Rede von
Dr.
Gerhard
Stoltenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Steuerschätzung geht für das kommende Jahr, wenn ich das jetzt exakt erinnere, von einem nominalen Wachstum von 4,5 % aus. Das scheint mir realistisch zu sein. Ich will es jetzt mit diesem einen Satz als Antwort bewenden lassen, denn wir reden in anderem Zusammenhang über Annahmen für die Steuerschätzung. Jetzt reden wir über die Begründung des Steuersenkungsgesetzes.
— Natürlich ist das eine Antwort, für das nächste Jahr; das können Sie doch nicht bestreiten.
Schließlich geht es um die Anhebung des Ausbildungsfreibetrages und um die Verbesserung der Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe.
Meine Damen und Herren, durch den Ihnen vorliegenden Antrag der Fraktion der SPD „Für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik ", wie es heißt, ist die Frage nach der Verteilungswirkung der Steuerentlastung gestellt. Ich will auch kurz auf diesen Punkt eingehen. Natürlich ist es ganz legitim, dieses Thema aufzuwerfen. Wir haben diese Diskussion nach meiner Einschätzung auch schon intensiv geführt, auch in der Aussprache über die Regierungserklärung. Wir haben dabei klargemacht, daß die prozentuale Entlastung im unteren und mittleren Einkommensbereich von 1986 bis 1990 wesentlich höher sein wird als bei den wirklichen Spitzenverdienern.
Was ich einmal vorsorglich kritisch zu einigen Anmerkungen der Opposition sagen möchte, ist: Sie können diese Verteilungswirkung nur im Gesamtzusammenhang beachten. Wir haben bewußt 1986 die Entlastungen für die unteren Einkommensgruppen und die Besserstellung der Familien als ersten Schritt vollzogen, weil das am dringendsten war. Wenn Sie fair argumentieren, müssen Sie natürlich die Gesamtentlastung 1986 und 1988 zusammennehmen,
wenn denn noch eine von rationalen Argumenten bestimmte Diskussion in diesem Hause erfolgen soll.
Dagegen würden nach dem vorliegenden SPD-Antrag die steuerlichen Grenzbelastungen für die Bezieher mittlerer Einkommen in unvertretbarer Weise erhöht. Auch diese Diskussion, meine Damen
und Herren, haben wir ja in Verbindung mit dem sogenannten Rau-Tarif bereits im letzten Jahr geführt. Bereits ab 1988 würden nach Ihren Vorstellungen zahlreiche Facharbeitereinkommen in einem wesentlich stärkeren Maße als nach den Steuervorschlägen der Bundesregierung der Besteuerung unterworfen. In den Fällen, in denen es nach den SPD-Vorschlägen zu einer anfänglichen Entlastung käme, würde der steilere Progressionsverlauf schon nach wenigen Jahren zu Mehrbelastungen führen.
Wir müssen endlich einmal versuchen, darüber Einvernehmen zu erzielen, daß die ökonomischen und sozialen Wirkungen einer anspruchsvollen Steuerentlastung, einer weiterführenden Steuerreform nicht nur in der Momentaufnahme bewertet werden können. Wir müssen von der Wirklichkeit der arbeitenden Menschen ausgehen, die, wenn sie heute 35 oder 45 sind, in der Perspektive ihres Berufswegs doch die berechtigte Erwartung haben, daß ihre steuerpflichtigen Einkommen in zehn Jahren einmal um 30 %, 50 %, im Falle beruflichen Aufstiegs auch um 60 höher sein werden als heute. Diese Zeitachse gehört zu einer vertieften steuerpolitischen Debatte. Es macht keinen Sinn, einem 35jährigen zu sagen: Solange du 32 000 DM verdienst, bist du geringer Verdienender und mußt entlastet werden; aber wenn du später einmal 52 000 DM verdienst, dann bist du ein höher Verdienender und mußt belastet werden. Das macht doch keinen Sinn, wenn wir eine langfristig angelegte Steuerpolitik mit Hilfe eines vernünftigen und dauerhaften Steuertarifs erreichen wollen.
Ich muß unter dem Gesichtspunkt Steuergerechtigkeit auch noch einmal kurz die SPD-Vorschläge zur Abschaffung der steuerlichen Kinderfreibeträge aufnehmen. Von der steuerlichen Bemessungsgrundlage können heute Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und vieles andere steuerentlastend abgezogen werden. Die Kollegen der sozialdemokratischen Opposition sind für mich bis heute eine überzeugende Antwort darauf schuldig geblieben, warum sie das akzeptiert haben — in ihrer Regierungszeit zum Teil auch noch ausgebaut haben — und nun ausgerechnet die wirtschaftlichen Belastungen, die Eltern für den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder übernehmen, steuerlich nicht im selben System anerkennen wollen.
— Bitter sehr, Frau Matthäus-Maier.