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ID1100912500

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    Plenarprotokoll 11/9 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 9. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Mai 1987 Inhalt: Verzicht des Abg. Dr. Wallmann auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . . . 457A Eintritt des Abg. Weirich in den Deutschen Bundestag 457 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höffkes, Frau Verhülsdonk und Dr Schwörer 457 B Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1986/87 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 10/6562 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 1987 der Bundesregierung — Drucksache 10/6796 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Abbau der Massenarbeitslosigkeit — Drucksache 11/18 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Überstundenabbau — Drucksache 11/136 — Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 457 D Roth SPD 466A Wissmann CDU/CSU 470D Stratmann GRÜNE 475 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 478A Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . . 481 C Glos CDU/CSU 488 D Dr. Jens SPD 491 A Frau Saibold GRÜNE 493 B Kittelmann CDU/CSU 495 B Dr. Ehrenberg SPD 498 A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 500A Hoss GRÜNE 503 A Dr. Lammert CDU/CSU 503D Müller (Pleisweiler) SPD 505 D Doss CDU/CSU 507 B Fragestunde — Drucksachen 11/207 vom 30. April 1987 und 11/221 vom 5. Mai 1987 — Äußerungen des Vertreters der SWAPO Moses Garoeb auf einer Pressekonferenz in Bonn; aus der Sicht der Bundesregierung erforderliche Konsequenzen DringlAnfr 1, 2 05.05.87 Drs 11/221 Lowack CDU/CSU Antw StMin Schäfer AA 509 B ZusFr Lowack CDU/CSU 509 C ZusFr Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE . 510A ZusFr Dr. Sperling SPD 510 B Erhaltung des Verbots von Milchimitationsprodukten und Beibehaltung des § 4 der Fleisch-Verordnung für die Bundesrepublik Deutschland II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Mai 1987 MdlAnfr 1 30.04.87 Drs 11/207 Bindig SPD Antw PStSekr Gallus BML 510C ZusFr Bindig SPD 510C ZusFr Eigen CDU/CSU 511A ZusFr Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 511B Kindergerechte Änderung der Normen des sozialen Wohnungsbaus MdlAnfr 2, 3 30.04.87 Drs 11/207 Dr. Sperling SPD Antw PStSekr Echternach BMBau . . . . 511C ZusFr Dr. Sperling SPD 512A Rechtsqualität des Sondergerichtsurteils gegen Pater Rupert Mayer von 1937; Löschung der Eintragung im Bundeszentralregister MdlAnfr 4, 5 30.04.87 Drs 11/207 Marschewski CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Jahn BMJ 512 C ZusFr Marschewski CDU/CSU 513 A ZusFr Dr. Emmerlich SPD 513B ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . 513 C ZusFr Geis CDU/CSU 513 D ZusFr Dr. Hirsch FDP 513 D ZusFr Dr. Pick SPD 514 A Übernahme von Aufgaben deutscher Zivilangestellter bei den britischen und amerikanischen Streitkräften im Raum Mönchengladbach und im Kreis Kleve durch Angehörige der Stationierungsstreitkräfte MdlAnfr 8, 9 30.04.87 Drs 11/207 Stahl (Kempen) SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 514 C ZusFr Stahl (Kempen) SPD 514 D ZusFr Stiegler SPD 515A ZusFr Dr. Rumpf FDP 515B Entwicklung der Neuverschuldung des Bundes MdlAnfr 10 30.04.87 Drs 11/207 Dr. Mertens (Bottrop) SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 516B ZusFr Dr. Mertens (Bottrop) SPD 516B ZusFr Poß SPD 516D ZusFr Stahl (Kempen) SPD 517 A ZusFr Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 517B ZusFr Stiegler SPD 517 C ZusFr Dr. Struck SPD 517D ZusFr Diller SPD 518A ZusFr Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE . 518B ZusFr Frau Traupe SPD 518B ZusFr Bohl CDU/CSU 518C Einbeziehung der Erhöhung von Verbrauchsteuern zur Finanzierung höherer Beiträge an die EG ab 1988 in die Neuverschuldung des Bundes; Auswirkungen zusätzlicher Belastungen auf die Neuverschuldung 1987 MdlAnfr 11, 12 30.04.87 Drs 11/207 Scherrer SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 518D ZusFr Scherrer SPD 518D ZusFr Poß SPD 519A ZusFr Stiegler SPD 519B ZusFr Stahl (Kempen) SPD 519C Nächste Sitzung 520 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 521 * A Anlage 2 Verbesserung der Insiderregelung zur Förderung von Produktivvermögen in Arbeitnehmerhand angesichts der Manipulationen an ausländischen Börsenplätzen MdlAnfr 6, 7 30.04.87 Drs 11/207 Dr. Solms FDP SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF . . . . 521 * B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Mai 1987 457 9. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1987 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 7. Sitzung, Seite 341/342: In der als Anlage 5 abgedruckte Liste sind die Namen der Abgeordneten Dr. Knabe und Rixe einzufügen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 5. Antretter * 8. 5. Böhm (Melsungen) * 8. 5. Bühler (Bruchsal) * 8. 5. Buschbom 8. 5. Buschfort 6. 5. Frau Fuchs (Verl) 8. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Frau Kelly 6. 5. Kiehm 8. 5. Kolbow 8. 5. Lemmrich * 8. 5. Maaß 6. 5. Magin 8. 5. Dr. Müller * 8. 5. Frau Pack * 8. 5. Reuschenbach 8. 5. Frau Schilling 8. 5. Seehofer 8. 5. Dr. Soell * 8. 5. Steiner * 8. 5. Dr. Unland * 8. 5. Dr. Weng 8. 5. Zierer 8. 5. Frau Zutt 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Solms (FDP) (Drucksache 11/207 Fragen 6 und 7): Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer Bemühungen um die Förderung von Produktivvermögen in Arbeitnehmerhand und in Kenntnis des Mißbrauchs von Insiderwissen an ausländischen Börsenplätzen die bestehende Insiderregelung in der Bundesrepublik Deutschland für ausreichend? Anlagen zum Stenographischen Bericht Wenn nicht, will sie die Beteiligten auffordern, auf freiwilliger Basis eine strikte Anwendung verbesserter Insiderregeln zu garantieren, oder zieht sie eine gesetzliche Regelung der Insiderproblematik vor? Die Börsensachverständigenkommission hat zum Schutze der Anleger gegen die mißbräuchliche Ausnutzung von Insider-Informationen eine freiwillige Regelung erarbeitet und im Jahre 1970 den beteiligten Wirtschaftskreisen zur Annahme empfohlen. Diese Regelung umfaßt Insiderhandels-Richtlinien, Händler- und Beraterregeln sowie eine Verfahrensordnung. Das gesamte Regelwerk ist im Jahre 1976 aufgrund erster praktischer Erfahrungen in überarbeiteter Neufassung vorgelegt worden. Die Insider-Regeln haben bis jetzt 400 börsennotierte Unternehmen (von insgesamt 502) anerkannt; sie repräsentieren mehr als 90 % des an den Börsen zugelassenen Aktienkapitals. Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hat auf Anregung des Wirtschaftsausschusses im November 1974 eine Anhörung von Verbänden und Sachverständigen zur Frage des Schutzes des Publikums vor dem Mißbrauch von Insider-Informationen durchgeführt. Finanz- und Wirtschaftsausschuß haben es danach nicht für erforderlich gehalten, im Rahmen einer damals beratenden Änderung des Börsengesetzes eine gesetzliche Regelung zur Bekämpfung von Mißbräuchen durch Insider einzubringen. Beide Ausschüsse haben sich dafür ausgesprochen, es bei einer Beobachtung der freiwilligen Insider-Regelung vorerst zu belassen. Die Bundesregierung hält diese Ansicht auch heute noch für richtig. Die gegenwärtigen Erkenntnisse rechtfertigen es nicht, die zum Schutz der Anleger gegenüber Insider-Geschäften getroffenen Maßnahmen als unzureichend anzusehen. Die Bundesregierung wird aber auch weiterhin den Wertpapierhandel sorgfältig beobachten und wie bereits in der Vergangenheit ihr Augenmerk insbesondere darauf richten, daß die bestehende Regelung - vor allem auf der Grundlage der konkreten Erfahrungen bei ihrer Anwendung - stets den Erfordernissen einer wirksamen Handhabung gerecht werden. Sie wird eine Verbesserung des bestehenden Anlegerschutzes vorschlagen, falls sich dies als notwendig erweisen sollte.
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    Rede von Albrecht Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anders als heute früh vom Herrn Bundeswirtschaftsminister lächelnd behauptet, ist der Bruch der Konjunktur schon seit vergangenem Herbst glasklar erkennbar gewesen: Die Auftragseingänge beim verarbeitenden Gewerbe gingen seit Juli zurück. „Was dabei besonders unangenehm überrascht, ist der deutliche Rückgang der Bestellungen aus dem Inland." So stand es in einem Beitrag der „Zeit" vom 11. Dezember 1986 unter dem Titel „Abschied vom blinden Optimismus".
    Gut einen Monat später schreiben Sie, die Bundesregierung, dann in Ihrem Jahreswirtschaftsbericht, die wirtschaftliche Entwicklung an der Jahreswende 1986/87 sei dadurch gekennzeichnet, daß die Antriebskräfte von der Auslands- zur Binnennachfrage übergegangen seien. Da reibt man sich verwundert die Augen; denn was die Statistiken schon seit Spätsommer aufwiesen, nämlich den Rückgang der Bestellungen aus dem Inland, wird in einem amtlichen Dokument dieser Bundesregierung noch im Januar 1987 geleugnet, ja ins Gegenteil verkehrt.
    Was fast noch schlimmer ist: Der Sachverständigenrat hat die zitierfähigen Stichworte für diese gewollte



    Müller (Pleisweiler)

    Fehleinschätzung geliefert. Das war im konkreten Fall Beihilfe zum Wahlbetrug.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Institution, die wir geschaffen haben, damit sie mit wissenschaftlichem Sachverstand auf rechtzeitiges Handeln drängt, hat die Belegstellen dafür geliefert, damit sich die Regierung Kohl/Bangemann über den Wahltermin hinwegmogeln konnte: zu Lasten von 2,2 Millionen registrierten und über 1 Million nicht registrierten Arbeitslosen, also insgesamt über 3 Millionen arbeitslosen Menschen. Was Sie uns am 15. Januar als Jahreswirtschaftsbericht präsentiert haben, das war damals schon Makulatur. Kaum eine Vorhersagezahl des Jahreswirtschaftsberichtes stimmt noch. Es ist eine Zumutung für den Deutschen Bundestag, darüber heute noch diskutieren zu müssen.
    Ohne Zweifel hatte dieses Dokument für die Bundesregierung einen hohen propagandistischen Wert. Sie haben damit zur rechten Zeit suggeriert, die Wirt. schaft laufe, wie es auf ihren Flugblättern stand. Dies ging nach dem alten Propagandamuster: Wenn Du den Menschen etwas Unwahres als wahr verkaufen willst, dann wiederhole es und lasse die gleiche Botschaft von verschiedenen, unabhängig erscheinenden aussenden.

    (Eigen [CDU/CSU]: Das müssen Sie mal Herrn Jahn sagen!)

    Sie hatten und haben Kumpane der Fälschung: die Banken und die Industrieunternehmen mit ihren Anzeigen, die sogenannte Wissenschaft, die Verbände mit ihren Erklärungen, die Sie ja heute auch immer zitiert haben.
    Dieser Vorgang vom Januar ist ein Musterbeispiel für den trostlosen Charakter der wirtschaftspolitischen Diskussion. Was für eine produktive Debatte nötig wäre: frischer Wind, Freiheit von Ideologie, selbständiges und differenziertes Urteil, dies alles geht der wirtschaftspolitischen Debatte mehr und mehr ab. Wir haben es heute früh besonders bei Herrn Wissmann und Herrn Bangemann deutlich miterlebt. Die Debatte ist verengt, im übrigen ein Spielfall modischer Strömungen auch in der Wirtschaftstheorie.
    Lassen Sie uns doch etwas differenzierter an die Probleme herangehen. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel nennen: die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Selbst über diesen ideologisch aufgeladenen Begriff kann man ja reden, dann aber doch bitte differenziert.
    Ihr Begriff von Rahmenbedingungen ist zu eng, er ist auf Unternehmen begrenzt. Wo bleibt Ihre Sorge um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Anbieter von Arbeitskraft? Die Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer haben sich in der Zeit Ihrer Regierung wesentlich verschlechtert. Wenn Sie Ihren ideologischen Begriff differenziert gebrauchen würden, dann wüßten Sie, daß diese Verschlechterung der Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer auch unproduktiv ist.
    Zum Beispiel: mit Nichtstun gegen Arbeitslosigkeit erzeugen Sie Druck in den Betrieben und meinen, das fördere die Produktivität. Sie fördern aber statt dessen gleichzeitig ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis. Als Abgeordnete haben wir doch täglich damit zu tun: Da kommen Schlosser und Kfz-Handwerker zu einem, die noch vor 10 Jahren selbstbewußte Partner auf dem Arbeitsmarkt gewesen wären, und wollen in den öffentlichen Dienst. Meinen Sie, diese Folge Ihrer Politik beständiger Arbeitslosigkeit sei produktiv?
    Oder: Sie sind für mehr Flexibilität eingetreten, und Herr Lammert redet von der Blockade des Strukturwandels. Statt dessen behindern Sie durch Nichtstun gegen hohe Arbeitslosigkeit selbst den wirtschaftlichen Wandel. Sie beschränken die produktive, objektive Wahlfreiheit der Arbeitnehmer und damit eben diese produktive, aus eigener Entscheidung getroffene Beweglichkeit. Das ist wieder ein Grund dafür, warum der Wandel eben so schwierig ist.
    Von der Verschlechterung der Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer ist bei Ihnen nie die Rede, weil Arbeitnehmer aus der Sicht der Bundesregierung offenbar nicht zu den Subjekten des Wirtschaftsgeschehens gehören. Arbeitnehmer sind für die meisten von Ihnen Verfügungsmasse ; vielleicht nicht für Herrn Vogt.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

    Das erklärt, warum der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister so dickhäutig zusehen, wie die Konjunktur bei über 3 Millionen Arbeitslosen bricht. 3 Millionen Arbeitslose — das ist, objektiv betrachtet, der wichtigste Posten in Ihrer Regierungsbilanz,

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Worüber haben Sie bloß 1981, 1982 nachgedacht?)

    eine rote Zahl, die das, was Sie so eifrig als schwarze Zahlen in die Welt hinausposaunen, als graue Belanglosigkeit erscheinen lassen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie machen den Schrott und schimpfen jetzt über den Baggerführer!)

    — Hören Sie doch endlich auf, von Erblast zu reden.
    Dieser Mißerfolg charakterisiert Ihre Regierung. Sie persönlich sehen das offenbar nicht als Mißerfolg. Das ist das Traurige, das ist das, was einen aufwühlt.
    Es mangelt Ihnen offenbar auch am Vorstellungsvermögen dafür, welche sozialen und psychischen Folgen Ihr wirtschaftspolitisches Nichtstun hat: Alkoholismus, psychischer Streß, Gewalt in Familien und Gesellschaft. Herr Zimmermann ruft nach neuen Gesetzen gegen die wachsende Kriminalität, und Sie fragen nicht nach dem Naheliegenden: Ist die wachsende Kriminalität nicht auch eine Folge der Ausweglosigkeit von Menschen ohne Beruf und ohne Perspektive?

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Hat die Gewalt in Kreuzberg oder im Heyselstadion vor Jahren nicht auch etwas zu tun mit der Tatenlosigkeit konservativer Regierungen — hier bei uns wie in Großbritannien? Zu diesen naheliegenden Fragen kommen Sie nicht, weil Sie dickhäutig sind.



    Müller (Pleisweiler)

    Die Mehrheit der Menschen in unserem Land hat keinen Einfluß auf den Geist, der die wirtschaftspolitische Diskussion prägt. Sowohl der Jahreswirtschaftsbericht als auch das Sachverständigenratsgutachten sind geprägt vom sozialen Milieu der über Arbeitskraft Verfügenden. Da ist es dann kein Wunder, daß der Sachverständigenrat auch bei 3 Millionen Arbeitslosen noch davon spricht, die heimischen Kapazitäten seien gut ausgelastet. Wirtschaftspolitiker und Sachverständige, die die Interessen der Mehrheit im Blick hätten, könnten so nie sprechen; denn die volkswirtschaftliche Kapazität ist bei 3 Millionen Arbeitslosen nicht ausgelastet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von welchem Land sprechen Sie?)

    Sie ist absolut unterausgelastet. Sie fordert unsere Aktivität heraus, und zwar ohne Scheuklappen.
    Der Sachverständigenrat und die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute werden nicht bezahlt, um die Interessen einer Minderheit der Verfügenden wahrzunehmen. Wir als Opposition können diese Wissenschaft aber nicht zwingen, sich aus ihrem sozialen Milieu zu befreien und gerecht zu beraten. Wir können aber an das Gewissen der Wissenschaft und vielleicht auch an ihr wissenschaftliches Ethos appellieren. Irgendein aufklärerischer Impetus ist vielleicht in dieser Wissenschaft eines Max Weber irgendwann auch noch spürbar. 3 Millionen Arbeitslose und den daraus folgenden Druck auf die noch Arbeit Besitzenden einfach links liegen zu lassen — das ist Ausdruck eines neuen Feudalismus nach dem Motto: Dem Land geht es gut, wenn es den Verfügenden gut geht. Wir sind aber ein demokratisches Land. Deshalb bekämpfen wir diese menschenverachtende Dickhäutigkeit der jetzigen Bundesregierung.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Doss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hansjürgen Doss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Matthias Wissmann, herzlichen Dank für diese Rede, die die Bedeutung des Mittelstandes deutlich gemacht hat.

    (Stratmann [GRÜNE]: Die Bedeutungslosigkeit von Herrn Wissmann!)

    — Herr Stratmann, bei Ihnen ist noch viel zu lernen.
    Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die meinen, Mittelstandspolitik sei nicht alles. Ich sage Ihnen: Ohne Mittelstandspolitik ist alles nichts.
    Einer der roten Fäden, die sich heute hier durch die Debatten gezogen haben, war die Frage: Wie geht es weiter mit unserer Konjunktur? Welchen Einfluß hat der Export darauf? Gestern erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages, Dr. Franz Schoser, dazu, der Außenhandel werde in diesem Jahr nicht weiter wachsen. Wir wissen das; wir haben es heute diskutiert. Wir können also nicht mit weiteren Impulsen aus dem Export für unsere Konjunkturerwartung rechnen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotzdem wird es 1987 Wachstum geben. Der Binnenmarkt hält den Wirtschaftsmotor auf Touren. Was für die vergangenen Jahre galt, wird durch den Jahreswirtschaftsbericht dieses Jahres eindrucksvoll bestätigt. Die Inlandsnachfrage verzeichnet einen stabilen Aufwärtstrend, der in der Lage ist, die niedrigeren Exportquoten dieses Jahres aufzufangen. Jene, die aus einem wenig weniger Aufschwung gleich eine neue Rezession herbeireden wollen, werden sich — wie so oft — als falsche Propheten erweisen. Der Aufschwung trägt, er ist stabil, er steht nicht auf tönernen Füßen. Der scharfe Wind vom Weltmarkt wird uns nicht gleich aus der Bahn werfen.
    Das ist der entscheidende Unterschied zu 1981, als die Kaufkraft im Inland von der Inflation aufgefressen wurde und der Binnenmarkt am Boden lag. Die Zeiten und die politischen Verantwortungen haben sich Gott sei Dank verändert.
    Durch eine verbesserte Eigenkapitalausstattung der exportabhängigen Unternehmen sind selbst längere Flauten zu verkraften, meint der DIHT. Die von interessierter Seite gewünschte Rezession findet nicht statt. Davon sollte wirklich keine Rede mehr sein.
    Die Politik der Bundesregierung, die Politik der Sozialen Marktwirtschaft zahlt sich aus. Stabile Preise, niedrige Zinsen und die von einer vernünftigen Finanz- und Wirtschaftspolitik vorgegebenen Rahmenbedingungen haben die Kräfte des Marktes neu belebt.
    Die Verbraucher haben wieder Vertrauen in die Zukunft. Sie verwenden wieder mehr Geld für den Konsum, statt es in unproduktiven Anlagen anzulegen und es somit dem Marktkreislauf vorzuenthalten. Mehr Konsum, mehr Binnennachfrage — 5,7 % Kaufkraftzugewinn allein 1986; das ist der höchste Zugewinn seit 15 Jahren, und da statistische Zahlen immer ein wenig problematisch sind, sage ich: Es sind rund 40 bis 50 Milliarden DM, die dazukamen; ob man jetzt Programm über Programm macht oder so: Ich glaube, das ist die bessere Lösung. Diese verstärkte Binnennachfrage hat zu einer deutlichen Ertragsverbesserung insbesondere bei der mittelständischen Wirtschaft geführt.
    Die verbesserte Ertragslage hat dort wiederum die Investitionsfähigkeit gestärkt. Mehr Investitionen bedeuten mehr Arbeitsplätze: 600 000 — wir müssen es oft genug erwähnen, damit es auch bei den Damen und Herren der Opposition präsent wird —; und worauf wir besonders stolz sind: Rund ein Viertel davon entfällt auf strukturschwache Gebiete — und das trotz der demographischen Entwicklung.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heutige Arbeitslosenzahl — April 1987 — lautet: 8,8 %. Auch hier ist eine degressive Entwicklung zu verzeichnen. Das ist mein Beitrag zum statistischen Verwirrspiel, das wir hier so gerne spielen.
    Die Bundesregierung hat mit der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft das erfolgreichste „Beschäftigungsprogramm" der letzten 20 Jahre aufgelegt. Sie hat damit erneut bewiesen, daß der Schlüssel für eine erfolgreiche Volkswirtschaft in erster Linie in ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und in



    Doss
    der Motivation derer liegt, die Wirtschaft erzeugen und praktizieren.
    Motivation läßt sich nicht verordnen. Verstetigte Investitionen lassen sich nicht durch Gesetze beschließen. Arbeit entsteht nicht durch Strohfeuerprogramme.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Motivation, die Bereitschaft zur Investition, die Bereitschaft zum Risiko entstehen ausschließlich bei der Aussicht auf Erfolg und Ertrag. Die Wirkung eines staatlichen Programms endet im Regelfall mit dem Auslaufen der dafür eingesetzten Mittel. Die Motivation, der Ideenreichtum, die Kreativität und der Fleiß von 1,9 Millionen selbständigen Mittelständlern sind der Reichtum unseres Landes und durch kein Programm zu ersetzen.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Deswegen hatten Sie in Ihrer Regierungskoalition so viele Konkurse!)

    Sie stellen 64 % aller Arbeitsplätze und 80 % der Ausbildungsplätze. Sie sind das Rückgrat unserer Volkswirtschaft.
    Wirtschaftslehren, die vorgeben, der Staat könne Wirtschaftsabläufe programmieren, Nachfrage und Angebot bestimmen, Löhne und Preise regeln und für ausreichende Beschäftigung sorgen, beglücken Theoretiker in politikwissenschaftlichen Seminaren und führen Unternehmer zur Verzweiflung und Resignation.

    (Stratmann [GRÜNE]: Wer fordert denn so etwas?)

    Auf diese Weise macht man aus Unternehmern Unter-lasser.
    Die Sozialdemokraten mußten am Ende ihrer Regierungsverantwortung diese Erfahrung machen, ohne — was wir alle bedauern — aus diesem Scheitern gelernt zu haben. Sie tragen mit großer Beharrlichkeit ihre alten Programme mit neuen Etiketten vor, die von Angst vor dem Markt gekennzeichnet und von dem unbegrenzten Vertrauen in den Staat als Wirtschaftslenker getragen sind.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Den Schwachsinn kann doch keiner mehr anhören!)

    Die grüne Spielart des extremen Sozialismus reduziert die Vielfalt einer modernen Volkswirtschaft auf den antiquierten Gegensatz von Kapital und Arbeit und leitet daraus antiquierte Forderungen ab.

    (Stratmann [GRÜNE]: Welche?)

    Was die GRÜNEN in ihrem Programm zur Bundestagswahl als Demokratisierung des Wirtschaftsprozesses fordern, ist in Wahrheit nichts anderes als Ausschaltung der selbständigen Unternehmerentscheidung, Aufhebung der Verfügbarkeit über das Eigenturn, also Enteignung der Unternehmer und Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Das muß deutlich und klar gesagt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Maximen unseres Handelns dagegen sind: Mehr Freiheit statt Reglementierung! Mehr Selbstverantwortung statt bürokratischer Kontrollmechanismen! Mehr Aussicht auf Lohn und Gewinn statt Überbelastung mit Steuern und Abgaben! Mehr Markt statt mehr Plan! Mehr Privat statt Staat!

    (Abg. Stratmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich habe ganz wenig Zeit. Ich bin der letzte, und mich beißen die Hunde. So ist das oft im Mittelstand. Ich muß sehen, was ich aus meiner Zeit mache. —
    Die Wirksamkeit und der Erfolg unserer Politik sind an einer deutlich erhöhten Motivation der Unternehmer und der Unternehmen ablesbar. Selbständigkeit hat wieder Zukunft; Initiative ist wieder gefragt.
    Jedes Unternehmen wird investieren, wenn Aussicht auf Rendite besteht;

    (Zuruf von der SPD)

    und jede Investition sichert Arbeitsplätze und schafft neue. Gewinnerwartung und das Zutrauen in die Stabilität der politischen Rahmenbedingungen sind die Grundlagen einer verantwortungsvollen langfristigen Investitionsentscheidung.
    In einem Land ohne Rohstoffe und mit bescheidenen Energiereserven, das seine Wirtschaftskraft nahezu ausschließlich aus den Köpfen und Händen seiner Bürger schöpft, kann Politik nur erfolgreich sein, wenn sie auf die Förderung der Motivation dieser Bürger ausgerichtet ist.
    Eine erhöhte Leistungsbereitschaft, die bereits heute infolge deutlicher Entlastungen im steuerlichen Bereich in der mittelständischen Wirtschaft festzustellen ist, ist Ausdruck gewachsener Motivation.
    Die Reduzierung der 70%igen Steuerlastquote — in der gestrigen Ausgabe der „Welt" erneut nachlesbar — gibt Unternehmen wieder mehr Handlungsspielraum und Investitionsanreize. Besonders im Mittelstand sind wegen der dort noch vorhandenen nur knappen Eigenkapitaldecke weitere Schritte nötig.
    Die in diesem Jahr in Kraft getretenen Gesetze, z. B. Börsenzulassungsgesetz, Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger, haben die Möglichkeiten der Beschaffung von investiv einsetzbarem Kapital zwar deutlich erweitert, die schwierige Eigenkapitalsituation der mittelständischen Betriebe — durchschnittlich 10,1 % — aber nicht gelöst.
    Das Lämpchen vor mir leuchtet. Die Rede, die ich mir vorgenommen habe, ist erst zur Hälfte vorgetragen.
    Wir sind auf dem richtigen Weg. Der Jahreswirtschaftsbericht wird nicht nur durch die Gutachter, sondern auch von den die Bundesregierung tragenden Fraktionen bestätigt. Daß wir auf dem richtigen Weg sind, beweisen die Zahlen und Fakten.

    (Stratmann [GRÜNE]: Sagen wir: „auf dem richtigen Holzweg" ; dann kommen wir der Wahrheit näher!)

    Das bestätigt auch die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler. Wir sind gestärkt auf diesem Weg.
    Wir werden zum Erfolg dieses Landes so weiterarbeiten wie bisher.



    Doss
    Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht entspricht unseren Erwartungen. Er ist gut und ermutigt, so fortzufahren.
    Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

    (Beifall bei der CDU/CSU)