Rede:
ID1102202100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 29
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Dregger.\n: 1
    8. —: 1
    9. Ich: 1
    10. bitte: 1
    11. die: 1
    12. Kolleginnen: 1
    13. und: 1
    14. Kollegen: 1
    15. erneut,: 1
    16. nicht: 1
    17. im: 1
    18. Saal: 1
    19. herumzustehen,: 1
    20. sondern: 1
    21. Platz: 1
    22. zu: 1
    23. nehmen.: 1
    24. Es: 1
    25. sind: 1
    26. noch: 1
    27. genügend: 1
    28. Sitzplätze: 1
    29. da.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/22 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 22. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Frau Zutt 1423 A Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Bernrath, des Parlamentarischen Staatssekretärs Gallus, des Abg. Wischnewski, des Vizepräsidenten Stücklen, der Abg. Dr. Pohlmeier, Hinrichs und Ruf 1423 C Eintritt der Abg. Frau Dr. Dobberthien in den Deutschen Bundestag 1423 D Verzicht des Abg. Dr. Rumpf auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . 1423 D Eintritt des Abg. Dr. Hitschler in den Deutschen Bundestag 1423 D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Abschaffung der nuklearen Mittelstreckenraketen (Drucksache 11/732 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiger Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die 72 Pershing-I a- Raketen der Bundesluftwaffe (Drucksache 11/699 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz (Drucksache 11/757) Dr. Vogel SPD 1424 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 1427 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 1431D Dr. Dregger CDU/CSU 1434 A Dr. Scheer SPD 1437 C Mischnick FDP 1440 C Frau Beer GRÜNE 1443 B Biehle CDU/CSU 1445 A Genscher, Bundesminister AA 1447 D Bahr SPD 1450B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 1453 C Gansel SPD 1454 B Seiters CDU/CSU 1455 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 1456 D Nächste Sitzung 1457 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1458* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 1423 22. Sitzung Bonn, den 2. September 1987 Beginn: 10.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 2. 9. Dr. Ahrens * 2. 9. Bamberg 2. 9. Frau Beck-Oberdorf 2. 9. Bernhard 2. 9. Catenhusen 2. 9. Dr. Daniels 2. 9. Eimer 2. 9. Frau Fischer 2. 9. Funke 2. 9. Frau Geiger 2. 9. Grünbeck 2. 9. Haack (Extertal) 2. 9. Dr. Holtz * 2. 9. BM Klein 2. 9. Dr. Klejdzinski * 2. 9. Klose 2. 9. Dr. Knabe 2. 9. Frau Krieger 2. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer * 2. 9. Menzel 2. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 2. 9. Neumann (Bremen) 2. 9. Niegel 2. 9. Oostergetelo 2. 9. Frau Pack * 2. 9. Pfuhl 2. 9. Reschke 2. 9. Reuschenbach 2. 9. Prof. Dr. Rumpf * 2. 9. Schulhoff 2. 9. Dr. Sperling 2. 9. Spilker 2. 9. Spranger 2. 9. Dr. Stercken 2. 9. Stratmann 2. 9. Tietjen 2. 9. Dr. Unland * 2. 9. Frau Dr. Vollmer 2. 9. Volmer 2. 9. Dr. Warrikoff 2. 9. Dr. Wieczorek 2. 9. Wieczorek (Duisburg) 2. 9. Dr. de With 2. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Bundeskanzler, es hilft doch überhaupt nichts, wenn Sie jetzt mit Herrn Vogel alte Rechnungen aufmachen. Es geht um Ihr konkretes Verhalten in einer sich anbahnenden Verhandlungskrise. Gerade Ihr Geschimpfe soeben hat doch gezeigt, Herr Bundeskanzler, daß Sie zwar — wir konnten es jetzt im „Stern" noch genauer nachlesen — unter amerikanischem Druck im letzten Moment noch die Kurve gekratzt haben. Aber ich habe den Eindruck, Sie haben immer noch nicht begriffen, warum Sie es mußten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Und dann wundern Sie sich, Herr Bundeskanzler und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß wir hier eine Debatte verlangten. Der Antrag dazu bedurfte — Herr Vogel, man muß das der Ehrlichkeit halber wohl sagen — erst des Umweges über die SPD. Aber nun haben wir die Debatte.
    Wenn Sie, meine Herren auf der rechten Seite, heute fragen: Was soll diese Debatte nach der Pressekonferenz des Bundeskanzlers, so antworten wir zweierlei: Erstens. Wäre es wohl zu den entsprechenden Erklärungen des Bundeskanzlers ohne den Druck der Friedensbewegung und zu dieser Sondersitzung ohne die Initiative der Opposition gekommen? Zweitens. Die Erklärung selbst und die durch sie wiederum ausgelöste grundsätzliche Stellungnahme der CSU bedürfen allerdings gründlicher Hinterfragung. Da sind wir etwas genauer als Sie, meine Damen und Herren von der SPD.
    Denn was besagt die Erklärung des Bundeskanzlers? Sie schließt das verklausulierte Festhalten an den Pershing I a bis 1991 ein. Unter den vom Kanzler formulierten Vorbedingungen ist die letzte besonders bedenklich. Erst sollen die vertragschließenden Großmächte den Vertrag voll erfüllt haben, dann will der Kanzler auf Modernisierung verzichten. Sehen wir einmal davon ab, daß dies ein Vorbehalt ist, der wie so vieles bei Ihnen, Herr Kanzler, durch die Geschichte schon wieder überholt ist; denn seit der vorigen Woche wissen wir ja aus den von den USA vorgelegten neuen Vorschlägen zur Verifikation, daß die USA im ersten Jahr gerade bei den Raketen niedriger Reichweite — 500 bis 1000 km — anfangen wollen. Sie sollen im ersten Jahr verschwinden, die anderen in den folgenden Jahren.
    Sehen wir also davon ab, daß der Kanzlervorbehalt die Pershing I a bis 1991 kaum aus dem Abrüstungsprozeß heraushalten kann, so ist das hier zum Ausdruck kommende Rollenverständnis noch erschrekkender. Der Kanzler wirft sich zum Kontrolleur der Großmächte auf. Er will eventuelle Abweichungen oder Verzögerungen definieren. Wir wissen aus der Geschichte von SALT II, wie schwierig das ist. Aber er will das definieren und sich vorbehalten, bei fehlen-



    Dr. Lippelt (Hannover)

    dem Wohlverhalten seine Raketen doch noch zu modernisieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von den GRÜNEN: Wie kommt er dazu! Arrogant!)

    Unser erster Antrag zielt deshalb darauf ab, den vom Bundeskanzler seinerzeit angekündigten Beitrag der Bundesrepublik zum Zustandekommen des Vertrages aus einem Pseudobeitrag zu einem echten Beitrag zu machen. Wir fordern, den Verzicht nicht erst in vier Jahren, sondern sofort hier auszusprechen und ihn sofort wirksam werden zu lassen, mit den entsprechenden Folgeschritten: Verschrottung der Raketen, Abtransport der Gefechtsköpfe, Auflösung der Raketenverbände.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bedenkt man die Schrottreife dieser Raketen, die bekanntlich ab 1991 schon aus technischen Gründen außer Dienst gestellt werden müssen, so fragt man sich allerdings — und diese Frage muß hier auch einmal erörtert werden — : Warum treibt die Bundesregierung das Festhalten an diesen Raketen so sehr auf die Spitze, daß sie bis vor kurzem bereit war, einen Vertrag, der zum Wohl unseres Landes so wichtig ist, ernsthaft aufs Spiel zu setzen? Die vielfach auch anderweitig schon gegebene Antwort lautet: Hier sollten Optionen offengehalten werden. Die eine Option ist die zur Modernisierung. Aber mindestens so wichtig ist doch auch die Option, diese Raketen, modernisiert oder nicht, in europäische Lösungen einzubringen, insbesondere in eine deutsch-französische militärische Kooperation.
    Die CSU spricht da in ihrer im Zorn geschriebenen Grundsatzdeklaration mit wünschenswerter Klarheit. In den Punkten 4 und 5 heißt es: Durch den Abzug der Mittelstreckenraketen und insbesondere durch die als letztes Kontingent nun preisgegebenen Pershings sei das Bündnis als Gebiet gleicher und unteilbarer Sicherheit nun in Zonen unterschiedlicher Sicherheit zerfallen. Jetzt wörtlich: „Das Bündnis würde damit sernen Sinn verlieren; es würde" — so droht die CSU im Konjunktiv — „dann zwangsläufig zu einer Neuorientierung der deutschen Politik kommen. " Herr Waigel, ich möchte diesbezüglich gern einmal von Ihnen hören, in welche Richtung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dies, jetzt nämlich verbunden mit dem Lob der — wie es auch dort heißt — „unbeugsamen Wahrung nationaler Interessen durch England und Frankreich", zeigt sehr wohl und sehr genau, wohin die Reise unserer bayerischen nationalen Rechten auch gehen könnte.
    Nimmt man nun die Vorhaben gemeinsamer Rüstung, die kooperativen Systeme wie Lance 2, LRSOM und ANS 90 hinzu, die immer nukleare Teilhabe im Planungsbereich mit beinhalten und erinnert man an eine Tradition bundesrepublikanischer Politik, die gekennzeichnet war durch das immer mal wiederkehrende Drängen nach nuklearer Souveränität, nimmt man drittens hinzu, daß der Atomwaffensperrvertrag ja 1995 ausläuft, so möchte ich mit aller Vorsicht behaupten, daß das irrationale Festhalten an den zur
    Verschrottung reifen Pershing I a jeglichem Verdacht Tür und Tor geöffnet hat.
    Deshalb legen wir heute auch unseren zweiten Antrag vor, eine Aufforderung an die Bundesregierung, eine Grundgesetzänderung vorzubereiten, die dem Verzicht der Bundesrepublik auf Herstellung und Besitz von Atomwaffen Verfassungsrang gibt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dies, meine Damen und Herren, würde nämlich jeglichem Verdacht endgültig die Spitze nehmen. Da meine Freunde und ich davon ausgehen, daß im Ernst niemand hier im Saal Verfügung über nukleare Waffen anstrebt, sollte eine Einigung über diesen unseren Antrag doch wirklich schnell möglich sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich möchte noch einen Gedanken vortragen, der sich aus den Erklärungen der CSU ergibt. Wie gesagt, die geheimen Intentionen und das Weltbild der politischen Rechten liegen selten so offen zutage wie in dieser Deklaration.
    Unter Punkt 7 des CSU-Papieres wird die Vorstellung formuliert, der Verzicht auf die Pershing I a sei eine einseitige Vorleistung. Das stimmt natürlich nicht; die Sowjetunion verschrottet mehr Raketen dieser Reichweite, als hier Pershings plus andere Systeme in Frage kommen. Aber trotzdem führt dies die CSU zu der Warnung, es dürfe nicht dazu kommen, daß — Zitat —
    unsere militärische Sicherheit mehr vom Friedenswillen der Sowjetunion abhängt als von der amerikanischen Sicherheitsgarantie, deren Strategie wechselnd definiert wird.
    Zu deutsch: Sie sind nicht mehr zuverlässig.
    Eine solch massive Kritik aus dem Regierungslager an den USA ist mir bisher noch nicht bekannt geworden. Schon taucht sie auch auf, die geheime Sehnsucht der deutschen Rechten nach Rapallo. Denn wie schließt das Papier: mit der Hoffnung auf einen politischen Wandel der Sowjetunion mit dem Verzicht auf Weltrevolution, dem Verzicht auf strategische Überlegenheit usw.
    Nun haben wir GRÜNEN hier in der Diskussion der Regierungserklärung im März die Regierung ausdrücklich dazu aufgefordert, sich der geistigen Herausforderung des neuen Denkens in der Sowjetunion zu stellen. Wir könnten also mit dieser Resonanz eigentlich sehr zufrieden sein, sind wir aber nicht. Denn wie verhält sich die Rechte zu diesem auch von ihr erwünschten Wandel? Sie entwickelt Tandlers Faustpfandtheorie: Die Pershing sollten als Faustpfand gehalten werden, um Abrüstung im Bereich 150 bis 500 km zu erzwingen.
    Nun, wenn man nicht ganz und gar dem Dilettantismus und Voluntarismus in der Außenpolitik verfallen will, dann weiß man, daß sich Verhandlungen sinnvoller Weise entlang vereinbarter Definitionen bewegen. Wenn man sich einig ist, im Bereich 500 bis 1000 km eine umfassende Null-Lösung anzustreben, kann sich die CSU für diesen Bereich nicht ein Faustpfand schaffen, um damit Gegenleistungen in einem anderen Bereich zu erzwingen, während ihr anderer-



    Dr. Lippelt (Hannover)

    seits der unmittelbare Eintritt in Verhandlungen über die Abrüstung auch in diesen Bereichen längst angeboten ist.
    Ich komme zum Ende — ich kürze jetzt ab — : Was wir von der Regierung verlangen, ist folgendes. Wir möchten, Herr Bundeskanzler, daß Sie alles tun, um die Dynamik dieses Abrüstungsprozesses aufrechtzuerhalten. Sie können als Vorleistung die vorhin angesprochenen Rüstungsprojekte im Bereich von unter 500 km suspendieren. So mag denn — als Ziel und Perspektive — ein sich vertiefender Abrüstungsprozeß zu dem notwendigen Friedensprozeß führen, dessen es in Europa in der Tat dringend bedarf.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dregger.

(Frau Schoppe [GRÜNE]: Jetzt kommt die Faustpfandlegende! — Unruhe)

— Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen erneut, nicht im Saal herumzustehen, sondern Platz zu nehmen. Es sind noch genügend Sitzplätze da.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Thema — zumindest der Hintergrund unseres Themas — sind Abrüstung, Sicherheit vor Krieg, Sicherheit vor atomarer Erpressung und Frieden für unser Volk, das an der Teilungsgrenze von Ost und West mitten in Europa zu leben hat. Diesem ernsten Thema sollten wir uns nicht so nähern, wie es heute morgen als erster Redner der Kollege Vogel getan hat.

    (Lachen bei der SPD)

    Herr Kollege Vogel triefte geradezu vor Selbstgerechtigkeit,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Sie aber auch!)

    vor Überheblichkeit, dazu noch verbunden mit Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit, die diesem Thema wirklich nicht angemessen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In den letzten Tagen hat es in der Union Unstimmigkeiten in der Frage der P I a gegeben,

    (Zurufe von der SPD: Ach nein!?) wie jeder weiß.


    (Zurufe von der SPD: Ja, wirklich?) Diese Unstimmigkeiten sind nicht schlimm.


    (Jahn [Marburg] [SPD]: Nö!)

    Wenn man ein Thema wie dieses sorgfältig diskutiert, sind Unstimmigkeiten nahezu unvermeidbar.

    (Dr. Vogel [SPD]: Was?)

    Sie sollten sich bitte nicht falschen Hoffnungen hingeben:

    (Zuruf von der SPD: Bei Ihnen nicht!)

    Diese Unstimmigkeiten können am Zusammenhalt dieser Fraktion, die seit fünf Jahren alle wichtigen Entscheidungen einstimmig getroffen hat,

    (Dr. Vogel [SPD]: Bis auf die Kanzlerwahl!)

    und an der Unterstützung für die Politik des Bundeskanzlers nichts ändern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Eine dritte Feststellung: Wir sind keine Weltmacht. Die SPD ist keine Weltmacht, was sie manchmal vergißt. Auch wir, die CDU/CSU, sind keine Weltmacht.

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Höchstens zwei!)

    Auch die Bundesrepublik Deutschland ist keine Weltmacht. Diese Selbsterkenntnis ist wichtig, damit wir unseren richtigen Standort finden und unsere Möglichkeiten richtig beurteilen können. Was uns bleibt, ist, daß wir versuchen müssen, in einem Kräftefeld, das im wesentlichen von anderen bestimmt wird, das uns Mögliche zu tun, damit unser Volk in einer gefährlichen Welt in Frieden überlebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu ist es allerdings notwendig, daß wir die deutschen Sicherheitsinteressen analysieren und zur Geltung bringen. Wenn Sie ständig das Gegenteil tun, dann können wir doch von unseren Verbündeten nicht erwarten, daß sie die Analysen unserer Sicherheit anstellen, die wir selber anzustellen versäumen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Ich meine, bei dem Ernst des Themas muß die Analyse ehrlich und die Schlußfolgerung konstruktiv sein. Um beides sollten wir uns bemühen.
    Zur Analyse: Erstens. Doppel-Null ist nicht null, sondern 3 %. Nur 3 % des atomaren Vernichtungspotentials werden von der doppelten Null- Lösung erfaßt.

    (Jungmann [SPD]: Aber das ist doch ein Anfang!)

    Daß die übrigen 97 % ausreichen, um uns auszulöschen, dürfte auch den Antragstellern nicht verborgen geblieben sein, obwohl sie es nicht verlautbart haben, meine Damen und Herren.

    (Zurufe von der SPD)

    Zweitens. Die atomare Gefahr wird durch die sogenannte doppelte Null-Lösung also nicht gebannt, am allerwenigsten für uns Deutsche. Auch darauf fehlt in Ihren Anträgen jeder Hinweis.
    Ein Vergleich der sehr unterschiedlichen Auswirkungen für die Betroffenen ergibt folgendes: Für die Sowjetunion entfällt das Risiko, bei einem Angriff nach Westen auf ihrem eigenen Territorium oder in ihrem Aufmarschgebiet durch landgestützte Systeme der USA von Europa aus getroffen werden zu können. Daß diese Tatsache die Optionen der Sowjetunion wesentlich verbessert, insbesondere der nicht atomar bewaffneten Bundesrepublik Deutschland gegenüber, liegt auf der Hand.
    Für die Vereinigten Staaten bedeutet die doppelte Null-Lösung die Befreiung von dem Risiko, durch einen Einsatz ihrer Mittelstreckenraketen von Europa aus einen sowjetischen Gegenschlag auf ihr Land zu provozieren.
    Auch für unsere Nachbarn bringt die doppelte NullLösung Vorteile, wenn man von einigen ihrer Grenz-



    Dr. Dregger
    gebiete zu Deutschland hin absieht. Außerhalb strategischer Reichweiten können unsere europäischen Nachbarn durch landgestützte Raketen der Weltmächte in Zukunft nicht mehr getroffen werden.
    Die atomare Bedrohung der Deutschen hält dagegen auch nach Verwirklichung der doppelten Null-Lösung im wesentlichen an. Deutschland wird durch die doppelte Null-Lösung einer atomaren Sonderbedrohung unterworfen, die es bisher nicht gegeben hat. Denn außerhalb strategischer Reichweiten wird es nach der doppelten Null-Lösung im wesentlichen nur noch ein Land in Europa geben, das durch landgestützte Raketen der Weltmächte, also beider Seiten, getroffen werden kann, nämlich das Deutschland beiderseits der Militärgrenze von Ost und West.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?)

    Wegen der außerordentlichen Überlegenheit der Sowjetunion bei atomaren Waffen mit Reichweiten unter 500 Kilometern sind davon insbesondere wir, die Bundesrepublik Deutschland, betroffen. Allein die nahezu 600 sowjetischen SCUD-Raketen, die von der doppelten Null-Lösung leider nicht erfaßt werden und denen auf westlicher Seite kein Gegengewicht gegenübersteht, reichen aus, den Wegfall der SS 20 im Hinblick auf die Bundesrepublik Deutschland voll auszugleichen. Und diese 600 SCUD werden zur Zeit, meine Damen und Herren, modernisiert, d. h. sie werden in Reichweite und Zielgenauigkeit verbessert.
    Ich finde es schlimm, meine Damen und Herren der rot-grünen Opposition, daß Sie sich in Ihren Anträgen zwar für den Abbau der 72 P I a, für dieses deutschamerikanische Gemeinschaftssystem, nicht aber für den Abbau der nahezu 600 SCUD der Sowjetunion einsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Das ist doch das dritte Kapitel, das müssen Sie beginnen! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Denn bei den SCUD reden Sie nur vom Ende der Modernisierung, aber nicht vom Abbau, bei den 72 P I a reden Sie vom Ende der Modernisierung und vom Abbau. Diesen Unterschied machen Sie. Das ist schlimm und verantwortungslos. Damit werden Sie Ihrer Verantwortung für unser Deutschland nicht gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn Sie sagen, daß diese SCUD nicht Gegenstand der gegenwärtigen Verhandlungen sind, dann ist das zwar richtig. Aber das gleiche gilt für die 72 P I a dieses deutsch-amerikanischen Gemeinschaftssystems. Das ist kein deutscher Standpunkt, sondern das ist der Standpunkt der Allianz und der Standpunkt des Verhandlungsführers, der Vereinigten Staaten von Amerika.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)