzten Jahren hier gewaltige Sprünge nach vorne getan. Ich denke daran, daß die Mitarbeiterpauschale erhöht wurde und ja auch mehr Mitarbeiter von fast allen Kollegen eingestellt wurden. Das hat unsere Arbeit angesichts der Papierflut, die wir nun einmal haben, erleichtert. Auch die Einführung neuer Kommunikationstechniken macht ja bei uns nicht halt. PARLAKOM oder auch, was die Fraktionen dort leisten, erleichtert unsere Arbeit. Ich halte das schon für wichtige Schritte, die hier auch erwähnt werden sollten.
Ich möchte, soweit es die Geschäftsordnung als nächstes anbelangt, hinzufügen, daß wir ständig auch die Geschäftsordnung veränderten Bedingungen anpassen. Es ist ja keineswegs so, daß wir sie nun als Heiligtum betrachten. Ich denke daran, daß wir gestern im Geschäftsordnungsausschuß unter dem Vorsitz des Kollegen Porzner z. B. einvernehmlich die Frage erörtert haben: Wie können wir die europäischen Abgeordneten in unserem neu installierten Unterausschuß Europapolitik beteiligen? Können sie dort als Sachverständige, als ständige Sachverständige, als beratende Mitglieder, als kooptierte Mitglieder gehört werden und mitarbeiten oder wie immer man das dann im einzelnen nennen mag? Auch hier wollen wir also Europa in unsere Arbeit besser einfließen lassen. Das ist ein Detail, ein unwichtiges Mosaiksteinchen möglicherweise. Aber es macht deutlich, daß eben die Anpassung unserer Geschäftsordnung und unseres Umgangs millimeterweise geschieht und auch geschehen ist.
Als zweites möchte ich in diesem Zusammenhang vortragen, daß man für mein Empfinden unsere Selbstverständnisdebatte nicht auf das Plenum einengen dürfte, daß es nicht nur darum geht, was hier im Plenum geschieht. Auch ich bin für eine lebendigere Debatte. Wer mag eigentlich dagegen sein? Hier ist vieles sicherlich verbesserungswürdig.
Aber man muß auch sehen, daß wir — jedenfalls nach herkömmlicher Überzeugung — nicht nur ein Debattenparlament sind. Ich glaube, keiner will hier in die Gefahr kommen, daß wir sozusagen der Hyde Park der Nation sind, sondern Politik muß natürlich zielgerichtet sein, und die Debatten müssen zu einem Ergebnis führen und sollten deshalb auch entsprechend strukturiert sein.
Die Geschäftsordnung ist auch nicht vom Himmel gefallen oder ist vom Präsidenten, den Geschäftsführern oder den Fraktionsvorsitzenden irgendwann einmal als Oktroi gekommen, sondern hat sich aus der Arbeit entwickelt und ist im jetzigen Stadium eine
Form — sagen wir es einmal so — , mit der es jedenfalls bisher gut geklappt hat, was die Reformbedürftigkeit aber keineswegs ausschließt, ganz gewiß nicht.
Ich sagte, wir sollten das Thema nicht auf das Plenum einengen. Wie viele Kollegen — das weiß doch jeder — sind auch während der Plenarsaal eigentlich voller sein sollte, wirklich nicht auf dem Sofa, sondern arbeiten, haben Besuchergruppen, telefonieren mit ihrem Wahlkreis, sind in den Ministerien? Wer Wahlkreisabgeordneter ist — das sind zumindest aus den großen Fraktionen fast alle; auch wenn man nicht direkt gewählt ist, fühlt man sich doch dort in erster Linie als Wahlkreisabgeordneter — , ist mit der Wahlkreisarbeit in besonderer Weise belastet.
— Jetzt kommen die kleinen Fraktionen. Ich weiß das. Da muß ich vorsichtig sein.
— Ich wußte, daß ich da ins Wespennest steche.