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ID1102203000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/22 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 22. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Frau Zutt 1423 A Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Bernrath, des Parlamentarischen Staatssekretärs Gallus, des Abg. Wischnewski, des Vizepräsidenten Stücklen, der Abg. Dr. Pohlmeier, Hinrichs und Ruf 1423 C Eintritt der Abg. Frau Dr. Dobberthien in den Deutschen Bundestag 1423 D Verzicht des Abg. Dr. Rumpf auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . 1423 D Eintritt des Abg. Dr. Hitschler in den Deutschen Bundestag 1423 D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Abschaffung der nuklearen Mittelstreckenraketen (Drucksache 11/732 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiger Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die 72 Pershing-I a- Raketen der Bundesluftwaffe (Drucksache 11/699 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz (Drucksache 11/757) Dr. Vogel SPD 1424 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 1427 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 1431D Dr. Dregger CDU/CSU 1434 A Dr. Scheer SPD 1437 C Mischnick FDP 1440 C Frau Beer GRÜNE 1443 B Biehle CDU/CSU 1445 A Genscher, Bundesminister AA 1447 D Bahr SPD 1450B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 1453 C Gansel SPD 1454 B Seiters CDU/CSU 1455 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 1456 D Nächste Sitzung 1457 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1458* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 1423 22. Sitzung Bonn, den 2. September 1987 Beginn: 10.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 2. 9. Dr. Ahrens * 2. 9. Bamberg 2. 9. Frau Beck-Oberdorf 2. 9. Bernhard 2. 9. Catenhusen 2. 9. Dr. Daniels 2. 9. Eimer 2. 9. Frau Fischer 2. 9. Funke 2. 9. Frau Geiger 2. 9. Grünbeck 2. 9. Haack (Extertal) 2. 9. Dr. Holtz * 2. 9. BM Klein 2. 9. Dr. Klejdzinski * 2. 9. Klose 2. 9. Dr. Knabe 2. 9. Frau Krieger 2. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer * 2. 9. Menzel 2. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 2. 9. Neumann (Bremen) 2. 9. Niegel 2. 9. Oostergetelo 2. 9. Frau Pack * 2. 9. Pfuhl 2. 9. Reschke 2. 9. Reuschenbach 2. 9. Prof. Dr. Rumpf * 2. 9. Schulhoff 2. 9. Dr. Sperling 2. 9. Spilker 2. 9. Spranger 2. 9. Dr. Stercken 2. 9. Stratmann 2. 9. Tietjen 2. 9. Dr. Unland * 2. 9. Frau Dr. Vollmer 2. 9. Volmer 2. 9. Dr. Warrikoff 2. 9. Dr. Wieczorek 2. 9. Wieczorek (Duisburg) 2. 9. Dr. de With 2. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Scheer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was der Bundeskanzler heute früh einleitend gesagt hat — die allgemeine Meinung sei gewesen, diese Sitzung sei gar nicht nötig —,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    war die allgemeine Meinung ursprünglich, daß sie nach der Erklärung des Bundeskanzlers letzte Woche — zwei Tage vorher kam unser Antrag — ihre Funktion erfüllt habe, weil die Sondersitzung den Bundeskanzler zu seiner Erklärung veranlaßt habe, die sonst wohl nicht gekommen wäre. Heute muß man sagen, daß sich auf Grund des Konflikts in den letzten Tagen in den Unionsparteien und auf Grund heutiger Debattenbeiträge die Notwendigkeit des Festhaltens an dieser Sondersitzung nachdrücklich bestätigt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben soeben — das gilt für den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden, teilweise auch für den Bundeskanzler — den Versuch gemacht, den Verzicht auf die Pershing I a mit Argumenten für die Pershing I a zu begründen. Wie soll das eigentlich noch aufgehen?

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Der Konflikt um die Pershing I a hat die Bundesregierung nun über Monate hinweg gelähmt. Diese Lähmung hat dazu geführt, daß die Bundesrepublik Deutschland ihren Nachbarn in West und Ost ein trübes Bild bot, nämlich einziger Quertreiber der bisher größten Abrüstungschance seit dem Zweiten Weltkrieg zu sein, einer Abrüstungschance, die vor allem dem deutschen Volk zugute kommt.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    In fataler Weise erinnert das an die politische Lage der
    60er Jahre. Auch damals war die von der CDU/CSU
    geführte Bundesregierung der eigentliche Quertrei-



    Dr. Scheer
    ber des seinerzeit sich anbahnenden internationalen Entspannungsprozesses.
    Die laufende Auseinandersetzung in den Unionsparteien zeigt, daß die Differenz weitergeht und damit wohl auch die Lähmung. Dabei handelt es sich ganz offenkundig um weit mehr als verletzte Eitelkeit der CSU, bei dem Einschwenken des Bundeskanzlers auf eine von uns verlangte Position nicht gefragt worden zu sein. Was für heute vom Fraktionsvorsitzenden der Union mühsam zugekleistert worden ist, kann morgen oder nach den bevorstehenden Landtagswahlen wieder aufbrechen. Herr Bundeskanzler, ich hätte das Stichwort der Landtagswahlen gar nicht gebracht. Wir erinnern uns sehr gut daran, wie Sie das Dilemma der Union vor der rheinland-pfälzischen Landtagswahl — wenige Wochen vorher gegen die doppelte Null-Lösung Stellung nehmend — dadurch wenige Tage vor der Wahl zu bereinigen versuchten, daß Sie erklärten, Sie seien für eine dreifache Null-Lösung, eine Null-Lösung auch bei Kurzstreckenraketen, und das sofort nach der Wahl wieder zurücknahmen. So einfach geht es nicht.
    Die Auseinandersetzung wird weitergehen, und das offensichtlich in ziemlich brutaler Form. Man braucht nur das nachzulesen, was heute in der „Welt" steht. Dort erklärt Herr Waigel, die Auseinandersetzung mit der CDU werde nach dem Prinzip der Flexible response von der CSU weitergeführt.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    — Das steht dort wörtlich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Abschreckung!)

    Die Übernahme militärischen Vokabulars auf die Auseinandersetzungen in der Union, das kann sehr bedenklich werden!

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Eine Fraktion! — Dr. Ehmke [SPD]: Das ist eine Fraktionsgemeinschaft!)

    Nicht zu übersehen ist, daß die CSU heute bei ihrer Ablehnung eines deutschen Verzichts auf die Pershing I a diejenigen Argumente hochhält, die bis vor sieben Tagen von der gesamten CDU/CSU vertreten wurden.

    (Beifall bei der SPD)

    Schon mehrmals wurde im vergangenen Jahr versucht, durch die Hintertür neue Hindernisse gegen die Abrüstung der Mittelstreckenraketen aufzubauen.
    Weil wir Sozialdemokraten unser möglichstes tun wollen, daß der Abrüstungsvertrag endgültig unter Dach und Fach kommt und die deutsche Lähmung in der Abrüstungspolitik überwunden wird, hat diese Sondersitzung die Aufgabe, die Positionen deutlicher zu markieren, als es die Regierung bisher vermochte.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Verwirrspiel muß aufgelöst und Klarheit geschaffen werden. Darauf haben unsere Mitbürger ein Recht, und dazu haben wir die Pflicht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Denn es ging in den letzten Wochen um weit mehr als 72 bereits ohnehin schrottreife Atomraketen, und es ging schon gar nicht um einen deutschen Joker im Verhandlungspoker. Erstens sind wir kein Verhandlungsteilnehmer, und zweitens ist der Verhandlungspoker ja seit einiger Zeit beendet: seit der Zeit, als sich die amerikanische und die sowjetische Regierung auf den vollständigen Abbau aller ihrer Festlandsmittelstreckenraketen einigten. Das ist der Tatbestand.
    Ein Festhalten der Bundesregierung an den Pershing I a war in jedem denkbaren Fall schief gewickelt und höchst merkwürdig begründet. Neben dem, was unser Fraktionsvorsitzender, Dr. Vogel, bereits genannt hat, werde ich das an vier Punkten verdeutlichen:
    Erstens. Es war und bleibt gegen das deutsche und internationale Interesse, wegen des Festhaltens an diesen Waffen in letzter Minute ein Scheitern der Verhandlungen zu riskieren. Die Gefahr, daß dies geschehen könnte, war unübersehbar.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Zweitens. Es war weder sinnvoll noch notwendig, diese Raketen als Druckinstrument für Anschlußverhandlungen über den Abbau atomarer Kurzstreckenraketen setzen zu wollen. Tatsache ist, daß die Sowjetunion ihre Bereitschaft dazu ohnehin schon erklärt hat, und es ist eine ebensolche Tatsache — Herr Kollege Dregger, das wissen Sie — , daß es innerhalb des Westens wesentliche Meinungsverschiedenheiten gibt, ob man diesen Weg überhaupt gehen soll, auch über die Reduzierung von Kurzstreckenraketen zu verhandeln. Ein westliches Konzept dafür gibt es bis heute nicht.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Leider sehr wahr!)

    Drittens. Es war und ist anmaßend und wiederum gegen das deutsche Interesse, den Anspruch zu erheben, wie ein atomarer Drittstaat behandelt zu werden und deshalb die Pershing-I a-Raketen der Bundeswehr aus einer Abrüstung der Mittelstreckenraketen herauszuhalten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Zur Erläuterung für die Mitbürger, die das sicherheitspolitische Vokabular nicht kennen, aber diese Debatte verfolgen: Unter „Drittstaaten" versteht man die Atommächte Frankreich, Großbritannien und China — und nichts anderes! Der Anspruch, wie ein solcher Staat angesehen zu werden, verstößt gegen elementare völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, keinesfalls Atomwaffenstaat sein zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Mit dem unverhohlen geäußerten Drittstaatenanspruch haben Sie international — unabhängig vom Ausgang des Pershing-I a-Konflikts — Mißtrauen erweckt und sich an einer Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland vergangen. Dies wird möglicherweise — ich hoffe es nicht — Nach- und Fernwirkungen haben, deren negative Auswirkungen noch nicht abzusehen sind.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




    Dr. Scheer
    Viertens. Es war gegen das deutsche Interesse, die Pershing-I a-Raketen behalten zu wollen. Man stelle sich einmal vor, Sie wären trotz Null-Lösung damit durchgekommen!
    Nur noch auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland hätten landgestützte Atomraketen mittlerer Reichweite der NATO gestanden, also Raketen, die sowjetischen Boden erreichen können. Wir hätten uns damit in einer singulären Situation befunden, einer Situation, die bisher prinzipiell von deutscher Sicherheitspolitik vermieden wurde.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Mit anderen Worten: Wir allein wären exponiertes Zielgebiet frühzeitiger atomarer Gegenschläge geworden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Genau!)

    Wenn Sie trotz allem an der Pershing I a festgehalten haben und mit der CSU ein Teil der Union — wie groß er ist, wissen wir nicht, denn nicht allzu viele, auch aus der CDU, werden ihre Reden von gestern schon vergessen haben — , wenn also immer noch viele daran festhalten wollen, dann muß das andere Gründe haben. Tatsächlich geht es um die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland ihre Sicherheit in der Weiterführung atomarer Abschreckung — ich meine das ganz unpolemisch, Herr Bundeskanzler — einschließlich eines deutschen Fingers am atomaren Abzug suchen soll oder ob sie sich auf den Weg der Beseitigung der Atomwaffen macht. Das ist der Kern des deutschen Zwiespaltes über die Abrüstung der Mittelstreckenraketen einschließlich der Pershing I a.
    Das sicherheitspolitische Denken der Union ist nach wie vor an der atomaren Abschreckung orientiert. Es gibt auch darüber hinaus viele, die daran orientiert sind. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Position ist notwendig.
    Dieses Denken in der Bundesrepublik wurde vor allem von Franz Josef Strauß seit seiner Zeit als Verteidigungsminister zwischen 1956 und 1962 geprägt. Wer wie er Atomwaffen nicht nur als vorübergehende Waffen, sondern als Dauereinrichtung betrachtet, der kann sich folglich auch nicht damit abfinden, keine Mitverfügung über Atomwaffen in irgendeinerArt zu haben. Deshalb betrieb er die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Trägerwaffen und war für die Stationierung atomarer Systeme der Vereinigten Staaten auf unserem Boden, mit atomaren Trägerwaffen aber auch bei uns, deren Sprengköpfe wegen des offiziellen deutschen Atomwaffenverzichts unter amerikanischem Verschluß sind. Deren Glanzstück wurde Anfang der 60er Jahre die Pershing I a. Die atomaren Trägerwaffen der Bundeswehr sollten gewährleisten, daß die USA ihre auf unserem Boden stehenden Atomwaffen auch tatsächlich einsetzen würden; so Strauß in einer Rede am 15. März 1961 im Deutschen Bundestag.
    Meine Damen und Herren, bei dem Militärphilosophen von Clausewitz steht der Satz: „Was heißt verteidigen? Erhalten. " — Aber statt auf die Erhaltungsverteidigung wurde die Sicherheitspolitik auf Abschreckung festgelegt, so daß wir seitdem unter dem
    Schatten der zwangsläufig damit verbundenen Selbstvernichtungsgefahr leben.
    Mit der Verfügung der Bundesrepublik über solche Raketen sollte verhindert werden, daß sich die USA und die Sowjetunion — wörtliches Zitat von Franz Josef Strauß von 1960 — über die deutschen Köpfe hinweg auf eine Abschaffung der Atomwaffen einigen. Von dieser Position aus wurde von der CDU/CSU die deutsche Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag bekämpft, weil Sie die Möglichkeiten einer direkteren deutschen Mitverfügung über gemeinsame westeuropäische Atomwaffen offenhalten wollten. Bis heute ist es im wesentlichen — mit Modifikationen — bei dieser Grundposition geblieben. Nur wird sie im Gegensatz zu früheren Jahren kaum noch offen vertreten. Aber es liegt am Festklammern der Union am Prinzip der atomaren Abschreckung — womit ich nicht unterstelle, daß damit ein Atomkrieg geführt werden soll, sondern daß damit im ursprünglichen Sinne des Konzepts ein Krieg verhütet werden soll —, daß bei der Union der Widerwille gegen die einfache Null-Lösung bereits im September, Oktober letzten Jahres deutlich wurde und daß als Alternative wenigstens die Nachrüstung mit Mittelstreckenraketen kürzerer Reichweite versucht wurde.
    Es liegt an diesem Prinzip, daß die Union im Frühjahr gegen die doppelte Null-Lösung Sturm lief und ein Einlenken nur durch den Regierungskompromiß des Festhaltens an der Pershing I a möglich war. Daß es gerade die Pershing I a war, liegt am Konzept des Mitverfügungswunsches, man kann auch sagen: des Wunsches nach einem Finger am atomaren Abzug, einer Beteiligung an atomarer Machtpolitik.

    (Biehle [CDU/CSU]: Totaler Unsinn, was Sie da verzapfen!)

    Es war ein großer Fehler, Herr Bundesaußenminister, sich auf diesen Kompromiß einzulassen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer hat denn die ganze Zeit regiert?)

    Sie wagten es nicht von sich aus, diesen offen in Frage zu stellen, trotz des immer deutlicher damit verbundenen Risikos, daß die Verhandlungen scheitern könnten, weil Sie zu Recht eine tiefe Erschütterung in der Koalition vermuten mußten, die selbst dann eintrat, als der Bundeskanzler den Kompromiß vom 1. Juni verließ.
    Ich erinnere an etwas, was heute noch zu lesen ist. Im „Bayernkurier" wird darauf hingewiesen, daß Franz Josef Strauß mit dem Bundeskanzler am 1. Mai dieses Jahres vereinbart habe — wörtlich —, „nie und nimmer dürfe die Bundesrepublik Deutschland auf die Pershing I a verzichten".

    (Bahr [SPD] und Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Das hat prinzipielle Gründe, und daher rührt dieser tiefe Konflikt in der Union.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wo ist eigentlich Waigel?)

    Nun sagte Herr Kollege Dregger: Es geht nicht an, daß nur noch die Atomwaffen auf deutschem Boden bleiben, die uns selber bedrohen, Ost und West in



    Dr. Scheer
    Deutschland. — Völlig richtig, das wäre völlig verantwortungslos. Nur steht dies im Widerspruch zu dem, was Sie gleichzeitig angedeutet haben, nämlich einer Nachrüstung mit Kurzstreckenraketen, in welcher Größenordnung auch immer,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er nicht gesagt!)

    die letztlich der definitive Ausdruck einer Erneuerung der atomaren Abschreckungsdoktrin — —

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ich habe von Abrüstung, nicht von Nachrüstung gesprochen!)

    — Gut, wenn Sie von Abrüstung sprechen. Ich habe es eben anders gehört. Wenn Sie von Abrüstung, von vollständiger Abrüstung sprechen, haben Sie unsere volle Unterstützung.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Bis auf einen Mindestbestand!)

    Wir werden Sie aber — das möchte ich festhalten — exakt an diesem Ziel messen.

    (Beifall bei der SPD)

    In der nächsten Runde, wenn die doppelte NullLösung unter Dach und Fach ist, wird es darum gehen, ob eine dritte tatsächlich möglich wird.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: ,,Mindestbestand" habe ich gesagt!)

    Auf die Darlegung dieses Konflikts hat die Öffentlichkeit einen Anspruch, wenn Sie es schon nicht von sich aus tun. Ich vermute, daß dieser Konflikt über atomare Abschreckung oder atomare Abrüstung genau wieder aufbrechen wird. Wir stehen für die atomare Abrüstung aus prinzipiellen Gründen, weil es sich als Notwendigkeit erwiesen hat, durch eine kontrollierte, stufenweise und vollständige Beseitigung der Atomwaffen den Zustand zu überwinden, daß in der Sicherheitspolitik nur noch die Selbstvernichtung die Alternative zu erfolgreicher Kriegsverhütung ist.
    Es ist grundsätzlich nicht länger hinnehmbar, daß sich die Menschen zu Waffen versteigen, mit denen sie in kürzester Zeit die gesamte Zivilisationsgeschichte, die Gegenwart und die Zukunft auslöschen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist mit langfristig angelegter vertrauensbildender Friedenspolitik unvereinbar, an Atomwaffen festzuhalten; denn solange man wechselseitig bereit ist, mit Atomwaffen gleichzeitig die Auslöschung des Gegenübers und die eigene Selbstauslöschung zu riskieren, bedarf es eines zu diesen Waffen gehörenden teufelsähnlichen Feindbildes.

    (Lowack [CDU/CSU]: Sprechen Sie doch einmal über die konventionelle Rüstung!)

    Atomwaffen sind nicht mehr die Folge, sie sind inzwischen die Quelle andauernden Mißtrauens.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb ist die Überwindung der atomaren Abschreckung nötig. Die Abrüstung der Mittelstreckenraketen wäre der erste entscheidende Schritt zu einer Zukunft, in der wir nicht mehr im Schatten einer Sicherheitsstrategie des Schreckens stehen würden, die in meinen Augen das organisierte Kalkül des Nihilismus und des politischen Pessimismus darstellt.
    Wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, daß im Bundestag diese Problematik zwischen diesen beiden Alternativen ausgetragen wird. Noch sind die Querschläger aus den Reihen der Koalition allen im Ohr. Solange es solche gibt, solange die Regierung nicht von sich aus eine klare Position in dieser Frage festlegen kann, ist öffentliche Wachsamkeit für das Ergreifen der Abrüstungschancen notwendig, und zu dieser öffentlichen Wachsamkeit soll diese Sitzung beitragen.
    Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt die Erklärung des Bundeskanzlers

    (Lachen bei der SPD)

    zur doppelten Null-Lösung.

    (Zustimmung bei der FDP — Zuruf von der SPD: Er hat doch gar keine Erklärung abgegeben!)

    — Wenn Sie davon überrascht wären, würde mich das wundern,

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    denn Sie haben sie, wenn ich das richtig sehe, auch begrüßt.

    (Zuruf von der SPD: Sie machen alles mit!)

    Wenn es hier eine gemeinsame Auffassung gäbe, wäre das gut. Es hat sich nur sehr schnell gezeigt, daß Sie nicht bereit sind, mit konsequentem Durchdenken allen Überlegungen zu folgen, die für die Bundesregierung und für die Koalition wichtig sind.
    Mit dieser Erklärung wird erneut bewiesen, daß die Bundesrepublik Deutschland Abrüstungsbemühungen nicht blockiert, sondern aktiv unterstützt, und dies festzustellen ist eine entscheidende Aufgabe dieser Sitzung, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Dregger [CDU/ CSU] — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wo ist denn Waigel?)

    Sie sind der Meinung gewesen, Sie bräuchten die Sitzung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Natürlich brauchen wir diese Sitzung!)

    Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir in der nächsten Woche während der Haushaltsdebatte genauso über diese Fragen hätten sprechen können wie heute.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie sie trotzdem durchführen, sollten Sie wenigstens den Mut haben, anzuerkennen, daß die Bundes-



    Mischnick
    republik Deutschland Abrüstung aktiv unterstützt und nicht, wie es immer wieder behauptet worden ist, blockiert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Diese Behauptung der Blockierung ist ja außerdem noch von der unverantwortlichen Behauptung begleitet worden, die Bundesrepublik Deutschland erstrebe selbst Verfügungsgewalt über atomare Sprengköpfe. Die Bemerkung „den Finger am Abzug halten" unterstützt dies.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Brunnenvergiftung!)

    Spüren Sie nicht, wie mit dieser Art der Diskussion und Polemik der bisherige klare Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, keine atomaren Waffen zu besitzen und besitzen zu wollen, von Ihnen in Frage gestellt wird und wie damit — statt daß unser Standpunkt vertreten wird — den Gegnern in die Hände gearbeitet wird?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Es ist bedauerlich, daß Vorwürfe von sowjetischer Seite durch deutsche Politiker unterstützt worden sind,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ihr Schlitzohren!)

    statt daß diese Vorwürfe ins Reich der Fabel verwiesen wurden. Wir waren, sind und bleiben für den Verzicht auf A-, B- und C-Waffen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Was sagen Sie? Das stimme nicht?

    (Zuruf von der SPD: Nein, dann stimmen Sie doch zu!)

    — Ihr Antrag ist eine ganz andere Frage! Jetzt rede ich von A-, B- und C-Waffen. Wir haben die A-, B- und C-Waffen immer geächtet und sie abgelehnt. Wir wären froh, wenn andere Staaten dieser Welt diesem klaren Verzicht der Bundesrepublik Deutschland folgen würden. Deshalb ist es schlecht, wenn in Frage gestellt wird, daß wir diesen Willen nicht nur hatten, sondern auch in Zukunft haben werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wenn hier versucht wird, die Pershing I a als eine Art Einstieg in eigene atomare Bewaffnung zu behandeln, so scheinen die Betreffenden entweder das Gegenteil nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen oder der Öffentlichkeit weismachen zu wollen, es gebe hier bei uns Verfügungsgewalt über die Sprengköpfe, und sei es auch nur ein bißchen. Die gibt es nicht!

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Wer hat denn von „Drittstaaten" gesprochen? Sagen Sie dazu einmal etwas! Wer redet denn davon?)

    Die Verfügungsgewalt liegt bei den Vereinigten Staaten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sind wir ein Drittstaat, oder wie?)

    — Bei den Drittstaaten geht es sowohl um Drittstaaten mit eigenen atomaren Waffen als auch um Drittstaaten, die Raketensysteme ohne eigene Verfügungsgewalt über die Sprengköpfe haben.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist ein Irrtum!)

    Diese beiden Dinge gibt es im Bündnis. Darüber ist gesprochen worden, über nichts anderes.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Das löst doch Verdächtigungen aus, wenn man den Begriff „Drittstaaten" so verwendet!)

    — Lieber Herr Kollege, das braucht gar keine Verdächtigungen auszulösen, wenn das, was hier in der Sitzung im Mai und im Juni gesagt worden ist, nicht verfälschend nach draußen wiedergegeben würde, sondern so wiedergegeben würde, wie es von der Regierung und von den Koalitionsfraktionen tatsächlich gebracht worden ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Nur, das Volk glaubt das nicht!)

    Es hat sich ja auch gezeigt, daß die bevorstehenden abschließenden Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion durch die Erklärung des Kanzlers natürlich erleichtert werden. Von amerikanischer Seite ist heute noch einmal bestätigt worden, daß die Pershing I a weder Verhandlungsgegenstand waren noch es sind.

    (Zuruf des Abg. Bahr [SPD])

    Wenn man sich auf den Bündnispartner beruft, dann wäre ich dankbar, wenn man dann diesen Gesichtspunkt des Bündnispartners in der Debatte nicht wegwischt, sondern ihn einbezieht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Daß hier eine Zeitlang falsch argumentiert wurde, hat die Situation natürlich nicht erleichtert. Es war nicht hilfreich, es war eher schädlich. Es ist hochinteressant, einmal nachzulesen, zu welchem Zeitpunkt die Debatte über die Pershing I a auch von sowjetischer Seite in den Vordergrund geschoben wurde: Das war, nachdem es hier begann. Das sollte man nicht vergessen. Vielleicht ist es doch des Nachdenkens wert, daß man, während Verhandlungen in Gang gesetzt werden, auch als Opposition in der öffentlichen Diskussion die gemeinsamen Interessen aller Deutschen mehr sieht als die parteipolitischen Interessen für den Augenblick. Das war ein Fehler, den Sie damals gemacht haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich habe im Mai gesagt: Wir müssen auch sehen, daß ein Reifeprozeß im Gange ist. Im Mai haben wir noch davon gesprochen, daß wir auf der einen Seite eine teilweise und auf der anderen Seite eine vollständige Null-Lösung bekommen. Da waren noch die berühmten 100 Raketen auf beiden Seiten in der Diskussion. Wie richtig es damals war, Festlegungen nicht durch Abstimmungen zu treffen, sieht man heute; denn diese beiderseitigen 100 Raketen sind in die Verhandlungen mit einbezogen und werden verschwinden. Daß sich daraus für die Pershing I a auch insgesamt eine neue Situation



    Mischnick
    ergeben hat, ist unbestreitbar. Insofern hat sich bestätigt, was ich damals sagte: Hier ist ein Reifeprozeß im Gange, den man abwarten und in die eigene Entscheidung einbeziehen muß.
    Es kommt ein Weiteres hinzu: Der völlige Verzicht auf Mittelstreckenraketen der Reichweite von 500 bis 5 000 km erleichtert natürlich die Überprüfbarkeit. Das Beibehalten eines Restbestandes auf beiden Seiten hätte die Verifizierung, die Kontrolle, die Überprüfbarkeit der Abrüstung erschwert. Denn beim Beibehalten eines Teils muß man für Ersatz sorgen. Ersatz nachzuprüfen, wieweit dieser schon wieder ein Umgehen des Vertrages wäre, wäre schwieriger geworden. Wir begrüßen deshalb, daß es zur vollständigen doppelten Null-Lösung kommt und damit die Überprüfbarkeit der Einhaltung eines solchen Abkommens entsprechend größer geworden ist. Deshalb ist es absolut logisch, daß eine Nachrüstung der Pershing I a — wenn es zu dem Abkommen kommt — in Widerspruch zu einem solchen Abkommen stehen würde. Deshalb ist der Standpunkt der Freien Demokraten von Anfang an gewesen und unverändert geblieben, daß es kein Junktim mit einer Nachrüstung der Pershing I a geben kann, daß es aber dabei bleiben muß, daß sie in die Verhandlungen der Großmächte nicht einbezogen werden können. Daß Kritik am Bundeskanzler geübt wird, weil er bestimmte Bedingungen für den Verzicht auf die Pershing I a genannt hat, verstehe ich überhaupt nicht. Warum wird daran Kritik geübt? Voraussetzung dafür, daß man überhaupt die deutsche Erklärung umsetzt, ist doch, daß das Abkommen abgeschlossen wird, daß die Überprüfbarkeit möglich ist und daß es verwirklicht wird. Das sind die Voraussetzungen dafür, und deshalb ist eine Kritik an den Bedingungen, die der Bundeskanzler genannt hat, wirklich überflüssig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Freien Demokraten sehen in dieser jüngsten Entwicklung eine erneute Bestätigung ihres konsequenten außenpolitischen Weges zur Sicherung des Friedens, zur Entspannung und zur schrittweisen Abrüstung. Die schweren Entscheidungen, die wir mit der Ankündigung und der Verwirklichung der Nachrüstung treffen mußten, haben sich als richtig erwiesen. Wir können heute feststellen: Wir haben in beiden Fällen, bei der Ankündigung und der Nachrüstung, viel auf uns nehmen müssen, aber das Durchhalten hat sich als richtig erwiesen. Ich bedaure sehr, daß die Kollegen in der SPD, die damals zwar der Ankündigung zustimmten, aber bei der Umsetzung dann plötzlich zurückschreckten, nicht wenigstens heute soweit sind oder den Mut haben zu sagen: Jawohl, ihr hattet recht mit dieser Entscheidung; wir werden in Zukunft sorgfältiger prüfen, bevor wir solche wichtigen Beschlüsse ablehnen und damit die Geschlossenheit des Deutschen Bundestages in Fragen der Abrüstung durch unsere eigene Position in Frage stellen. Das sollten Sie sich für die Zukunft überlegen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Und heute? — Zuruf von den GRÜNEN: Die Wähler zwingen euch! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Diese schweren Entscheidungen waren im Interesse nicht nur unseres Volkes richtig und wichtig, sondern es zeigt sich, daß damit auch in Mitteleuropa insgesamt eine positive Entwicklung zur Abrüstung eingeleitet werden konnte. Mit diesem entscheidenden Schritt zur Abrüstung kann ein Weg der Umkehr, nämlich der Umkehr von der Aufrüstung zur Abrüstung, eingeleitet werden. Das ist für uns ein wichtiger Schritt, der nicht zu unterschätzen ist. Aber er ist für uns der erste Schritt einer wirklichen Abrüstungspolitik. Wir hoffen deshalb auf baldige weltweite Vereinbarungen über die Ächtung und Beseitigung aller chemischen Waffen. Dies müßte als nächster Schritt jetzt mit aller Energie angestrebt werden, um damit in einem weiteren Bereich den Beweis zu liefern, daß man es auf beiden Seiten ernst meint.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir erwarten während der Verwirklichung des Mittelstrecken-Abkommens — und das geht über einige Jahre — intensive Verhandlungen zum Abbau der atomaren Kurzstreckenwaffen und Vereinbarungen über eine Begrenzung der konventionellen Waffen. Wir nehmen die Erklärung des Warschauer Paktes, Unsymmetrie im konventionellen Bereich abzubauen, sehr ernst; sie ist von großer Bedeutung.

    (Bahr [SPD]: Sehr gut!)

    Dies muß der nächste Schritt werden. Wir Freien Demokraten werden alle Bemühungen in dieser Richtung wie bisher unterstützen,

    (Bahr [SPD]: Sehr gut!)

    und wir können nur hoffen, daß entsprechende konkrete Vorschläge von beiden Seiten eingebracht werden. Unsere Unterstützung werden sie haben. Dabei muß aber gleichzeitig auch sichergestellt sein, daß die Sicherheitsinteressen beider Seiten damit gewahrt werden.
    Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zu der Freude über unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Koalition machen, die hier anklang. Nach dem Volksmund soll ja Schadenfreude die schönste Freude sein. Das mag im täglichen Leben noch hingehen. Ich gestehe offen, daß ich daran nie eine besondere Freude hatte. Wer aber Schadenfreude im politischen Leben zum Ratgeber macht, der schadet sich meistens selber. Davor möchte ich alle warnen, die glauben, bei einer solchen wichtigen Frage Schadenfreude über andere zur Grundlage ihrer Entscheidung machen zu müssen.
    Ich weiß, daß hier natürlich noch manche harte Diskussion vor uns steht. Wir werden die Anträge in die Ausschüsse überweisen.

    (Zurufe von der SPD: Nein!)

    Sie werden auch aus den Ausschüssen zurückkehren. Es wird dann natürlich darüber hier Beschlüsse geben; das ist nun einmal so bei Anträgen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wirklich?)

    Vielleicht haben Sie sich einmal überlegt, daß es auch für die Gesamtentwicklung von Vorteil sein kann, wenn vor dem 14./15. September, wenn die Außenminister sich treffen, eine Erklärung des Bundeskanzlers auf dem Tisch liegt, und nach diesem Treffen



    Mischnick
    wenn wir mehr über die weitere Entwicklung wissen, weitere Beratungen hier stattfinden. Dies würde ich als eine sinnvolle Unterstützung der Bemühungen einer Regierung ansehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb sind wir der Meinung, daß heute die Überweisung in die Ausschüsse erfolgen sollte und daß wir darüber im Detail zu beraten haben.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Der Bekennermut der FDP landet in den Ausschüssen!)

    — Ach, wissen Sie, Herr Kollege Ehmke, wenn Sie sich zur Durchführung des Doppelbeschlusses so bekannt hätten, wie wir immer zu jeder Entscheidung gestanden haben, dann stände es um Ihre Partei besser, als es heute der Fall ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie sind doch abgewichen, und Sie werden das immer wieder spüren.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Das war nur laut!)

    — Das war ein Faktum.
    Meine Damen und Herren, weil wir den Frieden wollen, vernachlässigen wir unsere Sicherheit nicht, kämpfen aber unermüdlich für weitere Abrüstungsvereinbarungen. Wir sehen darin eine politische Hauptaufgabe für die nächsten Jahre. Denn nur durch die Sicherung des Friedens ist es möglich innenpolitisch Entscheidungen zu treffen, die auf Dauer wirken. Wir sind aber nicht so naiv, an diese Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der augenblicklichen Schlagzeile heranzugehen, sondern unter dem der Seriosität und der Kontinuität.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Des 13. September!)

    Dies wird auch in Zukunft unser Handeln bestimmen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)