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ID1102200300

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    Plenarprotokoll 11/22 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 22. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Frau Zutt 1423 A Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Bernrath, des Parlamentarischen Staatssekretärs Gallus, des Abg. Wischnewski, des Vizepräsidenten Stücklen, der Abg. Dr. Pohlmeier, Hinrichs und Ruf 1423 C Eintritt der Abg. Frau Dr. Dobberthien in den Deutschen Bundestag 1423 D Verzicht des Abg. Dr. Rumpf auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . 1423 D Eintritt des Abg. Dr. Hitschler in den Deutschen Bundestag 1423 D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Abschaffung der nuklearen Mittelstreckenraketen (Drucksache 11/732 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortiger Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die 72 Pershing-I a- Raketen der Bundesluftwaffe (Drucksache 11/699 [neu]) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz (Drucksache 11/757) Dr. Vogel SPD 1424 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 1427 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 1431D Dr. Dregger CDU/CSU 1434 A Dr. Scheer SPD 1437 C Mischnick FDP 1440 C Frau Beer GRÜNE 1443 B Biehle CDU/CSU 1445 A Genscher, Bundesminister AA 1447 D Bahr SPD 1450B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 1453 C Gansel SPD 1454 B Seiters CDU/CSU 1455 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 1456 D Nächste Sitzung 1457 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1458* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. September 1987 1423 22. Sitzung Bonn, den 2. September 1987 Beginn: 10.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 2. 9. Dr. Ahrens * 2. 9. Bamberg 2. 9. Frau Beck-Oberdorf 2. 9. Bernhard 2. 9. Catenhusen 2. 9. Dr. Daniels 2. 9. Eimer 2. 9. Frau Fischer 2. 9. Funke 2. 9. Frau Geiger 2. 9. Grünbeck 2. 9. Haack (Extertal) 2. 9. Dr. Holtz * 2. 9. BM Klein 2. 9. Dr. Klejdzinski * 2. 9. Klose 2. 9. Dr. Knabe 2. 9. Frau Krieger 2. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lenzer * 2. 9. Menzel 2. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 2. 9. Neumann (Bremen) 2. 9. Niegel 2. 9. Oostergetelo 2. 9. Frau Pack * 2. 9. Pfuhl 2. 9. Reschke 2. 9. Reuschenbach 2. 9. Prof. Dr. Rumpf * 2. 9. Schulhoff 2. 9. Dr. Sperling 2. 9. Spilker 2. 9. Spranger 2. 9. Dr. Stercken 2. 9. Stratmann 2. 9. Tietjen 2. 9. Dr. Unland * 2. 9. Frau Dr. Vollmer 2. 9. Volmer 2. 9. Dr. Warrikoff 2. 9. Dr. Wieczorek 2. 9. Wieczorek (Duisburg) 2. 9. Dr. de With 2. 9.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Sie haben sich unserer Position sehr stark angenähert. Ihre Erklärung vor der Bundespressekonferenz enthält zwar allerlei Floskeln und Verbrämungen, die wir ja auch sonst bei Ihnen kennen; aber der Kern Ihrer Aussage, wenn Worte überhaupt einen Sinn machen, ist doch: Wenn es in Genf zu einer Einigung kommt — und alles deutet jetzt darauf hin, daß sie bald stattfindet — , dann verzichtet die Bundesrepublik auf die Modernisierung ihrer 72 Pershing-I a-Raketen und baut sie ab, und die Sprengköpfe verschwinden. Genau das haben wir seit Monaten gefordert.

    (Beifall bei der SPD)

    Genau das haben Sie noch in Ihrer Erklärung vom 4. Juni in Zweifel gezogen. Genau das haben die Hardliner in Ihrer Fraktion bis in die letzte Woche mit Erbitterung bekämpft. Genau das bekämpfen Herr Strauß und Herr Waigel und die CSU heute noch.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Ich bedanke mich, daß Sie mich erwähnt haben!)

    — Ja, das ist notwendig, Herr Waigel. Ihre eigenen Leute haben zur Zeit Schwierigkeiten, Sie zu erwähnen. Da muß ich das machen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie können hier doch nicht mit einem kollektiven Gedächtnisverlust rechnen. Es ist doch noch alles in frischer Erinnerung, was Sie gesagt haben.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Kollektives Gewissen gibt es nur bei Ihnen!)

    Als wir forderten, auf die Modernisierung zu verzichten, da belehrte uns Herr Wörner, die Modernisierung sei unverzichtbar. Sie, Herr Kanzler, wissen doch ebenso gut wie wir, daß er die Modernisierung insgeheim, etwa im Rahmen des sogenannten TechnexProgramms des Bundesverteidigungsministeriums, schon längst auf den Weg gebracht hat, daß er jetzt diese Modernisierung stoppen muß, wenn Ihre Entscheidung wirklich verbindlich ist.
    Wer nicht modernisiere, schwäche die Verteidigungsfähigkeit des Westens, tönte es. Und Kollege Dregger fügte noch vier Tage vor Ihrem Schwenk — das zeigt Ihre enge Zusammenarbeit — hinzu, die Systeme und ihre Modernisierung seien Faustpfand, seien Hebel, seien eine Eintrittskarte, mit der man sowjetische Zugeständnisse erzwingen werde; das dürfe man nicht aus der Hand geben.
    Und nun, Herr Dregger? Ist Ihnen nicht einigermaßen blamabel zumute? Schlimmer ist hier in den letzten Jahren wohl noch kein Fraktionsvorsitzender einer Regierungspartei von seinem eigenen Kanzler desavouiert worden,

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    übrigens ein Fraktionsvorsitzender, der zusammen mit Herrn Rühe schon die zweite Null-Lösung zu hintertreiben versuchte und deswegen Herrn Rühe nach London und Washington geschickt hat und selbst zu einem überaus eindrucksvollen Besuch in Paris erschien.
    Als wir forderten, die 72 Pershing-I a-Systeme zu beseitigen, weil sie die Verständigung in Genf erschwerten, weil es inkonsequent sei, die Null-Lösung durch die Beibehaltung von amerikanischen Sprengköpfen mittlerer Reichweite zu entwerten, da hieß es zunächst, es handele sich um Drittstaatensysteme, über die man überhaupt kein Wort verlieren dürfe. Als diese ebenso unsinnige wie gefährliche Behauptung von allen Seiten, wahrscheinlich auch von Ihrem eigenen Außenminister, zurückgewiesen wurde, erfand man den Kunstbegriff des Kooperationssystems, über das auch nicht geredet werden dürfe. Auch dieser Begriff ist durch wunderbare Fügung seit letzter Woche offenbar Makulatur.
    Dann verfielen Ihre Freunde, Herr Bundeskanzler, auf die Lesart, die NATO verlange die Beibehaltung der Pershing-Systeme. Das war von Anfang an zumindest eine Legende, wenn nicht eine glatte Unwahrheit. In Wirklichkeit haben die Verbündeten ihre bisherige Pershing-Position in Stavanger und anderswo nur höchst widerwillig hingenommen und öffentlich ihre Erleichterung bekundet, daß Sie diese unhaltbare Position in der letzten Woche geräumt haben.
    Natürlich — wie könnte es anders sein? — fehlte in Ihrer Polemik auch Ihre Standardparole nicht, nämlich die Parole, mit unserer Forderung verträten wir die Interessen Moskaus, seien wir das Sprachrohr Moskaus.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Und nun, Herr Bundeskanzler? Haben Sie jetzt die Vertretung der Moskauer Interessen mit Ihrer Entscheidung persönlich übernommen?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Heiterkeit bei den GRÜNEN)

    Und von Moskau versteht der Bundeskanzler etwas.
    Das Ganze, der Ablauf dieses Streits um die Pershing-I a-Systeme, ist fast ein Lehrstück dafür, wie die politischen Willensbildungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder vor sich gehen. Wir Sozialdemokraten entwickeln einen weiterführenden politischen Ansatz.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir kämpfen für seine Realisierung. Sie antworten mit diffamierender Polemik und widersetzen sich unseren Ansätzen und Vorschlägen mit einer Mischung von Unbeweglichkeit und Überheblichkeit.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

    Nach einiger Zeit geraten Sie in Schwierigkeiten. Dann streiten Sie und fallen übereinander her, und schließlich ändern Sie Ihren Kurs im Sinne unseres Konzepts und tun dann so, als ob es von Anfang an Ihr Konzept gewesen sei.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Vogel
    So war es bei den Ostverträgen, so war es beim Grundlagenvertrag, so war es bei der Schlußakte von Helsinki und zuletzt bei der Null-Lösung für die Mittelstreckensysteme kürzerer Reichweite, und genau so ist es diesmal bei den Pershing-I a-Raketen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Wie war es bei der NATO?)

    Wir machen uns keine Illusionen, daß dies in Zukunft anders sein wird. Insbesondere Impulse auf dem Gebiet der Abrüstung und der Friedenssicherung, Fortschritte auf dem Weg zu dem, was der Herr Bundespräsident eine systemöffnende Zusammenarbeit im Interesse der Menschen genannt hat, werden auch in Zukunft mit Sicherheit nicht von Ihnen, sondern sie werden von uns, von den Sozialdemokraten ausgehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Fall zeigt es ein weiteres Mal: Fortschritte auf diesem Gebiet werden auch in Zukunft nur in dem Maße erreicht werden, in dem wir, in dem die öffentliche Meinung,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Siehe Deutschlandpolitik!)

    in dem die Mehrheit unseres Volkes Sie drängen und bedrängen und auf Sie einen Druck ausüben, dem Sie dann schließlich nicht mehr widerstehen können.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Reden Sie mal über die Deutschlandpolitik! )

    In der Frage, die uns heute beschäftigt, ist uns das gelungen. Das ist für uns und für viele in unserem Volk, aber auch in anderen Völkern Anlaß zur Freude und Genugtuung, und es ist eine Ermutigung für die Zukunft auch und gerade für die Friedensbewegungen, die mit zu dieser Entwicklung und zu dieser Bewegung beigetragen haben.

    (Beifall bei der SPD) Zusammenfassend stelle ich fest:

    Erstens. Unsere Auffassung in dieser Frage hat sich durchgesetzt.
    Zweitens. Für den Verzicht auf die Modernisierung der Pershing I a und für den Abbau dieser Systeme bringt die Koalition aus eigener Kraft keine Mehrheit zustande. Sie ist in diesem Punkt auseinandergebrochen; sie ist in einer wichtigen Frage handlungsunfähig.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Die Sicherung konkreter Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung und des Zustandekommens der Null-Lösungen sind uns wichtiger als momentane parteitaktische Vorteile. Wir sehen daher heute davon ab, unsere weitergehenden Vorstellungen zu formalisieren. Statt dessen haben wir einen Antrag eingebracht, der in wörtlicher Übereinstimmung mit der Erklärung des Bundeskanzlers vor der Bundespressekonferenz fordert, daß die Pershing-I a- Systeme nicht modernisiert, sondern zusammen mit der endgültigen Beseitigung aller sowjetischen und amerikanischen Mittelstreckenflugkörper abgebaut werden. Der Antrag fordert zugleich — auch dies ist
    wieder wörtliches Zitat — die Staaten des Warschauer Paktes auf, „ihrerseits auf die laufende Modernisierung von Raketen mit einer Reichweite unterhalb von 500 km zu verzichten". Selbstverständlich drängen auch wir nachdrücklich auf Verhandlungen über die nuklearen Kurzstreckensysteme in Europa, allerdings mit dem Ziel, daß es auch hier zu einer Null-Lösung, zu einer völligen Beseitigung kommt.

    (Beifall bei der SPD)

    Dazu, Herr Bundeskanzler — das sind wörtliche Übernahmen — , gehört dann allerdings auch, daß auf unserer Seite von der Modernisierung entsprechender Systeme Abstand genommen wird, solange diese Verhandlungen geführt werden.
    Wenn Sie das wollen, wenn FDP und CDU das wollen, dann kann unser Antrag, kann die Erklärung des Bundeskanzlers noch in dieser Sitzung zum Beschluß des Deutschen Bundestages erhoben werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist schon ein einmaliger parlamentarischer Vorgang, daß eine sogenannte Koalition es nicht wagt, ihrerseits eine sogenannte Richtlinienentscheidung des Koalitionskanzlers zum Antrag zu erheben.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist einmalig, daß sie das der Opposition überläßt. Noch gravierender wäre es allerdings, wenn Sie es ablehnen, diesem Antrag heute zuzustimmen, und sich statt dessen in Ihrer Verlegenheit in die Ausschüsse flüchten würden.

    (Seiters [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Ausschüsse?)

    Das wäre nicht nur ein Armutszeugnis ersten Ranges, übrigens auch für die FDP, die draußen so markige Worte findet;

    (Zurufe von der FDP)

    es würde auch — das ist viel schlimmer — Zweifel daran wecken, daß es Ihnen mit Ihrem Raketenverzicht überhaupt ernst ist. Viele würden fragen, ob Sie nicht wie mit Ihrer verwirrenden und von Herrn Strauß als wirr bezeichneten Erklärung vor den Wahlen in Rheinland-Pfalz und in Hamburg wieder nur auf die nächsten Wahlen zielen, diesmal in SchleswigHolstein und in Bremen. Aber diese Wählerinnen und Wähler werden die heutige Sitzung genau beobachten und sich auf Ihr Verhalten selbst einen Reim machen,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Wahlkämpfer Vogel!)

    und sie werden Ihnen und auch der FDP die Quittung geben, die Ihre heutige Haltung verdient; denn klarer denn je ist in diesen Tagen deutlich geworden, wer den Prozeß der Abrüstung ohne Wenn und Aber unterstützt, wer ihn erbittert bekämpft und wer sich halbherzig und zögerlich nur unter Druck in das unvermeidlich Erscheinende fügt. Die überwältigende Mehrheit unseres Volkes will eine Bundesregierung und einen Bundeskanzler, die sich gegen die Fortset-



    Dr. Vogel
    zung des wahnwitzig gewordenen Rüstungswettlaufs mit aller Kraft stemmen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die überwältigende Mehrheit will eine Bundesregierung und einen Bundeskanzler, die den Prozeß der Abrüstung vorantreiben, nicht aber ihm widerwillig in weitem Abstand nachfolgen und ihn verzögern.
    Der heutige Tag wird zeigen, ob Sie das wirklich erkannt haben. Wenn ja, dann ist Ihnen hier im Parlament die Mehrheit sicher; denn die CSU wird für eine solche Mehrheit nicht gebraucht. Auf die CSU und Herrn Strauß kommt es — das ist das qualitativ Neue — in dieser Frage überhaupt nicht mehr an.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sie werden sich noch wundern!)

    Wenn nein, dann können Sie sich, Herr Bundeskanzler, zwar noch eine Zeitlang drehen und winden, aber der Tag rückt näher, an dem unser Volk des ewigen Neins aus München in Fragen der Abrüstung, aber auch der Winkelzüge dieser Koalition endgültig müde wird.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Tag rückt näher, an dem sich unser Volk einer solchen gespaltenen Regierung und eines solchen Bundeskanzlers entledigen wird, an dem sich der Friedenswille unseres Volkes eine neue Mehrheit, eine neue Bundesregierung und einen neuen Bundeskanzler suchen wird.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Lachen bei der CDU/ CSU)

    Wir, Herr Bundeskanzler — das verspreche ich Ihnen mit allem Nachdruck — , werden alles tun, damit dieser Tag so bald wie möglich Wirklichkeit wird.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU]: Und für diese Rede will der Vogel eine Sondersitzung!)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es war außerordentlich erhellend, daß der heutige Morgen vor allem in zwei Punkten für viele einen Aufschluß gegeben hat. Zum einen, Herr Kollege Vogel, haben Sie diese Sondersitzung der Wahrheit entsprechend begründet. Denn Sie haben gesagt: Die Wähler in Schleswig-Holstein und Bremen werden diese Sitzung aufmerksam beobachten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Und das ist Ihnen peinlich!)

    Damit ist ganz klar, warum Sie diese Sitzung einberufen haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Schlau ist er, der Kanzler!)

    Es ging Ihnen zu keiner Minute darum, daß wir heute über die Pershing I a, über Abrüstung diskutieren. Es ging Ihnen um ein Wahlkampfspektakel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn Sie hatten diese Sondersitzung zu einem Zeitpunkt beantragt, zu dem ich meine Äußerungen der Öffentlichkeit noch gar nicht unterbreitet hatte.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Wie unerhört!)

    Damit ergibt sich für jeden schlüssig: Sie wollten heute ein Wahlkampfspektakel haben und die nächste Woche noch einmal.
    Im übrigen, Herr Kollege Vogel: Sie sind einer, der hier besonders gerne Zeitungen aller politischen Richtungen zitiert. Über den Wert oder Unwert dieser Sondersitzung gab es in der deutschen Öffentlichkeit nur eine Meinung. Die allgemeine Meinung war: Es ist für die Sache völlig uninteressant,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das Parlament ist uninteressant!)

    ob wir am 2. oder am 9. September in der Generalaussprache über dieses Thema sprechen. Sie wollten ein Wahlkampfspektakel und sonst nichts. Das war auch das Wesen Ihres Beitrags.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin zum anderen ausgesprochen dankbar, daß Sie am Schluß Ihrer Ausführungen einmal etwas von Ihren eigenen Gefühlen wiedergegeben haben. Ich habe schon verstanden, daß Sie damit deutlich machen wollten: Sie sind nach Ihrer Vorstellung für das nächste Mal der Herausforderer. Ich kann Sie in dieser Position nur herzlich begrüßen. Jetzt wissen wir endlich, woran wir sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Läppischer geht es nicht!)

    Herr Kollege Vogel, Sie konnten doch beim besten Willen nicht erwarten

    (Zuruf von der SPD: Herr Strauß hat schon recht!)

    daß, wenn Sie eine Sondersitzung nach der Geschäftsordnung herbeiführen — —

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß gar nicht, warum Sie so durch die Gegend schreien. Haben Sie wirklich Grund, überhaupt nicht mehr zuzuhören? — Sie konnten beim besten Willen nicht erwarten, daß ich, wenn Sie eine Sondersitzung verlangen — das ist Ihr gutes Recht nach der Geschäftsordnung — , sofort springe und eine Regierungserklärung abgebe.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie können es doch gar nicht!)

    Herr Kollege Vogel, es gehört schon sehr viel Appell
    an die Vergeßlichkeit der Bürger dazu, wenn ausge-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    rechnet Sie sich in der Frage der Abrüstungspolitik als Vater der Entwicklung darstellen. Meine Damen und Herren, wir haben es nicht vergessen, daß Sie wegen des Vollzugs des NATO-Doppelbeschlusses — der die Voraussetzung für alle positiven Entwicklungen war und ist — den Kollegen Schmidt gestürzt haben. Das waren doch Sie.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Der geschätzte Kollege Schmidt hat ja jetzt seine Memoiren angekündigt. Ich weiß nicht, ob die Memoiren schon das Jahr 1982 umfassen oder ob der Abschnitt kurz vor 1982 endet — was möglich ist. Aber wenn diese Memoiren das Jahr 1982 umfassen, dann wird er, wie ich ihn einschätze, in der ihm eigenen Offenheit und hanseatischen Direktheit zu beschreiben haben, wie die einzelnen Gruppen Ihrer Partei und Fraktion ganz bewußt auf seinen Sturz hingearbeitet haben. Das ist inzwischen ja alles erwiesen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben damals gemeinsam mit uns als Opposition den NATO- Doppelbeschluß herbeigeführt, und wir waren uns in jener Zeit einig, daß das angesichts der sowjetischen Überrüstung die einzige Methode ist, die Sowjetunion dazu zu bringen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und tatsächlich abzurüsten.
    Es waren doch in Wahrheit zwei Entscheidungen des Westens, die ein Verhandlungsklima erst wieder ermöglicht haben, und beide haben Sie bekämpft: Das war die Stationierung 1983, und es war das amerikanische Festhalten am SDI-Forschungsprogramm. Diese beiden Grundvoraussetzungen der Weltpolitik haben die Sowjetunion an den Genfer Verhandlungstisch zurückgebracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Meine Damen und Herren! Sie waren doch auch in allem bereit, sich mit der sowjetischen Position abzufinden. Herr Kollege Vogel, man wird doch wenigstens noch einmal den Originaltext Ihres Nürnberger Parteitagsbeschlusses vortragen dürfen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das sollten Sie häufig tun!)

    — Ja, wenn wir das häufig tun, dann fällt Ihre Argumentation noch mehr in sich zusammen.
    Die SPD forderte — ich zitiere wörtlich — :
    — von den USA einen Aufstellungsstopp und die Rücknahme der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles,
    — von der UdSSR den unverzüglichen Abbau der im Gegenzug in der DDR und der CSSR aufgestellten Raketen sowie eine drastische Verminderung der SS 20 auf einen Stand von 1979.

    (Dr. Vogel [SPD]: „Vor", nicht „von"! Nicht fälschen!)

    — Aber Entschuldigung! Das ist doch nicht gefälscht! Dieser Beschluß ist jetzt gerade ein Jahr her.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie können noch nicht einmal lesen!)

    Die SPD war damals bereit, ohne westliches Gegengewicht hundert sowjetische SS-20-Mittelstreckenraketen mit insgesamt 300 nuklearen Sprengköpfen hinzunehmen. Das war doch der Stand von 1979!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Gansel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)