Rede:
ID1101203600

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Metadaten
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    Vokabeln: 10
    1. Herr: 1
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    10. Uldall?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/12 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 12. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Mai 1987 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Absturzes einer polnischen Verkehrsmaschine . . . 687 A Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Weyel 687 B Erweiterung der Tagesordnung 687 B TOP 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Apel, Roth, Bahr, Frau Blunck, Börnsen (Ritterhude), Dreßler, Duve, Dr. Ehrenberg, Ewen, Frau Faße, Gansel, Graf, Grunenberg, Dr. Hauchler, Heyenn, Hiller (Lübeck), Jansen, Dr. Jens, Jungmann, Klose, Koschnick, Kuhlwein, Dr. Niese, Paterna, Schutz, Frau Simonis, Frau Terborg, Tietjen, Waltemathe, Würtz, Zumkley, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Erhaltung der Arbeitsplätze bei den deutschen Werften (Drucksache 11/228) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung von Werftarbeitsplätzen und -standorten (Drucksache 11/296) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Lage der deutschen Schiffbauindustrie (Drucksache 11/298) Frau Simonis SPD 687 D Bohlsen CDU/CSU 690 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 691 C Richter FDP 692 C Koschnick SPD 693 C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 695 D Hinrichs CDU/CSU 698 A Namentliche Abstimmungen 699B, C Ergebnisse 704B; 705D; 707A TOP 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988) (Drucksache 11/285) in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik (Drucksache 11/16) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 699D Dr. Spöri SPD 708 C Gattermann FDP 711 C Hüser GRÜNE 713D Uldall CDU/CSU 716B Poß SPD 719 C Dr. Faltlhauser CDU/CSU 721 A Frau Matthäus-Maier SPD 723 C Nächste Sitzung 725 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 726* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Mai 1987 687 12. Sitzung Bonn, den 20. Mai 1987 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein ** 22. 5. Dr. Ahrens * 21. 5. Amling 22. 5. Beckmann ** 22. 5. Frau Beer ** 22. 5. Dr. Biedenkopf 20. 5. Biehle ** 22. 5. Frau Brahmst-Rock 28. 5. Büchner (Speyer) * 21. 5. Bühler (Bruchsal) * 20. 5. Dr. von Bülow 21. 5. Buschfort 22. 5. Dr. Dollinger 22. 5. Duve 20. 5. Eimer (Fürth) 22. 5. Francke (Hamburg) ** 22. 5. Graf 21. 5. Dr. Häfele 22. 5. Frau Dr. Hartenstein 22. 5. Horn ** 22. 5. Ibrügger ** 22. 5. Dr.-Ing. Kansy ** 22. 5. Kiechle 22. 5. Klose 20. 5. Kolbow 22. 5. Koschnick ** 22. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kunz (Weiden) ** 22. 5. Dr. Graf Lambsdorff 22. 5. Lattmann ** 22. 5. Dr. Mechtersheimer ** 22. 5. Dr. Müller * 20. 5. Niegel ** 22. 5. Pesch 22. 5. Petersen ** 22. 5. Reschke 21. 5. Reuschenbach 22. 5. Ronneburger ** 22. 5. Sauer (Salzgitter) ** 22. 5. Schanz 20. 5. Dr. Scheer ' 20. 5. Schmidt (München) 22. 5. von Schmude 22. 5. Schreiner ** 22. 5. Dr. Stercken 21. 5. Tietjen 21. 5. Voigt (Frankfurt) ** 22. 5. Weiß (Kaiserslautern) ** 22. 5. Dr. Wieczorek ** 22. 5. Wieczorek (Duisburg) 22. 5. Zierer * 20. 5. Frau Zutt 22. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Spöri


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben hier heute ja so etwas wie eine Premiere. Die Bundesregierung ändert die von ihr selbst beschlossene Steuersenkung 1988, noch bevor sie in Kraft getreten ist. Die bereits für 1988 gedruckten Steuertabellen sind Makulatur und müssen nunmehr eingestampft werden. Von einer vorausschauenden und berechenbaren Steuerpolitik oder gar von Ruhe an der Steuerfront kann nicht die Rede sein, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Das jetzt nachgeschobene Reparaturgesetz ist vielmehr ein unfreiwilliges Eingeständnis der Bundesregierung, daß unsere wirtschaftspolitische Kritik an der Entlastungsstufe 1988 voll berechtigt war, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Uldall [CDU/CSU]: Nein, ganz falsch!)

    Was veranlaßt wirklich den Herrn Bundesfinanzminister, jetzt hoppla hopp nachträglich eine Änderung der Entlastungsstufe 1988 vorzuschlagen? Ist es die inzwischen gewonnene neue Einsicht, daß die als größte Steuerreform aller Zeiten gepriesene Steueränderung etwas unausgewogen ist? Das wäre ja in der Tat ein überzeugender Grund, meine Damen und Herren. Denn durch die von Ihnen beschlossene Steuersenkung 1988, Herr Stoltenberg, werden einseitig die Bezieher hoher und höchster Einkommen begünstigt. Verheiratete Arbeitnehmer mit einem Monatsgehalt bis zu 4 000 DM sollten nach dem von Ihnen ursprünglich beschlossenen Gesetz keine müde Mark bekommen; das sind die Fakten.

    (Beifall der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] — Dr. Apel [SPD]: So ist es!)

    Den durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmern und Familien wird mit diesem von Ihnen beschlossenen Steuersenkungsgesetz zugemutet, daß sie bei jeder Lohnerhöhung einen immer höheren Anteil ihres Gesamteinkommens als Lohnsteuer abzuführen haben. Während also für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen damit der Marsch in den Lohnsteuerstaat weitergeht, erhalten Spitzenverdiener lukrative Steuergeschenke.
    Diese verteilungspolitische Schieflage Ihrer bisherigen Steuerpolitik müßte in der Tat korrigiert werden. Im Jahre 1988 für eine Steuersenkung verfügbare Mittel müßten eigentlich auf die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen konzentriert werden. Wenn es Ihnen wirklich um mehr Steuergerechtigkeit ginge, dann bräuchten Sie heute keinen eigenen Entwurf vorzulegen, dann könnten Sie unseren bereits seit langem vorliegenden Tarifvorschlägen zustimmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich finde es sowieso etwas ideologisch verbohrt, meine Damen und Herren, daß Sie nicht in der Lage



    Dr. Spöri
    sind, einer aus Gerechtigkeits- und Haushaltsgesichtspunkten eindeutig besseren Alternative zuzustimmen, nur weil es der Vorschlag der Opposition, der SPD, ist. Das entspricht nicht der demokratischen Kultur in diesem Haus.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ist das der Rau-Tarif mit der EigerNordwand drin?)

    Meine Damen und Herren, der von Ihnen vorgelegte Entwurf — ich gehe jetzt darauf ein — , der in erster Linie einen nochmaligen Nachschlag für Betuchte bringt, beweist wieder einmal, daß Steuergerechtigkeit nicht zu den Zielen Ihrer Politik gehört.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    Für die heute vom Bundesfinanzminister nachgeholte Flickschusterei war nicht maßgebend, ein offenkundig ungerechtes Gesetz nachzubessern; die Bundesregierung glaubt vielmehr, mit dieser Nachbesserung den in Paris angemahnten Forderungen der anderen westlichen Industrieländer nach einem Beitrag der Bundesrepublik zur konjunkturellen Stabilisierung gerecht zu werden. Unsere Welthandelspartner beklagen bereits seit langem, daß von der Bundesrepublik keine hinreichenden binnenwirtschaftlichen Impulse zur Stärkung der Weltwirtschaft ausgehen. Nun fürchten unsere Partner zu Recht, daß bei uns ein konjunktureller Einbruch droht, meine Damen und Herren. In der Tat — das verdeutlichen auch die neuesten Daten des Münchener Ifo-Instituts — zeigen die wichtigen Kunjunkturindikatoren weiter nach unten. Die Kapazitätsauslastung und die Auftragsbestände in der deutschen Industrie gehen zurück. Die Geschäftslage wird von den Unternehmen immer skeptischer beurteilt. Auch die OECD kommt in ihrer neuesten Prognose zu einer revidierten Wachstumsschätzung für die Bundesrepublik. Selbst die Bundesregierung geht inzwischen davon aus, daß in diesem Jahr ein Anstieg des Bruttosozialprodukts von real nur noch 1,8 % zu erreichen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Besser als nichts!)

    Die in dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung enthaltenen Wachstumsannahmen werden damit deutlich nach unten geschraubt. Einige Institute gehen sogar nur noch von einem realen Wachstum von 1 % aus.
    Es zeigt sich also, meine Damen und Herren, daß unsere bereits vor der Bundestagswahl geäußerten konjunkturellen Befürchtungen und nicht die von Ihnen betriebene konjunkturpolitische Schönfärberei der heutigen Realität entsprechen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Man kann die Konjunktur kaputtreden!)

    Es zeigt sich auf Grund dieser Zahlen und dieser Datenentwicklung eindeutig, daß Ihre Konjunkturlüge inzwischen wie eine Seifenblase geplatzt ist.

    (Beifall bei der SPD — Uldall [CDU/CSU]: Behalten Sie mal Ihr bisheriges Niveau, Herr Spöri!)

    Wir sind uns mit unseren westlichen Handelspartnern einig, daß die enormen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte abgebaut werden müssen. Eine immer deutlicher werdende Konjunkturabschwächung bei uns ist mit diesem Ziel nicht vereinbar. Daher sind in der Tat politische Impulse zur Erhöhung der Binnennachfrage dringend geboten. Noch dringlicher spricht die auch von Ihnen nicht mehr länger zu leugnende Gefahr dafür, daß wir mit über 2 Millionen Arbeitslosen in eine tiefe Rezession hineinrutschen könnten.

    (Vorsitz : Vizepräsident Cronenberg)

    Meine Damen und Herren, wir sind im Prinzip mit der Bundesregierung einig, daß auch Steuerentlastungen die Binnennachfrage ankurbeln und damit einen wichtigen Beitrag zu mehr Beschäftigung leisten könnten. Dies gilt aber nur, wenn die Entlastung vorrangig den Bevölkerungskreisen zugute kommt, die damit nicht Finanzanlagen im Ausland erwerben, sondern die zusätzlich verfügbaren Mittel tatsächlich in Nachfrage hier in unserem eigenen Staate umsetzen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die Bundesregierung geht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf jedoch genau den falschen wirtschaftspolitischen Weg: Während Bezieher hoher und höchster Einkommen 1988 zu den ohnehin vorgesehenen 4 000 DM Entlastung zusätzlich 2 000 DM Entlastung erhalten, d. h. also insgesamt 6 256 DM, werden verheiratete Normalverdiener mit insgesamt 94 DM im Jahr abgespeist; das sind nicht einmal 8 DM im Monat.

    (Huonker [SPD]: Und damit wollt ihr die Konjunktur ankurbeln!)

    Oder, um es deutlicher zu sagen: Den Spitzenverdienern spendiert diese Bundesregierung jeden Monat ein Wochenende in Paris, die Normalfamilie kann sich eine Kiste Limonade kaufen.

    (Huonker [SPD]: Sprudel ohne Zusatz!) So sehen die Fakten aus.

    Dies ist nicht nur ungerecht, es ist auch wirtschaftspolitisch verfehlt. Eine spürbare Konjunkturstärkung können Sie von einer derartigen Maßnahme nicht erwarten. Graf Lambsdorff hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die USA für die Steuerpolitik der Bundesregierung nur noch Spott und Hohn übrig haben.

    (Huonker [SPD]: Das trifft zu!)

    Herr Bundesfinanzminister, die Ihnen in dem Pariser Louvre-Abkommen auferlegten Schulaufgaben haben Sie mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf nicht gemacht.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie müssen damit rechnen, bei dem kommenden Weltwirtschaftsgipfel in Venedig von den anderen Industriestaaten noch mehr unter Druck gesetzt zu werden.



    Dr. Spöri
    Was wollen Sie dort eigentlich anbieten? Von dem für 1990 groß angekündigten, bisher noch nicht finanzierten Steuerpaket sind heute, im Jahre 1987, keine positiven Konjunkturimpulse zu erwarten, und unsere Vorschläge für einen ernsthaften Versuch, über mehr öffentliche und private Umweltinvestitionen die Binnenkonjunktur zu stärken, haben Sie doch, durchweg aus ideologischer Verblendung, abgeschmettert, und das werden Sie in einem Jahr genauso verspätet bereuen, wie Sie heute die falsche Struktur des Steuersenkungsgesetzes bereut haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, mit Ihrer konkunkturpolitisch völlig verfehlten Politik riskieren Sie, daß der Dollar nach einem ergebnislosen Weltwirtschaftsgipfel in Venedig, Herr Stoltenberg, wieder absackt und die Probleme unserer Exportwirtschaft weiter zunehmen. Mit Ihrer Finanzpolitik, deren Ergebnis nur eine ungerechte Umverteilung und nicht spürbare Konjunkturbelebung ist, stellen Sie die Weichen, daß die Massenarbeitslosigkeit bei uns ungehindert weiter ansteigt. Die Zunahme der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit während der letzten Monate zeigt deutlich, daß Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik in eine Sackgasse führt, an deren Ende wir die traurige Rekordmarke von drei Millionen Arbeitslosen übertreffen werden.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU] : Wiederholungslüge! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    So muß man objektiv feststellen: Die von der SPD vorgeschlagene Umstrukturierung der Steuersenkung 1988 ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger eindeutig vorteilhafter, selbst unter Schonung der öffentlichen Haushalte um 5 Milliarden DM.
    Hierzu fünf entscheidende Argumente: Erstens. Nach dem von uns vorgeschlagenen Tarif wird der Grundfreibetrag auf 5 022 DM für Ledige und 10 044 DM für Verheiratete angehoben. Das sind immer noch 270 bzw. 540 DM mehr als nach dem von Ihnen vorgelegten Änderungsgesetz.
    Zweitens. Unsere Vorschläge, die 5 Milliarden DM weniger kosten, führen dazu, daß Verheiratete bis zu einem Bruttoeinkommen von etwa 80 000 DM und Ledige bis zu einem Bruttoeinkommen von immerhin noch 43 000 DM im Jahr weniger Steuern zahlen als nach dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf. Nicht nur der ledige Durchschnittsverdiener, sondern auch und gerade der gut verdienende verheiratete Facharbeiter, Angestellte, Ingenieure und Meister sowie die kleinen und mittleren Unternehmer werden nach unseren Tarifvorschlägen stärker entlastet. Das sind die Fakten.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Durch die von uns vorgeschlagene Anhebung des Kindergeldes auf monatlich 100 DM für das erste Kind, 200 DM für das zweite Kind und 300 DM für das dritte und jedes weitere Kind — der Herr Bundesfinanzminister ist eben darauf eingegangen — wird den Familien und vor allen Dingen den kinderreichen Familien spürbar geholfen. Sie dagegen haben mit Ihrer jetzt eben verteidigten Umstellung
    auf Kinderfreibeträge ein ungerechtes System geschaffen, das einkommensstarke Familien kraß bevorzugt. Und damit, meine Damen und Herren, verschenken Sie wiederum den möglichen kräftigeren Nachfrageimpuls einer gerechten Familienpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Insgesamt führen unsere steuerpolitischen Vorschläge — allein das Gesamtbild zählt — für 1988 im Vergleich zu Ihren Vorschlägen dazu, daß 80 % der Verheirateten und 70 % der Ledigen günstiger behandelt werden. Das sind die Fakten, über die heute entschieden wird, nicht etwa irgendwelche herausgeklaubten Einzelbeispiele.
    Fünftens. Die breite Mehrheit der Steuerzahler wird also stärker entlastet, obwohl durch die Vorschläge der SPD — was ja für die öffentliche Investitionskraft und damit für die Beschäftigungspolitik ganz entscheidend ist — 5 Milliarden DM weniger Steuerausfälle für Bund, Länder und Gemeinden zu verkraften sind als durch die Vorschläge der Bundesregierung. Dies zeigt, wie kraß einseitig die von der Bundesregierung vorgesehenen Steuersenkungen ausgerichtet sind.
    Meine Damen und Herren, die Alternative der SPD zur Steuersenkung 1988 beweist, daß eine gerechte Tarifgestaltung möglich ist, die gleichzeitig auch unter dem Gesichtspunkt einer stärkeren Inlandsnachfrage wirtschaftlich vernünftig ist. Die Bundesregierung setzt jedoch mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf den eingeschlagenen Weg der Umverteilung von unten nach oben über die Steuerpolitik 1988 konsequent fort.
    Meine Damen und Herren, nun zum schönen Jahr 1990: Für das Jahr 1990 ist ja die große Superreform angekündigt. Für 1990 sind aber leider keine konkreten Angaben über die Entwicklung der Steuerbelastung aus heutiger Sicht möglich. Herr Stoltenberg, Sie haben nämlich erst die Speckseite Ihrer Steuerpläne 1990, den Steuerentlastungsteil, der Öffentlichkeit präsentiert. Wie der andere Teil, die Finanzierungs- und Belastungsseite, aussieht, wollen Sie den Wählern, den Bürgern immer noch verschweigen. Erst nach den letzten Landtagswahlen in diesem Jahr, nach der Wahl in Ihrer schönen Heimat Schleswig-Holstein, wollen Sie den Bürgern die Wahrheit über dieses Steuerpaket sagen.

    (Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Dieses Versteckspiel wird sich nicht lohnen, Herr Stoltenberg.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Gegenwärtig weiß die Mehrheit der Bürger also nicht — und das ist eigentlich ein Skandal — , wie sich das Steuerpaket 1990 für sie tatsächlich auswirkt. Ob sie entlastet oder belastet werden, ist völlig offen. Nur die kleine Zahl der sehr gut Verdienenden, für die der Spitzensteuersatz gesenkt werden soll, kann wirklich sicher sein, daß sie der absolute Gewinner des Steuerpakets ist.
    Meine Damen und Herren, Herr Stoltenberg, Sie bringen die öffentlichen Haushalte mit Ihrer Politik einseitig ungerechter Steuergeschenke in immer mas-



    Dr. Spöri
    sivere Schwierigkeiten. Sie haben bereits selbst einen Anstieg der Haushaltsdefizite der Gebietskörperschaften auf 3 % des Bruttosozialprodukts im Jahr 1990 angekündigt. Im Klartext heißt das, meine Damen und Herren, daß Bund, Länder und Gemeinden 1990 70 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen werden.
    Dem .Bund werden 1990 mindestens 45 Milliarden fehlen, auch wenn Sie, Herr Stoltenberg, bisher nur eine geplante Neuverschuldung von etwas mehr als 30 Milliarden DM zugegeben haben. Und bei dem Haushaltsdefizit des Bundes von 45 Milliarden DM ist dann noch nicht einmal berücksichtigt, daß das heutige Ergebnis der Steuerschätzung ein weiteres Loch von wahrscheinlich 7 Milliarden DM für 1990 aufreißen wird, für das Sie keine Deckung haben, Herr Bundesfinanzminister.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Allerdings!)

    Sie, der große Konsolidierungsheld, sitzen in Wahrheit auf einer selbstgebastelten haushaltspolitischen Zeitbombe, Herr Stoltenberg.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sie tun nur so, als ob Sie das alles noch im Griff hätten. Doch ich sage Ihnen: Jetzt, wo der Konjunktur-Boom vorbei ist, jetzt, wo die Bundesbankgewinne abnehmen, haben Sie Ihren Haushalt mittelfristig nicht mehr im Griff.
    Wie wollen Sie angesichts dieser trostlosen Haushaltsperspektive ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer eigentlich noch zurechtkommen? Mit Subventionsabbau, bei dem Sie bisher wirklich jeden Erfolgsnachweis schuldig geblieben sind, werden Sie Ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommen. Ich sage Ihnen: Sie werden die Mehrwertsteuer in diesem Hause erhöhen. Und es ist zu befürchten, daß Sie die Mehrwertsteuer sogar um zwei Prozentpunkte, nämlich von 14 % auf 16 %, erhöhen werden.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Spöri, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Uldall?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Spöri


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Lassen Sie mich — ich bin am Ende — zusammenfassen: Das von der Bundesregierung eingebrachte Reparaturgesetz verspielt die Chance, unser Steuersystem gerechter zu machen. Es verspielt auch konjunkturpolitische Chancen. Sicher ist lediglich, daß es die öffentliche Verschuldung bis 1990 um 16,5 Milliarden DM zusätzlich verschärft. Die Koalition wird es daher bald bereuen, daß sie unseren Antrag für eine gerechte und gleichzeitig beschäftigungswirksame Steuerpolitik heute ablehnt. Gehen Sie daher in sich, Herr Uldall! Es ist noch Zeit bis zur Abstimmung.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)